Teilchen

Teilchen

In der Physik bezeichnet man als Teilchen einen Körper, der klein gegenüber dem Maßstab des betrachteten Systems ist. Die innere Struktur eines einzelnen Teilchens spielt dabei keine Rolle, sondern lediglich sein Verhalten als Ganzes gegenüber anderen Teilchen oder äußeren Einflüssen. Insofern sind Teilchen ideale Objekte. Oft beschränkt man sich nur auf bestimmte Eigenschaften des realen physikalischen Objekts, wie die Masse oder die elektrische Ladung, um die Wechselwirkung zu studieren, die mit dieser Eigenschaft zusammenhängt. Je nach Betrachtungsweise kann also ein und dasselbe physikalische Objekt als Teilchen oder als System von Teilchen angesehen werden. Das gilt insbesondere für Atome, genauso aber auch für Atomkerne und auch für die Protonen und Neutronen (siehe Chemie bis Kernphysik). Die nach derzeitigem Verständnis nicht mehr aus kleineren Bestandteilen zusammengesetzten Teilchen werden als Elementarteilchen bezeichnet und im Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschrieben (siehe Standardmodell).

Teilchen wird auch als Kurzwort für Elementarteilchen benutzt. Diese umfassen auf der einen Seite die kleinsten Bausteine der Materie, die nicht wiederum aus kleineren Teilchen zusammengesetzt sind, andererseits die Austauschteilchen wie das Photon, welche die elementaren Kräfte vermitteln.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

In der Quantenmechanik wird ein Teilchen durch eine Welle dargestellt, deren Amplitude die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens angibt (siehe Teilchen in der Quantenmechanik).

In der Festkörperphysik redet man sowohl bei den Gitteratomen von Teilchen, als auch bei den Wellen, mit denen sich deren Anregungen über einem Grundzustand ausbreiten. Dies führt dazu, dass dabei eine Vielzahl von Erscheinungen als Teilchen idealisiert werden, deren Verhalten so anschaulicher beschrieben werden kann: So werden in der quantenphysikalischen Beschreibung die Anregungen eines Kristallgitters als Teilchen aufgefasst, beispielsweise als Polaronen, Excitonen oder Phononen. Löcher in den ansonsten voll besetzten Energiebändern der Elektronen in einem Halbleiter weisen die Charakteristika von Teilchen auf und werden wie positiv geladene Teilchen behandelt.[1]

Verwandte Begriffe

Der Begriff Partikel ist im allgemeinen nicht für Teilchen zu verwenden. In bestimmten Bereichen werden diese beiden Begriffe andererseits vollkommen synonym gebraucht:

  • Verbunde von wenigen Tausenden Atomen oder Molekülen werden synonym als Nanoteilchen oder Nanopartikel bezeichnet.
  • In der Hydrodynamik bezeichnen Teilchen eine möglichst kleine Anzahl von Molekülen. Sie soll groß genug sein, um außer den mechanischen Eigenschaften Ort und Impuls auch Eigenschaften der Thermodynamik wie Druck, Temperatur und Entropie zu besitzen.[2]
  • Partikeltherapie und Teilchentherapie werden synonym verwendet, allerdings werden die dabei eingesetzten Protonen und Ionen in der Physik immer nur als Teilchen bezeichnet. Die gelegentlich in diesem Zusammenhang verwendete Bezeichnung Partikel ist dem englischen particle entlehnt.

Die Bezeichnung ‚Korpuskel‘ für Teilchen ist veraltet. Dennoch bildet die historische Diskussion zwischen Korpuskeltheorie und Wellentheorie bei der Beschreibung des Lichts und ihre Lösung im Welle-Teilchen-Dualismus einen möglichen Ansatzpunkt für die Auseinandersetzung mit der Quantenmechanik.[3]

Von Chemie bis zur Kernphysik

Im 5. Jahrhundert v. Chr. postulierte Demokrit, dass die Materie aus kleinsten, unteilbaren Einheiten zusammengesetzt ist.[4] Diesem Gedanken folgend verwendete John Dalton 1803 für die kleinsten, seiner Meinung nach untrennbaren Teilchen die Bezeichnung Atom (von altgriechisch ἄτομος átomos „nicht zerschneidbar, unteilbar“).

Atome als untrennbare Teilchen zu betrachten, ergibt in der Chemie durchaus Sinn. Sie werden als Objekte verwendet, von denen man als Eigenschaft zunächst nur die Massezahl betrachtet. Ordnet man sie nach der Massezahl (ohne dabei zu wissen, dass diese Ordnungszahl dabei gleichzeitig die Kernladungszahl ist!) und betrachte die chemischen Eigenschaften der so sortierten Elemente, dann erhält man das Periodensystem.[5] Diese Einschränkung auf einzelne Eigenschaften ist durchaus wesentlich für alle Verwendungen des Begriffs Teilchen in der Physik.

Es dauerte von Dalton ein weiteres Jahrhundert (siehe den geschichtlichen Abriss unter Atom), bis Zweifel an dieser Unteilbarkeit der Atome aufkamen: Marie Curie erkannte, dass ein radioaktives Element in ein anderes übergehen kann; Ernest Rutherford konnte in seinem Streuexperiment zeigen, dass die mit Alphastrahlung beschossene Goldfolie weitgehend durchlässig ist. In der Betrachtung des Rutherford-Experiments werden sowohl die einfallenden Alpha-Teilchen, als auch die im Gitter festsitzenden positiv geladenen Atomkerne als Teilchen idealisiert (es könnten genauso geladene Billiardkugeln sein), von denen man nur wenige Eigenschaften betrachtet: die Masse, die Ladung, den Durchmesser und die Geschwindigkeit. Es spielt bei diesem Experiment keine Rolle, ob die Atomkerne irgendeine weitere Struktur besitzen, oder ob sie aus weiteren, kleineren Teilchen zusammengesetzt sind: diese wenigen Eigenschaften der betrachteten Teilchen reichen für die Beschreibung des Experiments und die theoretische Herleitung des Streumusters aus.[6]

Bei der Betrachtung des Bohrschen Atommodells sind die betrachteten Teilchen ein Elektron und ein Atomrumpf (bestehend aus dem Atomkern und möglicherweise Innenelektronen). Wiederum werden die Teilchen auf ihre wesentlichen Eigenschaften reduziert: Ladung und Masse. Mehr Eigenschaften werden den Teilchen nicht abverlangt.

Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann gelang es nachzuweisen, dass bei Beschuss von Uran-Atomen mit Neutronen nicht durch Erhöhung der Massezahl Transurane (mit höherer Kernladungszahl) entstehen, wie man bis dahin annahm (siehe Enrico Fermi, 1934[7][8]), sondern eine Kernspaltung in mittelgroße Elemente stattfindet. Hier lässt sich der Kern nicht mehr als ein einzelnes Teilchen verstehen, sondern nur als aus Protonen und Neutronen zusammengesetzt (gemeinsam Nukleonen genannt von lateinisch nucleus „Kern“). Weitere wichtige Teilchen in der Kernphysik sind Alpha-Teilchen, Elektronen und Neutrinos. Es stellt sich schnell die Frage, was denn die Protonen und Neutronen im Kern zusammenhält, da ja die Protonen alle positiv geladen sind und sich abstoßen müssten. Diese starke Wechselwirkung wird dadurch erklärt, dass man in der Quantenchromodynamik die Nukleonen jeweils als aus drei Quarks zusammengesetzt sieht, die von Gluonen (von englisch to glue „zusammenkleben“) zusammengehalten werden. Die Restwechselwirkung dieser Kraft außerhalb der Nukleonen hält diese ähnlich zusammen, wie die Van-der-Waals-Kräfte die Wassermoleküle zusammenhalten.[9][10]

Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik

Die Teilchenphysik unterscheidet zwischen den Materieteilchen und den Wechselwirkungsteilchen (Austauschteilchen), sowie bei den Materieteilchen zwischen den Elementarteilchen und den zusammengesetzten Teilchen.

Die Elementarteilchen werden durch das Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschrieben. Sie gliedern sich in drei Familien von Leptonen und drei Familien von Quarks. Die Leptonen (von griechisch λεπτος (leptos) „leicht, fein“) sind das Elektron und sein Neutrino, das Myon und sein Neutrino, sowie das Tau und sein Neutrino. Die Familien der Quarks werden mit up und down, charm und strange, sowie top und bottom bezeichnet.

Quarks können in der Natur nicht einzeln auftreten, was als Farb-Confinement bezeichnet wird (siehe auch). Vielmehr bilden sie immer zusammengesetzte Teilchen, die in Abgrenzung von den Leptonen als Hadronen (von griechisch ἁδρός, hadrós, „dick“) bezeichnet werden. Hadronen werden dabei in Mesonen (von griechisch μεσος mesos „Mittel-“) und in Baryonen (von griechisch βαρύς barys „schwer“) unterteilt. Mesonen bestehen aus einem Quark und einem Antiquark, wohingegen Baryonen aus drei Quarks bestehen. Die bekanntesten Vertreter von Baryonen sind dabei das Proton und das Neutron.

Bei den Austauschteilchen betrachtet das Standardmodell das Photon als das Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung. Es ist sehr eng mit den W-Bosonen und dem Z-Boson verwandt, die gemeinsam mit dem Photon die Austauschteilchen für die elektroschwache Wechselwirkung bilden. Das Austauschteilchen für die starke Wechselwirkung sind die Gluonen.[11][12]

Von den vier Grundkräften der Physik fehlt dabei im Standardmodell die Gravitation und ihr Austauschteilchen, das Graviton. So exakt die Ergebnisse des Standardmodells auch mit den Experimenten an den Beschleunigern übereinstimmen ist es bisher nicht gelungen, denselben mathematischen Formalismus auch auf die Gravitation auszudehnen. Dies ist eine der großen offenen Fragen der Theoretischen Physik.[13]

Im Standardmodell werden die Teilchen als masselos angenommen, sie erhalten aber dadurch eine scheinbare Masse, dass sie mit einem bisher noch nicht experimentell nachgewiesenen Teilchen, dem Higgs-Boson wechselwirken.

Quantenmechanische Sichtweise

Beim Übergang zur Quantenmechanik werden aus Teilchen Wellen, die ihre Aufenthaltswahrscheinlichkeiten beschreiben. Trifft z. B. Licht (oder ein Elektronenstrahl) auf einen Doppelspalt, so bildet diese Welle hinter dem Spalt ein Beugungsmuster. Auf einem Fotopapier (oder Schirm) wird das auftreffende Licht (der Elektronenstrahl) immer nur einzelne Punkte treffen. Erst im stochastischen Mittel vieler auftreffender Photonen (Elektronen) wird wieder das Beugungsmuster sichtbar. Diese gleichzeitige Interpretation als Welle und Teilchen wird als Welle-Teilchen-Dualismus bezeichnet.

Im Gegensatz zur Klassischen Mechanik, in der der Zustand des Teilchens durch Ort und Impuls festgelegt ist, können Ort und Impuls in der Quantenmechanik nie gleichzeitig genau gemessen werden (siehe Heisenbergsche Unschärferelation).

In Mehrteilchensystemen werden die Teilchen durch die Anwendung eines Erzeugungsoperators aus einem Vakuumzustand erzeugt. Solche Operatoren spielen insbesondere in der Quantenfeldtheorie eine Rolle. Zwischen den Anfangs- und Endzuständen physikalischer, wechselwirkender Teilchen können dabei virtuelle Teilchen entstehen und wieder verschwinden, die keiner Energie-Impuls-Beziehung genügen und deren Energie keine untere Schranke hat.

Der Teilchenbegriff in der Mathematischen Physik erstreckt sich von Zuständen in Hilbert-Räumen, auf denen man Algebren von Operatoren betrachtet, bis hin zu Wellen, bei denen beispielsweise ein bestimmtes Streuverhalten berechnet werden kann: hierzu zählen unter anderem Solitonen, bei denen es sich um nicht auseinanderlaufende Wellen handelt.[14]

Einzelnachweise

  1. Konrad Kopitzki: Einführung in die Festkörperphysik. Teubner, ISBN 3-519-13083-1.
  2. L. D. Landau, E. M. Lifschitz: Lehrbuch der Theoretischen Physik. Band 6: Hydrodynamik. Pauk Ziesche (Hrsg.), ISBN 3-05-500070-6.
  3. Christian Gerthsen, Hans O. Kneser, Helmut Vogel: Physik. Springer, ISBN 3-540-16155-4, Kap. 16 Quantenmechanik.
  4. Sousanna-Maria Nikolaou: Die Atomlehre Demokrits und Platons Timaios. Eine vergleichende Untersuchung. Stuttgart 1998. ISBN 3-519-07661-6. Beiträge zur Altertumskunde, Band 112.
  5. C. Gerthsen, H. O. Kneser, H. Vogel: Physik. Springer, ISBN 3-540-16155-4, Kap. 12.6.1 Das Periodensystem der Elemente.
  6. C. Gerthsen, H. O. Kneser, H. Vogel: Physik. Springer, ISBN 3-540-16155-4, Kap. 13.1.2 Die Entdeckung des Atomkerns.
  7. Enrico Fermi: Possible production of element of atomic number higher than 92. In: Nature. Band 133, 1934, S. 898–899.
  8. C. Gerthsen, H. O. Kneser, H. Vogel: Physik. Springer, ISBN 3-540-16155-4, Kap. 13.1.6 Kernspaltung.
  9. Klaus Grotz und Hans V. Klapdor: Die schwache Wechselwirkung in Kern-, Teilchen- und Astrophysik. Teubner Studienbücher, ISBN 3-519-03035-7.
  10. Theo Mayer-Kuckuk: Kernphysik. Teubner Verlag, ISBN 3-519-13223-0.
  11. Harald Fritzsch: Elementarteilchen. Bausteine der Materie. C.H.Beck Verlag, ISBN 978-3-406-50846-2.
  12. Bogdan Povh, K. Rith, C. Scholz, F. Zetsche: Teilchen und Kerne. Springer Verlag, ISBN 978-3-540-68075-8.
  13. Lee Smolin: The Trouble with Physics: The Rise of String Theory, the Fall of a Science, and What Comes Next. ISBN 0-618-91868-X.
  14. Philip. G. Drazin, Robin S. Johnson: Solitons. An Introduction. Cambridge University Press, ISBN 0-521-33389-X.

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