Oppidum (Kelten)

Oppidum (Kelten)

Unter einem Oppidum (lat. oppidum Befestigung, Schanzanlage, fester Platz; Plural: oppida) versteht man eine befestigte, stadtartig angelegte Siedlung der La-Tène-Zeit (späte Eisenzeit).

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbestimmung

Die Bezeichnung geht auf Caesars Schrift De Bello Gallico (Der Gallische Krieg) zurück, in der er gallische Schanzanlagen beschrieb. Oppida waren in ganz West- und Mitteleuropa verbreitet. Charakteristisch sind vor allem die Befestigungen durch eine mit Erde oder Steinen verfüllte Schalmauer aus Holz, der so genannte Murus Gallicus. Jedoch ist Manching das östlichste Oppidum mit einem Murus-Gallicus, weiter östlich sind sogenannte Pfostenschlitzmauern als Befestigungen nachgewiesen.

Der Begriff wird aber auch für Ansiedlungen der Spätantike verwendet, so spricht man etwa von Salzburg als vom oppidum Iuvavum. Ein Oppidum ist schlicht eine Ansiedlung, die (noch) keine Stadtrechte besitzt.

Oppida werden oft als frühe stadtartige Siedlung bezeichnet, über ihre Infrastruktur ist jedoch wenig bekannt. Wie Ausgrabungen in Manching bei Ingolstadt, auf dem Titelberg in Luxemburg und in Bibracte in Frankreich zeigen, weisen zumindest einige eine dichte und regelmäßige Innenbebauung auf. Konzentrationen mediterraner Importe beweisen die Bedeutung dieser Siedlungen im Handelsnetz der La-Tène-Zeit. Oft sind die Oppida auch mit Heiligtümern verbunden. Die so genannte (keltische) Oppida-Kultur in der Spätlatènezeit zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass in diesen meist großen Siedlungen stadtartige Strukturen aufgebaut wurden, dass vielfältige Handelsbeziehungen existierten und eine zunehmende Spezialisierung und Differenzierung der ansässigen Arbeitsbereiche (Handwerk, Verwaltung) feststellbar ist.

Forschungsgeschichte

Viele Oppida waren aufgrund der Geländemerkmale schon länger in den Fokus örtlicher Gelehrter geraten. Die ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen fanden jedoch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt. Marksteine der Forschung wurden die Grabungen von:

  • E. Castagne in Murcens 1868,
  • E. Stoffel von 1862 bis 1864 in Alesia und Gergovia,
  • O. Vauville 1886 und 1887 in Pommiers, Picardie).
  • J. Finck 1892 und 1893 in Manching
  • J. L. Pie veröffentlichte 1903 seine Ausgrabung in Stradonice (Tschechien).

Die Grabungen von J.-G. Bulliot und später von seinem Neffen Joseph Déchelette (1862-1914) zwischen 1867 und 1907 auf dem Mont Beuvray waren der Durchbruch. Etwa um 1900 stand fest, dass ähnliche Siedlungen im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. von den Britischen Inseln bis Ostmitteleuropa existiert hatten. Aufgrund der kulturellen Übereinstimmung am Ende der Eisenzeit entwickelte J. Déchelette, Konservator des Musee des Beaux Arts et d'Archeologie von Roanne, zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Theorie von der "Oppida-Zivilisation". Durch den frühen Tod Déchelettes geriet die Oppida-Forschung ins Stocken. 25 Jahre später wurde sie in Deutschland durch Joachim Werners Aufsatz: "Die Bedeutung des Städtewesens für die Kulturentwicklung des frühen Keltenturns", wiederbelebt. Er stellte den urbanen Aspekt der Befestigungen in den Vordergrund.

Wichtige Oppida

Deutschland

England

Frankreich

Italien

Luxemburg

Österreich

Ungarn

  • Gellérthegy (Budapest)
  • Tihany
  • Velem-Szentvid

Schweiz

Spanien

Tschechien

  • České Lhotice
  • Hostýn (in Mährischer Pforte)
  • Hrazany
  • Nevězice
  • Staré Hradisko (in Mähren)
  • Stradonice
  • Třísov
  • Závist in der Nähe von Prag

Literatur

Übersichten

  • Bettina Arnold/ Blair Gibson (Hrsg.): Celtic chiefdom, Celtic state: the evolution of complex social systems in prehistoric Europe, Cambridge University Press, Cambridge 1995, ISBN 0-521-46469-2
  • Françoise Audouze, /Olivier Buchsenschutz (Hrsg.): Villes, villages et campagnes de l'Europe celtique du début du IIe millénaire à la fin du Ie siècle avant J.-C., Hachette, Paris 1989, ISBN 2-01-005629-9
    • engl. Übers.: Towns, villages and countryside of Celtic Europe : from the beginning of the second millennium to the end of the first century BC, Indiana University Press, Bloomington 1992, ISBN 0-253-31082-2
  • Olivier Buchsenschutz: Structures d'habitats et fortifications de l'âge du fer en France septentrionale, Société préhistorique française, Mémoires de la Société préhistorique française 18, Paris 1984
  • John Collis: Oppida: earliest towns north of the Alps, University of Sheffield, Dept. of Prehistory and Archaeology , Sheffield 1984, ISBN 0-906090-19-9
  • Barry Cunliffe/Trevor Rowley (Hrsg.): Oppida, the beginnings of urbanisation in Barbarian Europe, Kongressdokument, vorgetragen auf einem Kongress in Oxford, Oktober 1975, British Archaeological Reports , Oxford 1976, ISBN 0-904531-46-5
  • Stephan Fichtl: La ville celtique. Les Oppida de 150 av. J-C.a 15 ap. J-C., Ed. Errance, Paris 2000, ISBN 2-87772-183-3
  • Sabine Rieckhoff & Stephan Fichtl: Keltenstädte aus der Luft Stuttgart 2011 ISBN 978-3-8062-2242-5

Einzelne oppida

  • Olivier Buchsenschutz/Hervé Richard, L'environnement du Mont Beuvray, Collection "Bibracte" 1, Centre Archéologique Européen, Glux-en-Glenne 1996, ISBN 290966810X
  • Ferdinand Maier [et al.], Ergebnisse der Ausgrabungen 1984-1987 in Manching, Die Ausgrabungen in Manching 15, Steiner, Stuttgart 1992, ISBN 3-515-05807-9
  • Susanne Sievers, Manching, Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayern, Oberbayern, Bd. 3, Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1765-3.
  • Susanne Sievers, Manching: die Keltenstadt, Archäologische Staatssammlung, München 2003, 2. aktualisierte Ausgabe, Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-1765-0
  • Karla Motyková/Petr Drda/Alena Rybová, Závist. Keltské hradiště ve středních Čechách,Památníky naší minulosti 9, Academia, Prag 1978 (deutsche Zusammenfassung unter dem Titel: Závist, ein keltischer Burgwall in Mittelböhmen)
  • Miloš Čižmář, Keltské Oppidum Staré Hradisko, Vlastivědné Muzeum v Olomouci, Olomouc 2002, ISBN 80-85037-32-7 (Zusammenfassung in englischer Sprache)

Weblinks

 Commons: Oppidum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: oppidum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Oppidum Üetliberg — Das Oppidum Uetliberg befand sich auf dem Gipfelplateau des Zürcher Hausbergs Uetliberg, auf dem Gebiet der Schweizer Gemeinde Stallikon. Anstelle des Begriffs Oppidum wird in der allgemeinen Literatur zuweilen die Umschreibung ein keltischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Oppidum: Das Ende keltischer Wanderungen —   Übervölkerung und innere Zwietracht, dazu die materiellen Verlockungen der Mittelmeerwelt darin sahen die antiken Geschichtsschreiber die Hauptursachen der großen Wanderungen, welche die Kelten nach Italien und über Griechenland bis nach… …   Universal-Lexikon

  • Kelten: Im Lande der Druiden —   Die Kelten hätten wohl über die beiden Comic Helden Asterix und Obelix gelacht, sich in ihnen aber kaum wieder erkannt. Denn alles, was wir über die Kelten aufgrund schriftlicher und archäologischer Überlieferung wissen, widerspricht der… …   Universal-Lexikon

  • Oppidum Lindenhof — Das keltische Oppidum Lindenhof befand sich auf dem namensgebenden Hügelzug Lindenhof, in der Schweizer Stadt Zürich. Limmat, Schipfe und Lindenhof–Moräne (Juni 2011) …   Deutsch Wikipedia

  • Kelten — Als Kelten (lateinisch celtae/ galli, griechisch keltoi/ galatai, „die Tapferen, Edlen“) bezeichnete man seit der Antike Volksgruppen der Eisenzeit in Europa. Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsbestimmung 2 Verbreitung 3 Sprache …   Deutsch Wikipedia

  • Oppidum Milseburg — Das Oppidum Milseburg ist eine stadtähnliche Siedlungsanlage (Oppidum) aus der Eisenzeit auf dem Berg Milseburg in der Rhön. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Anlage des Oppidums Milseburg 2 Reste und Grabungsgeschichte des Oppidums 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Oppidum Uetliberg — Das Oppidum Uetliberg befand sich auf dem Gipfelplateau des Zürcher Hausbergs Uetliberg, auf dem Gebiet der Schweizer Gemeinde Stallikon. Anstelle des Begriffs Oppidum wird in der allgemeinen Literatur zuweilen die Umschreibung ein keltischer… …   Deutsch Wikipedia

  • Oppidum d’Ensérune — Das auf einer sich von Osten nach Westen erstreckenden schroffen Anhöhe liegende ehemalige Oppidum d Ensérune ist ein typisches Beispiel für die in der Eisenzeit bei den Galliern (Kelten) Südfrankreichs besonders begehrten Siedlungsstätten. [1]… …   Deutsch Wikipedia

  • Oppidum — Als oppidum (lat. für „kleinere Stadt, (befestigte) Landstadt“) bezeichneten die Römer bedeutende befestigte Siedlungen. Inhaltsverzeichnis 1 Römische Zeit 2 Mittelalter 3 Wissenschaftlicher Fachterminus …   Deutsch Wikipedia

  • Kelten Römer Museum — Eingang des Kelten Römer Museums in Manching Kelten Röm …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”