Ganggräber in Schleswig-Holstein

Ganggräber in Schleswig-Holstein

Die Einteilung der Ganggräber in Schleswig-Holstein, in eine Nord- und eine Südgruppe der Hünengräber erfolgte durch E. Aner, wobei die Eider in etwa die Grenzlinie darstellt. Da die Großsteingräber beiderseits der Eider mitunter ähnliche Formen aufweisen, kann die Zuweisung bei stark gestörten Anlagen strittig sein. Ganggräber bestehen aus mindestens sechs Trag-, und zwei Decksteinen, sowie einem lateral ansetzenden Gang. Sie entstanden zwischen 3500 und 2800 v. Chr. als Megalithanlagen der Trichterbecherkultur.

Ganggräber sind (nicht nur) in Schleswig-Holstein deutlich seltener als die zeitgleichen Dolmentypen [1], was auch auf alle unmittelbaren Nachbarregionen zutrifft. Wobei typologische Grundformen, die in Schleswig-Holstein vorkommen z.B. auch in Mecklenburg-Vorpommern vertreten sind. Die ovale Kammerform Schleswigs und die trapezoiden Hünenbetten Holsteins jedoch in weit geringer Zahl.

Inhaltsverzeichnis

Nordgruppe

Die Fundorte dieser Gruppe reichen in Schleswig-Holstein von der Flensburger Förde bis über die obere Eider hinaus. Im Westen sind sie auf Sylt und das Mündungsgebiet von Treene und Eider beschränkt. Lediglich ein Ganggrab dieses Typs (Langbett Krausort) liegt in Ostholstein bei Großenbrode.

Grundriss des Denghoog (Wenningstedt)
  1. Der in Schleswig-Holstein nur dreimal vertretene Typ 1 zeigt eine (kleine) polygonale Kammerform, die in Dänemark auf der Kimbrischen Halbinsel weit häufiger ist. Er unterscheidet sich vom Polygonaldolmen (ein Deckstein), durch die größere Anzahl der fast immer parallel zur Gangachse liegenden zwei und mehr Decksteine. Ein Beispiel für ein sehr kleines Ganggrab dieses Typs (mit schräg angesetztem Gang) ist das Ganggrab bei Kampen mit der Sprockhoff-Nr. 1.
  2. Die Vergrößerung des Typs 1 führt zum Typ 2 dem „ovalen“ oder „nordischen Ganggrab“, das in Schleswig-Holstein mit sieben Anlagen vertreten ist. Das besterhaltene Exemplar ist der Denghoog von Wenningstedt auf Sylt. Er hat die größte Grundfläche (15,75 m²), den längsten gedeckten Gang (5,25 m) und drei Decksteine. Die übrigen sechs Anlagen (darunter die Idstedter Räuberhöhle) sind vor allem hinsichtlich ihrer Ganglängen dürftiger.
  3. Die neun Kammern des Typs 3 haben annähernd rechteckige Grundrisse. Sie erreichen Längen von 5,2 m bei bis zu vier Decksteinen und Breiten bis zu 2,2 m. Ihre Form variiert trotz der geringen Anzahl stark. Eine Unterteilung ist aufgrund des reichen Vorkommens im südlichen Dänemark möglich. Einzeln oder in Kombination auftretende Merkmale [2] zeigen die enge Verzahnung mit den dänischen Anlagen:
  • leichte Bauchung einer oder beider Langseiten, nach außen
  • bei acht der Kammern, ein trapezoider Grundriss (Ganggrab von Missunde,
  • überdurchschnittliche Ganglänge
  • stumpfe Winkelstellung der beiden Schmalseitenträger, wie zumeist auch bei Typ 1 und 2 (nicht bei der Anlage von Linden-Pahlkrug, jedoch beim Ganggrab von Archsum auf Sylt )

Südgruppe (Holsteiner Kammer)

Der Verbreitungsraum der Südgruppe in Schleswig-Holstein liegt südlich der Eider, die nur in Richtung der Eckernförder Bucht nach Norden überschritten wird. Mit 58 Anlagen (68%) ist sie doppelt so stark vertreten wie die Anlagen der Nordgruppe.

Die Südgruppe ist gekennzeichnet durch exakt rechteckige Kammergrundrisse. Zur Unterscheidung von den „nordischen Anlagen“ werden sie "Holsteiner Kammer" oder "norddeutsche Langkammer" genannt. Ihre beispiellose Homogenität lässt keine Untergliederung zu. Die Kammerlänge liegt zwischen 3,0 und 8,5 m. Anlagen bis 5,5 m kommen etwa doppelt so oft vor wie längere. Ihre Breite variiert zwischen 1,0 und 2,25 m. Etwa 60 % erreichen eine Breite von 1,5 m. Häufig haben die Anlagen drei, mitunter auch 4-6 Decksteine.

Zugänge

Ein kurzer Gang aus eins bis zwei Steinpaaren konnte bei etwa der Hälfte dieser Anlagen nachgewiesen werden. Eine exzentrische Lage des Ganges tritt bei 40 % der Anlagen (auch denen der Nordgruppe) auf, während die Mittellage (früher als „niedersächsische Kammer“ bezeichnet)[3] bei 20 % (hauptsächlich langen Kammern) auftritt. Bei 40% ist die Gangposition unklar. Die Exzentrizität ergibt sich primär aus der hohen Anzahl von Anlagen mit drei (oder fünf) Tragsteinen auf der Zugangsseite, die zumeist keine mittige Lücke zulässt.[4] Ob eine geringe Anzahl von Kammern gar keinen gestalteten Zugang aufweist, (so genannte Portalgräber) wie es nach Rekonstruktionen von Ernst Sprockhoff und Untersuchungen durch Ewald Schuldt (der Holzkonstruktionen postuliert) [5] aussieht, müssen Ausgrabungen klären.

Typentrennung

Wie es in Schleswig-Holstein zu dieser deutlichen Typentrennung kam, wird damit erklärt, dass die Nordgruppe als der Ausläufer der südjütländischen Ganggräber betrachtet wird.

Die Entstehung der Südgruppe ist unterschiedlich erklärt worden. Man hat z.B. versucht einen Einfluss zu sehen, der von Westeuropa über Holland und Nordwestdeutschland in das Gebiet gelangte. Dieser These widerspricht, dass die Anlagen der Südgruppe wahrscheinlich älter sind als die Emsländischen Kammern. Zudem hat die spezifische Bauart in Westeuropa keine echten zeitlichen Vorläufer. Der laterale Zugang lässt sich von westeuropäischen Vorbildern nur schwer ableiten, obwohl er dort Crec'h Quillé (wie auch in hessisch-westfälischen Galeriegräbern) vorkommt. Für die "Holsteiner Kammern" finden sich die meisten Parallelen im Süden der dänischen Inseln, wo rechteckige Ganggräber mit zum Teil exzentrisch gelegenem Gang dominieren. Jedoch ist im Bereich der dänischen Inseln der Rundhügel, in Holstein dagegen der Langhügel geläufiger. In Ostholstein tritt neben dem Rund- und Langhügel vereinzelt auch der D-förmige Hügel (meist hufeisenfömig genannt) auf (Großsteingrab Blankensee, Gowenz). Bei diesen Anlagen geht der Gang von der geraden Seite der Einfassung aus.

Hügel und Einfassung

Nur 50% der Hügel waren der Form nach bestimmbar. Auch die Reste ihrer Einfassungen, aus Findlingen, oder seltener Teilbereichen aus Trockenmauerwerk (Hünenbetten Archsum, Osterby) waren vielfach erhalten. Im westlichen und nördlichen Verbreitungsgebiet überwiegen runde oder ovale Hügel. Im östlichen die rechteckigen oder (mitunter nur schwach) trapezoiden Langhügel und zwar jeweils im Verhältnis eins zu zwei. Insgesamt liegt die Zahl der (verglichen mit Dänemark) relativ kleinen Rundhügel bei etwa 45%. Nur bei neun Anlagen lag der Durchmesser über 15 m. Hügel in denen Nachbestattungen vorgenommen wurden, wurden teilweise sogar mehrfach überhöht und erweitert und erreichen etwa 30 m Durchmesser. Die Hügelschüttung erfolgte aus Erde, Lehm, Plaggen oder Sand. Mit einer Rollsteinschicht bepackte Hügel, die in Mecklenburg-Vorpommern häufiger sind (14 von 38 untersuchten Anlagen), sind nur vereinzelt vertreten.

Langbetten

Längen der Hünenbetten Schleswig-Holsteins
Schema: Langbett mit Längs- und Querlieger

Etwa 130 Langbetten lassen sich masslich bestimmen. 14 bis 40 m lang sind etwa 62 %. Über 70 m lange Einfassungen finden sich vornehmlich in der Osthälfte Holsteins. Nur vier % der Hünenbetten haben Längen über 100 m. Die imposanteste Gruppe dieser Hünenbetten, mit 115 und 130 m Länge, liegt bei Putlos, im Amt Oldenburg-Land. Die größte deutsche Anlage liegt mit etwa 160 m Länge[6] in Albersdorf, Kreis Dithmarschen. Die so genannten Riesenbetten enthalten fast durchweg Dolmen bzw. sind kammerlos. Nur ein Mal findet sich darin eine Holsteiner Kammer. Die meisten liegen in Hünenbetten zwischen 14 und 30 m Länge. Betten mit zwei und drei, in Dänemark vereinzelt mit vier bis sechs Kammern sind selten länger als 40 m. In Langbetten mit mehr als einer Kammer fällt auf, dass diese in der Regel demselben Typ angehören. In Archsum auf Sylt sind es zwei Urdolmen, in Kampen drei Polygonaldolmen und in 21 weiteren Fällen sind zwei oder drei (Hünenbett von Waabs-Karlsminde) querliegende Rechteckdolmen im Hünenbett vereint. Demnach scheint der Einbau zusätzlicher Kammern zu einer Zeit vorgenommen worden zu sein, in der die entwickelten Bauformen (abgesehen vom Urdolmen) noch gebräuchlich waren (falls sie denn je außer Gebrauch gingen). Man kann die Länge der Riesenbetten, nicht das Raumbedarf für Bestattungen erklären. Vielmehr muss man in ihnen das Bestreben sehen, ein eindrucksvolles Monument zu errichten [7] Im Gegensatz zu Dolmen treten Holsteiner Kammern nie zu zweit im Langbett auf. In Ostenfeld, (Kreis Rendsburg-Eckernförde) findet sich eine Holsteiner Kammer zusammen mit einem, der in Deutschland ungewöhnlich seltenen, schräg gestellten [8] Rechteckdolmen. Offenbar bestand während des Mittelneolithikums in Schleswig-Holstein, anders als in Jütland und auf Seeland kein Erfordernis, mehrere Ganggräber innerhalb einer Einfassung zu vereinen.

Siehe auch

Literatur

  • E. Aner: Die Großsteingräber Schleswig-Holsteins In: Führer zu vor- und frühgeschichlichen Denkmälern 9 1968 S.46-69
  • V. Arnold: Kleine Gräberkunde der Vorgeschichte Teil 1 Großsteingräber aus der Bauernzeit. In: Blätter zur Heimatkunde 1 Beilage der Zeitschrift „Ditmarschen“ 1977
  • E. Schuldt: Die mecklenburgischen Megalithgräber. Deutscher Verlag der Wissenschaft, Berlin 1972.
  • J. Ross: Megalithgräber in Schleswig-Holstein. Hamburg 1992 ISBN 3-86064-046-1

Einzelnachweis

  1. „Schleswig-Holstein ist“ lt. Sprockhoff „das klassische Land der Dolmen in Norddeutschland“
  2. E. Aner 1968 S. 53-63
  3. von Jacob-Friesen und Aner
  4. Analog dazu stellt Ewald Schuldt 1972 S. 37f für Mecklenburg-Vorpommen fest, das alle Ganggräber mit vier oder sechs Tragsteinen auf der Zugangsseite mittig ansetzende Gänge haben
  5. E. Schuldt 1972 S.31
  6. Das längste Hünenbett Dänemarks, die Kardyb Dysse ist 185 m lang)
  7. J. Roß 1992 S. 175: „Da der Bau von Megalithgräbern rational nicht begründet oder erklärt werden kann, müssen wir die Hintergründe im Bereich religiöser Vorstellungen annehmen. Vermutlich sind Megalithgräber nicht nur Grabstätten gewesen, sondern haben darüber hinaus eine Funktion und Bedeutung im religiösen oder kultischen Leben gehabt“.
  8. J. Roß S. 56 „in Ausnahmefällen wie beim Dolmen von Ostenfeld liegt der Eingang an einer Kammerecke (diese Form ist in Schweden häufiger)

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