Hasso Schützendorf

Hasso Schützendorf

Hasso Schützendorf (* 3. November 1924 in Düsseldorf; † 4. Februar 2003 in Palma de Mallorca) war ein deutscher Unternehmer und beschäftigte seit den fünfziger Jahren als Kopf eines Schmugglerrings, Lebemann und Playboy die deutsche und zum Teil europäische Presse. Der Gründer einer Autovermietung war eine Symbolfigur der deutschen Mallorca-Szene und sorgte häufig wegen seiner oft wechselnden, jungen Lebensgefährtinnen für Schlagzeilen in der Regenbogenpresse, die ihm auch den Titel „König von Mallorca“ anhing.

Leben

Der Familie Schützendorf entstammten einige bekannte Musiker. Hassos Vater Eugen und vier seiner Brüder waren in Deutschland als Gesangsgruppe bekannt und einer der Brüder, Leo Schützendorf († 1931) gelangte zu internationalem Ansehen als Baritonsänger.

Als junger Mensch lebte Hasso Schützendorf in Hamburg und entwickelte eine Leidenschaft für Jazzmusik, die in der Zeit des dritten Reiches verboten war. Mit mehreren, teils weiblichen, Bekannten pflegte er einen lebensbejahenden, vom Jazz inspirierten Lebensstil im Umfeld der Werbefilm-Produktion der Hamburger Film AG, auf deren Werksgelände in der Blumenstraße sich die Jugendlichen oft zu privaten Feten mit Musik, Tanz und Alkohol trafen. Zu diesem Kreis gehörte angeblich auch die spätere Filmschauspielerin und Ehefrau Robert Taylors, Ursula Thies.

Für eine Kriegsteilnahme als Soldat mit unter Umständen schmerzvoller Todesfolge war Hasso nicht zu begeistern. Dieses Desinteresse äußerten er und seine Bekannten wohl, jugendlich unbesonnen, des Öfteren auch laut und sie untermauerten ihre Äußerungen mit Auswanderungsplänen nach Schweden, um von dort gegen den Nationalsozialismus tätig zu werden.

Tatsächliche Widerstandsaktivitäten hatte er wohl keinerlei unternommen. Von einem Spitzel wegen der Jazzfeten denunziert, sah sich Hasso jedoch ab Januar 1941 bereits als 16-Jähriger im Konflikt mit der Gestapo, die ihn zu diffusen Vorwürfen der „kulturellen Schande“ (Hören von Jazzmusik) und „Vorbereitung zum Hochverrat verhörte. Offensichtlich nahmen die Ankläger seine Aktivitäten und Äußerungen wesentlich ernster als er selbst und begegneten diesen mit selbst für die Gestapo ungewöhnlicher Härte, angesichts des jugendlichen Alters und „volksdeutschen Abstammung“ ihres Opfers:

In einem Schnellverfahren der Gestapo verschwand Hasso in den Mühlen der nationalsozialistischen Justiz und es folgte eine mehrjährige Odyssee, die im KZ Neuengamme begann, wo ihm das schwarze Abzeichen für Unangepasste zuteil wurde. Von dort wurde er mit einem Strafbataillon an die Ostfront geschickt, beging Fahnenflucht in der Umgebung von Odessa und wurde von der rumänischen Polizei verhaftet, die ihn wieder dem deutschen Militärgericht auslieferte. Insgesamt erhielt Hasso auf diesem Weg vier Todesurteile, denen er sich teilweise durch Flucht entziehen konnte. Die Tatsache, dass sein Vater, Eugen Schützendorf, in eine höhere Position im Reichssicherheitshauptamt in Berlin aufgestiegen war, verhinderte Ende 1944 wohl in letzter Minute den Vollzug des letzten Todesurteils in Wien, Zuchthaus Hartmutsgasse. Hasso wurde erneut einem Strafbataillon zugeteilt, das im westdeutschen Grenzgebiet zu Holland und Belgien operierte. Nach erneuter Flucht fand sein langer Irrweg im Frühjahr 1945 ein Ende, wo er gut vier Jahre zuvor begonnen hatte: Im zerbombten, nun britisch besetzten Hamburg.

Mit Hilfe gefälschter Papiere immatrikulierte sich Schützendorf dort zunächst als Medizinstudent. Der Schwindel flog jedoch durch Betreiben seiner Mutter auf. Gleichzeitig sammelte er erste Erfahrungen beim Schwarzhandel mit Alkohol, Zigaretten und Lebensmitteln und verbüßte dafür eine eineinhalbjährige Haftstrafe in Ostdeutschland. Später begann er eine Gesangsausbildung, die er 1954 mit dem Titel des Meistersängers abschloss, ohne jedoch anschließend den Sängerberuf auszuüben.

Während seiner Studienzeit bestritt er seinen Lebensunterhalt schon fast ausschließlich durch Schwarzhandel und Schiebereien zunehmender Größenordnung: Ein wachsender Kreis von „Mitarbeitern“ verschob zwischen 1950 und 1954 mehr als 8000 Büromaschinen von Ost nach West und erzielte einen für diese Zeit astronomischen Umsatz von ca. 1,5 Millionen D-Mark.

Der Fall beschäftigte die Politik der beiden deutschen Staaten, da der Mangel an Büromaschinen im Osten trotz Übererfüllung des Plansolls nicht entsprechend nachließ. Die DDR-Regierung machte dafür eine von der Bundesrepublik Deutschland aus operierende Bande verantwortlich, deren Kopf es dringend ausfindig zu machen galt.

Beim Schmuggel von Kaffee aus der Schweiz in Richtung DDR fiel Hassos Büromaschinenhandel schließlich eher zufällig auf und er kam vor ein westdeutsches Gericht, das ihn zu zwölf Monaten Haft verurteilte. Der Fall fand heftige Resonanz in der ostdeutschen Presse, wo für das Delikt 18 Jahre Haft als angemessen erachtet wurden – weiterer politischer Zündstoff. Kontinuierlich wurden schärfere Kontrollen beim innerdeutschen Grenzverkehr sowie beim Handel feinmechanischer Produkte in den „HO-Läden“ (ab 1962 als Intershop bezeichnet) eingeführt. So war der Einkauf vieler hochwertiger Artikel nur noch mittels Vorlage eines DDR-Passes und der Unterzeichnung einer Erklärung möglich.

Nach seiner Haftentlassung ließ Schützendorf sich in Berlin nieder und nahm das Schmuggelgeschäft mit alten und neuen Mitarbeitern wieder auf. Eine Bande, die zeitweise bis zu einhundert Personen zählte, kaufte ab 1957 in der gesamten DDR Fotoapparate, Feldstecher und andere optische Geräte auf. Die schriftlichen Formalitäten wurden mit falschen Pässen erledigt. Hasso und seine Vertrauten kauften in West-Berlin massiv Pässe von DDR-Flüchtlingen auf, die sich meist gern für einen Nebenverdienst von dem, nun für sie nutzlosen Papier trennten. Mit Hilfe präparierter Fahrzeuge gelangte die Schmuggelware dann zunächst nach West-Berlin. Schützendorf und wenige Vertraute schafften die Ware nach Barcelona in Katalonien. Von dort wurde sie an die spanische Armee und in verschiedene südamerikanische Länder verkauft.

Diesmal schlugen die Zeiss-Werke in Jena Alarm. Die Exporte nach Südamerika waren fast zum Erliegen gekommen, während der heimische Markt eine nicht zu befriedigende Nachfrage entwickelt hatte. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen und beim Vergleich der Akten ergab sich für die Volkspolizei nur ein möglicher Verantwortlicher: Hasso Schützendorf. Das Innenministerium tat sein Bestes, um propagandistischen Nutzen aus dem wirtschaftlichen Schaden zu ziehen, meist durch Presseartikel, die der westdeutschen Politik Desinteresse, wenn nicht Unterstützung der Machenschaften bescheinigten, jedoch nie Namen nannte, um die laufende Fahndung nicht zu gefährden. Ende 1958 beauftragte das Innenministerium den Regisseur Richard Groschopp mit der Verfilmung des Stoffs. Im Jahr 1959 lief der Film Ware für Katalonien, bei dem unter anderen die Schauspieler Eva-Maria Hagen und Manfred Krug mitwirkten, in den Kinos der DDR an.

Im Gegensatz zum Film gelang es der Volkspolizei in der Realität nicht, den gesuchten Bandenchef zu verhaften. In einer landesweiten Fahndungsaktion verhaftete die Volkspolizei Anfang 1959 rund 80 Verdächtige, von denen viele lange Haftstrafen erhielten. Schützendorf konnte wenige Tage zuvor entkommen und setzte sich zunächst nach Perpignan und dann auf die Baleareninsel Mallorca im Mittelmeer ab, die er auf seinen Schmuggelreisen nach Barcelona kennengelernt hatte.

Der Massentourismus war hier gerade im Aufkommen und Schützendorf versuchte zunächst, mit einem Wasserskiverleih und -Schule sein Auskommen zu finden. Das Geschäft gab er noch im gleichen Jahr auf und erwartete die nächste Sommersaison mit zwei Vespa-Rollern und einem roten Seat 600 zum Verleih. Aufwand und Gewinn standen in einem für seinen Geschmack günstigen Verhältnis und so eröffnete er 1961 die Firma Hasso - Rent a Car, die auch über seinen Tod hinaus Bestand hat.

Sein Vermögen und seine Autoflotte wuchsen beständig an und erlaubten ihm einen ausschweifenden Lebensstil. Er hielt auf seinem Privatgrundstück mehrere Raubkatzen und andere exotische Tiere. Seine öffentlichen Auftritte und Partys beschäftigten manchmal die lokale Polizei und immer Klatsch und Presse, die ihn schließlich den „König von Mallorca“ nannte – die deutsche Regenbogenpresse fand zusehends Gefallen an seiner Lebensführung und widmete ihm zahlreiche, nebenbei hoch werbewirksame Artikel. Es bestand stets die große Wahrscheinlichkeit einen „echten Promi“ leibhaftig in seiner Autovermietung anzutreffen, ein Urlaubserlebnis der besonderen Art.

Hasso Schützendorf war sechsmal verheiratet und wurde Vater von zwei Söhnen. In seinen letzten Lebensjahren sorgte er für Aufsehen, als er im Alter von 77 Jahren über den deutschen Fernsehsender RTL 2 und die BILD-Zeitung nach einer jungen Frau suchte. Aus ca. 3.000 Interessentinnen wählte er sich eine 23-jährige aus. Das Verhältnis mit der aus Sachsen-Anhalt stammenden Peggy ging jedoch bald in die Brüche und wurde zu einer öffentlichen Darstellung von Peinlichkeiten, bei denen es ersichtlich wurde, dass die junge Frau nicht aus Liebe den Weg nach Mallorca gegangen war.

Im Laufe der Jahre war er auch Ziel von Diebstahl und Erpressung. Im deutschen Fernsehen und zur Presse äußerte sich Schützendorf hierzu mehrfach sehr widersprüchlich.

Seit November 1998 war er Schirmherr der deutschen Schule „Ca'n Hasso“ in Palmanova auf Mallorca.

Literatur

Weblinks


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