Freigericht (Amt)

Freigericht (Amt)

Das Amt Freigericht war ein Territorium im alten Deutschen Reich im Raum Aschaffenburg-Hanau.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Mittelalter

Zunächst war das Freigericht eine freie Markgenossenschaft, die direkt dem Kaiser unterstand. Wie bei vielen anderen ihm unmittelbar nachgeordneten Territorien verlieh der Kaiser – sei es für erworbene Verdienste, für Geld oder aus politischen Rücksichten - auch das Freigericht an reichsunmittelbare Adlige. So befand sich ein Drittel des Freigerichts 1358 in den Händen der Herren von Hanau.[1] 1425 befand sich das Freigericht in den Händen der Herren von Eppstein, die es an die – nunmehrigen – Grafen von Hanau verpfändeten.

Frühe Neuzeit

Im Jahr 1500 schließlich wurden der Graf von Hanau und der Erzbischof von Mainz vom Kaiser gemeinsam mit dem Freigericht belehnt. Damit entstand ein Kondominium, dessen gemeinsame Verwaltung trotz der unterschiedlichen Konfessionen – die Grafen von Hanau-Münzenberg wurden letztendlich reformiert, ihre Erben 1642, die Grafen von Hanau-Lichtenberg, waren lutherisch, das Erzbistum Mainz blieb römisch-katholisch – über mehr als 200 Jahre funktionierte.

Erbfall von 1736

Als letzter Hanauer Graf starb Graf Johann Reinhard III. am 28. März 1736 in Schloss Philippsruhe bei Hanau. Sein Sterbelager war umstellt von den diplomatischen und notariellen Vertretern der Erben, die alle für diesen Fall schon ihre Vorbereitungen getroffen hatten. Kurmainz besetzte das Freigericht noch am Abend des 28. März 1736 militärisch[2]. Der Erbe der Grafschaft Hanau-Münzenberg, Erbe aufgrund eines Erbvertrags aus dem Jahr 1643, Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel erhob aber auch Ansprüche auf das Freigericht, marschierte ebenfalls im Freigericht ein und – er hatte das effizientere Militär – besetze auch den größeren Teil.

Da es sich um ein Lehen handelte und Lehen in der Regel nur an männliche Nachkommen vererbt werden konnten, behauptete der Erzbischof von Mainz, alleiniger Erbe zu sein. Vor dem Reichskammergericht erhielt er Recht. Das nutzte ihm allerdings nichts, da Wilhelm VIII. nicht wich, Mainz nicht stark genug war, es auf einen Krieg ankommen zu lassen, und sich keine anderen Mächte fanden, das Urteil gegen den Landgrafen zu vollstrecken. So endete der Streit mit einem Vergleich, dem „Partifikationsrezess“ von 1740, der allerdings erst 1748 endgültig umgesetzt wurde. Es kam zu einer Realteilung. Hessen-Kassel erhielt die Pfarrei Somborn (Altenmittlau, Bernbach, Horbach, Neuses und Somborn), ohne Albstadt als Lehen von Kurmainz – das entsprach 1/4 des Freigerichts – und eine Ausgleichszahlung. Der an Hessen gefallene Teil des Freigerichts wurde auch das diesseitige Freigericht genannt. Auch hier waren die Einwohner überwiegend römisch-katholisch.[3] Hessen musste die ungestörte Ausübung dieses Bekenntnisses garantieren. Der Rest des Freigerichts ging an Kurmainz.

Nachwirkung

Der nun hessische Anteil des Freigerichts wurde durch das Hessen-Hanauische Amt Altenhaßlau mit verwaltet.[4] In napoleonischer Zeit kam dann der bei Kurmainz verbliebene Teil des Freigerichts letztendlich zum Königreich Bayern. Noch heute beruht so die Grenze zwischen Hessen und Bayern an dieser Stelle auf dem „Partifikationsrezess“ von 1740.

Gebiet

Das Freigericht bestand aus vier Landgerichten, denen die Dörfer zugeordnet waren:

  • Der ehemals zum Freigericht gehörender Anteil des Amtes Steinheim gehörte seit 1424 zu Kurmainz.[7]

Einzelnachweise

  1. Appel, S. 9; Reimer, Bd. 3, Nr. 218, 277, 383.
  2. Wille, S. 66; Duchhardt, S. 93.
  3. Eckhard Meise: Die Lamboybrücke und das Lamboyfest. In: Hanauer Geschichtsverein: Der Dreißigjährige Krieg in Hanau und Umgebung = Hanauer Geschichtsblätter 45 (2011), ISBN 978-3-935395-15-9 (formal falsche ISBN), S. 335-395 (371).
  4. Engelhard.
  5. Engelhard.
  6. Engelhard.
  7. Engelhard.

Literatur

  • O. Appel: Die Politische Tätigkeit Ulrichs III. = Hanauer Geschichtsblätter 5, S. 9.
  • Heinrich Brückner: Das Freigericht Willmundsheim vor der Hart in seinem rechtlichen Charakter und Ursprung. In: Archiv des historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 68, Würzburg 1929.
  • Heinrich Dannebauer: Freigrafschaften und Freigerichte. In: Vorträge und Forschungen (hrsg. v. Institut für geschichtliche Landesforschung des Bodenseegebietes in Konstanz). ND Konstanz 1963. Bd. 2 = Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte (Mainauvorträge 1953), S. 57-76.
  • Heinrich Dannebauer: Grundlagen der mittelalterlichen Welt. Stuttgart 1958, S. 309-328
  • K.E. Demandt: Geschichte des Landes Hessen. 2. Aufl., 1972, S. 293.
  • Reinhard Dietrich: Hanauer Deduktionsschriften. In: Hanauer Geschichtsblätter 31. Hanau 1993, S. 149ff: Nr. 5, 8, 10, 16, 18, 22, 28, 29, 43, 48, 54, 57, 79, 85, 105, 111, 114, 121, 129, 131.
  • Heinz Duchhardt: Philipp Karl von Eltz. Kurfürst von Mainz, erzkanzler des Reiches (1732-1743) = Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 10. Mainz 1969.
  • Regenerus Engelhard: Erdbeschreibung der Hessischen Lande Casselischen Antheiles mit Anmerkungen aus der Geschichte und aus Urkunden erläutert. Teil 2, Cassel 1778. ND 2004, S. 788ff.
  • Josef Fächer: Alzenau. München 1968.
  • Josef Fächer: Territorialentwicklung im Raum des heutigen Alzenau.
  • Christian Grebner: Die Beziehungen Steinheims zum Freigericht Wilmundsheim-Alzenau im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. In: Steinheimer Jahrbuch 3 (1993), S. 9ff.
  • Christian Grebner: Ein ungewöhnliches Amt ... In: Spessart 5/1996.
  • Karl Groeber: Bezirksamt Alzenau.
  • Georg-Wilhelm Hanna: Ministerialität, Macht und Mediatisierung. Die Ritteradligen von Hutten, ihre soziale Stellung in Kirche und Staat bis zum Ende des Alten Reiches = Hanauer Geschichtsblätter 44. Hanau, 2007, ISBN 3-935395-08-6, S. 132f
  • Paul Hupach: Der Freigerichter Reichshofratsprozeß in Wien (1775-1779). In: Zwischen Vogelsberg und Spessart. Heimat-Jahrbuch des Kreises Gelnhausen 1962, S. 72-74.
  • Christian Leonhard Leucht: Europäische Staats-Canzley. Bde. 70-79,81,83.
  • Helmut Puchert: Der Hessische Spessart - Beiträge zur Forst- und Jagdgeschichte = Mitteilungen der Hessischen Landesforstverwaltung 23 = Schriftenreihe des Hessischen Forstkulturhistorischen Museums Bieber 3.
  • Heinrich Reimer, Hessisches Urkundenbuch. Abt. 2. Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau, Leipzig 1891ff. 4Bde.
  • Johann Wilhelm Christian Steiner: Geschichte und Topographie des Freigerichts Wilmundsheim vor dem Berge oder Freigerichts Alzenau. Aschaffenburg 1820.
  • Richard Wille: Die letzten Grafen von Hanau-Lichtenberg. In: Mitteilungen des Hanauer Bezirksvereins für hessische Geschichte und Landeskunde. 12, Hanau 1886, S. 66.

Weblinks


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