Armin D. Lehmann

Armin D. Lehmann

Armin Dieter Lehmann (* 23. Mai 1928 in Waldtrudering bei München; † 10. Oktober 2008 in Coos Bay, Oregon, USA) war, seit dem Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April 1945 bis zu dessen Suizid am 30. April, als Angehöriger der Hitlerjugend der letzte Kurier und Melder im Führerbunker in Berlin. Er emigrierte nach dem Krieg in die USA, wo er ein überzeugter Friedensaktivist wurde.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Schulzeit

Lehmann wurde als ältestes von sechs Kindern 1928 in einem Haus in Waldtrudering, heute ein Stadtteil von München, geboren. Seine Eltern waren Fritz Armin Lehmann (1904–1979) und Susanne Toni Lemcke (1906–1988). 1932 zog die Familie in die Obergeschosswohnung des Gutshauses Schloss Deschka, nördlich von Görlitz. Bereits im selben Jahr wechselten sie erneut ihren Wohnsitz, diesmal in das Waldgut Horka, wo sie vier Jahre lebten. Während dieser Zeit besuchte Armin Lehmann die Volksschule in Niesky. Mit seinen Eltern und drei jüngeren Schwestern zog er 1936 in ein zweistöckiges Haus in Krauschwitz, nahe der Lausitzer Neiße. Innerhalb eines Jahres fanden sie nach Hoyerswerda, in ein Haus mit der Anschrift Am Adler 12. Dort besuchte Lehmann die ansässige Schule und begann als Neunjähriger mit der Anfertigung erster Gedichte. Fritz Lehmann, der ein Mitglied des SS-Sicherheitsdienstes war, beantragte 1937 die Aufnahme seines Sohnes in eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt in Naumburg (Saale). Diese scheiterte jedoch aufgrund von Gesundheitsproblemen nach einer Prüfungswoche. Schließlich zog der Vater im Spätherbst 1937 berufsbedingt – er stieg später beim Reichssender Breslau zum kommissarischen Sendeleiter auf und wurde daraufhin Kriegsberichterstatter – mitsamt seiner Familie nach Breslau um, wo Armin Lehmann bis 1943 wohnte. Hier besuchte er das Elisabet-Gymnasium. Der Wunsch seines Vaters, dass er, statt an der Napola, an einer Adolf-Hitler-Schule aufgenommen werden sollte, wurde nie erfüllt.

Ausbildung, Kampf und Verwundung

Im Alter von zehn Jahren, am 20. April 1938 (Führergeburtstag), trat Lehmann in das Deutsche Jungvolk ein, wo er bis 1940 alle Anforderungen für das Leistungsabzeichen erfüllte und ihm die Prinzipien des Nationalsozialismus indoktriniert wurden. Wegen häufiger gesundheitlicher Probleme musste er zunächst keinen vormilitärischen Dienst ableisten, der andere aus seiner Altersstufe zu Luftwaffenhelfern an der Flakbatterie befähigte. Stattdessen nahm er die Ausbildung zum KLV-Lagermannschaftsführer in Podiebrad, östlich von Prag im Protektorat Böhmen und Mähren, auf. Hier genoss er die Zeit und schrieb auch weiterhin Gedichte. Ohne sein Wissen schickte der Schulleiter eine Auswahl seiner Werke zum Reichsjugendführer Baldur von Schirach, der ihm darauf in einem persönlichen Schreiben lobte und ermunterte, fortzufahren. Im Sommer 1944 meldete er sich für die im folgenden Frühjahr anstehende vormilitärische Ausbildung bei der Waffen-SS-Gebirgsdivision Nord. Nach seinem Einsatz als Instrukteur an der KLV-Schule, übernahm Lehmann im Herbst 1944 kurzzeitig einen Posten als Lagerleiter im Schloss Ullersdorf in der Nähe seiner alten Schulstadt Niesky. Am Silvesterabend 1944 traf er in Garmisch-Partenkirchen ein und vollzog über drei Wochen die vormilitärische Ausbildung.

Im Anschluss floh er mit dem Zug, trotz der Gefahr als Fahnenflüchtiger erschossen zu werden, nächtens nach Breslau, um seiner Familie während des russischen Vormarsches beistehen zu können. Als er seine Familie nicht auffand, meldete er sich in der KLV-Dienststelle der HJ-Gebietsführung unter Leitung von Karl Gutschke. Dieser nahm Lehmann als Melder in seiner neu erstellten Elite-Einheit Kampfgruppe Gutschke auf, die zum Festungsregiment Breslau gehörte. Am 29. Januar fuhr die Kampfgruppe zur Front, wo sie am Morgen des nächsten Tages in einem Dorf in einen Häuserkampf gegen die Russen verwickelt wurde. Lehmann wurde dabei schwer am Oberschenkel verletzt. Mit vielen Zigaretten und Alkohol half er sich über den Schmerz.

Zur Genese wurde er vorerst in ein nahegelegenes städtisches Krankenhaus gebracht. Sodann wurde er mit dem Zug in die so genannte Lazarettstadt Dresden verlegt. Im dortigen Lazarett angekommen, überraschte ihn die erste Bombardierung der Stadt und er überlebte als einziger von fünf Menschen in einem betonierten Müllbehälter. Mit dem Zug wurde er nach Hof an der Saale verlegt, wo er sich operieren ließ – zwischenzeitlich hatte er weitere Verletzungen durch einen Tieffliegerangriff erlitten – und die Liebe zu der Krankenpflegerin Anne-Maria fand. Im Krankenhaus wurden ihm ferner das Schwarze Verwundetenabzeichen sowie das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse verliehen. Lehmann kurierte seine Verletzungen während eines kurzen Urlaubs bei seinem Großvater in Seefeld-Oberalting aus.

Danach ging er zurück zur Kampfgruppe Gutschke. Auf Befehl von Artur Axmann sollte diese zu Verteidigungszwecken in die Festung Frankfurt (Oder) verlegt werden. In der Mars-la-Tour-Kaserne in Fürstenwalde an der Spree, wo es zu einer mehrtägigen Fortbildung kam, wurden alle HJ-Mitglieder auf direktem Führerbefehl in die Waffen-SS überführt. Am 10. April zog die Gruppe südlich von Bad Saarow Stellung in einer Villa von Robert Ley. Am 16. April traf Reichsjugendführer Axmann ein und wählte für eine Vorstellung kampferprobter Soldaten (Jugendhelden) an Hitlers Geburtstag auch Lehmann aus.

Hitlers letzter Kurier

Am 20. April 1945 begegnete der sechzehnjährige Lehmann Hitler in Begleitung seiner engsten Vertrauten, darunter Joseph Goebbels, Heinrich Himmler, Wilhelm Keitel, Alfred Jodl und Martin Bormann, im Garten seiner Neuen Reichskanzlei in Berlin. Lehmann beschreibt seine Begegnung mit dem Führer wie folgt:

„Obwohl wir den Kopf nicht bewegen durften, schaute ich so weit nach rechts wie möglich und musterte den unfehlbaren, von der Vorsehung auserkorenen Führer unserer Nation an seinem 56. Geburtstag. Er wirkte viel älter. (…) Nun saß sein Kopf tiefer zwischen den Schultern, als wäre er geschrumpft. Seine Schritte kamen mir unsicher vor, und sein ganzer Körper schien zu zittern. Mit seiner stark bebenden linken Hand hielt er seinen Rockschoß fest, um sie unter Kontrolle zu bringen. (…) Aus der Nähe sah Hitler noch älter aus als meine beiden Großväter, die über 70 waren. (…) Hitler trat auf mich zu, (…). Der Führer packte meinen linken Oberarm mit der rechten Hand und hielt ihn ein oder zwei Sekunden lang fest. (…) Ich zitterte, und Hitlers ganzer Körper schüttelte sich unwillkürlich. Er ließ meinen Arm los, um meine ausgestreckte Rechte mit beiden Händen zu umschließen. Er stand nur 30 oder 40 Zentimeter von mir. Seine kalten Augen waren feucht, eine Folge der eingenommen Medikamente, und glänzten. Dunkle Tränensäcke unter den Augen ließen sein runzliges, aschfahles Gesicht noch greisenhafter wirken.“

In Folge wurde Lehmann als Melder in Berlin behalten und nahm von Axmann persönlich Befehle für Kurierfahrten im Auftrag der Reichsregierung an. Mit einem Motorrad der Marke Zündapp und dem Berliner Fahrer Hannes, ein Mechaniker und Mitglied der Motor-HJ, verkehrte er mehrmals zwischen verschiedenen Stationen in Berlin und Umgebung, um kriegswichtige Nachrichten zu überbringen. Dabei wurde er fast erschossen – er verlor auch einen kleinen Finger – und geriet zudem kurz in die Hände von fünf angetrunkenen russischen Soldaten, die ihn beklauten und schlugen, doch er konnte entkommen. Militärische Einsätze führten die beiden Melder beispielsweise ins Olympiastadion, nach Spandau oder zu den Pichelsdorfer Brücken, wo jeweils Kampfgruppen und HJ-Volkssturm-Einheiten stationiert waren. In der Nacht vom 24. auf den 25. April verlegte er zusammen mit hauptamtlichen Vertretern der Reichsjugendführung die Krankenstation von Dr. Gertrud vom HJ-Hauptquartier am Kaiserdamm in die Partei-Kanzlei. Dabei zerstörte er mit einer Panzerfaust einen plötzlich erschienenen sowjetischen T-34. Axmann verlieh ihm daraufhin das Eiserne Kreuz Erster Klasse, das Silberne Verwundetenabzeichen sowie einen Panzervernichtungsstreifen.

Im Laufe der letzten Kriegstage verlor die Reichsjugendführung fast alle ihre Melder durch feindlichen Beschuss, darunter viele zehn bis sechzehnjährige Jungen. Nur Armin Lehmann blieb übrig, der nun ständig zwischen Notlazarett, Luftschutzraum und Telefonzentrale in der Voßstraße, dem Führerbunker und den angrenzenden Ministerien zu vermitteln hatte. Selbst zu diesem, der Niederlage unausweichlich zugehendem, Zeitpunkt erfüllte er seine Aufgabe voller Stolz und im festen Glauben an den Endsieg. Am 27. oder 28. April schickte der Gauleiter Karl Hanke dem Propagandaminister ein Telegramm, dass ihm Lehmann persönlich überreichte. Außerdem nahm er persönlich Nachrichten von Bormann entgegen und traf Eva Braun, Magda Goebbels, Hanna Reitsch, Robert Ritter von Greim, Otto Günsche und Wilhelm Mohnke im Führerbunker. Lehmann erlebte somit die letzten Tage des NS-Regimes direkt mit. Als Adolf und Eva Hitler, die kurz vorher geheiratet hatten, Suizid begingen, war er gerade in der angrenzenden Partei-Kanzlei. Er war Zeuge der von SS-Wachen vollzogenen Verbrennung von Akten und Geheimdokumenten mit der Aufschrift „NUR DURCH OFFIZIER“ im Garten der Reichskanzlei. Zudem erläuterte er, in einem schwelenden Granattrichter vor dem Ausgang des Führerbunkers Arm- und Beinknochen vom verbrannten Hitler und seiner Frau gesehen zu haben. In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 1945 nahm er an dem blutigen Ausbruch aus dem Regierungsviertel teil. Auf der Friedrichstraße nahe der Weidendammbrücke wurde er von Granatsplittern an der Wirbelsäule getroffen und verschüttet. Danach war er kurzzeitig gelähmt, wurde aber von russischen Ärzten gepflegt, die keinen Identitätsnachweis oder eine Erkennungsmarke ausfindig machen konnten. Zuletzt überquerte er ein paar Wochen später die Mulde, um die amerikanische Besatzungszone zu erreichen.

Vereinigte Staaten

Nach dem Krieg besuchte Lehmann zunächst die Deutsche Journalistenschule in München und arbeitete als freier Journalist für diverse Zeitungen in Süddeutschland. Im Jahre 1953 emigrierte er in die Vereinigten Staaten. Von 1955 bis 1957 unterrichtete Lehmann am amerikanischen Streitkräfte-Institut (USAFI) und diente auch als Transport-Koordinator an der Luftwaffenbasis Tachikawa in Japan. Über mehr als 40 Jahre lang arbeitete Lehmann als Tour-Direktor, Berater und Veranstalter in der Reise- und Tourismusbranche. Er hielt umfassende Vorlesungen als Mitprofessor für Reisen und Tourismus an der Airline & Travel Academy der amerikanischen Fluggesellschaft Trans World Airlines und an der Pacific States University in Los Angeles, Kalifornien. Über das Thema Reise und Tourismus verfasste er auch mehrere Bücher und schrieb über 200 Artikel für Zeitschriften der Reisebranche. 1969 wurde er mit dem Preis Community Leader of America Award geehrt. Von 1977 bis 1981 war er Vizepräsident im Bereich Bildung und Ausbildung der Association of Retail Travel Agents (ARTA). 1993 ging der Reiseberater und Besitzer eines Reisebüros Armin Lehmann in den Ruhestand. Daraufhin verbrachte er die Zeit mit der Niederschrift seiner Memoiren.

Lehmann veröffentlichte die englischsprachigen Bücher Hitler's Last Courier: A Life in Transition (dt. Der letzte Befehl. Als Hitlers Botenjunge im Führerbunker) und In Hitler’s Bunker über seine Kindheitserfahrungen in der NS-Zeit, die in sieben verschiedene Sprachen einschließlich Chinesisch übersetzt wurden. Er gibt auch einen Dokumentarfilm über seine Erfahrungen als einer von Hitlers Kindersoldaten mit dem Titel Eyewitness to History.

Friedensaktivist

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, im Alter von 17 Jahren, entschloss sich Lehmann, sein Leben von nun an dem Frieden zu widmen. Als Verfechter desselben nahm er an Professor Linus Paulings „Kampagne für Atomwaffenabrüstung“ teil und hielt Vorträge in Schulen. In Sachen Frieden reiste Lehmann zudem in mehr als 150 Länder, um für Gewaltlosigkeit und Toleranz einzutreten. Lehmann war dreimal verheiratet und hatte eine Tochter.

Bibliografie

Deutsch

  • Armin D. Lehmann: Der letzte Befehl. Als Hitlers Botenjunge im Führerbunker. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2005. ISBN 978-3-40461-568-1

Englisch

  • Margie Boulé: From Hitler’s bunker to Coos Bay. Oregonian, October 21, 2008.
  • Anton Joachimsthaler: The Last Days of Hitler. London: Cassell, 2002.
  • Kelly Knauer (ed.): V-E Day. Time: New York, 2005.
  • Armin D. Lehmann: Hitler’s Last Courier: A Life in Transition. Xlibris Corporation, 2000. OCLC 46606344
  • Armin D. Lehmann, Tim Carroll: In Hitler’s Bunker. Guilford: The Lyons Press, 2004. OCLC 57069258
  • Armin D. Lehmann: Tomorrow’s World: A Book of Peace. Free e-book OCLC 9936795
  • Armin D. Lehmann: Resume, 2007.
  • Gary Lester: Eyewitness To History (DVD). Port Orange: Blue Heron International Pictures LLC, 2007. http://blueheronpix.com/armin_lehmann_for_peace
  • Oliver North: War Stories III. Washington: Regnery Publishing, 2001.

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