- Raphael Pacher
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Raphael Pacher (* 21. Juli 1857 in Iserthal [tschechisch Řeky, heute Stadtteil von Semily/Böhmen]; † 23. März 1936 in Wien) war ein Politiker in Böhmen und Österreich. Er wurde zum Landeshauptmann von Deutschböhmen gewählt, war Mitglied der provisorischen Nationalversammlung und wurde als Staatssekretär für Unterricht zum erster Bildungs- und Unterrichtsminister der Republik Österreich ernannt.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Herkunft und Studium
Raphael Pacher wuchs als Sohn des Kreishauptmanns von Saaz auf. Er besuchte nach der Volksschule das Kleinseitner deutsche Gymnasium in Prag, wo er Mitglied der penalen Burschenschaft Quercus wurde. Sein Studium der Germanistik und Geschichte absolvierte er von 1876 bis 1881 an der Karl-Ferdinands-Universität in Prag. Dort gründete er mit Schulfreunden (u.a. mit Ludwig Außerwinkler) die akademisch-technische Burschenschaft Teutonia, der er bis zu seinem Tod verbunden blieb.
Berufliche Tätigkeit
Seit 1880 arbeitete Pacher als Journalist und war als Redakteur und Schriftsteller verschiedener deutschnationaler Zeitungen in Brünn, Warnsdorf, Reichenberg und Wien tätig. Seit 1895 war er Redakteur der „Deutschen Zeitung“ und dann der „Ostdeutschen Rundschau“ in Wien.
Politische Tätigkeit
Pacher gründete den „Deutschen Klub“ in Prag und den „Deutschnationalen Verein“ in Brünn. Von 1899 bis 1913 war er als Anhänger Georg von Schönerers deutschnationaler Abgeordneter des Böhmischen Landtags für den Wahlbezirk 86 (Komotau-Preßnitz-Weipert) für die „Freideutschen“. Pacher war großdeutsch eingestellt und verstand sich stets als „deutscher Irredentist“.[1]
Wegen parteiinterner Konflikte (insbesondere über die Los-von-Rom-Bewegung) trennten sich Pacher, Karl Hermann Wolf, Josef Herold und Anton Schalk 1902 von der Schönerer-Gruppe und gründeten die Freialldeutsche Vereinigung (eigentlich Freie Vereinigung Alldeutscher Abgeordneter). 1903 wurde der Name in Deutschradikale Partei geändert. Bis 1905 traten die meisten Abgeordneten der Schönerer-Gruppe der Deutschradikalen Partei bei.
Von 1901–1918 war Pacher zunächst Abgeordneter des Reichsrates für die Alldeutsche Partei, dann für die Deutschradikale Partei (Stimmbezirk Karlsbad-Komotau). Sein politischen Wirken ist vor allem bestimmt durch seinen Einsatz für die Schaffung und Selbstverwaltung einer Provinz Deutschböhmen und damit der verwaltungsrechtlichen Trennung von der tschechischen Volksgruppe in Böhmen. 1908–1918 war Pacher Obmann des „Bundes der Deutschen in Böhmen“, einem wirtschaftlichen Schutzverein und wurde Vorstandsmitglied des „Deutschnationalen Vereins“ für Österreich.
Im Jahre 1918 kam es immer häufiger zu Forderungen auf Eigenständigkeit der verschiedenen Völker in der k.u.k. Monarchie. Ministerpräsident Max Hussarek von Heinlein scheiterte am 26. September mit seinem Angebot den Tschechen weitgehende Autonomie einzuräumen, da der tschechische Nationalrat in Paris die Loslösung der böhmischen Länder von Österreich vorbereitet hatte.
Nachdem die tschechischen Vorbereitungen zu Gründung eines eigenen Staates konkretere Formen annahmen, gelang es Pacher gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Josef Seliger – womit Josef Titta zuvor mit dem Deutschen Volksrat für Böhmen scheiterte - alle Deutschen Parteien und Abgeordneten am 14. Oktober zu einer gemeinsamen Koalition im böhmischen Landtag zu vereinen. Jene Koalition beschloss am 23. Oktober einen zwölfgliedrigen Ausschuss zur Vorbereitung der Konstituierung der Republik Deutschböhmen einzusetzen. Pacher war gemeinsam mit Seliger und Rudolf Lodgman von Auen richtungsangebendes Mitglied des Ausschusses. Die Ereignisse beschleunigten sich, als am 28. Oktober 1918 die Tschechoslowakei ausgerufen wurde und damit zu rechnen war, dass die Prager Regierung auch auf die deutschbesiedelten Randgebiete mit 3,2 Millionen Deutschen Anspruch erheben würde.
Jene Koalition vom 14. Oktober proklamierte deshalb auf Grundlage der Ausführungen des zwölfgliedrigen Ausschusses am 29. Oktober die Republik Deutschböhmen mit Sitz in Reichenberg. Raphael Pacher wurde zum ersten Landeshauptmann ernannt.
Er stand vor der Aufgabe, die Vereidigung der Beamten auf den neuen Staat zu übernehmen, neue Ämter zu schaffen, die in Folge des Ersten Weltkrieges katastrophale Versorgungslage der Bevölkerung zu klären und die Kriegsheimkehrer zu integrieren. Außerdem sollten deutsche Truppen ausgehoben werden, da mit dem Einmarsch der tschechoslowakischen Armee nach Deutschböhmen zu rechnen war; dieser erfolgte am 13. November. Die Arbeiten der Landesregierung unter Pacher sahen auch vor, dass Deutschböhmen Teil der am 23. Oktober ausgerufenen Republik Deutschösterreich wird.
Jenes Anliegen proklamierte Pacher als böhmischer Abgeordneter in der verfassungsgebenden Nationalversammlung in Wien. Die Nationalversammlung ernannte den Sozialdemokraten Karl Renner zum ersten Kanzler der Republik Deutschösterreich. Als Renner bei der Bildung seines Kabinetts Raphael Pacher zum Staatssekretär für Unterricht vorschlug, übergab Pacher am 5. November das Amt des Landeshauptmanns von Deutschböhmen an den 20 Jahre jüngeren parteilosen Rudolf Lodgman von Auen. Das Amt des Staatssekretärs für Unterricht übte Pacher vom 30. Oktober 1918 bis zu seinem freiwilligen Rücktritt am 15. März 1919 aus.
Die deutschböhmischen Gebiete unterstütze er weiter in führender Position des Wiener „Hilfsverein für Deutschböhmen und das Sudetenland“. Pacher war Präsident des österreichischen Schulbücherverlages.
Neben Georg von Schönerer, Karl Hermann Wolf, Otto Steinwender und Arthur Stölzl zählte Pacher zu den führenden Köpfen der deutschnationalen Bewegung in Österreich.
Pacher wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab beigesetzt.
Ehrungen
- Die Städte Komotau und Dlaschkowitz verliehen ihm die Ehrenbürgerwürde.
- Bei den Studentenverbindungen Wiener akademische Burschenschaft Albia und die Grazer akademische Burschenschaft Arminia wurde er 1926 und 1928 als Ehrenbursch Mitglied.
Publikationen
- Deutschböhmen, wie es gesetzlich bereits besteht, Reichswahlordnung und Kreiseinteilung. 1918.
Einzelnachweise
- ↑ Harald Bachmann: Adolf Bachmann. Ein österreichischer Historiker und Politiker. Verlag Lerche, München 1962, S. 102.
Literatur
- Harald Bachmann: Pacher Raphael. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 7, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1978, ISBN 3-7001-0187-2, S. 280.
- Harald Bachmann: Raphael Pacher und die deutschradikale Bewegung in den Sudetenländern. In: Bohemia 5 (1964), S. 447–458.
Weblinks
- Literatur von und über Raphael Pacher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Raphael Pacher auf den Webseiten des österreichischen Parlaments
Unterrichtsminister – Erste Republik:
Pacher | Renner | Eldersch | Breisky | Glanz | Breisky | Waber | Breisky | Schneider | Resch | Rintelen | Schmitz | Czermak | Schober | Srbik | Czermak | Rintelen | Schuschnigg | Pernter | Menghin
Unterrichtsminister – Zweite Republik:
Fischer | Hurdes | Kolb | Drimmel | Piffl-Perčević | Mock | Gratz | Sinowatz | Zilk | Moritz | Hawlicek | Scholten | Busek | Gehrer | Schmied
Wissenschaftsminister (1970–2000):
Firnberg | Fischer | Tuppy | Busek | Scholten | Einem
Bildungsminister (2000–2007):
Wissenschaftsminister (seit 2007):
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