John Jay McCloy

John Jay McCloy
John McCloy im Cabinet Room (1966)

John Jay McCloy (* 31. März 1895 in Philadelphia, Pennsylvania; † 11. März 1989 in Stamford, Connecticut) war ein US-amerikanischer Jurist und Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Stationen seines Lebens

John J. McCloy studierte, unterbrochen von einer Offizierstätigkeit im Ersten Weltkrieg, an der Harvard Law School; seinen Abschluss als Ll. B. erlangte er 1921. Nach Tätigkeiten in zwei Anwaltskanzleien trat er 1933 in den Staatsdienst ein und spezialisierte sich in der Folgezeit auf deutsche Angelegenheiten. 1936 reiste er anlässlich der Olympischen Spiele nach Berlin, wo er Rudolf Heß, Adolf Hitler und Hermann Göring traf. Zwischen 1941 und 1945 war er Staatssekretär im US-amerikanischen Verteidigungsministerium, in den Jahren 1947 bis 1949 Präsident der 1946 gegründeten Weltbank und von 1949 bis 1952 Hoher Kommissar der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland. Im Anschluss daran war er von 1952 bis 1965 zunächst Berater, dann ab 1953 Vorsitzender der Ford Foundation für Friedensfragen. Zwischen 1953 bis 1960 war McCloy Vorstandsvorsitzender der Chase Manhattan Bank. In der Zeit 1954 bis 1970 war er Vorstandsmitglied des Council on Foreign Relations in New York und fungierte später als Berater für John F. Kennedy, Lyndon Johnson, Richard Nixon, Jimmy Carter, und Ronald Reagan. Von Johnson wurde er 1963 auch zum Mitglied der Warren-Kommission ernannt, die die Hintergründe des Attentats auf John F. Kennedy untersuchen sollte.

Weiterhin wurde er 1945 Teil der Anwaltskanzlei Milbank, Tweed, Hadley & McCloy, für die er bis zu seinem Tode im Jahre 1989 hauptsächlich als Lobbyist im Ölgeschäft tätig war. Auf Grund seiner engen Verflechtungen mit Politik und Wirtschaft, insbesondere zur Rockefeller Familie, deren Bank Chase Manhattan schließlich Hauptkunde seiner Kanzlei war, wurde McCloy auch "Chairman of the American Establishment" genannt.

Als Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium – Die Auschwitz-Kontroverse

Von 1941 bis 1945 war er Staatssekretär (engl. Under Secretary of State) im amerikanischen Verteidigungsministerium (engl. United States Department of Defense) und hier mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben befasst. In Nordafrika wirkte er bei der Gründung des französischen Komitees für die nationale Befreiung mit. Er war verantwortlich für die Internierung von 110.000 US-Amerikanern japanischer Herkunft. 1944 sprach er sich gegen die Bombardierung der Bahnlinien aus, die nach Auschwitz führten, zunächst mit dem Argument, dass eine Bombardierung seitens der Amerikaner technisch nicht durchführbar sei. Nachdem diese Aussage zweifelsfrei widerlegt wurde, da vielfach Flüge über dieses Gebiet hinwegführten und sogar Bombardierungen in unmittelbarer Nähe stattfanden, lehnte McCloy einen erneuten Antrag auf Bombardierung ab mit dem Hinweis, dass dabei schließlich auch Tote unter den KZ-Insassen zu beklagen sein würden. Da jedoch bekannt war, dass diese ohnehin und vor allem unvermindert umgebracht wurden, sind Logik als auch Moral dieser Haltung umso unbegreiflicher. Die besondere Fragwürdigkeit der Nichtbombardierung Auschwitzs zeigt sich insbesondere in den späteren Berichten überlebender Häftlinge, die angesichts der nahen Flieger hofften, die Krematorien, Vergasungskammern und Zufahrtswege würden doch noch bombardiert und so dem Morden Einhalt geboten.

McCloy sprach sich für eine Vorwarnung der japanischen Bevölkerung vor der Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis mit Atomwaffen aus. McCloy setzte sich für Strafprozesse gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher (statt Standgerichten) ein und wurde so ein Wegbereiter der Nürnberger Prozesse, deren Urteile er als Hochkommissar allerdings später in ihrem Strafmaß erheblich herabsetzte.

McCloy nahm an den Konferenzen von Casablanca, Kairo, Potsdam und San Francisco teil.

1945 war er als Leiter der Abteilung für Zivilangelegenheiten (engl. Civil Affairs Division) im Verteidigungsministerium an der Besetzung Deutschlands beteiligt.

Hoher Kommissar 1949-1952

McCloy war vom 2. September 1949 bis 1. August 1952 amerikanischer Hochkommissar in Deutschland und damit Nachfolger des Militärgouverneurs General Lucius D. Clay. In dieser Funktion residierte er auf dem Petersberg in Königswinter, förderte die Umsetzung des Marshallplans und die Integration der Bundesrepublik in den Westen.

Für die Gründung der Hochschule für Gestaltung Ulm HfG 1953 durch Inge Aicher-Scholl, Otl Aicher, Max Bill waren, vermittelt durch Walter Gropius amerikanische Stiftungen wie die US-Besatzungsmacht die zentralen Geldgeber und Förderer. McCloy unterstützte die Initiative zur HfG-Gründung als Project No. 1. Die HfG sollte einen College-ähnlichen Campus nach US-Vorbild erhalten, damit die Hochschulangehörigen in freier Gemeinschaft Lehrender und Lernender zusammenleben konnten. John McCloy überreichte Inge Scholl 1952 kurz vor seinem Abschied als Hochkommissar dazu einen Scheck über 1 Million DM. [1]

Begnadigungen und Vertuschungen

Am 31. Januar 1951 gab er die endgültigen Entscheidungen für die Gnadengesuche der in Nürnberg verurteilten Kriegsverbrecher bekannt. Nach Beratungen mit dem Advisory Board on Clemency, dem sogenannten „Peck Panel“, entschied sich McCloy in mehreren Fällen für eine drastische Verkürzung der Haftstrafen der Kriegsverbrecher, was sogar Eleanor Roosevelt dazu hinriss, ihn zu fragen „wieso wir so viele Nazis befreien“. Die bekanntesten Begnadigungen sind wohl die von Friedrich Flick, einem der größten finanziellen Unterstützer der NSDAP, und Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Darüber hinaus erhielten Flick und Krupp von Bohlen und Halbach auf McCloys Betreiben hin das gesamte, 1945 konfiszierte, Vermögen ihrer Firmen zurückerstattet. Dies war vor allem vor dem Hintergrund fraglich, da sie vornehmlich mit der Produktion von Rüstungsgütern und der Beschäftigung von Zwangsarbeitern und KZ-Insassen, die daraufhin vielfach ausgezehrt in den Tod geschickt wurden, erwirtschaftet wurden.

In anderen Fällen versuchte McCloy eine juristische Verfolgung von Kriegverbrechern gänzlich zu verhindern. Das prominenteste Beispiel hierfür ist wohl der gegen Ende des Krieges untergetauchte Klaus Barbie, der 1947 auf Grund seiner als Chef der Gestapo in Lyon durchgeführten Deportationen und Massenfolterungen in Abwesenheit von französischen Gerichten zum Tode verurteilt wurde. Auch im Zuge der Aufklärung weiterer Verbrechen, bei denen Barbie möglicherweise als Zeuge auftreten könnte, wurden an die Bundesrepublik Auslieferungsgesuche gestellt, welche allerdings von McCloy persönlich im Jahre 1950 unter dem Hinweis darauf zurückgewiesen wurden, dass „kontinuierliche Anstrengungen unternommen würden, ihn zu lokalisieren“. In Wirklichkeit jedoch stand er seit 1947 auf der Gehaltsliste des amerikanischen Geheimdienstes CIC, der McCloy über Aufenthaltsorte und Betätigungen - offiziell gesuchter - Kriegsverbrecher regelmäßig Bericht erstattete. So auch über Barbie, der vom CIC für spezielle, frankreichgerichtete Spionageaktivitäten eingesetzt wurde und dem schließlich, von McCloy befürwortet, ebenso wie anderen SS-Männern wie Josef Mengele und Adolf Eichmann über die Rattenlinie zur Flucht nach Südamerika verholfen wurde. [2]

Eine im deutschen Bundestag angedachte Generalamnestie für NS-Verbrecher verhinderte er durch seinen Einspruch.

McCloys Nachfolger im Amt des Hochkommissars wurde 1952 James Bryant Conant.

Politische Beratungstätigkeit ab 1952

Von 1952 bis 1965 war er zunächst Berater, dann ab 1953 Vorsitzender der Ford-Foundation für Friedensfragen. 1961 wurde er von John F. Kennedy als Sonderberater für Abrüstungsfragen berufen. Mit dem sowjetischen Unterhändler und ehemaligen Botschafter in der Bundesrepublik Walerian Alexandrowitsch Sorin kam es zum Abschluss des sog. McCloy-Sorin-Abkommens (McCloy-Zorin Accords), das im Dezember 1961 von der UNO-Vollversammlung einstimmig angenommen wurde und das Kennedy zuvor, am 25. September, mit folgenden, berühmt gewordenen Worten vorgestellt hatte: „Heute müssen alle Bewohner dieses Planeten auf den Tag gefasst sein, an dem er nicht mehr bewohnbar ist. Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind lebt unter der Drohung eines nuklearen Damokles-Schwertes, das an einem Faden hängt, der jeden Augenblick durch ein Unglück, eine falsche Rechnung oder einen Wahnsinnsakt durchschnitten werden kann. Die Kriegswaffen müssen zerstört werden, bevor sie uns zerstören.“ Das von Kennedy und Chruschtschow initiierte Abkommen, dem vor allem der entscheidende Impuls aus der Mitte Europas fehlte, um ihm Wirksamkeit zu verleihen, sah vor, sämtliche „bewaffneten Streitkräfte aufzulösen, militärische Einrichtungen und Gebäude einschließlich aller Stützpunkte“ zu demontieren, die „Fabrikation von Rüstungsgütern einzustellen“, Rüstungen zu beseitigen bzw. ihre Konversion sowie die „Beseitigung sämtlicher Vorräte von Kern-, chemischen, bakteriologischen oder anderen, zur Massenvernichtung geeigneten Waffen“, ferner die „Einstellung ihrer Fabrikation“ und die „Beseitigung aller, zum Transport von Massenvernichtungswaffen geeigneten Beförderungsmittel“ in Gang zu bringen. Außerdem sollten „Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, die militärischen Anstrengungen der Staaten zu organisieren“ allmählich aufgegeben, die „Abschaffung der militärischen Ausbildung und die Schließung aller militärischen Ausbildungsstätten“ veranlasst und „sämtliche, für militärische Zwecke bestimmte Haushaltsmittel“ gestrichen werden. Das Abkommen wurde in der Folge im Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags kodifiziert.

Den Berlinbesuch Kennedys 1963 initiierte McCloy, nachdem er mit Chruschtschow Gespräche geführt hatte. Während der Kuba-Krise war er Mitglied des entsprechenden Koordinationskomitees. Nach der Ermordung John F. Kennedys wurde er Mitglied der Warren-Kommission zur Untersuchung der Hintergründe des Attentats. Während er anfänglich erhebliche Zweifel an der Theorie des Einzeltäters anmeldete, die Verzögerungen bei den Ermittlungen und andere Unstimmigkeiten bemängelte, ließ er sich schließlich doch unter dem starken Einfluss von Allen Dulles dazu umstimmen, den abschließenden Bericht zu unterzeichnen.

Weiterhin pflegte McCloy enge und freundschaftliche Beziehungen zu Schah Mohammad Reza Pahlavi und versuchte in diesem Sinne Einfluss auf die Iranpolitik der USA in den 70er-Jahren auszuüben.

Auch in seiner Tätigkeit als Anwalt kam er vielfach mit der Machtpolitik in Berührung. So spielte er beispielsweise 1964 eine tragende Rolle bei einem Militärputsch gegen den damaligen, demokratisch gewählten brasilianischen Präsidenten Joao Goulart, der Verhandlungen mit der von McCloy vertretenen ‘’’Hanna Mining Company’’’ zum Schürfen von Eisenerz erschwerte, da er auf bessere Bedingungen und Löhne für die heimischen Arbeiter pochte.

Trivia

Seine Ehefrau Ellen, eine geborene Zinsser, war mit der Familie des im benachbarten Rhöndorf ansässigen ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, verwandt.

Ehrungen

Im Jahre 1983 schuf die Volkswagen-Stiftung mit dem McCloy Academic Scholarship Program „in Anerkennung seiner besonderen Leistungen für den Wiederaufbau Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg“ ein Stipendienprogramm, das deutschen Studierenden ein Studium an der Kennedy School of Government der Harvard University ermöglicht. Das Programm wird seit 1993 federführend von der Studienstiftung des deutschen Volkes weitergeführt.

In Bonn wurde zu Ehren von McCloy einer der schönsten Uferwege am Rhein "John-J.-McCloy-Ufer" benannt.

Quellen

  1. Zur Vorgeschichte der HfG
  2. Biografie in Englisch

Werke

  • Erika J. & Heinz-D. Fischer (Herausgeber): John J. McCloys Reden zu Deutschland- und Berlinfragen. Publizistische Aktivitäten und Ansprachen 1949-1952. Berlin-Verlag Spitz, Berlin 1986, ISBN 3-87061-318-1

Literatur

  • Erika J. & Heinz-Dietrich Fischer: John Jay McCloy. An American architect of postwar Germany. Profiles of a trans-atlantic leader and communicator. Lang, Frankfurt [u. a.] 1994, ISBN 3-631-46829-6
  • Klaus Schwabe: Fürsprecher Frankreichs? John McCloy und die Integration der Bundesrepublik., In: Ludolf Herbst, Werner Bührer & Hanno Sowade (Hrsg.): Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt. Oldenbourg, München 1990, ISBN 3-486-55601-0
  • Thomas Alan Schwartz: Die Atlantik-Brücke. John McCloy und das Nachkriegsdeutschland. Ullstein, Frankfurt/Berlin 1992, ISBN 3-550-07512-X

Weblinks



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