Reiterswiesen

Reiterswiesen
Reiterswiesen
Koordinaten: 50° 11′ N, 10° 6′ O50.18361111111110.099722222222253Koordinaten: 50° 11′ 1″ N, 10° 5′ 59″ O
Höhe: 253 m ü. NN
Fläche: 9,21 km²dep1
Einwohner: 2.103 (1. Jan. 2011)
Eingemeindung: 1. Juli 1972
Postleitzahl: 97688
Vorwahl: 0971

Reiterswiesen ist ein Stadtteil des im bayerischen Unterfranken gelegenen Kurortes Bad Kissingen, der Großen Kreisstadt des Landkreises Bad Kissingen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anfänge

Die ältesten Spuren von Besiedelung in der Gemarkung Reiterswiesen stammen in Form von Pfeilspitzen, Tonscherben und Steinwerkzeugen aus der Jungsteinzeit. Der durch hier siedelnde Bandkeramiker ausgeübte Ackerbau erforderte eine vorübergehende Sesshaftigkeit; hinzu kam dann Viehhaltung. Aus der Glockenbecherkultur stammt eine auf dem Reiterswiesener Finsterberg gefundene Streitaxt aus Basalt. Dreißig am Beilberg gelegene Hünengräber stammen höchstwahrscheinlich aus der Hallstattzeit. Zahlreiche in der Gemarkung Reiterswiesen gefundene Scherben keltischen Ursprungs entstammen der Latènezeit.

Während der römischen Kaiserzeit ging der keltische Anteil an der Bevölkerung zugunsten elbgermanischer Einwanderer zurück; im Lauf des 5. Jahrhunderts stieg der Anteil von Thüringern in der Bevölkerung, die aber – ebenso wie die elbgermanischen Alamannen – durch die Schlacht an der Unstrut in Sachsen gegen König Theuderich I. im Jahre 531 durch die Franken ein Stück weit verdrängt wurden.

Der fränkische Einfluss verstärkte sich im Jahre 741 durch die Gründung des Bistum Würzburg.

Reiterswiesen ist für den 4. März 1234 das erste Mal schriftlich verbürgt. Die damalige Bezeichnung Ritanswiesen bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Person namens R(a)itant, der für die Zeit zwischen 802 und 837 in der Region dreimal urkundlich erwähnt wird. Diese Vermutung wird gestützt durch die Tatsache, dass, durch die Genitivform des Namens bedingt, für die Zeit der Ersterwähnung (1234) eigentlich die Schreibung Ritan(t)eswisen zu erwarten gewesen wäre; mit Ritanswiesen hat man sich bei der Ersterwähnung aber an die Schreibweise des 9. Jahrhunderts gehalten.

Mittelalter

Der früheste Nachweis für die Herrschaft der Henneberger in der Region und damit auch über Reiterswiesen stammt aus dem Ende des 11. Jahrhunderts. Möglicherweise war es auch deren Burggraf Berthold I., der mit dem Bau der wahrscheinlich im 12. Jahrhundert entstandenen Burg Botenlauben begann. Für das Jahr 1206 ist der Henneberger Burggraf Otto I. in einer Würzburger Urkunde als „Otto de Bodenlouben“ verbürgt. Nach langen Wanderjahren ließ er sich gemeinsam mit seiner Gattin Beatrix von Courtenay, die er während seines Aufenthalts im Orient im Anschluss an den gescheiterten Kreuzzug Heinrichs VI. kennengelernt hatte, im Jahre 1220 auf der Burg nieder. 1231 – dem Todesjahr von Ottos Cousine, der Heiligen Elisabeth von Thüringen – begannen Otto und Beatrix mit dem Bau des Klosters Frauenroth (der Sage nach hatte Beatrix versprochen, an dem Fundort ihres vom Winde fortgewehten Schleiers ein Kloster zu errichten). Nach dem Eintritt ihres Erben, ihres Sohnes Otto II., in den Deutschen Orden[1] verkauften Otto und Beatrix am 4. März 1234 die Botenlaube an den Bischof Hermann I. von Lobdeburg; durch den Verkauf konnten Otto und Beatrix den Unterhalt des Klosters Frauenroth finanzieren[2]. Nach Erwerb der Burg errichtete der Bischof das Amt Botenlauben, um die hennebergische Vormachtstellung einzugrenzen.

Aus Geldnot wurden Amt und Burg im Lauf der nächsten Jahrhunderte von den Würzburger Fürstbischöfen mehrfach verpfändet. In diesem Zusammenhang kam es im Jahr 1402 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen durch die von-Hutten-Brüder, die vom Fürstbischof wegen Unterdrückung ihrer Untertanen abgesetzt worden waren und aus Rache mehrere Raubzüge auch im Amt Bodenlauben unternahmen.

Während die Bewohner des unterhalb der Burg gelegenen Weilers Unterbodenlauben wahrscheinlich die Gottesdienste in der Burgkapelle der Bodenlaube besuchten, ist über die frühmittelalterliche Situation in Reiterswiesen nichts bekannt. Erst aus dem Jahr 1464 stammt die Aussage von Peter von Herbilstadt, Amtmann der Bodenlaube, dass unter Graf Friedrich I. von Henneberg (1402-1422) Gläubige u. a. aus Reiterswiesen den Gottesdienst in einer den Aposteln Petrus und Paulus geweihten Kirche im Nachbardorf Arnshausen besuchten, das um 1230/1240 unter Einfluss des Hochstifts Würzburg zum festen Kirchdorf geworden war. Da die Stadt Kissingen ab 1394 zum Hochstift gehörte und an Bedeutung gewann, wurde die Pfarrei Arnshausen 1464 aufgelöst; zu deren letzten bekannten Pfarrern gehörten, so Peter von Herbilstadt, u. a. ein Johannes Mörlein und ein Peter von Werpergshausen. An die Zeit der gemeinsamen Pfarrei von Reiterswiesen und Arnshausen erinnert eine Verbindungsstraße, die heute als „Totenweg“ bekannt ist und damals dem Transport der Verstorbenen aus Reiterswiesen zum Friedhof von Arnshausen diente.

Reiterswiesen zu Beginn der Neuzeit

Später wurde Reiterswiesen auch vom Bauernaufstand von 1525 sowie seiner blutigen Niederschlagung in Mitleidenschaft gezogen. Mit dem Bauernaufstand begann der Zerfall der Burg Botenlauben zur Ruine, nachdem sie von Bauern aus Aura an der Saale gestürmt worden war (der Sage nach wurden die Bauern vom verräterischen Burgkoch eingelassen, die diesen blendeten und umbrachten; seitdem soll sein Geist in stürmischen Nächten auf der Burg herumirren und auf seinem Holzbrett hacken). Die Kapelle im Nordturm scheint auch nach dem Bauernaufstand unbeschadet geblieben zu sein, denn aus dem Jahr 1584 ist eine Verpflichtung des Kissinger Pfarrers bekannt, pro Woche zwei Messen auf der Bodenlaube zu lesen.

Zwischen 1573 und 1617 erließ Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn mehrere Verordnungen, u. a. in Bezug auf Holzschlagen im Wald, die Einrichtung einer Dorfwacht, das Benutzen von Feuer sowie die Bewirtschaftung der Ackerflächen.

Auf Grund zweier geistlicher Rechtsprechungen (von 1584 und 1595), einer Aussage vom Pfarrverweser Wolfgang Scharpff (von 1598) sowie Einträgen im Bibra'schen Lehnbuch (1603) und der Kirchenmatrikel (1620) lässt sich die Existenz einer dem heiligen Laurentius von Rom geweihten Kirche vermuten. Diese war jedoch bald zu klein sowie zu dürftig ausgestattet, so dass Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn im Oktober 1607 die Anweisung zu einem Kirchenneubau erteilte. Im Jahr 1608 fand die Weihe der neuen, ebenfalls dem Heiligen Laurentius geweihten Kirche statt. Der Kissinger Pfarrer sollte abwechselnd in Reiterswiesen und Arnshausen Gottesdienst halten.

Nach weiteren Verwüstungen im Dorf und auf der Bodenlaube durch den Zweiten Markgrafenkrieg fielen von September 1610 bis August 1611 115 Einwohner aus Reiterswiesen und Arnshausen zum Opfer. In der Reiterswiesener Kirchenmatrikel von 1610 bis 1702 sind die der Pest zum Opfer gefallenen Reiterswiesener ausführlich verzeichnet.

Die Kirchenmatrikel dokumentiert auch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. So wird berichtet, dass im September und Oktober 1632 aus Furcht vor schwedischen Truppen Bestattungen ohne Priester stattfanden. Eine weitere Pestepidemie erfolgte – während des Krieges – im Jahre 1634. Für das Jahr 1637 berichtet der Kissinger Pfarrer Pistorius von einer unermesslichen Hungersnot, während derer sich die Menschen gezwungen sahen, sich von Hunden und Katzen zu ernähren.

Kreuzschlepper am Ortsausgang in Erinnerung an Johann Mauder.

Im Jahr 1703 wurde in der heutigen Ortsmitte das Reiterswiesener Rathaus errichtet. Das Entstehungsjahr lässt sich lediglich aus der über einem Eckständer eingeschnitzten Jahreszahl herleiten; urkundliche Nachweise fehlen. Ab diesem Jahr diente es auch als Schulgebäude. Im Jahr 1865 entstand hinter dem Rathaus ein eigenes Schulgebäude, die „große Schule“, die 1905 durch die „kleine Schule“ ersetzt wurde. Im Rathausgebäude von 1703 befindet sich heute die „Dorfstube“, ein dorfgeschichtliches Museum.

Am 27. Januar 1721 kam Schultheiß Johann Mauder zu Tode, als er, so der Sterbematrikel, eine Eiche spaltete und sich dabei Verletzungen nahe dem Intimbereich zuzog. Ein Kreuzschlepper am heutigen Ortsausgang von Reiterswiesen erinnert an den ehemaligen Bürgermeister des Ortes.

In einem Dorfplan von 1741 stellte sich Reiterswiesen noch als ein Straßendorf mit geringen Ausbuchtungen dar und bestand aus den Teilen Hüßles, Mitteldorf und Oberndorf. Entgegen der lange vorherrschenden Meinung, es gäbe seit dem Jahr 1820 einen eigenen Friedhof für Reiterswiesen, gab es diesen wahrscheinlich bereits vorher: So berichtet die Reiterswiesener Totenmatrikel von zwei Beerdigungen im Jahr 1623. Für 1741 wird in der Reiterswiesener Messungstabelle ein Kirchhof in der Flurstraße 8 erwähnt. Möglicherweise entstand im Zuge des Kirchenneubaus durch Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn im Jahr 1608 auch ein neuer Friedhof.

Bayerisches Königreich

Der im Besitz des Hochstifts Würzburg befindliche Ort ging in den Jahren 1802/03 an Bayern über.

Nachdem sich Reiterswiesen und Arnshausen mehrfach (am 12. August 1643, am 28. November 1652 und am 28. September 1664) beschwerten, dass es keinen Kaplan in Kissingen gab und daher keine Gottesdienste in den beiden Dörfern stattfanden, wurde im Juni 1665 per geistlichem Ratsprotokoll festgelegt, dass auch weiterhin ein Kissinger Kaplan Gottesdienste in Reiterswiesen und Arnshausen abzuhalten habe. Doch noch 1719 mussten beide Orte die geistliche Kanzlei und auch den Bischof an diesen Erlass erinnern. Im Jahre 1743 schließlich wurde Arnshausen selbstständige Pfarrei. Am 24. April 1759 wurde auf Anweisung des bischöflichen Ordinariats in Reiterswiesen eine eigene Kaplanei eingerichtet; das dafür nötige Kapital stammte aus dem Erbe der Reiterswiesener Brüder Peter und Hans Sieber über einen Betrag von 1.200 Gulden. Die erforderliche Urkunde wurde erst 1767 ausgestellt und tauchte, nachdem sie verloren ging, im Jahre 1769 in der geistlichen Amtskanzlei wieder auf. Auf die praktische Umsetzung des Beschlusses des Fürstbischofs hatte dies aber keine negativen Auswirkungen.

Dem Einmarsch französischer Revolutionstruppen unter General François-Joseph Lefebvre im Rahmen des Ersten Koalitionskrieges fielen in Reiterswiesen drei Wohnhäuser mit Nebengebäuden durch Brandlegung zum Opfer; es handelte sich hierbei um das Anwesen des Schultheisen Weisensehl. Eine Gruppe von Bauern schloss sich, auch unter Reiterswiesener Beteiligung, zusammen und schlug die französischen Soldaten in die Flucht. Zwei Männer aus Reiterswiesen (ein Schneider und ein Polizeidiener) nahmen am napoleonischen Feldzug gegen Russland (1812) teil; sie und ein weiterer Reiterswiesener (ein Tagelöhner) kämpften wenige Jahre später (1814/1815) in den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Alle drei bekamen auf Grund eines Beschlusses der kgl.-bay. Regierung von 1864 eine Unterstützung als Veteranen.

Büste von Franz Anton von Balling am Bad Kissinger Ostring an der Auffahrt nach Reiterswiesen.

Im Jahr 1831 kam über den Balkan, Russland und Polen eine Cholera-Epidemie nach Deutschland, nachdem das preußische Militär durch Verriegelung der Ostgrenze vergeblich versucht hatte, eine Übertragung des Krankheitserregers auf deutsches Gebiet zu verhindern. Auf Anweisung des Landgerichts Euerdorf vom 9. Oktober 1831 wurde in Reiterswiesen eine Schutzkommission eingerichtet. In diesem Zusammenhang wurden u. a. Maßnahmen zur Aufklärung der Bevölkerung sowie Lebensmittelkontrolle getroffen. Nach dem Ausbleiben weiterer Neuerkrankungen konnte die Schutzkommission ihre Tätigkeit im Februar 1833 einstellen.

In den 1840er und 1850er Jahren entstand unter Badearzt Franz Anton von Balling die nach dem Mediziner benannte Parkanlage Ballinghain. Durch Bebauung sind von Ballings ursprünglicher Konzeption nur noch Reste vorhanden.

Am 5. August 1862 ordnete das Königliche Bezirksamt Kissingen den Bau einer Verbindungsstraße zwischen Reiterswiesen und dem Nachbarort Rottershausen (diese führt heute zur „Schwarzen Pfütze“ und auf die B19) durch Reiterswiesener Frohndepflichtige. Distriktwegemacher Müller beabsichtigte, den bereits vorhandenen, aber nicht mehr benutzbaren Feldweg zwischen beiden Orten zu chaussieren. Maurermeister Georg Fuß versprach sich, den Auftrag zu bekommen, doch wurde sein – bereits einmal herabgesetzter – Kostenvoranschlag von 389 Gulden und 17 Kreutzern von einem Konkurrenten um 11 Gulden unterboten. Trotz einer eindringlichen Mahnung des Bezirksamtes vom 20. Oktober 1862 kam es zur Verzögerungen, da nicht jeder Grundbesitzer im Baugebiet sein Land verkaufen wollte; zusätzlich bestanden Meinungsverschiedenheiten zwischen der Gemeinde und dem Bezirksamt in Bezug auf die nötigen Kanalanlagen. Nach gewissen Fortschritten im Oktober 1864 wurden die Reiterswiesener in der Folgezeit – unter mehrfachen Ermahnungen des Bezirksamtes –, u. a. durch den notwendigen Einsatz der Frohndepflichtigen bei der Ernte, von den Bauarbeiten abgehalten; zu weiteren Verzögerungen kam es im Jahr 1866 durch den „Deutschen Krieg“.

Anlässlich des „Deutschen Krieges“ hatte Reiterswiesen auf Anweisung des Kgl. Amtsgerichtes vom 12. Juni 1866 bayerischen Soldaten Quartier zu bieten. Als der Arnshäusener Vorsteher Werner eine für Arnshausen bestimme Abteilung des 1. Ulanregiments von Großfürst Nikolaus Thronfolger in Reiterswiesen untergebracht wissen wollte, legte Reiterswiesens Vorsteher Georg Kiesel erfolgreich Widerspruch beim königlichen Bezirksamt ein. Kampfhandlungen in Reiterswiesen, während derer die Preußen den Burgberg besetzten, führten zur Flucht einiger Reiterswiesener aus dem Dorf; zu Schäden in Reiterswiesen selbst kam es nicht. Nach dem Sieg der Preußen musste die Gemeinde Reiterswiesen dessen Soldaten mit Lebensmitteln versorgen. Die preußische Forderung nach fünf mit Pferden oder Ochsen bespannten Leiterwagen führte zum Widerstand der Reiterswiesener Bauern, die ihre Wagen versteckten, wogegen das Kgl.-Bayer. Bezirksamt energisch vorging. Bis 1868 kam es zu langwierigen Verhandlungen zwischen der Gemeindeverwaltung Reiterswiesen und dem Kgl. Bezirksamt um Kriegsentschädigungen.

Möglicherweise entstanden durch Kriegsmaschinerie auch Schäden an der im Bau befindlichen Verbindungsstraße zwischen Reiterswiesen und Rottershausen. In der Folgezeit sah sich das Bezirksamt veranlasst, der Gemeinde mit Disziplinarstrafen und Geldbußen zu drohen. Die Gemeinde brachte in den nächsten Jahren gegen die Ermahnungen des Bezirksamtes, dass die Reiterswiesener Frohndearbeiter mit ihren Arbeiten im Verzug seien, dringende Erntearbeiten und schlechte Witterung im Winter als Erklärung hervor. Schließlich waren die Bauarbeiten im Jahr 1868 beendet. Zu weiteren Verzögerungen kam es jedoch, als, u. a. wegen möglicher Wasserschäden bei starkem Regenwetter, vereinzelte Änderungen im Streckenverlauf der Straße erforderlich wurden. Nach Vermessungen durch einen Experten des Bezirksamtes sowie nötigen Neuverhandlungen mit den Ackerflächenbesitzern im Baugebiet fand schließlich die Einweihung des Straßenneubaus statt. Deren genaues Datum ist unbekannt; sie fand aber Ende 1874 oder Anfang 1875 statt.

Im Krieg von 1870/71 kämpften 16 Reiterswiesener auf dem Schlachtfeld; einer von ihnen fiel.

Da die bisherige, dem Heiligen Laurentius von Rom geweihte Kirche zu klein für die wachsende Bevölkerung Reiterswiesen geworden war, begannen am 5. September 1898 die Bauarbeiten zu einer neuen St.-Laurentius-Kirche; diese wurde am 19. Juni 1900 geweiht. Im Jahr 1902 wurde die alte St.-Laurentius-Kirche abgerissen.

Erster und Zweiter Weltkrieg

Kriegerdenkmal vor der St.Laurentius-Kirche.

Der Erste Weltkrieg verursachte keine direkten Schäden in Reiterswiesen. 155 Reiterswiesener zogen in den Krieg; von ihnen starben 31. Ein im Jahr 1928 vor der St.Laurentiuskirche errichtetes Denkmal, das den Drachentöter St.Georg darstellt, soll an die Reiterswiesener erinnern, die bis dahin als Gefallene oder Vermisste Kriegsopfer wurden.

Die einzigen Auswirkungen auf Reiterswiesen durch Kampfhandlungen während des Zweiten Weltkrieges waren zum einen die Sprengung des Munitionsdepots bei Rottershausen, die in Reiterswiesen Fensterscheiben bersten ließ, und zum anderen Gefechte an der östlichen Waldgrenze, während derer zwei deutsche Soldaten fielen. Nach Kriegsende hatte Reiterswiesen 72 Fälle von Gefallenen und Vermissten zu verzeichnen.

Reiterswiesen nach 1945

Im Jahr 1954 wurde in Reiterswiesen ein neues Schulgebäude errichtet, da die Ausstattung der bisherigen Schule, der sogenannten „kleinen Schule“ (von 1905), in der Arnshäusener Straße nicht mehr zeitgemäß war. Das Gebäude der „kleinen Schule“ wurde zu Wohnzwecken umfunktioniert.

Am 1. Juli 1972 wurde Reiterswiesen im Zuge der Gemeindegebietsreform ein Stadtteil von Bad Kissingen.[3] Der Reiterswiesener Gemeinderat sprach sich mit 8:3 Stimmen für die Eingliederung aus. Nach rückblickender Aussage des damaligen Gemeinderates Vinzenz Kiesel war die Eingliederung für Reiterswiesen von Vorteil, was sich zum Beispiel in einer besseren Durchführung von Müllabfuhr und Kanalreinigung durch die Stadt Bad Kissingen sowie durch eine kostenlose Instandhaltung der Feldwege äußert.

1984 wurde zur Geschichtspflege der Heimatverein gegründet, der auch das alljährlich im September stattfindende Burgfest auf der Burgruine Botenlauben ausrichtet. Zu seinem 25-jährigen Jubiläum im Jahr 2009 gab der Verein eine Vereinschronik heraus sowie ein Reiterswiesener Lesebuch "Von Linsenspitzern und Minnesängern..." mit einer Auflage von 500 Exemplaren.[4]

Von 1994 bis 2007 fand in Reiterswiesen das Musikfestival Umsonst & Draußen statt; seit 1999 ist der Stadtteil Austragungsort der jährlichen Offroad-Messe Abenteuer & Allrad.

Bauwerke und Anlagen

Burgruine Bodenlauben

Die in Reiterswiesen gelegene, über der Stadt Bad Kissingen thronende Burgruine Botenlauben entstand im 12. Jahrhundert. Im Jahr 1220 ließ sich der Henneberger Otto von Botenlauben mit seiner Gattin Beatrix de Courtenay hier nieder; beide verkauften jedoch 1242 die Burg und zogen nach Würzburg. Im Lauf der folgenden Jahrhunderte wurde die Burg an Adelige belehnt (bis ins 19. Jahrhundert).

Durch die Verwüstungen während des Bauernaufstandes von 1525 wurde die Anlage zur Ruine. Nach ihrer Nutzung als Steinbruch begann man im 19. Jahrhundert unter einem einsetzenden Interesse für Geschichte, die Substanz der Anlage zu bewahren. Seit 1984 veranstaltet der im gleichen Jahr gegründete Heimatverein Reiterswiesen auf der Botenlaube das alljährlich im September stattfindende Burgfest.

Ballinghain

Sitzbank auf dem Ballinghain

In den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts begann der Badearzt Franz Anton von Balling mit der Anlage eines großen Parks, der vom Bad Kissinger Bahnhof bis nach Reiterswiesen reichte. Der Ballinghain ist nicht mehr in seiner ursprünglichen Form erhalten; inzwischen wurden innerhalb der Parkanlage die Bad Kissinger Umgehungsstraße und das St.-Elisabeth-Krankenhaus gebaut. Von Ballings ursprünglicher Konzeption sind unter anderem eine Büste zu seinen Ehren an der Kreuzung von Umgehungsstraße und Reiterswiesener Durchgangsstraße sowie eine vom Bad Kissinger Ehrenbürger Ernst Hübner gestiftete und von Valentin Weidner errichtete Sitzbank erhalten geblieben, die sich im Reiterswiesener Gebiet am Rande der Durchfahrtsstraße befindet.

St.Laurentius-Kirche

Die St.Laurentius-Kirche an der Reiterswiesener Hauptstraße

Im Ortsinneren befindet sich die 1900 von Carl Krampf gebaute St.-Laurentius-Kirche. Da die bisherige St.-Laurentius-Kirche auf Grund der steigenden Reiterswiesener Bevölkerung zu eng geworden war, entstand im September 1877 ein Kirchenbaufonds; dessen finanzielle Grundlage von 1.000 Mark wurde vom „Schweinhändler“ Peter Ziegler aus dem Erbe seiner verstorbenen Ehefrau Elisabeth gestiftet. Am 28. Oktober 1895 wurde eine Baukommission gegründet; für die neue Kirche nach Entwürfen des Architekten Carl Krampf erwarb man für 7.000 Mark das Grundstück des Reiterswiesener Ehepaares Michael und Regina Mauder. Bis zum 18. Dezember 1896 war der Kirchenbaufonds auf 23.103 Mark angewachsen. Nachdem am 12. Dezember 1897 eine Versammlung der Kirchengemeindemitglieder die Finanzierung der Baukosten geregelt hatte, begannen am 5. September 1898 die Bauarbeiten; die Einweihung der ebenfalls dem heiligen Laurentius von Rom geweihten Kirche erfolgte am 19. Juni 1900. Ihr Altarbild zeigt das Martyrium des Heiligen; sein Richter trägt hier – in Anspielung auf den von Otto von Bismarck geführten „Kulturkampf“ – die Gesichtszüge des Reichskanzlers.

Am 29. September 1901 begann man, das Inventar der alten Kirche zu verkaufen. Die alte Kirche selbst wurde 1902 abgerissen; bei dieser Gelegenheit fanden sich Reste einer noch älteren Kirche.

Im Jahr 1928 entstand vor der Kirche ein Kriegerdenkmal. Es stellt den Drachentöter St.Georg dar und erinnert an Reiterswiesener Kriegsopfer (Gefallene und Vermisste).

Von 1981 bis 1984 erfolgte eine umfangreiche Innen- und Außenrenovierung der Kirche. In deren Rahmen verfasste der damalige Pfarrgemeinderatsvorsitzende Arnold Greubel eine Urkunde mit zeitgeschichtlichen Informationen sowohl über Reiterswiesen als auch über ganz Deutschland; diese Urkunde wurde am 20. Mai 1982, dem Himmelfahrtstag, in der Turmkugel hinterlegt.

Elisabeth-Kapelle

Die Elisabeth-Kapelle am Stöckes.

Im Jahr 1984, als der 750ste Jahrestag der schriftlichen Ersterwähnung von Reiterswiesen gefeiert wurde, wurde der Plan gefasst, eine Kapelle zu Ehren der heiligen Elisabeth von Thüringen, einer Cousine von Otto von Botenlauben, zu bauen. Die Kapelle wurde in den Jahren 1986 und 1987 am Stöckes errichtet und enthält eine geschnitzte Elisabeth-Statue.[5]

Im Jahr 2007 veranstaltete der Vereinsring Reiterswiesen nach einer Renovierung der Kapelle ein Fest aus Anlass des 800. Todestag der Heiligen Elisabeth.[6]

Vereinsleben

Zum Reiterswiesener Vereinsleben gehören die Freiwillige Feuerwehr (Gründung: 1879) mit Feuerwehrkapelle, der Gesangverein (Gründung: 1906), der Schützenverein (1910), der Obst- und Gartenbauverein (Gründung: 1926), der Turn- und Sportverein 1898 e. V., der Heimatverein (Gründung: 1986), der Karnevalsverein „Fidelia“, Ortsverbände der CSU und der SPD, die Soldaten und Reservisten sowie der Verein Deutscher Schäferhunde.

Ferner gab es in Reiterswiesen im Lauf der Zeit verschiedene, inzwischen nicht mehr existente Vereine: den Spar- und Dahrlehnskassenverein (Gründung: 1918), den Kriegerverein (Gründung: 1926) sowie den den Brieftaubenverein Bodenlaube.

Persönlichkeiten

Bürgermeister

Bürgermeister von Reiterswiesen[7]
Name Amtszeit
Pauly Mezler (* ?, † 2. August 1627)  ? – ?
Hans Werner (* ?, † 26. März 1641) 1638/1639
Sebastian Bub (* 1618, † 2. März 1708) 1666/1673/1681/1683/1690
Andreas Sieber (* 1637, † 28. Juni 1723) 1693/1694/1695
Jodocus Bub (* 1655, † 22. Juni 1727) 1703/1707
Johannes Mauder (* 1657, † 25. Januar 1721) 1718/1720/1721
Johannes Georg Vogel (* 1687, † 13. Oktober 1757) 1721 – 1741
Johannes Kießling (* 6. Oktober 1695, † 30. Mai 1765) 1743 – 1765
Johannes Greubel (* 4. Januar 1736, † 24. November 1805) 1767 – 1787
Johannes Adam Weisensehl (* ?, † 1. Januar 1797) 1787 – 1797
Burcard Bischof (* 28. Oktober 1757, † 7. Januar 1814) 1798 – 1802
Johann Georg Kiesel (* 13. Oktober 1768, † ?) 1802 – 1821
Matthäus Renninger (* 10. April 1778, † 6. Februar 1848) 1822 – 1841
Johann Wolfgang Kiesel (* 28. Oktober 1797, † 6. März 1870) 1842 – 1848
Georg Greubel (* 26. Januar 1798, † 7. März 1878) 1849 – 1860
Georg Kiesel (* 12. April 1811, † 22. März 1874) 1861 – 1866
Valentin Greubel (* 17. September 1824, † 22. April 1911) 1867 – 1881
Sebastian Gregor Röder (* 18. Januar 1838, † 1. Februar 1905) 1882 – 1887
Josef Theodor Kiesel (* 26. Februar 1837, † 14. Juni 1912) 1888 – 1893
Matthäus Röder (* 26. Mai 1840, † 17. Februar 1916) 1894 – 1905
Christian Jakob Kiesel (* 22. Januar 1860, † 21. Juli 1936) 1906 – 1919
Josef Michael Greubel (* 14. Januar 1861, † 30. April 1934) 1919 – 1923
Nikolaus Christian Kiesel (* 24. September 1865, † ?) 1924 – 1929?
Klemens Dietz (* 20. November 1881, † 10. September 1931) 1929 – 1930
Karl Kuhn (* 20. Juni 1872, † 19. Juni 1951) 1930 – 1933
Max Reuß (* 13. Oktober 1884, † 13. Dezember 1947) 1933 – 1945
Karl Renninger (* 5. Dezember 1895, † 28. Oktober 1962) 1945 – 1960
Albin Kiesel (* 28. Mai 1910, † 10. September 1989) 1960 – 1972

In Reiterswiesen geborene Persönlichkeiten

Literatur

  • Arnold Greubel: Reiterswiesener Chronik – Geschichtliches zur Burg Bodenlauben, dem Weiler Unterbodenlauben und dem Dorfe Reiterswiesen., Reiterswiesen 1975
  • Dr. Bernhard Renninger: 750 Jahre Reiterswiesen, Vereinsring Reiterswiesen, Festausschuss 750-Jahr-Feier (Hrsg.), 1984
  • Edi Hahn: Bad Kissingen und seine Umgebung die schönsten Sagen, Legenden und Geschichten, Bad Kissingen 1986. ISBN 3-925722-01-7
  • Thomas Ahnert und Peter Weidisch (Hrsg.): 25 Jahre große Kreisstadt Bad Kissingen – Ein Stadtmagazin, Bad Kissingen, Verlag Stadt Bad Kissingen, 1997. ISBN 3-00-001787-9
  • Reiterswiesen, In: Denis A. Chevalley, Stefan Gerlach: Denkmäler in Bayern - Stadt Bad Kissingen, 1998. ISBN 3-87490-577-2
  • Der Ballinghain, In: Thomas Ahnert, Peter Weidisch (Hg.): 1200 Jahre Bad Kissingen, 801-2001, Facetten einer Stadtgeschichte. Festschrift zum Jubiläumsjahr und Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung. Sonderpublikation des Stadtarchivs Bad Kissingen. Verlag T. A. Schachenmayer, Bad Kissingen 2001, ISBN 3-929278-16-2
  • Heimatverein Botenlauben Reiterswiesen e. V. (Hrsg.): 1703-2003 – 300 Jahre Rathaus Reiterswiesen, Geschichte und Geschichten
  • Heimatverein Botenlauben Reiterswiesen e. V. (Hrsg.): "Von Linsenspitzern und Minnesängern ..." – Geschichte und Geschichten aus Reiterswiesen, Bad Kissingen 2009, ISBN 3-939959-05-7

Siehe auch

Kiefernstraße (Vieträh)

Weblink

Einzelnachweis

  1. Denis A. Chevalley, Stefan Gerlach: Denkmäler in Bayern - Stadt Bad Kissingen. S. XXIV
  2. Arnold Greubel: Reiterswiesener Chronik – Geschichtliches zur Burg Bodenlauben, dem Weiler Unterbodenlauben und dem Dorfe Reiterswiesen., Reiterswiesen 1975, S. 15
  3. Wilhelm Volkert (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799–1980. C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1983, ISBN 3-406-09669-7. Seite 427
  4. Main-Post - Zeitreise vom Mittelalter bis zum Heute
  5. Die Elisabeth-Kapelle auf www.unser-reiterswiesen.de
  6. „800 Jahre heilige Elisabeth“ auf www.unser-reiterswiesen.de
  7. Heimatverein Botenlauben Reiterswiesen e. V. (Hrsg.): 1703-2003 – 300 Jahre Rathaus Reiterswiesen, Geschichte und Geschichten, S.16

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