Richard Walter Darré

Richard Walter Darré
Richard Walther Darré

Richard Walther Darré (eigentlich Ricardo Walther Oscar Darré, auch Richard Walter Darré; * 14. Juli 1895 in Belgrano, Buenos Aires, Argentinien; † 5. September 1953 in München) war ein deutscher Politiker in der Zeit des Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Darré wurde als Sohn des Kaufmanns und Leiters des Handelshauses Hardt & Co., Richard Oskar Darré, und seiner Ehefrau Emilia Berta Eleonore (geb. Lagergren) geboren. Durch den Beruf des Vaters zog die Familie häufig um. Darré verbrachte seine Kindheit in Belgrano, einem Viertel von Buenos Aires, wo er die deutsche Schule besuchte. Später kam er in Deutschland an die Oberrealschule in Heidelberg, das Pädagogium Godesberg, sowie an die King's College School in Wimbledon.

Nach der freiwilligen Teilnahme am Ersten Weltkrieg als deutscher Soldat an der Westfront schloss er sich als Leutnant kurz einem Freikorps in Berlin an.

1920 beendete er das Studium zum Diplomkolonialwirt an der Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen. Später begann er zusätzlich ein Studium der Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Viehzucht und Vererbungsfragen in Gießen und schloss es 1925 in Halle (Saale) mit Diplom ab. Sein Interesse fokussierte sich auf genetische Fragen, besonders den Menschen betreffend.

1922 heiratete er Albertine Staadt.

Da er an der Universität keine weitere Stelle erhielt, übernahm er staatliche Auftragsarbeiten auf dem Gebiet der Zuchtauslese. 1927 folgte eine Studienreise nach Finnland und von 1928 bis 1929 war er landwirtschaftlicher Sachverständiger der Deutschen Gesandtschaft in Riga.

Schon früh lernte Darré beim rechtsnationalen Bund der Artamanen Heinrich Himmler kennen. Geprägt von dieser Umgebung veröffentlichte er 1929 sein erstes Buch Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse.

1930 folgte die Schrift Neuadel aus Blut und Boden, in der er versuchte, die Weltwirtschaftskrise und den Zerfall der Weimarer Republik mit antisemitischen, antisowjetischen und antikapitalitischen Argumenten zu begründen. Er begeisterte sich dabei für eine „geistige und rassische Erneuerung durch die Hinwendung zur Agrarwirtschaft“ und eine Abkehr von der Industrie.

Durch Vermittlung des Architekten Paul Schultze-Naumburg traf er Hitler und wurde von diesem beauftragt, ein Agrarprogramm für die NSDAP auszuarbeiten. Darré wurde so zum Berater Hitlers in landwirtschaftlichen Angelegenheiten und Leiter des Agrarpolitischen Apparats der Reichsleitung.

Im Juli 1930 trat Darré der NSDAP (Mitglieds-Nr. 248.256) und der SS (Mitglieds-Nr. 6.882) bei und wurde durch den Aufbau der Propaganda im landwirtschaftlichen Bereich zu einem der wichtigsten Helfer der Partei bei den folgenden Wahlen. Ab 1931 leitete Darré das neu gegründete Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) innerhalb der SS. Im selben Jahr heiratete er Charlotte von Vietinghoff.

1932 gründet er die Monatsschrift Deutsche Agrarpolitik, ab 1939 Odal. Darin propagierte er seine Vorstellungen vom Bauernadel.

Zeit des Nationalsozialismus

Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde er 1933 er Leiter des Parteiamts für Agrarpolitik. Er übernahm auch den Vorsitz der „Reichsführergemeinschaft“ der vereinigten landwirtschaftlichen Verbände und wurde am 28. Mai zum „Reichsbauernführer“, am 29. Juni zusätzlich zum Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und hat damit die Leitung der gesamten deutschen Agrarpolitik inne.

Darré bei einer Kundgebung in Goslar 1937

In der Folge beschloss die Regierung das Reichserbhofgesetz, das die Vererbung von Hofstellen reglementierte und die Erbteilung ausschloss. Ebenso baute er den so genannten Reichsnährstand auf, der alle Personen und Verbände, die an der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte mitwirken, vereinigte und gleichschaltete. Als Propagandaveranstaltung führte er auch das jährliche Reichserntedankfest auf dem Bückeberg bei Hameln und in Goslar ein, den sogenannten "Reichsbauerntag".

Darré war ab Ende 1932 Mitglied des Reichstags und ab November 1933 Reichsleiter, SS-Gruppenführer, Mitglied der Akademie für Deutsches Recht und Ehrenpräsident der Deutschen Landwirtschaftlichen Gesellschaft. 1936 erhielt er das Goldene Parteiabzeichen.

In seiner Schrift Blut und Boden, ein Grundgedanke des Nationalsozialismus griff er die Blut-und-Boden-Thesen erneut auf. So geriet er immer mehr in Gegensatz zum Beispiel zu der von Hermann Göring geleiteten Vierjahresplan-Verwaltung, zu Hjalmar Schacht und zur Reichsbank. Während Darré an eine Rückkehr zu Verhältnissen wie vor der industriellen Revolution dachte, rüstete das Dritte Reich im Sinne der Kriegswirtschaft die Industrie auf.

Als im September 1938 ein Konflikt mit Himmler hinzukam, da Darrés Pläne zur Förderung bäuerlicher Siedlungen im Reich dessen Vorstellungen von der Ostsiedlungspolitik widersprachen, wurde er als Leiter des RuSHA abgesetzt. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs trat Darré 1939 auch als Minister für Ernährung und Landwirtschaft immer mehr in den Hintergrund, verlor an politischer Bedeutung und wurde schließlich am 16. Mai 1942 entlassen. Ihm wurde persönliches Versagen vorgeworfen, sein Nachfolger als Minister wurde 1943 Herbert Backe.

Kriegsende und Festnahme

Die letzten Kriegsjahre verbrachte er zurückgezogen in einem Jagdhaus in der Schorfheide. 1945 wurde er verhaftet und auf dem Gelände der Flakkaserne Ludwigsburg inhaftiert. Vom amerikanischen Militärgericht wurde er wegen der Beschlagnahme des Eigentums polnischer und jüdischer Bauern, sowie wegen der Anordnung, deutschen Juden die Grundnahrungsmittel zu verweigern und dadurch Zivilpersonen dem Hunger auszuliefern, angeklagt. Am 14. April 1949 wurde Darré im Wilhelmstraßen-Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Plünderung und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation zu sieben Jahren Haft verurteilt, aber bereits im August 1950 aus der Kriegsverbrechergefängnis Landsberg wieder entlassen.[1]

Die letzten Lebensjahre verlebte er in Bad Harzburg und starb am 5. September 1953 in einer Münchner Privatklinik; beerdigt ist er auf dem Friedhof an der Hildesheimer Straße in Goslar.

Darré als Förderer einer eigenen NS-Staatssymbolik

Darré war einer der vehementesten Verfechter einer eigenen („arteigenen“) Wappenkunst im Nationalsozialismus. Bereits 1930 hielt er die Wiedererschaffung eines „echten Adels im altgermanischen Sinn“ für erforderlich, dessen Angehörige unter anderem am „Tragen der Waffe“ sowie dem Besitz von erblichen, unveräußerlichen „Hegehöfen“ erkennbar sein sollten.[2]

Die ersten konkreten Hinweise auf Darrés Absichten stammen vom Januar 1934, als die Errichtung einer „Ehrenhalle“ für die Mitglieder des „Reichsbauernrates“ vorgeschlagen wurde. Allen Mitgliedern sollten Wappen verliehen werden, die schließlich im Gebäude ausgestellt werden sollten.[3] War zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht klar, wie diese auszusehen hatten, entwickelte Darré in Zusammenarbeit mit bedeutenden Heraldikern, wie etwa dem Berliner Künstler Hanns Bastanier, bald die ersten Entwürfe. Insbesondere die doppelte „Sig“-Rune (Zeichen der SS) sowie die „Odals“-Rune sollten Bestandteile der neuen Wappen werden. Letztere Rune war für Darré der „Schlüssel zum Verständnis der germanischen Weltanschauung“, die „Wortzusammenfassung von Blut und Boden“.[4]

Im April 1936 plante die „Reichsbauernführung“ sowohl die Schaffung einer eigenen „Wappenrolle“ als auch die Gründung eines „Vereins für bäuerliche Sippenkunde und bäuerliches Wappenwesen“.[5]

Darré hielt 1936 eine Rede vor dem „4. Reichsbauerntag“ in Goslar, in der er unter anderem erklärte:

Wer den Ahn nicht ehrt, ist der Enkel nicht wert. Hier liegt der Schlüssel zum Geheimnis des Verständnisses der Ewigkeit eines Geschlechtes. Aus diesem Grundgedanken heraus werden wir auch wieder zum bäuerlichen Wappen kommen, allerdings ohne in die ganze höfische Spielerei der Heraldiker von Fach zu verfallen. (…) Ursprünglich hat das Wappenbild geredet und seinen Träger gekennzeichnet. Wenn uns heute noch der Schlüssel fehlt, um die alten Runen und Farben in den Wappenschilden zu lesen, so können wir doch das Vertrauen haben, daß der Schlüssel hierzu dereinst wiedergefunden werden kann. (…) Bis aber der Schlüssel gefunden ist, werden wir uns aus unserem bäuerlichen Gefühl heraus die Wappen schaffen, die uns etwas zu sagen haben.[6]

Aufforderungen an die Bauernschaft, alte Hausmarken zu sammeln, sowie so genannte „Dorfsippenbücher“ anzulegen, führten letztlich aber nur zu rudimentären Ergebnissen, nicht zuletzt deshalb, weil die Mitarbeiter des „Vereins für Sippenkunde“ zum Heeresdienst eingezogen wurden.[7] Daher stellte man im Juni 1940 alle Tätigkeiten ein, womit gleichzeitig Darrés Pläne zur Schaffung „bäuerlich-nationalsozialistischer“ Wappen ein Ende fanden.

Literatur

  • Anna Bramwell: Blood and Soil. Walther Darre and Hitler's Green Party. The Kensal Press 1985 ISBN 978-0-946041-33-6 ISBN 0-946041-33-4
  • Robert M. W. Kempner, Carl Haensel: Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozess. Schwäbisch Gmünd 1950
  • Adam Tooze & Yvonne Badal (Übers.): Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im NS Siedler, München 2007 (zuerst engl. 2006) ISBN 978-3-88680-857-1, passim, insbes. S. 201-239.- Neuaufl. Bundeszentrale für politische Bildung BpB (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Bd. 663) ISBN 978-3-89331-822-3. Neuaufl. Pantheon, München 2008 ISBN 3-570-55056-7 (BILD röm. III: Darré nach einem Blut und Boden-Kongress, genannt "Großkundgebung des Reichsnährstandes" um den 12. Dezember 1937, er verlässt gerade die Stadthalle Goslar, zusammen mit seinem Nachfolger Herbert Backe).
  • Heinz Haushofer: Darré, Walther. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, S. 517.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)
  • Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, 1998, ISBN 3-10-091052-4

Siehe auch

Weblinks

Fußnoten

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 103.
  2. Richard Walther Darré: Neuadel aus Blut und Boden, München 1930, S. 39 ff.
  3. Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Darré, Schreiben Darré an Deetjen v. 7. Januar 1934
  4. Richard Walter Darré: Unser Weg, in Odal, Heft 10, April 1934, S. 689 ff.
  5. Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Darré, Schreiben Rechenbach an Darré und Reischle vom 3. 4. 1936 und 25. 4. 1936
  6. Rede Darrés, in: Der 4. Reichsbauerntag in Goslar vom 22. – 29. November 1936, Archiv des Reichsnährstandes. Berlin 1937, S. 55
  7. Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Darré, Schreiben des Vereins an Darré vom 25. Juni 1940

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