Ministerium für Wirtschaft und Finanzen (Italien)

Ministerium für Wirtschaft und Finanzen (Italien)
Das Wirtschafts- und Finanzministerium in Rom

Das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen (ital. Ministero dell'Economia e delle Finanze, abgekürzt MEF) ist eines der Ministerien der italienischen Regierung. Zuständig ist es vor allem für die Finanzpolitik Italiens. Das Ministerium hat seinen Sitz in der Via XX Settembre in Rom. Amtierender Wirtschafts- und Finanzminister ist Mario Monti.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Das Ministerium ist verantwortlich für die Finanzverwaltung, insbesondere für die Steuer- und Zollverwaltung und den dazugehörigen Vollzugsdienst, für die Haushaltsplanung und das Rechnungswesen, die Finanzbeziehungen zu Regionen, Provinzen, Gemeinden und zur Europäischen Union, für das Vermessungswesen, Staatsbeteiligungen an Wirtschaftsunternehmen sowie für das Vermögens- und Schuldenmanagement.

Das Ministerium ist insbesondere wegen der Staatsbeteiligungen auch Wirtschaftsministerium. Daneben gibt es jedoch in Italien noch das „Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung“, das in der Vergangenheit unterschiedliche Bezeichnungen hatte (unter anderem „Industrie und Handel“). Dieses Ministerium kümmert sich um alle wirtschaftspolitischen Angelegenheiten, die nicht in die Zuständigkeit des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen fallen.

Das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen ist im interministeriellen Ausschuss für Wirtschaftsplanung (Comitato Interministeriale per la Programmazione Economica, CIPE) vertreten, das insbesondere für die Genehmigung von Mitteln für Infrastrukturprojekte von nationalem Interesse zuständig ist. Der jeweilige Wirtschafts- und Finanzminister ist außerdem Mitglied des Obersten Verteidigungrates Italiens (Consiglio Supremo di Difesa).

Geschichte

Quintino Sella vor dem Finanzministerium in Rom. Nach der Einigung Italiens sanierte er als Finanzminister die Staatsfinanzen mit drastischen Maßnahmen.

Eine ab 1997 von der damaligen Mitte-Links-Regierung eingeleitete Reform der italienischen Ministerialbürokratie (nach dem zuständigen Minister Franco Bassanini als Bassanini-Reform bezeichnet) bildete die Grundlage für die Zusammenlegung und Neuordnung verschiedener Ministerien in Italien. Von 1999 bis 2001 kam es dann zu den tiefgreifenden organisatorischen Reformen, bei denen im Bereich Wirtschaft- und Finanzen mehrere historische Fachministerien fusioniert wurden. Diese waren:

  • Ministero delle Finanze – Finanzministerium (bis 2001),
  • Ministero del Tesoro – Schatzministerium (1877-2001),
  • Ministero del Bilancio e della Programmazione economica – Ministerium für Haushalt und Wirtschaftsplanung (1948-1996),
  • Ministero delle Partecipazioni Statali – Ministerium für Staatsbeteiligungen (1957-1993).

Gegen Ende der Reformarbeiten konnte Silvio Berlusconis zweite Regierung nach den gewonnenen Parlamentswahlen im Jahr 2001 das neue Ministerium für Wirtschaft und Finanzen und dessen neue nachgeordnete Behörden offiziell in Dienst stellen.

Die Geschichte des bis 2001 bestehenden Finanzministeriums geht zurück auf das am 30. August 1564 von Emanuel Philibert von Savoyen in Turin errichtete Ufficio Generale delle Finanze[1], das im Jahr 1801 nach der napoleonischen Besetzung aufgelöst wurde. Im Zug der Restauration entstand es 1814 als Generalato delle Finanze wieder, 1817 wurde es dann in Regio Segretariato di Stato per gli Affari di Finanza („Königliches Staatssekretariat für Finanzangelegenheiten“) umbenannt und somit den anderen Staatssekretariaten gleichgestellt.[2] Nach der Revolution von 1848 und der oktroyierten Verfassung Karl Alberts (Statuto Albertino) wurden die Staatssekretariate in Ministerien umbenannt. Als solches wurde das Finanzministerium in Turin im Zug der Einigung Italiens unter Führung des Königreiches Piemont-Sardinien 1861 italienisch und dehnte seine territoriale Zuständigkeit auf den gesamten neuen Staat aus. 1865 kam es nach Florenz, 1871 dann nach Rom.

Organisation

Das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen ist heute eines der größten Ministerien Italiens. Dem Minister nachgeordnet sind mehrere (parlamentarische) Staatssekretäre, von denen einer gegebenenfalls den Status eines Vizeministers hat. Im Gegensatz zu kleineren Ministerien sind die Abteilungen zu Hauptabteilungen (Dipartimenti) zusammengefasst. Kleinere Ministerien haben auch einen Generalsekretär als Amtschef; diesen gibt es hier nicht. Die entsprechenden Aufgaben werden von den Leitern der Hauptabteilungen übernommen.

Leitung

Der Leitungsbereich des Ministeriums besteht aus folgenden Dienststellen oder Dienstposten:

  • Büro des Kabinettsschefs (Büroleiter) (Ufficio del Capo di gabinetto)
  • Chefsekretär (Capo Segreteria)
  • Ministersekretariat (Segretaria particolare)
  • Sprecher (Portavoce)
  • Leiter der Presseabteilung (Capo Ufficio Stampa)
  • Berater des Ministers (Consigliere del ministro)
  • Politischer Berater (Consiliere Politico)
  • Außenpolitischer Berater (Consigliere Diplomatico)
  • Adjutant (Offizier der Guardia di Finanza) (Aiutante da campo)
  • Innenrevision (Servizio di Controllo Interno, SECIN)

Hauptabteilungen

Das Ministerium gliedert sich in vier Hauptabteilungen, die für die Steuereinnahme-, Verwaltungs- und Ausgabenpolitik sowie für die ministerielle Verwaltung und zentrale Dienste zuständig sind:

  • Hauptabteilung für Finanzen (Dipartimento delle Finanze – DF), unterteilt in acht Direktionen
    • Direktion für wirtschaftliche und finanzielle Studien und Forschungen
    • Direktion für fiskalische Gesetzgebung
    • Direktion für die (nachgeordneten) Agenturen und andere fiskalischen Einrichtungen
    • Direktion für fiskalischen Föderalismus
    • Direktion für fiskalische Unternehmenskommunikation
    • Direktion für fiskalische Informationssysteme
    • Direktion für fiskalische Rechtsprechung
  • Hauptabteilung für Schatzangelegenheiten (Dipartimento del Tesoro – DT), untergliedert in acht Abteilungen
    • Direktion I: Wirtschafts- und Finanzanalysen
    • Direktion II: Staatsschulden
    • Direktion III: Internationale Finanzbeziehungen
    • Direktion IV: Banken- und Finanzsystem, Rechtsfragen
    • Direktion V: Schutz des Finanzsystems vor Missbrauch
    • Direktion VI: Finanzoperationen, Europäische Rechtsstreitigkeiten
    • Direktion VII: Finanzen und Privatisierungen
    • Direktion VIII: Staatsvermögen
  • Hauptabteilung Haushalt und Rechnungswesen (Dipartimento della Ragioneria Generale dello Stato – RGS), unterteilt in neun Generalinspektorate, einen wissenschaftlichen Dienst und 13 Verbindungsbüros für Haushaltsangelegenheiten in anderen Ministerien
    • Generalinspektorat für Finanzen
    • Generalinspektorat für Haushalt
    • Generalinspektorat für Personalfragen und Kostenanalyse im Öffentlichen Dienst
    • Generalinspektorat für wirtschaftliche Angelegenheiten
    • Generalinspektorat für Finanzangelegenheiten der öffentlichen Verwaltung
    • Generalinspektorat für Finanzbeziehungen mit der Europäischen Union
    • Generalinspektorat für Sozialausgaben
    • Generalinspektorat für Datenverarbeitung im staatlichen Rechnungswesen
    • Generalinspektorat für Rechnungswesen und öffentliche Finanzen
    • Wirtschaftswissenschaftlicher Dienst
    • 13 Verbindungsbüros für Haushaltsangelegenheiten bei 13 Ministerien
  • Hauptabteilung für allgemeine Verwaltung, Personal und zentrale Dienste (Dipartimento dell'Amministrazione Generale, del Personale e dei Servizi del Tesoro – DAG), unterteilt in fünf Zentraldirektionen
    • Zentraldirektion für Logistik und Einkauf
    • Zentraldirektion für Informationssysteme
    • Zentraldirektion für Personalpolitik
    • Zentraldirektion für Personaldienstleistungen
    • Zentraldirektion für Dienstleistungen

Die frühere Hauptabteilung für Wirtschaftspolitik wurde vor einigen Jahren an das „Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung“ (das frühere Ministerium für Industrie, Handwerk und Handel) abgegeben.

Das Ministerium hat in ganz Italien insgesamt 63 Außenstellen, die überwiegend Verwaltungsaufgaben übernehmen. Es handelt sich hierbei nicht um die Finanzämter.

Finanzagenturen

Zur Erfüllung der Aufgaben des Ministeriums wurden 1999 vier besondere Finanzagenturen gegründet, die zwar der Hauptabteilung für Finanzen politisch unterstehen, jedoch administrativ selbständig sind.

Weitere Einrichtungen

Dem Ministerium sind weitere Einrichtungen zugeordnet:

  • Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (AAMS), Autonome Verwaltung der Staatsmonopole
  • Scuola Superiore dell'Economia e delle Finanze (SSEF), Höhere Schule für Wirtschaft und Finanzen
  • Servizio Consultivo ed Ispettivo Tributario, Dienst für Beratung und Steuerinspektionen
  • Commissione Tecnica per la Finanza Pubblica, Fachkommission für die öffentlichen Finanzen
  • Comitato Permanente per il Coordinamento delle Attività in Materia di Finanza Pubblica, Ständiger Koordinationsausschuss für die Aktivitäten im Bereich Öffentliche Finanzen
  • Comitato Permanente di Indirizzo e Coordinamento della Fiscalità, Ständiger Ausschuss zur Lenkung und Koordination in Steuerfragen

Finanzpolizei

Das Ministerium verfügt über eine eigene, militärisch organisierte Finanzpolizei, die Guardia di Finanza. Ihre Hauptaufgabe ist die Verhütung und Verfolgung von Verstößen gegen Steuer-, Abgaben- und Zollgesetze.

Finanzgerichtsbarkeit

Beim Ministerium für Wirtschaft und Finanzen besteht ein autonom verwalteter „Präsidialrat der Steuerjustiz“ (Consiglio di presidenza della giustizia tributaria). Es handelt sich um ein Selbstverwaltungsorgan der Finanzgerichtsbarkeit, das nach dem Modell des Selbstverwaltungsorganes der Richter und Staatsanwälte (Consiglio Superiore della Magistratura) der allgemeinen Gerichtsbarkeit eingerichtet wurde. Finanzgerichte gibt es auf der Ebene der Provinzen (Commissione tributaria provinciale) und, zweitinstanzlich, der Regionen (Commissione tributaria regionale). Unter besonderen Umständen prüft schließlich das Kassationsgericht in Rom Urteile auf Rechtsfehler. Die Finanzrichter haben den Status von ehrenamtlichen Richtern. Sie werden vom Selbstverwaltungsorgan der Finanzgerichtsbarkeit ausgewählt und dann formal auf Vorschlag des Finanzministers vom Staatspräsidenten ernannt.

Minister

(ohne die Minister der Vorläuferbehörden)

Name und Parteiangehörigkeit Amtszeit Regierung
Giulio Tremonti (FI)

Silvio Berlusconi (FI) (ad interim)

Domenico Siniscalco („technischer Minister“)

11. Juni 2001 – 3. Juli 2004

3. Juli 2004 – 16. Juli 2004

16. Juli 2004 – 23. April 2005

Kabinett Berlusconi II
Domenico Siniscalco („technischer Minister“)

Giulio Tremonti (FI)

Silvio Berlusconi (FI) (ad interim)

23. April 2005 – 22. September 2005

22. September 2005 – 8. Mai 2006

8. Mai 2006 – 17. Mai 2006

Kabinett Berlusconi III
Tommaso Padoa-Schioppa („technischer Minister“) 17. Mai 2006 – 8. Mai 2008 Kabinett Prodi II
Giulio Tremonti (PDL-FI) 8. Mai 2008 – 16. November 2011 Kabinett Berlusconi IV
Mario Monti (parteilos) 16. November 2011 – heute Kabinett Monti

Staatsbeteiligungen

Das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen ist zuständig für die Beteiligungen des italienischen Staates an Wirtschaftsunternehmen und für Privatisierungen. Der italienische Staat ist direkt beteiligt an folgenden Unternehmen und Einrichtungen, die zum Teil selbst weitere Beteiligungen halten (Stand Januar 2009)[3]:

  • Agenzia nazionale per l'attrazione d'investimenti e lo sviluppo d'impresa (Invitalia; Agentur zur Förderung von Wirtschaftsunternehmen und Investitionen im Inland) - 100%
  • Arte Cultura e Spettacolo (Arcus; Träger diverser Kultureinrichtungen und -veranstaltungen) - 100%
  • Azienda Nazionale Autonoma delle Strade (ANAS; Straßenbetriebsgesellschaft) - 100%
  • Cassa Depositi e Prestiti (Finanzinstitut) - 70%
  • Cinecittà Holding (Filmstudio) - 100%
  • Coni Servizi (Nationales Olympisches Komitee Italiens) - 100%
  • Concessionaria Servizi Assicurativi Pubblici (Consap; Versicherungsdienstleistungen für den öffentlichen Sektor) - 100%
  • Concessionaria Servizi Informativi Pubblici (Consip; IT-Beratung und Dienstleistungen für den öffentlichen Sektor) - 100%
  • Ente Nazionale per l'Energia Elettrica (Enel; Stromkonzern) - 21,10%
  • Ente Nazionale Idrocarburi (Eni; Mineralölkonzern) - 20,31%
  • Ente Nazionale per l'Assistenza al Volo (ENAV; die italienische Flugsicherung) - 100%
  • EUR (Immobiliengesellschaft für das Gelände der Esposizione Universale di Roma) - 90%
  • Finmeccanica (Rüstungs-, Luftfahrt-, Raumfahrt- und Eisenbahnindustrie) - 33,72%
  • Fintecna (Fintecna Finanziaria per i Settori Industriale e dei Servizi; Finanzierungen und Privatisierungen im Industriebereich) - 100%
  • Ferrovie dello Stato (FS; Eisenbahngesellschaft) - 100%
  • Gestore Servizi Elettrici (GSE; Energiedienstleister, Stromnetzbetreiber) - 100%
  • Italia Lavoro (Arbeitsagentur) - 100%
  • Istituto Poligrafico e Zecca dello Stato (IPZS; Staatsdruckerei und Münzprägeanstalt der Italienischen Republik) - 100%
  • Poste Italiane (Italienische Post) - 65%
  • Radiotelevisione Italiana (RAI; Rundfunkgesellschaft) - 99,56%
  • SACE (Servizi Assicurativi del Commercio Estero; Exportkreditversicherungen) - 100%
  • Società di Gestione Expo Milano 2015 (Gesellschaft zur Ausrichtung der Weltausstellung Expo 2015 in Mailand) - 40%
  • Mefop (Società per lo Sviluppo del Mercato dei Fondi Pensione; Gesellschaft zur Entwicklung des Pensionsfondsmarktes) - 55,08%
  • Sicot (Sistemi di Consulenza per il Tesoro; Finanzberatung für den Staatshaushalt) - 100%
  • Sogei (Società Generale d'Informatica; IT-Dienstleister der öffentlichen Verwaltung) - 100%
  • Sogesid (Società Gestione Impianti Idrici; Gesellschaft für nachhaltige Entwicklung, insbesondere des Wasser- und Abwassermanagements in Süditalien) - 100%
  • SOGIN (Società Gestione Impianti Elettronucleari; Betreibergesellschaft für Kernkraftwerke) - 100%

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Informationen aus dem Staatsarchiv Turin über das Ufficio Generale delle Finanze
  2. Staatsarchiv Turin über das Generalato delle Finanze, S. 16
  3. Daten des Finanzministeriums zu Staatsbeteiligungen und Privatisierungen
41.90638883333312.498096

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