Verkehrsgeschichte in der Vor- und Frühgeschichte

Verkehrsgeschichte in der Vor- und Frühgeschichte

Der Transport zu Lande steht am Anfang und in Bezug zur gesellschaftlichen Praxis, zur Geomorphologie der Landschaft und zum regionalen Klima. Am Anfang der Geschichte des Verkehrs trug der Mensch seine Lasten. Er entwickelte aber schnell Systeme und Vorrichtungen, die diese Arbeit erleichterten.

Transporte der Frühzeit

Inhaltsverzeichnis

Tragen

Tragen von Lasten

Die Jäger und Sammler waren erst einmal Träger. Ein Träger hat die größte Geländetauglichkeit. Er besteigt steile Berge und benötigt nicht einmal Pfade, um Flüsse oder Seen zu erreichen. Ungeklärt bleibt, ob man den Lasten bis 15 kp tragenden und sehr früh domestizierten Hund bereits als Packtier einsetzte.

Erste Tragehilfen an Land waren der geflochtene Fellbeutel, der Korb, die Kiepe, die Rückentrage, Netze, ausgehöhlte Kürbisse, der Tragriemen oder ein Ast mit dessen Hilfe Jäger ihre Beute und Sammlerinnen das Sammelgut zum Lager trugen. Mit der Entwicklung von Textilien folgte dann das Tragetuch. Das Tragjoch ist eine Einmann-Schultertrage, mit der man noch bis ins 20. Jahrhundert Körbe oder Eimer trug. Lasten werden auch heute von Menschen getragen (Sherpas), in unwegsamen Gegenden sogar über größere Distanzen.

Die Neolithiker bewegten – saisonal bzw. permanent – zwei Arten von Hauptnahrung. Zum einen mussten reife Kulturpflanzen vom Acker zum Wohnplatz transportiert, behandelt und bevorratet werden. Zum anderen wurden von Nomaden Herdentiere bewegt und somit lebend bevorratet. Wann Tragetiere erstmals eingesetzt wurden, lässt sich nicht feststellen. Mit dem Rind wurde aber spätestens im 9. Jahrtausend v. Chr. ein Arbeitstier domestiziert, das Gewichte bis 100 kp tragen konnte. Durch weitere Domestikationen kamen, teilweise erst wesentlich später: Dromedar (150 kp; 50 km/Tag), Elch, Hausesel (90 kp; 25 km/Tag), Gaur, Lama, Pferd, Rentier, Trampeltier (250 kp; 35 km/Tag) sowie Yak und Zebu hinzu, die in unwegsamen Gegenden heute noch als Trag–, Reit– bzw. Zugtier im Einsatz sind.

Ziehen

Mehrfach größer als ihre Trageleistung ist die Zugleistung jeder Tierart. Die zunächst von Kühen geleistete Arbeit setzt die (ggf. mehrfach erfolgte) Erfindung des Jochs zwar nicht voraus, sie kann aber etwa um 3500 v. Chr. in der Badener Kultur unterstellt werden, wo Skelettveränderungen bei Rindern darauf verweisen[1]. Die Belege dafür sind allerdings deutlich jünger. Der Zugleistung für den Transport ging die Arbeit von Ochsen vor dem Pflug voraus. Die seit der Bandkeramik belegte Kastration von Stieren beseitigte ihre Aggressivität und machte die enorme Kraft lenkbar.

Bei ethnologischen Forschungen kamen Peter Bogucki[2] bzw. Paul Halstead[3] zu dem Resultat, dass der Einsatz von Zugvieh die landwirtschaftliche Produktion erheblich steigerte. Primär erfolgte diese über die größere, weil einfacher zu bearbeitende Ackerfläche.

Schleifen und Schlitten

Stangenschleife

Der Kombination Zugtier-Joch-Pflug folgt die Erfindung schleifender Transportsysteme mit einigem Automatismus. Die Entwicklungslinie Joch, Pflug und Ochse erkennt auch Bakker, der den engen Zusammenhang mit dem Pflug, dem Joch, der Kastration von Stieren sowie der Nutzung ihrer Zugkraft sieht. Angesichts des Einsatzes auf den Feldern und in den Wäldern Mitteleuropas war eine von Tieren gezogene Stangenschleife, die das Kufenprinzip in der Zugvorrichtung umsetzt, der nächste logische Schritt. Die älteste erhalten gebliebene Schleife stammt vom Lac de Chalain im französischen Jura und datierte wenige Jahre vor 3100 v. Chr.

In Nordamerika setzten die Prärieindianer Hunde als Pack– oder Zugtiere des Travois ein, einer kleinen Stangenschleife, die unter Umständen gleichzeitig oder vor den altweltlichen Schleifen in Gebrauch war. Später passten sie den Travois an die Größe der nun verfügbaren Pferde an.

Schleifende Systeme sind nur vorwärts bewegt einsetzbar. Während die Deichsel einer Schleife in den Lastenträger integriert ist, was auf ihre Abkunft vom Pflug weist, kam es bei der Kombination von Schlitten und Zugtier zum Einsatz von Gurten oder Seilen. Diese Lösung erfordert kein Joch, gestattet den Einsatz eines einzelnen Zugtieres und weist daher auf eine andere Entwicklungslinie. Schwer beladene Schlitten benötigen zum Gleiten einen Wasserfilm und sind daher auf wassernahen Gebrauch oder auf den Einsatz auf Eis und Schnee beschränkt.

Radfahrzeuge

Für rollende Lasttransporte sind prinzipiell auch Rollen einsetzbar. Folglich wird ihre Verwendung, z. B. beim Transport von Megalithen, nachzuweisen gesucht. Ihre Anwendung erfordert, da Rollen aufgrund ihres überaus hohen Rollwiderstandes sehr leicht verkanten, was oft übersehen wird, eine feste, völlig ebene, also hergerichtete Trasse. Daher erleichterten Rollen wohl erst in der Bronzezeit die Transporte von Tragschlitten oder Steinblöcken mit glatter Unterseite auf einer vielfach genutzten Kurzstrecke, etwa zwischen dem Nilboot und der Baustelle beim Pyramidenbau. Transportrollen waren dagegen nirgendwo die Wegbereiter des Rades.

Römischer Ochsenkarren

Das Rad kann überall erfunden worden sein, ohne Achse oder Welle war es aber nutzlos. Die Innovation bestand in der Platzierung zweier Räder auf den Achsen oder den Enden einer Welle. Ihr Einsatz baute das logistische Potenzial gegenüber den schleifenden Systemen aus, setzte allerdings anfänglich den natürlich vorkommenden, fahrfesten Untergrund voraus. Neben Last und Trasse hat der aus der Radgröße resultierende Rollwiderstand Einfluss auf die Nutzbarkeit von Fahrzeugen. Die ersten Räder waren Scheibenräder, die in Baumstammgröße, jedoch nicht quer sondern in Wuchsrichtung aus der Stammmitte herausgearbeitet wurden. Mehrteilige Räder, die in Mooren gefunden wurden, vergrößerten schnell die Durchmesser. Aber erst die bronzezeitliche Erfindung der Speiche ermöglichte wirklich große und vergleichsweise leichte Räder.

Gebrauchsfähige Fahrzeuge entstanden in Europa während des Endneolithikums.

Karren

Die Karre ist eine frühe zirkumalpine Erscheinung, die vollständig die Funktion der Schleife übernimmt, deren Tochter sie ist. Ihre rotierende Welle nimmt axiale Unebenheiten (z. B. die Rillenerosion einer Trasse) besser auf, als jene Radnaben die auf den stehenden Achszapfen des vorzeitlichen Wagens sitzen. Eine frühe Karre in Mitteleuropa war der so genannte Dreieckswagen. Er entstand aus der an ihrem breiten Ende mit einem Radsatz ausgestatteten Schleife.

Karren tauchen um 3500 v. Chr. in Harappa variantenreich als Tonmodelle auf[4].

Wagen

Für die Herkunft des Wagens lieferte die Indoeuropäische (IE) Sprachforschung Hinweise. So sollen Achse (*hakhs), Deichsel, Joch (*iuk´om), Nabe, Rad (*rotho) und Wagen Worte der Protosprache (PIE) sein, die im Moment der Wagenerfindung noch gleichbedeutend waren. Dies deutet auf ein relativ frühes Datum der Erfindung.

Die Maikop-Kultur (zwischen 3700–3000 v. Chr. am Westkaukasus) kennt Wagenräder als Grabgut. Es ist aber davon auszugehen, dass der Wagen eine profane Vorlaufzeit (Existenz) hatte, bevor er Status- oder Sakralcharakter erreichte. Diese Kultur hatte in einer winterkalten Landschaft offenbar beim Schlittenbau Erfahrung gesammelt und brauchte ein Fuhrwerk mit den typischen Eigenschaften eines Wagens. Holzwerkzeug fand Veselovsky 1897 bei seiner Grabung in Majkop. Dem Schlittengebrauch stand in der Steppe nichts entgegen. Schlitten haben dort jene Vorteile, die eine Troika heute noch bietet. Ihr Gebrauch könnte sogar sehr viel älter sein als bisher angenommen, da die gletscherfrei gebliebene sibirische Tundra während der Eiszeit bewohnt war. Auf zirkumpolaren Permafrostböden sind Schlitten auch Sommertags einsetzbar. In Nordeuropa nutzen die (heute) rentierhaltenden Komi den Schlitten ganzjährig. Als erste Zugtiere kommen die einige Jahrtausende vor den Großtieren domestizierten Hunde in Frage, die gegebenenfalls bereits die paläolithische Jagd erleichterten. Eine so komplexe Erfindung wie sie Fahrzeuge darstellen, lässt sich aber nicht mit dem Nomadismus verbinden. So entstand der Wagen in Osteuropa in einer halbnomadischen Kultur, die alle Ressourcen alle Voraussetzungen und den Bedarf hatte.

Schiffe und Boote

Die menschliche Besiedlung von Sahul (der von Neu-Guinea und Australien während des Pleniglazials gebildete Kontinent) von Sundaland aus vor 44.000-50.000 Jahren setzt die Nutzung von Wasserfahrzeugen voraus [5]. Balme nimmt auch in Südostasien die Nutzung von Wasserfahrzeugen vor 40.000 vor heute an [6]. Zypern wird etwa 9500 v. Chr. von Jägern und Sammlern aufgesucht (Aetokremnos). In den spätpaläolithischen Schichten von Franchthi in Attika fand sich melischer Obsidian, ein Beweis für die Nutzung von Wasserfahrzeugen. Funde von mesolithischen Einbäumen liegen unter anderem aus den Niederlanden, Deutschland und Dänemark (Møllegabet) [7] vor.

Literatur

  • Mamoun Fansa & Stefan Burmeister (Hrsg.) : Rad und Wagen, der Ursprung einer Innovation Wagen im Vorderen Orient und Europa. Mainz, Zabern 2004, ISBN 3-8053-3322-6.
  • J. Köninger u. a. (Hrsg.) 2001: Schleife, Schlitten, Rad und Wagen. Hemmenhofener Skripte, Janus-Verlag, Freiburg i. Br. 2002 ISSN 1437-8620
  • Jürgen E. Walkowitz: Logistik im Neolithikum und Chalcolithikum, in: Varia neolithica IV, 2006, ISBN 3-937517-43-X

Einzelnachweise

  1. Peter Bogucki 1993, Animal Traction and Household Economies in Neolithic Europe, Antiquity 67, 492-503
  2. Peter Bogucki 1993, Animal Traction and Household Economies in Neolithic Europe, Antiquity 67, 492-503
  3. Paul Halstead, Plough and power: the economic and social significance of cultivation with the ox-drawn ard in the Mediterranean. Bulletin on Sumerian Agriculture 8, 1995, 11-22
  4. Robert Eric Mortimer Wheeler, The Indus civilization. The Cambridge history of India, Suppl. Cambridge: Cambridge University Press, 1968.
  5. John F. O’Connell, J. Allen, Dating the colonization of Sahul (Pleistocene Australia-New Guinea). Journal of Archaeological Science 31, 2004, 835–853; Iain Davidson, The Colonization of Australia and its adjacent Islands and the Evolution of modern Cognition. Current Anthropology 51/S1, 2010), 181 und Karte auf S. S178
  6. J. Balme, 30,000 years of fishery in western New South Wales. Archaeology in Oceania 30, 1995, 1–21
  7. Jørgen Skaarup, Møllegabet II: A submerged Mesolithic settlement in southern Denmark. Oxford, BAR Int. Ser. 1328, 2004

Weblinks


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