- Schweigen (Recht)
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Schweigen im Rechtsverkehr bedeutet weder „Ja“ noch „Nein“, weder Zustimmung noch Ablehnung zu einem Rechtsgeschäft, sondern gar nichts. Es ist grundsätzlich keine Willenserklärung.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Das deutsche Recht (BGB, HGB und StPO) geht insgesamt vom Grundsatz aus, dass schlichtes Schweigen keinen Erklärungswert besitzt und deshalb ohne rechtliche Bedeutung ist (so genanntes „rechtliches Nullum“).[1] Durch Schweigen wird weder ein Wille artikuliert noch eine Erklärung abgegeben. Beim Schweigen ist deshalb dem anderen Teil weder bekannt, ob überhaupt ein rechtsverbindlicher Wille vorliegt, noch erfolgt keinerlei Erklärung wie etwa bei sonstigen stillschweigenden Handlungen.[2] Der alte Rechtsgrundsatz „Wer schweigt, wo er (wider)sprechen sollte und konnte, dem wird Zustimmung unterstellt“ („qui tacet consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit“; Papst Bonifatius VIII.) gilt im deutschen Recht nur ausnahmsweise.
Arten des Schweigens
Schweigen kann allerdings ausnahmsweise rechtserheblich sein. Es hängt dann von gesetzlichen Vorschriften oder vom Willen der Vertragspartner ab, ob Schweigen als Zustimmung oder Ablehnung anzusehen ist.
Normiertes Schweigen
Das so genannte „normierte“ Schweigen (auch „fingierte Willenserklärung“) besitzt kraft Gesetzes Erklärungswert, da Rechtsfolgen hieran geknüpft werden.[3] Grund der gesetzlichen Regelung sind die Sicherheit des Rechtsverkehrs und die (widerlegbare) Vermutung bestimmter Vorschriften, dass der Schweigende mit dem Vertragsabschluss einverstanden ist. In diesen Fällen „gilt“ Schweigen als Willenserklärung, obwohl es keine ist.
Das „normierte“ Schweigen hat ausnahmsweise dann Erklärungswirkung, wenn das Gesetz dies vorsieht. Etwa in den Fällen des § 108 Abs. 2 Satz 2 BGB (Vertragsabschluss eines Minderjährigen ohne Einwilligung), § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB (Vertragsabschluss eines Vertreters ohne Vertretungsmacht) und § 416 Abs. 2 Satz 2 BGB (Genehmigung einer Schuldübernahme) gilt Schweigen als Ablehnung; hingegen fingieren § 416 Abs. 1 Satz 2 BGB (Übernahme einer Hypothek durch den Grundstückserwerber), § 454 Abs. 1 BGB (Billigung beim Probekauf), § 516 Abs. 2 Satz 2 (Schenkungsannahme nach Fristablauf), § 362 Abs. 1 Satz 1 HGB (Annahmefiktion eines Geschäftsantrags bei Kaufleuten) und § 377 Abs. 2 HGB (unterlassene Mängelanzeige bei Handelsgeschäften) Schweigen als Zustimmung. Diese Konstellationen betreffen einige Dreipersonenverhältnisse, bei denen jemand ein zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft tätigt, jemand als Zustimmungsberechtigter handelt (§ 182 BGB) und der Dritte den Zustimmungsberechtigten zur Genehmigung auffordert. Das gesetzlich vorgesehene „Nein“ führt zum Scheitern eines Vertrages. Etwas anderes gilt nur für den Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 Abs. 2 Satz 2 BGB); diese Vorschrift findet unter bestimmten Voraussetzungen auch auf einseitige Rechtsgeschäfte Anwendung, sofern es sich um empfangsbedürftige Willenserklärungen handelt (§ 180 BGB).
Wo das Gesetz Zustimmung fingiert, führt Nichtstun durch Schweigen zum Zustandekommen eines Vertrages dadurch, dass eine Genehmigung gesetzlich unwiderlegbar unterstellt wird. Auch hierbei handelt es sich um die Dreipersonen-Konstellationen. Dabei stellen die §§ 75h (Handlungsgehilfe) und § 91a HGB (Handelsvertreter) Ausnahmeregelungen zu § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB mit umgekehrtem Regelungsgehalt dar. Die Genehmigungsfiktion verdeckt hier lediglich ein Wirksamkeitshindernis des Vertrages; Angebot und Annahme müssen trotzdem vorliegen.
Diese gesetzlichen Fiktionen ersetzen lediglich die (fehlende) Willenserklärung als solche und ihren Inhalt. Alle anderen Voraussetzungen einer Willenserklärung werden von den genannten Vorschriften nicht ersetzt. Deshalb sind Mängel der Geschäftsfähigkeit (§§ 104 bis § 113 BGB) und Mängel des Zugangs (§§ 130 bis § 133 BGB) in analoger Anwendung dieser Normen weiterhin zu beachten. Auch die §§ 116 ff. BGB, insbesondere die Anfechtungsregeln, sind analog anwendbar. Ausnahmsweise kann beim Inhaltsirrtum dann nicht nach § 119 Abs. 1 Alternative 1 BGB mit der Begründung angefochten werden, dass demjenigen, auf den die gesetzliche Fiktion Anwendung findet, diese Fiktionswirkung nicht bekannt war (unbeachtlicher Motivirrtum).
Die unwidersprochene tatsächliche Fortsetzung von unbefristeten Miet- oder Dienstverhältnissen (§§ 545 BGB, § 625 BGB) gilt als Vertragsverlängerung. Das normierte Schweigen verfolgt in diesen Fällen den Zweck, einen vertragslosen Zustand dieser Dauerschuldverhältnisse zu verhindern. Das Schweigen des Vermieters auf ein Fortsetzungsverlangen des Mieters bei einem befristeten Mietverhältnis bedeutet hingegen in der Regel nicht dessen Einverständnis; vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Schweigen als Vertragsannahme zu werten ist.[4] Das Schweigen auf eine Kündigung ist bedeutungslos und bewirkt insbesondere kein Einverständnis des Empfängers mit der Kündigung. Im Erbschaftsrecht führt Nichtstun durch Schweigen des Erben unwiderlegbar zur Erbschaftsannahme nach Ablauf der Ausschlagungsfrist (§ 1943 BGB).
Beredtes Schweigen
„Beredtes“ Schweigen stellt für den juristischen Laien zunächst einen Widerspruch dar. In der juristischen Fachsprache hingegen liegt „beredtes Schweigen“ vor, wenn dem Schweigen durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ein Erklärungswert zukommen soll. Wird im Vertrag vereinbart, dass Schweigen eines Vertragsteils zu einer bestimmten Rechtsfolge führen soll, so tritt diese Rechtsfolge bei Schweigen des betroffenen Vertragspartners automatisch ein. Beredtes Schweigen gilt als Zustimmung im Sinne einer Vertragsannahme, wenn nach den Vorverhandlungen Einigkeit über die wesentlichen Punkte des Vertrags bestanden hat und beide Parteien fest mit einem Vertragsabschluss gerechnet haben.[5] Sind sich die Vertragsparteien einig, dass ein Lieferangebot angenommen sei, wenn der Käufer nicht umgehend ablehne, so kommt der Vertrag durch Schweigen auf das Angebot zustande.[6]
Im Arbeitsrecht ist das Weglassen branchenüblicher Leistungen und Eigenschaften in einem Arbeitszeugnis als Hinweis auf nur unterdurchschnittliche Leistungen zu verstehen und als „beredtes Schweigen“ unzulässig.[7] Auch bei Bankauskünften werden negative Erkenntnisse meist durch beredtes Schweigen zum Ausdruck gebracht,[8] indem Aussagen, die eigentlich banküblich zum allgemeinen Inhalt einer Bankauskunft gehören, weggelassen werden. Im Strafrecht liegt beredtes Schweigen des Angeklagten vor, wenn dieser den Tatvorwurf generell bestreitet,[9] seine Unschuld beteuert oder erklärt, mit der Tat nichts zu tun zu haben.[10]
Schweigen als Willenserklärung
Schweigen stellt allgemein keine Willenserklärung dar, es sei denn, es handelt sich ausnahmsweise um
- eine konkludente Erklärung:
Schweigen kann dann als konkludente (schlüssige) Willenserklärung angesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, nach denen Schweigen die Erklärung eines Geschäftswillens darstellt.[11] Die konkludente Erklärung ist als Willensäußerung zu verstehen, die, ohne unmittelbar dem Kundmachungszweck zu dienen, auf die Verwirklichung des Willens gerichtet ist.[12] Auch in dem Schweigen auf ein Angebot, das auf Grund von alle wichtigen Punkte betreffenden Vorverhandlungen ergeht und ihnen im Ergebnis entspricht, ist in der Regel eine stillschweigende Annahme zu sehen.[13] Im Rahmen der Verkehrssitte wird von der anderen Vertragspartei nicht erwartet, dass sie ein Angebot bestätigt. So muss beim Versandhauskauf der Käufer nicht erwarten, dass das Versandhaus seine Bestellung bestätigt, sondern dass ihm die Waren zugesandt werden (verkehrsübliches Schweigen).
- Schweigen auf eine vorherige vertragliche Vereinbarung:
Die Regelung des § 151 BGB enthält keinen Fall eines rechtserheblichen Schweigens, denn sie besagt nur, dass die Parteien auf eine Zustellung der Annahme verzichten oder dass die Zustimmung aufgrund der Verkehrssitte nicht erwartet wird; auf die Annahme selbst kann nicht verzichtet werden. Verkehrssitte ist die im Verkehr der beteiligten Kreise herrschende tatsächliche Übung, die eine gewisse Festigkeit erlangt haben muss.[14] Es wird mithin ein innerer Entschluss und – nach herrschender Meinung – eine Bestätigung vorausgesetzt.
- Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben:
Im Rahmen von Handelsgeschäften zwischen Kaufleuten kommt dem Schweigen eine stärkere Bedeutung zu. Dem im HGB nicht ausdrücklich geregelten kaufmännischen Bestätigungsschreiben muss ein Kaufmann unter bestimmten Voraussetzungen unverzüglich widersprechen, wenn er den Inhalt dieses Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Reagiert er nicht auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben und schweigt, so darf dies als Annahme gewertet werden.[15]
- Schweigen des Kaufmanns auf ein Angebot:
Die Regelung des § 362 HGB gilt nur gegenüber Kaufleuten. Hiernach gilt Schweigen auf das Angebot als Annahme, auch im Rahmen von Handelsbräuchen ist Schweigen als Annahme zu werten. Innerhalb einer kaufmännischen Geschäftsbeziehung oder bei einer Aufforderung des Kaufmanns zur Abgabe eines Angebots werden dem Kaufmann besondere Pflichten auferlegt. Er muss auf das Angebot reagieren, sonst gilt sein Schweigen als Annahme. Die Vorschrift kennt zwei Varianten:
1) § 362 Satz 1 HGB (Angebot innerhalb ständiger Geschäftsbeziehung):
Das vom Kaufmann betriebene Handelsgewerbe muss die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringen. Erfasst hiervon werden die Handelsgeschäfte Kommission, Spedition, Lager- und Frachtgeschäft, Makler- und Treuhandverträge sowie insbesondere Bank- und Börsengeschäfte.[16] Zudem muss der dem Kaufmann gemachte Antrag eine solche Geschäftsbesorgung zum Inhalt haben. Ferner ist eine ständige Geschäftsbeziehung zwischen dem Kaufmann und dem Antragenden erforderlich. Diese liegt vor, wenn unter Kaufleuten eine Reihe von rechtsgeschäftlichen Kontakten erfolgt ist und eine Übereinstimmung besteht, fortgesetzt Geschäfte miteinander abzuschließen.[17]
2) § 362 Satz 2 HGB (Aufforderung zur Abgabe eines Angebots; „invitatio ad offerendum”):
Der erforderliche Antrag auf Besorgung eines Geschäftes entspricht dem des § 362 Satz 1 HGB. Statt dem besonderen Gegenstand es Handelsgewerbes und der ständigen Geschäftsbeziehung ist ein Anbieten der Geschäftsbesorgung gegenüber dem Antragenden erforderlich. Darunter ist eine invitatio ad offerendum zu verstehen, die allerdings individuell und nicht an einen unbestimmten Personenkreis („ad incertas personas“) gerichtet sein muss. Ansonsten wäre nämlich jedes Angebot auf eine Werbung ein Fall des § 362 HGB. Ein derart weiter Anwendungsbereich ist indes gesetzlich nicht gewollt, weil dies eine zu weitgehende Einschränkung der Privatautonomie darstellen würde; jede Werbung hätte demnach zur Folge, dass Angebote unverzüglich abgelehnt werden müssten.
Unbestellte Waren
Hauptartikel: Unbestellte Lieferung
Wenn ein Unternehmer (§ 14 BGB) einem Verbraucher Sachen oder sonstige Leistungen unbestellt (also ohne Aufforderung durch den Verbraucher) zusendet, so hat der Unternehmer nach § 241a BGB keine Ansprüche gegen den Verbraucher, selbst dann nicht, wenn dieser schweigt. Darüber hinaus erlangt der Unternehmer keine Ansprüche gegen den Verbraucher, wenn der Unternehmer erklärt, dass der Vertrag bei Nichtablehnung oder Nichtrücksendung der Waren als geschlossen gelte oder der Verbraucher Aneignungs- oder Gebrauchshandlungen vornimmt (diese gelten – abweichend von § 151 BGB - nicht als Annahme). Der Verbraucher wird zwar nicht Eigentümer, kann aber nach herrschender Meinung die Sachen beliebig gebrauchen oder verbrauchen; es trifft ihn auch keine Aufbewahrungspflicht.
Schweigen in den AGB
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird häufig von Genehmigungs- und Zugangsfiktionen Gebrauch gemacht, die dazu führen, dass das Schweigen des Verbrauchers eine Zustimmung bedeuten soll. In § 308 Nr. 5 BGB werden Klauseln für unwirksam erklärt, die dem Empfänger einseitig sein Schweigen als Erklärungsmittel aufdrängen und ihm eine Erklärungspflicht aufbürden. Nach § 308 Nr. 6 BGB sind Zugangsfiktionen, die unterstellen, dass der Verbraucher bestimmte Mitteilungen erhalten hat und genehmigt, nichtig. Dies ist durch die Rechtsprechung zu Gunsten des Verbrauchers bestätigt worden. Danach sind Kündigungen, Mahnungen, Frist- und Nachfristsetzungen oder Rücktrittserklärungen in den AGB mit nachteiligen Rechtsfolgen für den Verbraucher unwirksam.
Soll eine Vielzahl von vergleichbaren Verträgen in gleicher Weise geändert werden, können die Gebühren von Kreditinstituten oder Telefonanbietern ohne ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers erhöht werden; dabei müssen die Verträge ihm aber ausreichend Zeit zum Widerspruch geben und insgesamt zumutbar sein (§ 308 Nr. 4 BGB). Bleibt der Widerspruch aus und der Kunde schweigt, tritt die neue Gebührenregelung in Kraft. In diesen Fällen wird von der Erklärungsfiktion Gebrauch gemacht, die nach widerspruchslosem Ablauf einer Ausschlussfrist von der Genehmigung der Gebührenerhöhung durch den Verbraucher ausgehen darf. Eine verbraucherseitige Genehmigung zu einer Gebührenerhöhung darf mithin fingiert werden, wenn der Kunde der Erhöhung nach vorheriger Information nicht widerspricht, sondern das Vertragsverhältnis stillschweigend fortsetzt, da sein Schweigen nicht auf die vertraglichen Mindestinhalte bezogen werden darf.
Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. So liegt im Schweigen des Kunden auf Kontoauszüge der Kreditinstitute keine Zustimmung zu deren Zinsbestimmung[18] und auch keine konkludente Genehmigung ihres Inhalts.[19] Anders ist dies bei Rechnungsabschlüssen für Girokonten und bei der Genehmigungsfiktion von Lastschriftbuchungen im Ermächtigungsverfahren nach jeweils sechs Wochen. Nach Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 AGB-Sparkassen gelten Rechnungsabschlüsse als genehmigt, wenn ihnen nicht binnen sechs Wochen nach Zugang widersprochen wird. Auf diese Rechtsfolge wird der Kunde bei Erteilung des Rechnungsabschlusses hingewiesen. Diese Bestimmung führt beim Schweigen des Bankkunden zum Abschluss eines Saldoanerkenntnisvertrages. Mit ihm gehen die kontokorrentfähigen beiderseitigen Ansprüche und Leistungen unter, übrig bleibt nur der Anspruch aus dem Saldoanerkenntnis.[20] Das trifft insbesondere auf Lastschriften mit Einzugsermächtigungsverfahren zu, für die eine zeitlich unbegrenzte Widerrufsmöglichkeit besteht.[21] Danach ist die Möglichkeit des Kontoinhabers zum Widerspruch gegen Belastungen seines Kontos auf Grund Einzugsermächtigungslastschriften nicht befristet und endet erst durch Genehmigung gegenüber der kontoführenden Bank. Eine Genehmigung solcher Belastungen kann auch nicht in einem Schweigen auf einen Rechnungsabschluss gesehen werden.[22] Sofern fehlerhafte Belastungen erst nach Ablauf der 6-Wochenfrist erkannt werden, kann im Kontokorrent keine Verrechnung mehr erfolgen; die Forderung kann dann nur noch gesondert geltend gemacht werden.
Bei Firmen als Bankkunden indes könne dem BGH zufolge bei der Bank nach angemessener Frist die berechtigte Erwartung entstehen, die Belastungsbuchung solle Bestand haben, wenn diese im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei regelmäßigen Lastschriften, denen der Schuldner bislang nicht widersprochen hat, in Kenntnis von einem neuen in der Höhe nicht wesentlich abweichenden Lastschrifteinzug erfolge.[23] Das Urteil trifft auf alle Lastschrifteinzüge zu, die aus Dauerschuldverhältnissen (wie Miete, Kredit, Versicherungen, Krankenkasse u.a.) resultieren. Diese Genehmigungsfiktionen von sechs Wochen werden mit § 308 Nr. 5 BGB als vereinbar angesehen.
Schweigen im Arbeitsrecht
Stillschweigende Genehmigung wird das Nichtstun eines Vertragspartners genannt, der vertraglich verpflichtet ist, sich zu äußern. Unterlässt er diese Äußerung, so liegt in diesem konkludenten Handeln eine Genehmigung. Das gilt jedoch nicht immer. Im Arbeitsrecht stimmen Arbeitnehmer einer Vertragsänderung nicht bereits dadurch zu, dass sie zunächst widerspruchslos zu geänderten Bedingungen weiterarbeiten. Haben sie den Änderungsvertrag nicht unterschrieben, können sie auch nachträglich noch gegen die Änderungen vorgehen, wie das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschied.[24] Dabei könne der Arbeitgeber nicht von einer stillschweigenden (konkludenten) Zustimmung zur Vertragsänderung ausgehen. Denn bloßes Schweigen sei gerade nicht gleichbedeutend mit der Annahme eines Vorschlags. Eine konkludente Angebotsannahme kann bei einer widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nur dann gelten, wenn sich die angetragene Änderung unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt, nicht aber, solange deren Folgen nicht hervortreten. Nur die tatsächliche Praktizierung geänderter Vertragsbedingungen kann eine konkludente Erklärung sein, die einer Annahme innerhalb der Frist des § 147 BGB gleichkommt.[25]
Schweigen im Verwaltungsrecht
Verwaltungsakte und Gerichtsurteile werden bestandskräftig, wenn man sie stillschweigend hinnimmt, anstatt Widerspruch hiergegen einzulegen, Klage zu erheben oder Rechtsmittel (Berufung, Revision) einzulegen. Rechtsbehelfe dieser Art können nur durch Tätigwerden des Betroffenen wahrgenommen werden und sind außerdem fristgebunden. Ein nach Fristablauf eingehendes Rechtsmittel ist unzulässig und darf von Amts wegen nicht mehr beachtet werden. Auch das Schweigen von Behörden kann in bestimmten Fällen als Zustimmung gelten, so etwa beim fiktiven Verwaltungsakt (auch „fingierter Verwaltungsakt“). Behördliches Schweigen stellt keine Regelung dar; hierin kann jedoch ein fiktiver Verwaltungsakt gesehen werden, der nach Ablauf einer bestimmten Frist an die Untätigkeit oder das Schweigen einer Behörde eine bestimmte Rechtsfolge knüpft.[26]
Schweigen im Strafrecht
Nach deutschem Strafprozessrecht steht es dem Angeklagten frei, sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Zeugen, Prozessparteien und Beschuldigten wird für den Fall der Selbstbezichtigung ein Schweige- und Aussageverweigerungsrecht zugebilligt. Beim Schweigen handelt es sich um ein elementares Wesensmerkmal eines rechtsstaatlichen Verfahrens und nicht um die unnötige Erschwerung der Tätigkeit des Richters;[27] Schweigen genießt vielmehr Verfassungsrang.[28] Es dürfen keinerlei negative Rückschlüsse daraus gezogen werden, wenn ein Angeklagter zum Tatvorwurf völlig schweigt.[29] Insbesondere darf beim Schweigen des Angeklagten das Gericht nicht vermuten, der Angeklagte habe etwas zu verbergen. Anders ist die Lage, wenn der Angeklagte Aussagen macht. Dann darf sein Schweigen bei weiteren Befragungen durch Gericht und Staatsanwaltschaft zu negativen Schlussfolgerungen führen.[30] Äußert sich der Angeklagte nur zu einem von mehreren Tatvorwürfen, so liegt darin kein teilweises Schweigen, sodass hieraus wiederum keinerlei Schlüsse gezogen werden dürfen.[31] Schweigen bedeutet strafprozessual jedoch nicht nur, dass der Angeklagte gar nichts sagt. Zum Schweigen gehören auch das allgemeine Bestreiten der Vorwürfe, pauschale Erklärungen oder rechtliche Stellungnahmen.[32]
Auch das Schweigen gegenüber der Polizei stellt kein Einräumen der Tat dar und darf von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht nicht als Eingeständnis der Tat gewertet werden. Schweigen wirkt sich auch hier nicht zum Nachteil für den Beschuldigten aus. Niemand muss sich selbst belasten und an seiner eigenen Überführung mitwirken. Er muss lediglich Pflichtangaben machen, das sind die Personalien im Sinne des § 111 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG).
Zeugnisverweigerungsrecht
Bestimmten Arten von Zeugen steht kraft Gesetzes das zum Schweigen berechtigende Zeugnisverweigerungsrecht zu. Entweder steht der Zeuge zum Beschuldigten in einer persönlichen Beziehung (Blutsverwandtschaft; § 52 StPO) oder in einem berufsbedingten Rechtsverhältnis (Anwälte, Steuerberater, Ärzte; § 53 StPO). Gehört ein Zeuge zu keiner der beiden Gruppen, stehen ihm Zeugnisverweigerungsrechte nur zum Selbstschutz zu, wenn er sich durch seine Aussage selbst einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde (Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO). Der Zeuge ist ferner nicht verpflichtet, zu einer polizeilichen Vernehmung zu erscheinen (§ 161a Abs. 1 StPO). Das ist anders bei der Vernehmung durch den Staatsanwalt; hier muss er erscheinen, kann jedoch von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Auch hier gilt, dass Zeugen entweder schweigen oder alle Fragen beantworten müssen.
Einzelnachweise
- ↑ Peter Gottwald, Examens-Repetitiorium, BGB Allgemeiner Teil, 2008, S. 25
- ↑ Apostolos Tassikas, Dispositives Recht und Rechtswahlfreiheit, 2004, S. 158
- ↑ Apostolos Tassikas, a.a.O., S. 157
- ↑ AG Königstein/Taunus, Urteil vom 18. April 1996, Az: 23 C 350/95 (NJW-RR 1997, 1504)
- ↑ BGH NJW 1996, 919
- ↑ BGH NJW 1975, 40
- ↑ BAG, Urteil vom 12. August 2008, Az.: 9 AZR 632/07
- ↑ BGH NJW 1970, 1737
- ↑ BGHSt NJW 1992, 304
- ↑ BGHSt NStZ 2007, 417
- ↑ BGHZ 1, 353, 355; BGH BB 1960, 306
- ↑ Heinz Hübner, Allgemeiner Teil des BGB, 1996, S. 302
- ↑ BGH NJW 1995, 1281, 1285
- ↑ Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Auflage, RdNr. 21 zu § 133
- ↑ Julius von Staudinger/Roland Michael Beckmann/Michael Martinek, Kommentar zum BGB, Band 8, 2005, S. 191 mit weiteren Nachweisen
- ↑ Karsten Schmidt, Handelsrecht, § 19 II 2 d)
- ↑ Karsten Schmidt, Handelsrecht, § 20 I 3 d)
- ↑ BGHZ 97, 221
- ↑ BGHZ 174, 84, 97
- ↑ BGHZ 80, 172, 176
- ↑ BGH NJW 2000, 2667
- ↑ BGH, Urteil vom 6. Juni 2000, Az: XI ZR 258/99
- ↑ BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010, Az: XI ZR 562/07
- ↑ LAG Nürnberg, Urteil vom 15. Dezember 2009, Az: 7 Sa 204/09
- ↑ Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. November 2009, Az: 10 AZR 779/08
- ↑ Franz-Joseph Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2008, S. 120
- ↑ KG Berlin, Urteil vom 11. Juni 2010, Az: 2 Ss 157/10
- ↑ BVerfG NJW 1981, 1431
- ↑ BGHSt 32, 140, 144
- ↑ BGHSt 20, 298, 300
- ↑ BGHSt 32, 140, 145
- ↑ Ewald Löwe/Peter Riess, Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, 1999, S. 257
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