WEGA (Sondereinheit)

WEGA (Sondereinheit)
Abzeichen der WEGA

Die Einsatzeinheit WEGA (vom früheren Namen Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) ist eine Sondereinheit der österreichischen Polizei in der Bundeshauptstadt Wien. Sie ist dem Landespolizeikommando Wien, genauer der Abteilung für Sondereinheiten (ASE) unterstellt, zu der auch die Diensthundeeinheit gehört. Die WEGA wird in erster Linie bei Einsätzen mit erhöhtem Gefährdungsgrad angefordert. Auch wenn die WEGA im Laufe der Jahre vielfach reformiert wurde, ist sie die älteste polizeiliche Sondereinheit Österreichs.

Inhaltsverzeichnis

Auftrag

Die WEGA gilt als operative, nicht als ermittelnde Einheit. Das Aufgabengebiet der Sondereinheit unterteilt sich in folgende Sparten:

Wega-Beamter mit Ramme
  • verbarrikadierte Personen
  • Selbstmörder
  • Razzien und Durchsuchungen, bei denen mit Widerstand gerechnet wird
  • risikoreiche Verhaftungen
  • andere Einsätze, bei denen mit Widerstand gerechnet werden muss
  • Einsätze, die Beamte mit Seiltechnikausbildung erfordern
  • Einsätze, die Beamte mit Polizeitaucherausbildung erfordern
  • Auflösung von Hausbesetzungen
  • Greiftruppeinsätze im Rahmen des GSOD
  • Objektschutz von besonders gefährdeten Einrichtungen

Die Interventionen erfolgen durch den Kriminaldienst als auch durch die Kollegen der Polizeiinspektionen. Greiftruppeinsätze im GSOD ergeben sich bei gewalttätigen Demonstrationen oder Ausschreitungen bei Fußballspielen. In diesen Fällen gilt es durch einsatztaktisches Geschick und entschlossenes Auftreten einzelne Gewalttäter aus der Menge zu filtern und in Gewahrsam zu nehmen.

Organisation

Die Ausrüstung und die Struktur der Einheit orientiert sich an jener diverser amerikanischer S.W.A.T.- Teams (z.B. NYPD ESU). Es wird in speziell ausgerüsteten Sektorfahrzeugen in Zweimann-Teams überlagernder Streifendienst versehen. Der große Vorteil der Sektorstreifen ist, dass binnen kürzester Zeit ein vollausgerüstetes Zugriffsteam verfügbar ist. Außerdem werden generell in Wien alle Aufgaben, die den normalen Risikorahmen der Polizei übersteigen, allerdings noch nicht in den Aufgabenbereich des Einsatzkommando Cobra fallen, der WEGA überlassen.

Eine ständige Fort- und Weiterbildung wird im Rahmen des Dienstbetriebes gewährleistet. Versehen die WEGA-Beamten keinen Außendienst als Sektorstreife werden sie zur Ausbildung herangezogen um ihre Fertigkeiten im Bereich des Schießens, der Einsatztechnik und der Einsatztaktik zu trainieren. Anlassbezogen werden natürlich auch Ausbildungsschwerpunkte gesetzt. Im Oktober 2007 vertraten Beamte der WEGA beim "Trinationalen GSOD-Seminar" die Republik Österreich. Bei diesem fünftägigen Seminar, an dem neben der WEGA auch Polizeibeamte aus Deutschland und der Schweiz teilgenommen hatten, wurden sowohl in der Theorie als auch in der Praxis Erfahrungswerte im polizeilichen Ordnungsdienst (im Hinblick auf die Fußball-Europameisterschaft 2008) ausgetauscht.

Rekrutierung und Ausbildung

Beamte beim Üben der Menschenpyramide

Um Mitglied dieser Einheit zu werden, wird ein Mindestmaß an Außendiensterfahrung verlangt. Man muss wenigstens ein Jahr Praxis auf einer Polizeiinspektion versehen haben und eine Auswahlprüfung [1] bestehen. Diese umfasst einen 3000 m Lauftest, Schießtest mit der Glock 17, 6er-Test (Klimmzüge, Standweitsprung, Kastenboomeranglauf, Sit-Ups, Treppensteigtest, Liegestütze), einen Taktikparkour unter physischem und psychischem Stress, welcher binnen 20,5 Sekunden zu absolvieren und bei dem zum Abschluss eine rund 50 Kilogramm schwere Puppe aus der "Gefahrenzone" zu retten ist. Außerdem ist ein psychologisches Auswahlverfahren zu bestehen, bei dem Werthaltungen, emotionale Stabilität, Teamfähigkeit und Motivation geprüft werden.

Bewältigt man diese Tests allesamt positiv und ist man in der darauffolgenden Reihung bei den Besten, wird man zum sechsmonatigen Basisausbildungslehrgang (WEGA BAL) geladen. Es werden die Schieß-, Taktik- und Selbstverteidigungsfertigkeiten geschult. Nach der Grundausbildung werden die neuen „WEGA-MÄNNER“ in die sechs vorhandenen Kompanien aufgeteilt. Als Mitglied dieser können sich die Beamten für folgende Sonderausbildungen bewerben: Seiltechnik, Einsatztauchen, Sicherungsschütze, Techniker, Problemabschiebungen auf dem Luftweg, Panzer- bzw. Wasserwerferfahrer.

Ausrüstung

Gepanzertes Spezialfahrzeug der WEGA
Wasserwerfer

Zusätzlich zur Standardprimärwaffe, der Pistole Glock 17 (mit Laser-Lichtmodul), wird von den WEGA-Beamten im Sektorstreifen- sowie Überwachungsdienst das Steyr StG 77 als Langwaffe mitgeführt. Weiters gibt es die Mehrzweckpistole (MZP von Heckler & Koch) zum Verschießen von Tränengas, den Taser XP26 als Elektroimpulswaffe, den Einsatzstock (Tonfa), verschiedene Pfeffersprays sowie andere Glockmodelle.

Im Fuhrpark der WEGA befinden sich neben den Sektor- und Zivilfahrzeugen auch Spezialfahrzeuge. Unter den Begriff Spezialfahrzeuge fallen ein Radpanzer, Wasserwerfer sowie diverse Einsatzmittelfahrzeuge.

Zur gewaltsamen Objektöffnung bietet das Einsatzmittelfahrzeug der WEGA Geräte wie Motorsägen, Rammen, hydraulische Spreizgeräte u.a.m. Nach jeweiliger Einsatzlage können die Beamten bei der Schutzausrüstung zwischen mehreren Modellen von Schutzwesten bzw. Helmen wählen. Die WEGA-Männer tragen, so wie viele andere internationale Sondereinheiten, das rote Barett als Kopfbedeckung.

Geschichte

Früheres Ärmelabzeichen der WEGA

Die Ereignisse im Zuge des Justizpalastbrandes führten im Jahr 1928 zur Gründung der „Alarmabteilung“ aus den Reihen der Wiener Sicherheitswache. Es hatte sich gezeigt, dass der Wachmann ohne Helm und Gewehr, ohne Gummiknüppel und mit dem damals verwendeten Säbel, der sich als zu lang herausstellte, bei gewalttätigen Demonstrationen nur ineffizient einschreiten konnte. Ebenso fehlte eine entsprechende Ausbildung der herkömmlichen Sicherheitswachebeamten. Da es in den Reihen der Polizei in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg viele Beamte mit Fronterfahrung gab, gestaltete sich die Rekrutierung relativ einfach. Diese Polizisten waren auch bereit, die paramilitärischen Exerzierübungen und Manöver zu absolvieren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die heute als WEGA bekannte Einheit aus der 1955 organisatorisch eingerichteten „Bereitschaftsabteilung“, die im Jahr 1959 wieder in „Alarmabteilung“ umbenannt wurde. Diese bestand aus zwei Einsatzkommanden, so genannten EKOs. Durch die Entwicklung in den 1970er-Jahren (1973 Überfall eines palästinensischen Terrorkommandos auf einen Transport jüdischer Emigranten, 1975 Ermordung des türkischen Botschafters durch armenische Terroristen in Wien und Anschlag auf die OPEC-Konferenz mit Geiselnahme durch ein Terrorkommando unter Carlos) fand ein Umdenken im Innenressort statt und es wurden Einheiten (Gendarmerie Einsatzkommando, WEGA, Kranich) eingerichtet, um gegen die erhöhte Gefährdung durch Terroranschläge gerüstet zu sein. 1994 kam es zu einer Umstellung des Dienstsystems innerhalb der Abteilung auf den 6-Gruppen-Plandienst. Eine weitere Umstellung gab es 2001 mit der Unterteilung in WEGA PEK und WEGA MEK.[2] 2005 fand die bislang letzte organisatorische Umstellung statt und die Abteilung ist seither in der Abteilung für Sondereinheiten des LPK Wien unter dem Namen Einsatzeinheit (EE) WEGA[3] geführt.

Erwähnenswerte Einsätze (Auswahl)

Täterüberwältigung

Seit 1999 wurden folgende erwähnenswerte Einsätze von der WEGA durchgeführt:

  • 1999: Bei der versuchten Festnahme der beiden RAF-Terroristen Horst Ludwig Meyer und Andrea Klump durch WEGA-Beamte in Wien-Donaustadt kam es zu einem Schusswechsel, wobei ein WEGA-Beamter durch zwei Schüsse verletzt und Horst Meyer getötet wurde. Andrea Klump konnte verhaftet werden.[4]
  • 2006: Anfang April wurde der Gambier Bakary J. im Zuge seiner Abschiebung von vier WEGA-Beamten misshandelt. Sie wurden zu bedingten Haftstrafen von sechs bis acht Monaten rechtskräftig verurteilt.[5] Die Disziplinaroberkommission des BKA entschied nach längerem Instanzenzug zwei der Beamten zu entlassen, einer erhielt eine Geldstrafe. Ein weiterer Beamter, der sich bereits im Ruhestand befindet, verlor seine Dienstvertragsrechte.[6]
  • 2006: Bei dem Versuch durch WEGA-Beamte, die verdächtigen Insassen eines BMW zu kontrollieren, rasten diese jedoch davon und lieferten sich mit den Beamten eine wilde Verfolgungsjagd, bei der mehrere Fahrzeuge beschädigt wurden, ehe der Fluchtwagen durch Schüsse eines WEGA-Beamten gestoppt wurde. Zwei Verdächtige wurden dabei verletzt.[7]
  • 2007: Ein mit einer Pistole bewaffneter Trafikräuber richtete diese gegen einen Streifenpolizisten. Ein herbeigerufener WEGA-Beamter konnte durch einen gezielten Schuss den Täter verletzen und überwältigen.
  • 2008: Überwältigung eines psychisch verwirrten Mannes, der den WEGA-Beamten eine wilde Verfolgungsjagd über die Dächer Wiens geliefert hatte und schlussendlich unter Einsatz des eigenen Lebens der Beamten überwältigt werden konnte. Für die herausragende Einsatzbereitschaft wurde der "133 Award" verliehen.
  • 2008: Ein Zug WEGA-Beamter sorgte neben anderen Sicherheitskräften für Ruhe und Ordnung während der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Klagenfurt. Für die Gesamtleistung der WEGA wurde der "Raiffeisensicherheitsverdienstpreis" verliehen.[8]
  • 2009: Im Sikhtempel von Wien-Fünfhaus kam es zu einem Angriff von sechs Personen mit einer Pistole und Stichwaffen auf zwei Prediger und die anderen Gläubigen, wobei ein Mensch starb und mehrere schwer verletzt wurden. Auf Grund des schnellen Eindringens in den Tempel durch mehrere Sektorstreifen der WEGA konnte rasch Sicherheit hergestellt und sämtliche Täter festgenommen werden.[9]
  • 2009: Ein psychisch Verwirrter versuchte sich das Leben durch einen Sprung vom Stephansdom zu nehmen. Durch das Einschreiten der WEGA-Kräfte, die den Mann festhalten und mit einem Seiltechnikeinsatz sichern konnten, konnte dies verhindert werden. Für die erbrachte Leistung wurde abermals der "Raiffeisensicherheitsverdienstpreis" verliehen.[10]
  • 2010: Eine männliche Person lief im Stiegenhaus seiner Wohnbauanlage mit einer Machete Amok. Eine herbeigerufene Polizistin wurde durch mehrere Machetenhiebe an der Schulter verletzt. Alarmierte WEGA-Beamte versuchten den Mann zu tasern. Da er sich nicht stoppen ließ und die Beamten attackierte, eröffnete die Spezialeinheit, nach eigener Aussage in Notwehr, das Feuer. Der Mann wurde verletzt und festgenommen.[11]
  • 2010: Eine lebensmüde weibliche Person versuchte sich durch einen Sprung in den Donaukanal das Leben zu nehmen. Eine Sektorstreife der WEGA konnte den leblosen Körper am Wasser treibend wahrnehmen. Ohne zu zögern sprangen die beiden Beamten in das eiskalte Strömungsgewässer und konnten die Frau ans sichere Ufer bringen. Den anwesenden Rettungskräften gelang es die Person zu reanimieren.[12]
  • 2010: Aus Protest gegen angebliche Menschenrechtsverletzungen blockierte ein Mann ägyptischer Abstammung den Verkehr der Wiener U-Bahnlinie 4, indem er sich, mit einem Messer bewaffnet, in der Station Landstraße auf die Gleise setzte. Erst wurde mit dem offensichtlich verwirrten Mann erfolglos verhandelt, nach ca. eineinhalb Stunden wurde er von der WEGA mittels Taser überwältigt und vom Gleis geholt.[13][14]
  • 2011: Ein geistig verwirrter, mit einem Messer bewaffneter Mann nahm im Parlament eine weibliche Sicherheitsbedienstete als Geisel. Durch ein Ablenkungsmanöver mit einer Blendgrantate konnte die Geisel befreit und der Täter überwältigt werden.[15]

Statistik

Im Jahr 2009 wurde die WEGA als Unterstützungseinheit zur Vollziehung von 785 Festnahmen angefordert. 350 mal verhinderte die Spezialeinheit mittels Anwendung von Körperkraft einen Waffengebrauch. Es wurde 29 mal zur Schusswaffe gegriffen. Ein Schuss wurde abgegeben. 17 Gewalttäter wurden im Rahmen des GSOD festgenommen. (Quelle: BMI-Homepage).

Mediale Rezeption

Im Jahr 2010 entstand für den österreichischen Privatfernsehsender ATV eine 9-teilige Reportageserie des Fernsehproduzenten Andreas Mannsberger. Die Reportageserie wird seit dem 10. Jänner unter dem Titel „WEGA – Die Spezialeinheit der Polizei“ ausgestrahlt.[16][17]

Verweise

Literatur

Weblinks

 Commons: WEGA – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Artikel in der Zeitschrift „Öffentliche Sicherheit“ zum Thema „Wahl mit Qual“. (Ausgabe 01/02 2008)
  2. MEK und PEK Reorganisation 2001
  3. Die Neue WEGA Reorganisation 2005
  4. Als der deutsche Terror nach Österreich kam. Derstandard.at (28. September 2008). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  5. Artikel von orf.at zur Verurteilung der vier WEGA-Beamten.
  6. Artikel von orf.at zur Entscheidung der Disziplinaroberkommission im BKA.
  7. Wilde Verfolgungsjagd durch Wien. News.at (26. Februar 2006). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  8. Raiffeisen Sicherheitsverdienstpreis für Wiener Polizeibeamte. Ots.at (2. Dezember 2008). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  9. Blutiger Angriff auf Sikh-Tempel in Wien. Wien.orf.at (24. Mai 2009). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  10. Gefährliche Kletteraktion auf Stephansdom, Die Presse.com von 2009 (Link nicht mehr abrufbar)
  11. Wien: WEGA stoppt Messer-Mann mit vier Schüssen - "Es war Notwehr". krone.at (15. Juli 2010). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  12. Mutige Polizisten bergen Frau nach Sturz in Donaukanal - Dramatische Szenen. krone.at. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  13. wien.orf.at, 17. Dezember 2010: "WEGA holte Mann von Gleisen der U-Bahn"
  14. kurier.at, 17. Dezember 2010: "Verwirrter legte U4 zwei Stunden lahm"
  15. Polizei beendete Geiselnahme im Parlament derstandard.at, abgerufen am 4.Oktober 2011
  16. WEGA – Die Spezialeinheit der Polizei im Internetauftritt des Fernsehsenders ATV.
  17. DiePresse.com: ATV zeigt Reportageserie zur Polizeieinheit Wega. Artikel vom 5. Jänner 2011.

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