- Winfried Kretschmann
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Winfried Kretschmann (* 17. Mai 1948 in Spaichingen, damals Württemberg-Hohenzollern) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen) und seit dem 12. Mai 2011 neunter Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Er vertritt den Wahlkreis Nürtingen im Landtag von Baden-Württemberg und war von 1983 bis 1984 und von 2002 bis 2011 Vorsitzender der grünen Landtagsfraktion. Der praktizierende Katholik Kretschmann gilt als liberal-konservativer Vordenker seiner Partei und war in den 1980er Jahren ein Protagonist des kleinen ökolibertären Flügels der Grünen.[1]
Kretschmann ist der erste von den Grünen gestellte Ministerpräsident in einem deutschen Bundesland.
Inhaltsverzeichnis
Ausbildung und Beruf
Kretschmann ist Sohn liberaler katholischer Eltern, die aus dem heute zu Polen gehörenden Ermland, einer katholischen Enklave im damals mehrheitlich protestantischen Ostpreußen, vertrieben wurden. Sein Vater war von Beruf Lehrer, der wünschte, dass sein Sohn katholischer Pfarrer werde; 1969 verstarb er nach einem Autounfall.
Winfried Kretschmann besuchte nach der Volksschule in Zwiefalten-Sonderbuch ein katholisches Internat in Riedlingen, danach bis zum Abitur 1968 ein Gymnasium in Sigmaringen. Nach dem Grundwehrdienst studierte er an der Universität Hohenheim von 1970 bis 1975 Biologie und Chemie (später noch Ethik) für das Lehramt an Gymnasien und legte 1977 das zweite Staatsexamen ab. Er war Gymnasiallehrer für Biologie, Chemie und Ethik in Stuttgart, Esslingen (Theodor-Heuss-Gymnasium), Mengen, Bad Schussenried und zwischen 1988 und 1992 am Hohenzollern-Gymnasium in Sigmaringen. Für die Erfüllung seines parlamentarischen Mandats ist er beurlaubt.[2][3]
Politische Tätigkeit
Während des Studiums war Winfried Kretschmann mehrere Jahre Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Hohenheim. Er engagierte sich während seines Studiums von 1973 bis 1975 in der Hochschulgruppe des Kommunistischen Bundes Westdeutschland.[4] Nachträglich bezeichnete er diese „68er Sozialisation“ als „fundamentalen politischen Irrtum“.[5]
1979/80 war Kretschmann Mitbegründer der Grünen Baden-Württemberg. 1980 wurde er erstmals für die Grünen in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt, wo er 1983 als Nachfolger von Wolf-Dieter Hasenclever Fraktionsvorsitzender wurde. Kretschmann und Hasenclever galten als Protagonisten des kleinen sogenannten ökolibertären Flügels der Grünen.[6] Dieser bildete sich Ende 1983 als innerparteiliche Opposition zum ökosozialistischen Flügel.[7] Von 1982 bis 1984 gehörte Kretschmann als Nachrücker dem Kreistag des Landkreises Esslingen an. 1986 und 1987 war er als Ministerialrat Grundsatzreferent im ersten grünen Umweltministerium in Hessen bei Minister Joschka Fischer.
1988 wurde Kretschmann wieder in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt, ebenso 1996 und 2001. Von 1996 bis 2001 war Kretschmann Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Verkehr im baden-württembergischen Landtag. Nach der Wahl von Dieter Salomon zum Oberbürgermeister der Stadt Freiburg im Breisgau wurde Kretschmann 2002 zum Fraktionsvorsitzenden der Grünen gewählt. Weiter ist Kretschmann Mitglied des Parteirates von Bündnis 90/Die Grünen auf Landesebene.
Winfried Kretschmann war Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011. Mit 24,2 Prozent der Stimmen und 36 Abgeordneten erreichten die Grünen das beste Wahlergebnis in ihrer Geschichte bei einer Landtagswahl. Sie wurden nach der CDU mit 60 Mandaten und vor der SPD mit 35 Mandaten zweitstärkste Fraktion im Landtag. Kretschmann handelte mit der SPD als Verhandlungsführer der Grünen einen Koalitionsvertrag aus.[8] Am 12. Mai 2011 wurde Winfried Kretschmann von den Landtagsabgeordneten zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gewählt. Er erhielt 73 Stimmen und damit zwei Stimmen mehr, als Grüne und SPD auf sich vereinen. Er ist damit der erste von den Grünen gestellte Ministerpräsident in einem Bundesland. Nach der Wahl stellte er sein Kabinett vor.
Gesellschaftliches Engagement
Winfried Kretschmann ist Mitglied im Diözesanrat der Erzdiözese Freiburg, im Verein der Freunde der Erzabtei St. Martin e. V., im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und im Kuratorium der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Während seines Studiums war er Mitglied in der katholischen Studentenverbindung Carolingia Hohenheim (nichtschlagend, im CV).[9]
Kretschmann gehört den Freunden der Hebräischen Universität Jerusalem und der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur an. Er ist Mitglied im Schützenverein Laiz.[10]
Familie und Privates
Winfried Kretschmann ist seit 1975 verheiratet und hat drei Kinder. Er wohnt in Laiz, einem Stadtteil von Sigmaringen.
Seine Ehefrau Gerlinde Kretschmann war bis 2011 Grundschullehrerin und seit Mitte der 1990er Jahre bis 2009 Mitglied des Gemeinderats von Sigmaringen, zuletzt als Fraktionsvorsitzende der Grünen.[11][12]
Literatur
- Peter Henkel, Johanna Henkel-Waidhofer: Winfried Kretschmann – Das Porträt. Herder Verlag, Freiburg 2011, ISBN 3451332558.[13]
Weblinks
Commons: Winfried Kretschmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Internet-Auftritt von Winfried Kretschmann
- Abgeordneten-Seite von Winfried Kretschmann
- Auszug aus dem Abgeordneten-Handbuch des Landtags von Baden-Württemberg für die 14. Wahlperiode
- Winfried Kretschmann im Gespräch mit Redakteuren der Stuttgarter Zeitung und Lesern Anfang Juni 2011 (1:42 Std.)
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Joachim Raschke, Gudrun Heinrich: Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind, Bund, Köln 1993, S. 474; Ludger Volmer: Die Grünen, C. Bertelsmann, München 2009, S. 138.
- ↑ Der schwäbische »Winnetou«. Focus Online, abgerufen am 4. Juli 2011.
- ↑ Moses aus Sigmaringen. Erst war er im katholischen Internat, dann im Kommunistischen Bund. Zeit Online, abgerufen am 4. Juli 2011.
- ↑ Winfried Kretschmann. Munzinger Biographie. In: munzinger.de. Munzinger-Archiv, archiviert vom Original am 31. März 2011, abgerufen am 31. März 2011.
- ↑ … über mich. In: winfried-kretschmann.de. Winfried Kretschman, archiviert vom Original am 20. April 2011, abgerufen am 20. April 2011.
- ↑ Joachim Raschke, Gudrun Heinrich: Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind, Bund, Köln 1993, S. 250.
- ↑ Jürgen Hoffmann: Die doppelte Vereinigung. Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen des Zusammenschlusses von Grünen und Bündnis 90, Leske + Budrich, Opladen 1998, S. 85; Makoto Nishida: Strömungen in den Grünen (1980–2003). Eine Analyse über informell-organisierte Gruppen innerhalb der Grünen, Lit-Verlag, Münster 2005, S. 95 ff.
- ↑ Koalitionsvertrag zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD Baden-Württemberg. In: gruene-bw.de. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD Baden-Württemberg, 27. April 2011, abgerufen am 27. April 2011.
- ↑ Moses aus Sigmaringen. Zeit Online, abgerufen am 31. März 2011.
- ↑ Mitgliedschaft in Verbänden und Vereinen. In: winfried-kretschmann.de. Winfried Kretschmann, archiviert vom Original am 31. März 2011, abgerufen am 31. März 2011.
- ↑ Gerlinde Kretschmann – natürlich zurückhaltend. Bald Landesmutter. In: stuttgarter-zeitung.de. Stuttgarter Zeitung, 30. März 2011, abgerufen am 20. April 2011.
- ↑ Bündnis 90 / Die Grünen sind im Kreis Sigmaringen in der Amtsperiode 2009/2014 vertreten im: …. In: gruene-sigmaringen.de. Bündnis 90 / Die Grünen Kreisverband Sigmaringen, abgerufen am 20. April 2011.
- ↑ Deutschlandradio Kultur vom 11. Mai 2011: Oberschwabe mit ostpreußischem Migrationshintergrund, Buchrezension von Pieke Biermann
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