Kölner Stadtansicht von 1570

Kölner Stadtansicht von 1570
Detailzeichnungen der Umrandung der Stadtansicht, von Mercator als „antiquitates Coloniae“ bezeichnet

Die Kölner Stadtansicht von 1570 war ein von dem Kartografen Arnold Mercator im Auftrag des Kölner Rates erstellter neuartiger Stadtplan, der im Gegensatz zu herkömmlichen Darstellungen, einer räumlichen Stadtansicht nahe kam. Die folgenden als Kupferstich gefertigten Exemplare, von denen noch vier bekannt sind, entstanden 1571 und wurden von Mercator auf eigene Rechnung herausgegeben.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Die zum Beginn des 15. Jahrhunderts durch den Meister der kleinen Passion geschaffene Stadtansicht gilt als älteste erhaltene Ansicht der Stadt, ist jedoch in ihrer Darstellung überwiegend eine Ansammlung der sich vordergründig im Panorama der Stadt aneinanderreihenden Kirchen dieser Zeit. Die Absicht des Künstlers war nicht die kartografische Darstellung, sondern das Sinnbild einer „Stadt Gottes“ darzustellen. [1] Die sich im Italien des späten 15. Jahrhunderts entwickelnde Darstellungsform, eine Stadt wie Jacopo de’ Barbari Venedig aus der Vogelperspektive als Holzschnitt abzubilden, drang auch in den Norden Europas vor. Ähnliche Arbeiten entstanden in Deutschland als Holzschnittprospekte für die Städte Augsburg (1521), Köln (durch Anton Woensam 1531) und Duisburg (1564). Diese Arbeiten waren ein Fortschritt, blieben jedoch Frontansichten und boten noch keine räumliche Sicht der Dinge. Mercator (Senior), den man auch als Reformator der Kartographie bezeichnet, war wohl derjenige, der maßgeblich die Mathematik in die Darstellungen einband, die sich dann auch in den Arbeiten seines Sohnes Arnold niederschlug.

Auftrag des Kölner Rates

Der 1537 in Löwen geborene Arnold Mercator übersiedelte 1552 mit seinen Angehörigen in das benachbarte Herzogtum Kleve-Berg, in dem sein Vater Gerhard Mercator das Angebot einer Professur in Duisburg angenommen hatte. Wie schon zuvor erhielt er von seinem Vater, einem Humanisten und Gelehrten, Unterricht und eine äußerst sorgfältige Ausbildung. Bereits im Jahr 1567 wurde Arnold Mercator mit seiner kartographischen Erfassung des Erzbistums Trier nicht nur in der Fachwelt bekannt. Sein Ansehen war für die Stadt Köln Anlass, ihn im Jahr 1570 zu beauftragen, eine „abconterfeiung“ der „Colonia Agrippina“ vorzunehmen.

Mercator nahm den Auftrag an, wobei er im Gegensatz zu Anton Woensams Kölner Stadtansicht von 1531, eine neue Technik anwandte. Mercator kombinierte nun Aufrisstechnik mit der Vogelperspektive und verband dies mit einer ersten exakten Vermessung der Stadt.

Nachdem er Einzeldaten und Skizzierungen zu einer großformatigen Zeichnung auf Papier übertragen hatte, übergab er das Werk noch im gleichen Jahr an seine städtischen Auftraggeber. [2]

Vervielfältigung und Verfahren

Ausgestattet mit einem Druckprivileg Kaiser Maximilians, entschloss sich Mercator, den Kölner Plan auf eigene Rechnung zu veröffentlichen. Zur Vervielfältigung wandte er die Weiterentwicklung des bisher üblichen Verfahrens eines Holzschnittes, die aufgekommene Technik des Kupferstiches, an. Im väterlichen Betrieb, in dem die Angehörigen der Familie selbst Drucker, Kupferstecher oder Kartographen waren, entstanden vierzehn sorgfältig vorbereitete dünne Kupferplatten unterschiedlichen Formates, die mit fein mit einem Stichel eingearbeiteten Gravuren versehen worden waren. Diese dienten sodann dem Abdruck, den er auf sechzehn Blättern vornahm. Die so 1570/1571 entstandenen Exemplare der Kölner Stadtansicht waren aufgrund ihres komplexen Informationsgehaltes und ihrer Genauigkeit der kartografischen Wiedergabe ein Novum damaliger Zeit. Sie dienten über einen langen Zeitraum als Vorbild später geschaffener Kölner Stadtpläne. [2]

Einzelheiten der Kölner Stadtansicht

Da, wo es Mercator ratsam erschien, hatte er sein Werk in der Umrandung mit Kartuschen versehen, in denen Bilder und Texte zu wichtigen Einzelheiten des Stadtplanes angegeben wurden, die er in diesem durch Zahlen oder Buchstaben markierte. Neben den Angaben zur zeitgenössischen Benennung der exakt wiedergegebenen Straßen erläuterten zusätzliche symbolhafte Zeichen die Lage sich oft wiederholender Objekte im Stadtgebiet, so den Verlauf der römischen Stadtmauer. Mercator zeichnete die Stadtmauer und ihre Tore in allen Einzelheiten und ebenso die damals zahlreichen Kirchen, Kapellen und Klosteranlagen. Wie bei den Befestigungen erfasste er bei allen Bauwerken akribisch die Geschosse, Details wie Dächer, Giebel, Fenster, Erker, Treppentürme, innerstädtische Tore, den Verlauf von Bächen mit ihren Brücken und Stegen, dazu Brunnen und Viehtränken. Seine Zeichnungen spiegelten die Dichte der Besiedlung und zeigten die landwirtschaftlich genutzten Flächen der Stadt auf. Auch das Leben auf und am Rheinstrom wurde von Mercator dokumentiert. Er zeigte die damals noch vorhandenen Rheininseln, die Schifffahrt dieser Zeit in vielfältiger Form, verankerte Rheinmühlen und die Kaianlagen der Stadt mit Kränen, Karren und geschäftigen Menschen.

Einbindung der städtischen Historie

Die Umrandung seiner Stadtzeichnung verzierte Mercator überwiegend mit solchen Objekten, die wie der Altar der Victoria auf die römische Vergangenheit der Stadt verwiesen, und nannte sie „antiquitates Coloniae“ oder auch „antiquitates territorii Coloniensis“, um so auf den Kölner Fundort zu verweisen. Eine althochdeutsche Inschrift im Kölner Domstift, die er der germanischen Epoche zuschrieb, bezeichnete er als „inscriptio vandalica“, womit er sich der zeitgenössischen Terminologie bediente. Von der Fachwelt konnten bis auf vier Abbildungen alle von Mercator eingezeichneten Monumente als Arbeiten des 1. bis 4. Jahrhunderts, basierend auf lokalen Fundstellen, ein- und zugeordnet werden. [2]

Gestaltung des Planes

Das im Katalog des Rheinischen Landesmuseums Bonn zur Ausstellung 2010 herausgegebene Begleitbuch enthält die Abbildung eines im Besitz der „National Library of Sweden“ befindlichen Exemplars. Für diesen Kupferstich werden die Maße von 122 x 185 cm angegeben. Die Titelzeile des Stiches lautet:

COLONIA AGRIPPINA ANNO DOMINI M. D. L XXI. EXACTISSIME DESCRIPTA

Die erhaltenen Exemplare der Stadtansicht stimmen nach dem Archäologen Noelke in ihren Maßen, soweit erkennbar, (lediglich Bild und Text des Druckes sollen in gutem Zustand sein) mit der Originalvorlage überein. Mit den in der Inschrift der Titelleiste enthaltenen Worten „exactissime descripta“ wollte Mercator wahrscheinlich auf die Genauigkeit seines Werkes verweisen. In den beiden seitlichen Randleisten der Pläne waren von Mercator insgesamt achtundvierzig Objekte eingezeichnet worden, wobei die Zahl der achtundzwanzig zumeist Inschriften (teils der Wirklichkeit entsprechend nur fragmentarisch) enthaltenden Steindenkmäler dominant war. Alle Objekte waren von ihm je nach ihren Abmessungen einzeln, paarweise oder wie bei kleineren Tongefäßen gar als Ensemble platziert worden. Die untere Bildumrandung des genordeten Planes schließt mit einer Zierleiste ohne weitere dekorative Details ab. [2]

Hinweise zu Text und Bildergänzungen

Neben der eigentlichen Stadtansicht sind die Randzeichnungen und die in ihnen teilweise untergebrachten Texte sehr aufschlussreich. Auftraggeber Mercators war zwar der Rat, dennoch fügte er an exponierter Stelle das Wappen des amtierenden Fürst- und Erzbischofs Salentin von Isenburg ein. Die eingebrachte Abbildung eines Maßstabes in Doppelschritten (mille passus) verwies auf seine genaue Vermessungsarbeit. In einer längeren Textausführung unterhalb des oberen rechten Bildrandes, die er mit

DE FVNDATIONE ATQVE ANTIQVITATE HVIVS VRBIS

betitelte, erläuterte er in damaliger Sicht die Gründung und Weiterentwicklung der Stadt. Auch füllte er die diversen im Planrand enthaltenen Kartuschen mit zusätzlichen Informationen. So wurden von ihm in diesen auch einige Besitzer der von ihm dargestellten Altertümer benannt. Es waren allesamt Herren der welt- oder der kirchlichen Oberschicht, so der Bürgermeister der Stadt (Consul) Konstantin von Lyskirchen, der Lizentiat der Rechte, Ratsherr und kaiserliche Münzmeister Johann Helman, der Professor der Jurisprudenz an der Universität zu Köln Johann Rinck, der kurfürstliche Rat Johannes Broich. Weitere Denkmäler der Stadt sollen sich in den Anwesen kirchlicher Würdenträger befunden haben, von denen „Noelke“ das eines Kanonikus von St. Gereon anführt sowie das Haus des Dompropstes und in diesem Fall auf Hermann von Neuenahr verweist. [2]

Verbleib

Über den Verbleib der ehemals gefertigten Gesamtauflage ist wenig bekannt, ebenso über den der Druckplatten. Der im 19. Jahrhundert publizierende Johann Jakob Merlo führte in einer Abhandlung ein Ratsprotokoll an, welches sich mit dem Original der Kölner Stadtansicht von 1570, für das ein Maß von 109 x170 cm angegeben wurde, befasste. In diesem Zusammenhang wurden auch die „Helmannschen“ und die Hardenrathschen Steinsammlungen angeführt, und bezüglich des Planes war von einer „sehr schadhaften getuschten Handzeichnung auf Pergament“ die Rede.[3] Dieser Anführung steht jedoch entgegen, dass weder in anderen Quellen, noch in der jüngsten Abhandlung „Noelkes“, der Begriff Pergament verwandt wird.

An folgenden Orten sollen sich noch erhaltene Exemplare oder Reproduktionen von Mercators „Vogelschau Kölns“ befinden: Die Kreissparkasse Köln ist im Besitz eines Faksimile und einiger Kupferstiche, die Ausschnitte der Stadtansicht in den Maßen von 35 x 47 cm wiedergeben. Weiter werden die frühere Stadtbibliothek Breslau, die Königliche Bibliothek Stockholm und die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar angegeben.

Ob das von Merlo erwähnte Original des städtischen Archivs noch erhalten ist, dürfte aufgrund des durch den Unglücksfall von 2009 erlittenen Verlustes umfangreicher Archivbestände fraglich sein.

Literatur

  • Peter Noelke: Entdeckung der Geschichte, Arnold Mercators Stadtansicht von Köln. In: Renaissance am Rhein, Katalog zur Ausstellung im LVR-Landesmuseum Bonn, 2010/2011. Verlag: Hatje Cantz. ISBN: 978-3-7757-2707-5
  • Paul Clemen: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz im Auftrage des Provinzialverbandes, hrg. von Paul Clemen, Band VI, I. und II. Abteilung Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln. Erste Abteilung: Quellen, erste Abteilung Quellen, zweite Abteilung: römisches Köln,Düsseldorf, Druck und Verlag L. Schwann, 1906

Einzelnachweise

  1. Bild der Woche [1]
  2. a b c d e Peter Noelke: Entdeckung der Geschichte, Arnold Mercators Stadtansicht von Köln, S. 251
  3. Archiv der Stadt Köln; s. ebd. Ratsp. 25, f. 308b , 1570 Sept. 11. Vgl. MERLO Sp. 588. In: Paul Clemen, Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln B. VI, S. 90

Weblinks

 Commons: Arnold Mercator – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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