- Pronominale Anredeform
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Als Pronominale Anrede bezeichnet man die Anrede von Personen mit einem Pronomen, in der Regel in der zweiten oder dritten Person, Singular oder Plural. Sie wird meist durch ein ungeschriebenes und im stetigen Wandel befindliches Regelwerk gesellschaftlicher Handlungsnormen bestimmt. Es ist verschieden je nach Sprachraum, Volk, Landschaft, Gesellschaftsgruppe, Verhältnis des Ansprechenden zum Angesprochenen und Situation. Zudem wurden die Anredeformen im Laufe der Zeit geändert, haben eine Entwicklung durchgemacht.
Im Hebräischen, Altgriechischen, Lateinischen und Gotischen kennt oder kannte man ausschließlich das Duzen.
Inhaltsverzeichnis
Deutscher Sprachraum
Geschichte
Schon im 8. und 9. Jahrhundert wurden Fürsten und andere hohe Würdenträger mit Ihr angesprochen (ihrzen). Für hohe Würdenträger und Lehnsherren setzte sich in ganz Europa der Pluralis Majestatis durch. Im Prinzip benutzte man einfach statt der Personalpronomen des Singulars eine Pluralform, d. h. statt ich ein Wir und statt du ein Ihr.
Im 17. und 18. Jahrhundert war die Anrede mit Er, das Erzen, durch Vorgesetzte und Standeshöhere üblich: „Kerl, hat Er überhaupt Pulver auf der Pfanne?“ Aber auch Bürgerkinder erzten ihre Eltern: „Ich versteh Ihn, Vater“[1], während adelige Kinder ihre Eltern siezten. Das Erzen war im Deutschen noch bis ins 20. Jahrhundert üblich.
Das gemeine Volk wurde von Klerus und Adel geduzt, während dieses die gesellschaftlich Höhergestellten mit einer Pluralform und gegebenenfalls weiteren Titeln wie „mein Herr“ anzureden hatte. Innerhalb der normalen Landbevölkerung wurde bis zum Ende des Mittelalters in der Regel jeder geduzt, der keine besondere Stellung innehatte, auch vollkommen Fremde. Dies trifft man selten noch heute in verschiedenen ländlichen Regionen des deutschsprachigen Raums an, so zum Beispiel im Berner Oberland oder Teilen Tirols.
Im höfischen Zeitalter war die Anrede mit Ihr, das Ihrzen, allgemein verbreitet, auch im Stadtbürgertum. Dabei sprachen sich sogar Familienmitglieder untereinander im Plural an. Beispiel: „Vater, ich wollte, Ihr ließet mich hinausziehen, um mein Glück zu versuchen.“
Das Ihrzen ist heute noch da und dort im Südwesten Deutschlands gebräuchlich, u.a. in Baden, im Schwäbischen, im Pfälzischen, im Hessischen und im Rheinland; auch in einigen Gegenden der Schweiz, besonders im Berndeutschen, sowie im Elsass. Es kommt auch in Sprachinseln, etwa bei den Wolgadeutschen und Kasachstandeutschen vor. Es wird vor allem in dialektaler oder dialektnaher Sprache verwendet und meist als Zwischenstufe zwischen Duzen und Siezen empfunden, kann aber auch die einzige Höflichkeitsform darstellen (so im Berndeutschen oder in Varianten des Niederdeutschen).
Beim Übergang der ständischen Gesellschaft in eine bürgerliche im 19. Jahrhundert wurden das Siezen und die Anrede Herr, Frau und Fräulein für alle Bürger eingeführt. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass man einerseits dem Volk die Gleichstellung aller Bürger signalisieren wollte, andererseits vor allem Adlige sich nicht duzen lassen wollten. Diese hatten bis zur endgültigen Auflösung der Monarchie Ende des Ersten Weltkriegs entsprechenden Einfluss. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich das Siezen aus der städtischen Gesellschaft, die im Mittelalter sozial über der Landbevölkerung stand, auf das gesamte Land ausgebreitet hat, nicht zuletzt deshalb, weil die Verwaltung zentral aus den Städten erfolgte.
Unter Studenten galt bis in das 19. Jahrhundert hinein die Bestimmung, dass man sich zu duzen habe („Duz-Comment“). Dies ging während des 19. Jahrhunderts stark zurück und fand sich bis in das frühe 20. Jahrhundert nur noch in Tartu unter den Studenten deutscher Nationalität. Mitglieder derselben Verbindung hielten den Duz-Comment allerdings untereinander noch ein. Ungefähr seit den 1960er Jahren ist es jedoch unter allen Studenten in Deutschland allgemeinen üblich, einander zu duzen, ohne damit etwas Persönliches ausdrücken zu wollen.
Im Deutschen fand das Du zwischen 1960 und 1970 starke Verbreitung, vor allem durch die ideologische Perspektive linker Gruppen, die durch die Abschaffung des Sie auch soziale Hierarchien flacher gestalten wollten.[2] In vielen Bereichen, wo damals das Du gebraucht wurde, ist eine Rückkehr zum Sie zu beobachten, etwa an der Universität, während es in anderen ausnahmslos gilt, etwa im Fitnessstudio.
Bei den Anhängern des Kommunismus und Marxismus hat das Duzen schon eine Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Sie schafften in ihrer gegenseitigen Anrede nicht nur das Siezen ab, sondern ersetzten auch die ursprünglich feudalherrschaftlichen Titel Herr, Frau und Fräulein durch die Anrede Genosse und Genossin.
Während des 20. Jahrhunderts hat das Streben nach sozialer Gleichheit nur das Du für die Nähe, das Sie für die Ferne übriggelassen. Wird jetzt auch noch die Nähe aller zueinander angenommen, bleibt nur noch das Du übrig (lange schon als „Bruder-Du“ in Schulklassen, in studentischen Verbindungen, in Arbeiterparteien, Gewerkschaften sowie früher im österreichisch-ungarischen Offizierskorps) bekannt.
Seit Ende des 20. Jahrhunderts gilt im gesamten deutschsprachigen Raum die Regel, dass in erster Linie Familienangehörige und enge Freunde (sogenannte Duzfreunde) geduzt werden. Fremde werden grundsätzlich gesiezt, es sei denn, es handelt sich um Kinder. Ein Lehrer duzt beispielsweise seine Schüler, die Schüler siezen ihren Lehrer. In der Oberstufe gehen die Lehrer zum Siezen oder Hamburger Siezen über oder bleiben beim Duzen. Studenten duzen sich gegenseitig. Auch beim Sport ist es üblich, sich gegenseitig zu duzen. Solche Ausnahmeregelungen machen es für Fremdsprachler und Deutsche manchmal schwierig zu entscheiden, ob man duzen oder siezen sollte[3].
Soziologische Aspekte
Laut den Soziologen Bettina und Lars Clausen[4] sind Anredeformen ein Ausdruck sozialer Ungleichheit. Für soziale Gleichheit habe es keine Anredeform gegeben, soziale Ungleichheit sei normal gewesen, und nur für diese Fälle seien in der Sprache eigene Sitten vonnöten gewesen.
Große soziale Distanz sei durch die grammatikalische Dritte Person signalisiert worden, und das habe bedeutet, dass von oben nach unten (im Singular) geerzt worden sei, von unten nach oben gesiezt (im Plural) – nicht selten sogar in der verschärften Form: „Erlauben Durchlaucht mir, eine Ehe einzugehen?“
Bei sozialer Nähe sei hingegen die Zweite Person zuständig gewesen, es sei dann von oben nach unten geduzt worden (im Singular), von unten nach oben geihrzt (im Plural). Damit sei also für die Anrede von oben nach unten der Singular, für die Anrede von unten nach oben der Plural zuständig gewesen.
Du
Das Du, das Duzen, ist die einfachste, standardmäßige Form der Anrede in der 2. Person Singular. Es drückt eine gewisse Nähe und Vertrautheit aus und ist beispielsweise in der Kommunikation unter Freunden, Familienangehörigen oder gegenüber Kindern üblich. Diese Anrede kann von Fremden jedoch schnell als Distanzlosigkeit oder gar Beleidigung aufgefasst werden. Das Du kann kleingeschrieben werden, üblich und erlaubt ist jedoch die Großschreibung bei direkter Anrede in Briefen, E-Mails etc.
Beispiele: „Du hast schöne Augen.“ „Ich verstehe dich nicht.“ „Sag mir bitte deinen Namen.“
Kombiniert wird das Du meist mit dem Vornamen des Angeredeten.
Die Du-Form kann Nähe und Vertraulichkeit ausdrücken, die Sie-Form kann im Gegensatz dazu Distanz und Förmlichkeit, aber auch Respekt signalisieren. In bestimmten Situationen kann die Du-Form, in anderen die Sie-Form angebracht sein.
Ebenfalls kann über ein Du auch eine Dominanz angezeigt werden, wenn der Höhere den Niederen duzt und der Niedere den Höheren dennoch zu siezen hat. Umgekehrt kann diese asymmetrische Anrede zwischen einem Jugendlichen und einem Älteren aber auch vom Jüngeren ausdrücklich gewünscht sein, entweder, um Respekt zu zeigen, oder, um die Unabhängigkeit der eigenen Subkultur vor der Vereinnahmung durch Ältere zu schützen.
Um vom Siezen zum Duzen überzugehen, wird „das Du angeboten“, wonach das Siezen in der Regel hinfällig wird. Traditionell ist es dem Älteren oder Höhergestellten vorbehalten, das Du anzubieten[5]. Ein einmal gegenseitig verwendetes Du wird normalerweise zeitlebens nicht mehr zurückgenommen. Zwei Menschen, die sich etwa seit Kindertagen kennen oder aus anderen Gründen früher geduzt haben, behalten diese Anredeform auch später bei – selbst dann, wenn sie sich für lange Zeit aus den Augen verloren haben und dann in einer völlig neuen Situation wiedertreffen.
Es gibt Situationen, in denen die Grenzen zwischen Duzen und Siezen aufgehoben oder verschoben werden. So ist es durchaus üblich, dass Personen, die im ungezwungenen sozialen Kontakt „per Du“ sind, sich im offiziellen Sprachverkehr siezen, insbesondere wenn diese Gespräche beobachtet und protokolliert werden. Dies findet man vor allem in Ämtern vor. Auch führt die Benutzung des Du auf der sprichwörtlichen Betriebsfeier nicht zwangsläufig dazu, dass dieselbe Vertrautheit am nächsten Tag noch Bestand hat (vgl. Brüderschaft trinken).
Unter Golfspielern wird in manchen Clubs als Besonderheit das „Tages-Du“ vereinbart/angeboten („Ich biete Ihnen das Tages-Du an.“) Es wird zwischen sich bis dato nicht gegenseitig oder nur flüchtig bekannten Spielern oder Gästen vor dem Spiel vereinbart und gilt nur für den Tag des gemeinsamen Spiels.
Regionale Unterschiede
Im Bairischen, im Zentralrheinischen und im Westfälischen ist es nicht unüblich, auch eine fremde Person zu ihrzen, wenn diese stellvertretend für eine größere Gruppe von Personen steht (beispielsweise eine Kellnerin, die quasi das komplette Gasthaus repräsentiert). Im Gegensatz zum oben erwähnten Ihrzen wird hier also nicht eine einzelne Person mit Ihr angesprochen, sondern es handelt sich um eine echte Pluralform des Du (es wird so getan, als ob die anderen Personen auch anwesend wären und mit angesprochen würden).
In Deutschland wie in Österreich ist in den letzten Jahren der Gebrauch des Du immer mehr angewachsen, so werden schon in der Werbung und auf vielen Plakaten die potentiellen Kunden häufig geduzt. Im täglichen Sprachgebrauch gibt es regionale Unterschiede. In ländlichen Gebieten dominiert das Du, aber auch in Städten ist es mittlerweile üblich, dass sich jüngere Personen bis etwa 30 Jahren gegenseitig in jeder Situation duzen.
Auch beim österreichischen Bundesheer kommt es mittlerweile öfter vor, dass Chargen und Unteroffiziere nach Ende der Grundausbildung den Grundwehrdienern das Du anbieten und im täglichen Dienstbetrieb dann, je nach Situation in einem bestimmten Ausmaß, eher kumpelhafte Umgangsformen vorherrschen; allerdings ist es im Bundesheer verboten, dass Vorgesetzte die Untergebenen ohne deren Zustimmung einseitig duzen.
In den deutschsprachigen Teilen der Schweiz benutzt man das Du generell häufiger als in Deutschland oder in Österreich, was nicht selten mit der fehlenden Adelstradition oder der basisdemokratischen Ausrichtung des Landes in Verbindung gebracht wird. So werden in einem Großteil der Schweizer Unternehmen nur die obersten Vorgesetzten gesiezt; sehr oft gilt aber auch der Grundsatz, dass man über sämtliche Stufen hinweg ausschließlich das Du benutzt. Bei Freizeitaktivitäten, in Vereinen oder unter Nachbarn wird in der Regel bei der ersten Begegnung ohne vorgängige Abmachung gleich das Du verwendet.
Auch in einer vergleichsweise hierarchischen Institution wie dem Schweizer Militär ist es nicht ungewöhnlich, wenn in einer Einheit ungeachtet aller Rangunterschiede nur geduzt wird. Dies soll den Korpsgeist fördern und unterstreicht den Grundgedanken der Milizarmee, ein Volksheer zu sein. In Rekrutenschulen und anderen Ausbildungen wird allerdings nach wie vor Wert auf ein formales Verhalten gelegt, und in der Regel siezt man einander. Formeller Umgang mit An- und Abmelden schließen aber das Duzen nicht grundsätzlich aus. Unter Gleichrangigen, unabhängig ob Mannschaft oder Kader, ist das Duzen wiederum Usus. Ferner ist in der Schweizer Armee noch die sogenannte „3 000-Meter-Regel“ erwähnenswert. So gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass in Seilschaften oder spätestens ab einer Höhe von 3 000 Metern alle Formalitäten zwischen Vorgesetzten und Unterstellten wegfallen, auch das Siezen. Dies hat ganz praktische Gründe. So ist ein Bergführer oft Chef einer Gruppe von Offizieren, während er selber nur Soldat ist. Trotzdem obliegt ihm die Verantwortung, und er muss Befehle erteilen. Ein Duzen vereinfacht dabei die Kommunikation immens und fördert zugleich den Sinn für die gemeinsame Seilschaft.
Für Besucher aus Deutschland ist die Verwendung des Wortes „Tschüss“ oder „Tschau“ heikel: In der Schweiz wird dieses vor allem gegenüber Personen verwendet, mit denen man auf Du ist. Beim Verlassen eines Ladens ist es also unüblich, sich bei einer wildfremden Verkäuferin mit einem „Tschüss“ zu verabschieden.
Situations- und gruppenbezogenes Duzen
In einigen Situationen (wie beispielsweise in akuter Gefahr) ist das Duzen auch zwischen Personen üblich, die einander nicht persönlich kennen. Dies gilt außerdem innerhalb von bestimmten Berufsgruppen und Subkulturen. Duzen ist außerdem unter jungen Leuten üblich, die in keinem förmlichen Verhältnis zueinander stehen; doch schwankt die Definition von jung in diesem Zusammenhang sozial und regional stark. In der Kommunikation per Computer (DFÜ) ist es zumeist selbstverständlich, sich zu duzen, insbesondere für Bereiche, in denen nur junge Leute und Computerfreaks verkehren. In einigen dieser Bereiche gilt das Siezen als eine der stärksten denkbaren Beleidigungen. Das Medium E-Mail wird heute jedoch auch für geschäftliche Kommunikation genutzt, wo eine eher förmliche Sprache angebracht ist.
Ebenfalls zum situationsbezogenen Duzen zählt das Fluchen im Straßenverkehr („Pass doch auf, du Blödmann!“) oder in anderen aggressiven Situationen.
Dagegen wird bei der Ansprache von Gruppen immer gesiezt, selbst wenn man einen Großteil der Gruppe duzt. Eine Ausnahme davon wäre eine Anrede wie „Ihr und Sie“.
Duzen als Beleidigung
Der herablassende Beiklang des Duzens (von oben nach unten) kann als gezielte Unhöflichkeit benutzt werden. Juristisch wird dementsprechend von deutschen Gerichten ein nicht ausdrücklich erlaubtes Duzen als Beleidigung gewertet, auch bei Privatpersonen und nicht nur dann, wenn Amtsträger wie beispielsweise Verkehrspolizisten geduzt werden. Doch wird dieses Vergehen, wie alle Formen der Beleidigung, gewöhnlich nur auf Antrag des Beleidigten strafrechtlich verfolgt. Interessant ist in diesem Kontext, dass Dieter Bohlen im Jahre 2006 das Duzen eines Polizeibeamten vom Hamburger Landgericht erlaubt wurde. Das Landgericht entschied so, da Bohlen „augenscheinlich ein gleiches Verhalten bei öffentlichen Auftritten an den Tag lege“ und daher könne man in diesem Fall das Duzen von Polizisten „nur als Unhöflichkeit ohne ehrverletzenden Inhalt“ werten.[6]
Wenn die Aufforderung, einander zu duzen, vom Rangniederen ausgeht, wird dies gelegentlich als beleidigend aufgefasst.
Die Rückkehr zum Siezen oder allgemeines Siezen wird strafrechtlich nicht als Beleidigung aufgefasst. Es wird dennoch gezielt eingesetzt, um eine nunmehr gewünschte Distanz auszudrücken und eine Person fortan aus dem Kreis der Vertrauten auszugrenzen, aber auch um zu signalisieren, dass man jemanden für arrogant hält und nichts mehr mit ihm zu tun haben will.
Sie
Das Sie, das Siezen, ist eine heutzutage übliche Höflichkeitsform der Anrede. Vor allem fremde Erwachsene werden in der Regel so angeredet. Grammatikalisch wird es wie das Sie in der 3. Person Plural verwendet. Es wird in allen grammatikalischen Formen stets großgeschrieben, damit man zwischen direkter Anrede und echten Pluralformen bzw. dritter Person unterscheiden kann; Ausnahme: sich wird klein geschrieben.
Beispiele: „Ich werde Sie morgen anrufen.“ „Zeigen Sie mir bitte Ihren Ausweis.“ „Sie werden sich wundern!“
Das Sie wird in der Regel mit der Anrede des Angesprochenen gefolgt vom Nachnamen kombiniert, beispielsweise Herr Müller oder Frau Meier. Eine Ausnahme bildet das sogenannte Hamburger Sie, bei dem das Sie mit dem Vornamen des Angeredeten verwendet wird („Maria, kommen Sie bitte mal zu mir“).
Ihr
Gegenüber Gruppen
Das Ihr ist die normale Form der Anrede von Personengruppen in der 2. Person Plural. Es wird immer dann verwendet, wenn man Gruppen anspricht, deren einzelne Mitglieder man ansonsten duzen würde. Manche Sprecher reden jedoch auch Gruppen mit Ihr an, mit deren Mitgliedern sie eigentlich „per Sie“ sind.
Beispiele: „Ihr seid zu spät.“ „Ich habe euch nicht gesehen.“ „Bringt bitte eure Taschen mit.“
Gegenüber Einzelpersonen
Das Ihr gegenüber einzelnen Personen (Ihrzen) ist standarddeutsch eine veraltete Form der Anrede. Sie war und ist noch vereinzelt überwiegend in ländlichen Regionen verbreitet und wurde/wird stets gegenüber älteren Personen angewandt. Die Regel bei der Anwendung war/ist, die anzusprechende Person hätte ihrem Alter nach Vater oder Mutter sein können.
In einigen schweizerdeutschen Dialekten und Regionen (besonders prägnant im Berndeutschen, im Walliserdeutschen und im Freiburgischen, aber auch darüber hinaus) ist nicht Sie, sondern nach wie vor die zweite Person Plural (Ihr) die übliche Höflichkeitsform[7], ebenso in den Eifeler Mundarten und dem Luxemburgischen.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden sozial niedriger Gestellte, z.B. Bedienstete, gemeinhin mit Ihr angesprochen.[8]
Das Ihr gegenüber Einzelpersonen wird grammatikalisch wie das Ihr gegenüber Gruppen verwendet, jedoch in jeder Form stets großgeschrieben. Vor allem im höfischen Zeitalter war das Ihr üblich, um Respektspersonen anzureden. Inzwischen ist es allgemein durch das Sie ersetzt worden und heutzutage nur noch sehr selten in einzelnen Regionen anzutreffen.
Beispiele: „Mein Herr, Ihr seid so gütig.“ „Ich bringe Euch gute Neuigkeiten.“ „Laßt mich Euer Diener sein.“
Er
Das Er als Anrede (Erzen) wird immer großgeschrieben und ist veraltet. Es war eine im 17. und 18. Jahrhundert übliche Form, in der Vorgesetzte ihre Untergebenen oder Standeshöhere Standesniedere anredeten. Es war um eine Stufe höflicher als das Ihr und wurde z.B. gegenüber Bediensteten angewandt, die hierarchisch etwas höher standen als die übrigen Bediensteten, oder gegenüber Handwerkern. [9] Teilweise hat das Er bis ins 20. Jahrhundert überlebt, ist heute aber nur noch äußerst selten anzutreffen. Es hat sehr starke Ähnlichkeit mit dem Berliner Er.
Grammatikalisch entspricht diese Anredeform der 3. Person Singular. Frauen wurden entsprechend mit Sie angeredet, nicht zu verwechseln mit der heutzutage üblichen Höflichkeitsform 3. Person Plural.
Beispiele: „Hat Er schon seinen Zehnt bezahlt?“ „Ich erlasse Ihm seine Schuld.“ „Nenne Er mir bitte Seinen Namen.“
Wir
Das Wir als Anredeform trifft man heute gelegentlich an, um eine gewisse Nähe zwischen Betreuer und Betreutem zu suggerieren (Eltern gegenüber Kind, Arzt gegenüber Patient, Grundschullehrer gegenüber Schülern). Es erscheint formal wie die 1. Person Plural, schließt jedoch den Sprecher nicht mit ein, sondern meint nur den oder die Angesprochenen.
Beispiele: „Sind wir heute ein wenig aggressiv?“ „Da haben wir uns ja wieder eine tolle Ausrede einfallen lassen!“ „Wie geht es uns denn heute?“ (Ärzte gegenüber Patienten)
Religion
In den christlichen Religionen ist es in der deutschen Sprache allgemein üblich, Gott, Jesus, den Heiligen Geist und alle Heiligen im Gebet und in Predigten zu duzen, im Unterschied beispielsweise zum Niederländischen. In der katholischen Ohrenbeichte ist es nicht unüblich, dass ein Beichtvater auch ihm unbekannte Gläubige duzt.
Andere Sprachräume
Seit Anfang der 1970er hat sich das Du im Finnischen, Schwedischen, Dänischen, Norwegischen und Isländischen allgemein durchgesetzt (siehe Du-Reform). Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass im ländlichen Skandinavien sich förmliche Höflichkeitsformen oft gar nie durchgesetzt hatten und sich überdies teilweise, etwa in Schweden, auch keine dem deutschen Sie entsprechende Anrede entwickeln hatte.
Niederlande
In den Niederlanden, nicht jedoch im flämischen Belgien, ist das Duzen seit den 1970er Jahren wesentlich weiter verbreitet als in Deutschland, auch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Umgekehrt werden ältere Verwandte auch heute noch oft gesiezt.
Frankreich
In Frankreich wird in höheren sozialen Schichten meistens geihrzt (2. Person Plural, vous). Auch enge Freunde reden sich bisweilen so an, das Duzen ist somit gleichsam auf Familienmitglieder beschränkt, und auch zwischen Kindern und Eltern wird zuweilen die Höflichkeitsform verwendet. In der Mittel- und Unterschicht hingegen dominiert das Du, vor allem in der Arbeitswelt.
Englischsprachiger Raum
Im Englischen wurde die frühere Höflichkeitsform you (zweite Person Plural, deutsch: Ihr) später auch als Anrede vertrauter Personen benutzt. Es ersetzte die ältere Form thou (zweite Person Singular, deutsch: du) auch im familiären Bereich, so dass heute dort im Bereich der Pronomen kein Unterschied zwischen Höflichkeitsform und Anrede vertrauter Personen mehr existiert. Das altertümliche Thou hingegen ist hoch intim, obwohl ursprünglich Nähe ausdrückend, und standardsprachlich dem Gebet zu Gott vorbehalten, aber zum Beispiel unter Quäkern gezielt wieder eingeführt worden. Auch auf dialektaler Ebene lebt thou weiter, insbesondere in Nord- und Westengland sowie auf den schottischen Orkneys und Shetlands, wo es ganz dem deutschen du entsprechend verwendet wird.
Dennoch gibt es auch im Englischen und insbesondere heute den Unterschied zwischen der Anrede vertrauter Personen und der von Fernerstehenden. Dieser wird mit der Verwendung des Vornamens (vgl. das Hamburger Sie), des Nachnamens oder durch Verwendung/Weglassen bestimmter Titel ausgedrückt. Anders als im Deutschen gibt es auch unter Erwachsenen Beziehungen, in denen dauerhaft der eine beim Nachnamen und der andere beim Vornamen genannt wird.
Entsprechend den Anreden Herr und Frau im Deutschen wird Mister und Mis'ess vor den Nachnamen bei unvertraulicher Anrede verwendet. Bei straffen Hierarchien wie dem Militär wird von unten nach oben mindestens die regelmäßige Anrede Sir bzw. Ma'am verlangt, oder wie in allen Sprachen üblich, die Anrede mit dem militärischen Rang.
In Unternehmen geht in den USA seit vielen Jahren der Trend zur Formlosigkeit. Alle reden einander unabhängig von ihrer Beschäftigungsdauer und Stellung mit ihren Vornamen an. Der Hintergedanke dabei ist vor allem, ein Gemeinschaftsgefühl und ein familiäres Umfeld zugunsten der Produktivität zu schaffen. Ärzte und andere medizinische Fachkräfte sprechen ihre Patienten als fürsorgliche Geste durchweg mit dem Vornamen an, der in Deutschland übliche Handschlag entfällt jedoch meist. Umgekehrt werden Ärzte, wenn sie sich nicht selbst mit dem Vornamen vorstellen, mit Titel und Nachnamen angesprochen.
In den USA ist es an Universitäten und in Forschungsgruppen heute weitgehend üblich, dass sich Dozenten und Professoren unabhängig vom akademischen Grad mit dem Vornamen ansprechen. Oft gilt das auch für Studenten jenseits Bachelor, sollte aber nie vorausgesetzt werden (formelle Ansprache, bis der Dozent den Vornamen anbietet; zum Teil sogar mündliche Ansprache mit dem Nachnamen, wenn der Vorname im Schriftverkehr angeboten wurde und umgekehrt). Studenten vor dem Bachelor hingegen reden Dozenten in der Regel generell mit ihrem Nachnamen und dann meist auch mit ihrem Titel („Doctor XY“) an; hat der Dozent nicht promoviert, wird er als „Professor XY“ angesprochen (nicht zu verwechseln mit der deutschen Anrede Professor). An manchen Fakultäten erstreckt sich die formellere Nachnamens-Anrede gegenüber Dozenten auch auf Studenten nach dem Bachelor, selbst wenn sie bereits jahrelang berufstätig waren und ein mittleres Alter erreicht haben: Sie sprechen dann die Dozenten/Professoren mit Titel und Nachnamen an, werden aber selbst mit dem Vornamen angeredet. Studenten untereinander sprechen sich mit dem Vornamen an, in aller Regel selbst Studenten vor und nach dem Bachelor, wenn letztere als Lehrassistenten „teaching assistants“, kurz TAs) Kurse leiten.
Von Kindern und jüngeren Jugendlichen wird in den USA erwartet, dass sie Erwachsene, die nicht zur Familie gehören, mit dem Nachnamen ansprechen. Dies gilt besonders für die Anrede von Schullehrern und anderen Autoritätspersonen. Viele US-Amerikaner behalten diese Gewohnheit bis ins Erwachsenenalter bei und sprechen etwa auch die Lehrer ihrer Kinder mit dem Familiennamen an.
Deutsche Synchronfassungen englischsprachiger Filme
Bei der Synchronisierung von englischsprachigen Filmen kommt es aufgrund dieser Umstände häufig zu Übersetzungsfehlern, die in bizarr wirkender Kommunikation münden können. Am häufigsten siezen einander die Personen und benutzen gleichzeitig den Vornamen (vgl. Hamburger Sie). Eine gewissenhafte Übersetzung erfordert, dass man während des gesamten ursprünglichen Dialoges beobachtet, in welcher Situation sich die sprechenden Personen befinden (z. B. noch vor oder schon nach der ersten Intimität) oder, ob sie einander irgendwann mit Vornamen oder Titel anreden.
Bei synchronisierten englischsprachigen Filmen fällt oft auf, dass militärische Vorgesetzte gegenüber Untergebenen stets auf dem an die Antwort angehängten Sir bestehen. Der Grund dafür ist, dass man im Englischen nur durch dieses Anhängsel die hierarchische Beziehung erkennen kann. Ansonsten entspräche die Anrede der zwischen Soldaten gleichen Ranges.
Siehe auch
Literatur
- Werner Besch: Duzen, Siezen, Titulieren. Zur Anrede im Deutschen heute und gestern. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-34009-5.
- Helmut Glück, Wolfgang Werner Sauer: Gegenwartsdeutsch. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Metzler, Stuttgart u. a. 1997, ISBN 3-476-12252-2, S. 119–128: Kapitel „Duzen, Siezen und Anredeformen“.
Weblinks
Wiktionary: Duzen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenLa Couturière Parisienne: Anreden im 18. Jahrhundert
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Schiller. Kabale und Liebe. 1. Akt, 3. Szene.
- ↑ Interview mit dem Linguisten Dr. Hartung, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1. Juli 2007, Nr. 26 / Seite 16
- ↑ http://htwkbk.wordpress.com/2010/01/04/when-to-use-du-and-sie/
- ↑ Bettina Clausen / Lars Clausen, Zu allem fähig. Frankfurt am Main 1985, Bd. I, S. 95–109, insbes. S. 108
- ↑ Herkömmlich ist gleichfalls, dass zwischen den Geschlechtern die Dame immer als die Ranghöhere gilt.
- ↑ Kommentar zum Gerichtsurteil bei Spiegel Online
- ↑ Siehe Sprachatlas der deutschen Schweiz Band V Karte 117 (Anrede gegenüber Ortsfremden), sodann beispielsweise die Romane von Friedrich Glauser (geschrieben in den 1930er Jahren), z. B. Wachtmeister Studer bei gutenberg.spiegel.de
- ↑ Journal des Luxus und der Moden, November 1787
- ↑ Journal des Luxus und der Moden, November 1787
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