- Bjeshkët e Nemuna
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Prokletije Höhe 2.693 m Lage Montenegro / Albanien / Kosovo Gebirge Dinarische Alpen Geographische Lage 42° 34′ 0″ N, 20° 0′ 0″ O42.566666666667202693Koordinaten: 42° 34′ 0″ N, 20° 0′ 0″ O Annotierte nicht orthorektifizierte Space Shuttle Aufnahme der zentralen Prokletije zwischen oberem Lim- und oberem Thet-Tal
Der Prokletije (kyrillisch: Проклетије) oder Albanische Alpen (albanisch: Alpet Shqiptare, zu Deutsch: Verwunschene Berge) ist ein Gebirgsmassiv der Südostdinariden im östlichem Montenegro, westlichen Kosovo und Nordalbanien. Es bildet den südlichen querliegenden Abschluss der Dinarischen Ketten und ist zugleich dessen höchster Teil.
Das stark verkarstetete und von vielfältigen Glazialspuren gezeichneten Prokletije kulminiert in der Maja e Jezercës (Jezerca Spitze) mit 2.694 m. Von hochalpinen Steilwänden gekennzeichnete zugespitzte Karlinge und breite Trogtäler geben dem Gebirge einen alpinen Eindruck, wie er sonst nirgendwo auf der Balkanhalbinsel anzutreffen ist. Der zweithöchste Gipfel des Prokletije ist die aus Silikatgesteinen aufgebaute Gjeravica (2.656 m), die zugleich der höchste Berg im Kosovo ist.
Inhaltsverzeichnis
Etymologie
Außerhalb Albaniens wird neben Albanische Alpen auch der Begriff Nordalbanische Alpen verwendet, der wohl auf Baron Nopcsas zurückgeht und im Deutschen nach Erstbesteigungen wichtiger Gipfel während mehrere Expeditionen von Alpinisten des Deutschen Alpenvereins Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre sowie italienischer Alpinisten Mitte der 1930er und Anfang der 1940er Verbreitung fand.
Geographie
Lage
Das Prokletije bildet ein über 40 km breites SW-NO vom Shkodrasee entlang der montenegrinisch-albanischen Grenze bis nach Südwestserbien (Kosovo) steichendes, meridional zwischen 42°45' und 42°15' N liegendes Massiv in der subtropischen Zone der westlichen Balkanhalbinsel.[1][2] Die Südgrenze des Prokletijes wird vom Fluss Drin und seinem Zufluss Valbona gebildet.
Im weiteren Sinne gehören auch die Gebirgszüge bis Kosovska Mitrovica zum Prokletije.[3][4] Einige Autoren sehen hingegen bereits im Lim die geologische Nordgrenze des Prokletije.[5]
Geologie
Strukturgeologisch überschieben sich im Prokletije die Decke des Hochkarsts mit der Durmitordecke. Tektonisch gehört der Hochkarst zu den jüngeren äußeren Dinariden, die Durmitordecke den inneren Dinariden an. Damit nimmt das Alter der geologischen Serien von Nordwesten nach Südosten ab. In seinem westlichen und zentralen Teil ist das Gebirge vornehmlich aus einförmigen und mächtigen mesozoischen Kalken und Dolomiten des Jura- und Kreidezeitalters aufgebaut. Im zur Durmitordecke gehörende Teil ist das Massiv dann abwechslungsreicher und komplexer aufgebaut der auch kleinräumige Fazieswechsel bedingt. Im östlichen Prokletije finden sich daher neben Kalk- und Dolomitserien spätpaläozoische und untertriasische Flysche, mitteltriasische Eruptivgesteine und mittel- und unterjurasische Metamorphite .
Geomorphologie
Das Prokletije Gebirge ist ein typisches Hochgebirge mit ausgrprägtem Steilrelief und glazialem Formenschatz. Absolute Reliefenergien von 1800 m finden sich im Valbona-, Grbaja- und Ropojani sowie Cijevna-Tal, überhängende Wände und zugespitzte Grate wie Bergspitzten finde sind typisch für das westliche und zentrale Prokletije, im östlichen Gebirgsteil herrschen dagegen mildere Reliefformen vor. Für die starke pleistozäne Vergletscherung sind zudem Kartreppen und Trogtäler kennzeichnend.
Auch heute finden sich noch aktive rezente Gletscher. Sie finden sich heute noch um die Maje e Jezerce Spitze, wo drei kleinere Gletscher von etwa 300 - 400 m Länge entwickelt sind.[6]
Die Trogtäler von Ropojani, Grbaja und Valbona wurden in der letzten Eiszeit von mehrere hundert Meter mächtigen Gletscherzungen ausgeschliffen und sind alle mehrere Kilometer lang. Der im Haupttal des Lims gelegene Plav-See galt lange als Zungenbeckensee, wird aber heute nicht mehr als solcher angesehen. Dagegen sind rund 20 kleinere Seen glazialen Ursprungs, so die Seengruppe Buni i Jezerce an der Nordseite der Jezerca (daher der Name See-Spitze), der Ridsko jezero sowie Bukumisko jezero und Rikavacko jezero.
Kennzeichnend für die verkarsteten Teil des Prokletije sind die zahlreichen, zum Großteil noch unerforschten Höhlen.[7] Die Höhle Shpella e Puçit oberhalb von Boga gilt als die größte Höhle Albaniens. Sie ist 200 m tief, hat eine rund einen Kilometer lange Galerie und trägt den Namen eines italienischen Speläologen.[8]
Hydrologie
Im Prokletije entspringen zahlreiche wichtige Flüße des südöstlichen Westbalkans. Am Nordrand nehmen auch die Tara und Lim ihren Anfang, zwei Quellflüsse des größten dinarischen Flußsystems, der Drina. Der Lumi i Vermoshit, später Lim genannte Fluß, entspringt im nordwestlichen Gebrigsteil. Als Zufluß der Drina entwässert er mit den Quellflüssen der Tara ins Schwarzen Meer. Bei Plav fließt der Lim durch den SeePlavsko jezero.
Das südliche Prokletije wird vom Drin und seinem Zufluss Valbona zur Adria hin entwässert, die die Südgrenze des Gebirges bilden. Die Valbona nimmt aus dem Nordosten noch den Gash auf. Im Westen des Gebirges ist die Cijevna (albanisch: Cem) der wichtigste Abluß. Die Cijevna entwässert den nordwestlichen Teil im montenegrinisch-albanischen Grenzgebiet zur Adria. Bekannt sind daneben noch die Shala und der Kir im südlichen Prokletije, die aufgrund der Karestnatur der Bjeshkët e Namuna durch starke Wasserstandsschwankungen aufgrund der karsthydrologischen Trockenheit geprägt sind. Das nur nach kräftigem Niederschlag Wasser führende Trockental des Përroi i Thatë (zu Deutsch: Trockener Bach), das dem Shkodrasee zuläuft, ist ein weiteres Beispiel von Karstflüssen.
Gliederung
Die Kalktafel des Prokletijes wird durch tief eingeschnittene Täler in diverse mächtige Gebirgsklötze zerteilt wie die Bjeshkët e Namuna nördlich des Përroi i Thatë, die Biga e Gimajve südlich davon,[9] der Jezerca-Block zwischen Shala- und Valbona-Tal, dem Gebirgsstock der Maja e Hekurave, das Plateau der Maja e Kolatës nördlich der Valbona oder des Shkëlzen nordöstlich der Valbona. Die Täler wurden durch eiszeitliche Gletscher zu ausgeprägten Trogtälern geformt, die sich durch sehr steile Wände und Kesseln im obersten Abschnitt mit bis zu 1.000 m Tiefe auszeichnen.[5]
Das Prokletije ist aufgrund ethnographischer und soziologischer Grundlagen in zahlreiche Regionen gliedern. So übertrugen sich die Namen der verschiedenen Stämme (Hoti, Gruda, Këlmendi, Kastrati, Dukagjini, Shkreli, Shala, Nikaj, Krasniqi, Gashi) auf ihre Lebensräume.
Daneben gliedert sich das Gebirge aufgrund geologischer Grundlagen in die folgenden Gebiete teilen, die sich zum Teil überlappen oder Teile übergeordneter Regionen sind:
Bjeshkët e Namuna
Bjeshkët e Namuna (zu Deutsch: Verwunschene Berge) bezeichnet einerseits eine rund zwölf Kilometer lange Reihe von Bergen nordwestlich von Theth, die sich durch besonderen Wassermangel, schroff-karstige Landschaft und Menschenleere auszeichnen. Zu den höchsten Gipfeln zählen die Maja e Radohimës (2.568 müA), die Maja e Shënikut (2.553 müA), die Maja e Risklit (2.496 müA), die Maja e Harapit (2.217 müA), die Maja e Prozhurit (2.452 müA) und die Maja e Langojve (2.426 müA) und die Spitzen des Karanfili (2.490 m), der bereits nördlich der Grenze in Montenegro liegt. Zur Bjeshkët e Namuna zählen 42 Bergspitzen mit einer Höhe über 2000 m, weitere 22 Spitzen sind höher als 2300 m und fünf höher als 2500 m.[2][7][10][11]
Entgegen der zumal anzutreffenden Behauptung ist Bjeshkët e Namuna somit nicht die albanische Bezeichnung für das ganze Gebirge, obwohl es die wörtliche Übersetzung von Prokletije ist.
Bjeshkët e Namuna e Kosovës
Mit Bjeshkët e Namuna e Kosovës (zu Deutsch: Verwunschene Berge des Kosovo) wird der Begriff andererseits auch für die Berge in Westkosovo entlang dessen Grenzen verwendet, die den östlichen Abschluss des Prokletije bilden. Hierzu zählen die Gjeravica (2.656 m), die Maja e Ropës (2.524 m) und der Marjashi (2530 m).[2]
Malësia e Madhe
Malësia e Madhe (zu Deutsch: Großes Bergland) ist der Name des westlichen Teils des Prokletijes, der zum Shkodrasee entwässert wird und vor allem die Täler des Cem und des Përroi i Thatë umfasst. Dazu gehören die heutige albanische Verwaltungsregion Kreis Malësia e Madhe sowie einige nördlich angrenzenden Gebiete in Südmontenegro. Die Region ist traditionell mehrheitlich von Katholiken bewohnt. Im Kanun zählen hierzu die Gebiete der Stämme Hoti, Gruda, Kastrati und Kelmendi.[12] Albanische Geographen bezeichnen sie zum Teil auch als Westliche Alpen (Alpet perëndimore). Die höchsten Berge sind diejenigen der Bjeshkët e Namuna.[2][13]
Malësia e Gjakovës
Die angrenzenden Östlichen Alpen (Alpet lindore) werden auch als Malësia e Gjakovës (zu Deutsch: Bergland von Gjakova) und Malësia e Vogël (zu Deutsch: Kleines Bergland) bezeichnet. Sie umfasst die nördlichen und westlichen Teile des Kreises Tropoja. Die höchsten Gipfel sind hier die Jezerca (2.694 müA), die Maja e Hekurave (2.559 müA), die Maja Kolac (2.534 m) und die Maja Rosit (2.528 m).[2]
Malësia e Vogël / Dukagjin
Bei Nopcsa wird mit Malësia e Vogël nicht die Malësia e Gjakovës sondern das südlich und östlich zur Malësia e Madhe angrenzende Bergland bezeichnet, das zum Drin hin entwässert wird.[13] Das Gebiet gehört heute mehrheitlich zum Kreis Shkodra und wird ethnographischen Kriterien folgend meist Dukagjin (Malësia e Dukagjinit) genannt,[14][2][15] aber nicht mit dem Rrafsh i Dukagjinit, dem Westteil Kosovos, zu verwechseln ist. Im Kanun wird mit Dukagjin das Gebiet der Stämme Shala, Shoshi, Nikaj, Dushamani und Merturi bezeichnet.[12] Die wichtigsten Täler sind diejenigen des Kir und der Shala, deren Unterlauf Leshnica hieß, bis er vom Koman-Stausee überschwemmt wurde.
Kučka Krajina und Komovi
Die Zuordnung der Kučka Krajina zum Prokletije ist umstritten, liegt sie doch im Übergang zum montenegrinischen Hochkarst.[16]. Diese Berge, zu denen der Surdup (2.184 m), der Stitan (2.165 m), Žijevo (2.131 m) und Maglič (2.142 m) zählen, liegen in Montenegro wenig westlich der Grenze zu Albanien zwischen Lim, Tara und Morača.
Der nördlich an die Kučka Krajina angrenzende Komovi-Gebirgsstock mit Kučki Kom (2487 m), Ljevorijecki Kom (2469 m) und Vasojevicki Kom (2460 m) als höchste Gipfel wird ebenfalls oft nicht mehr zum Prokletije gezählt; zumindest geologisch ist er anderen Ursprungs.[17][18]
Klima
Der Prokletije gilt als niederschlagreiches Gebiet. Gerade im Dorf Boga im Trockenen Tal werden Niederschläge von 3.033 mm pro Jahr gemessen; ansonsten sind 2.000 bis 2.500 mm pro Jahr die Regel. Auch bis zu zwei Meter Schnee sind normal.[2] In höheren Lagen ist auch im Hochsommer meist noch Schnee zu finden. Im Winter sind einige Dörfer im albanischen Teil des Prokletijes zum Teil für Monate faktisch vollkommen von der Umwelt abgeschnitten.
Fauna und Flora
Die Vegetation des Prokletije ist zentraleuropäisch geprägt. Erst die südlichen Randgebirge zeigen mehr submediterranen Charakter. Buchen- und Tannen-Wälder und in Silikatgebieten Fichtenwälder prägen die Landschaft. Die obere Waldgrenze wird von zwei endemischen Kieferarten der Balkanhalbinsel gebildet. In den weniger schroffen Gegenden werden die großen Graszonen im Sommer als Alpweiden genutzt. Die Gipfelregionen sind aufgrund des karstigen Gesteins von besonders karger Natur. Die an alpinen Arten reichen Rasenstufen gehören zum Oxtorpidium dinaricum und Seslerium juncifolium. In den tiefen Randgebieten ist heute auch die Macchie weit verbreitet.[19]
Im Prokletije gibt es sieben Vegetationsstufen: Sub–nival in den Gipfelregionen, darunter alpine Alpen, gefolgt von subalpinen Wäldern, der Bergwald-Stufe (submontan), bewaldeten Hügeln (kolline Hügellandstufe) und in tiefen Lagen gegen Meereshöhe mediterrane Wälder.[7]
Mit den chasmophytischen Felsgesellschaften finden sich viele endemische Arten: Das Prokletije ist das Verbreitungsgebiet 50 endemischer, sub-endemischer und bedrohter Pflanzenarten[7] wie der Wulfenia blecicii (vgl. Kühtritt), eine im Gebiet des Shteg i Dhenve zwischen Boga und Theth vorkommende Pflanzenart aus der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae), Petasites doerfleri, die nur an der Jezerca zu finden ist, Lilium albanicum sowie Viola ducagjinica vom Berg Radohina.[19] Das Prokletije ist zudem einziges europäisches Verbreitungsgebiet von Forsythia europaea. Im Gebirge konnten über 100 Heilkräuter nachgewiesen werden.[7]
In den unteren Gebieten dominiert die Rotbuche (Fagus silvatica) und die Waldkiefer (Pinus sylvestris). Auch Zitterpappel (Populus tremula), Bergahorn (Acer pseudoplatanus), Gemeine Fichte (Picea abies), Bergkiefer (Pinus mugo) und Schwarzkiefer (Pinus nigra) kommen vor. In höheren Lagen ist die Gemeine Fichte (Picea abies) – das Prokletije ist ihr südlichstes Verbreitungsgebiet in Europa – und Schlangenhaut-Kiefer (Pinus heldreichii), in Silikatmassiven die Mazedonische-Kiefer (Pinus peuce) zu finden. Auch Alpen-Astern (Aster alpinus) kommen vor.[20]
In den Flüssen finden sich Forellen (Salmo trutta marmoratus, Salmo trutta macrostigma). Es gibt Amphibien wie Alpensalamander (Salamandra atra), Bergmolche (Triturus alpestris) und Feuersalamander (Salamandra salamandra), Gelbbauchunken (Bombina variegata), Zauneidechsen (Lacerta agilis), Griechische Landschildkröten (Testudo hermanni) und Schlangen wie die Echte Ottern und die giftige Hornotter (Vipera ammodytes). Von den Säugetieren sollen noch anderswo verschwundene Arten wie der Braunbär (Ursus arctos), der Fischotter (Lutra lutra) und der Wolf (Canis lupus) vorkommen.[20][19] Während Nopcsa spekulierte, ob zur Zeit seiner Forschungsreisen vor dem Ersten Weltkrieg noch Mufflons im Prokletije lebten, ist für ihn das Vorkommen von Gämsen nachgewiesen,[13] für die es heute in der Literatur aber nur noch selten Erwähnungen[8][21] gibt.
Bei Theth ist ein Gebiet von 2.300 ha als Nationalpark geschützt. Der Nationalpark von Valbona umfasst sogar 8.000 ha.[20]
Besiedlung und Verkehr
Das Proketije ist von Albanern, Montenegrinern, Serben und Bosniaken bewohnt, ist aber nur sehr dünn besiedelt. An den Rändern gibt es einige Städte: das albanische Koplik und das montenegrinische Tuz im Westen unweit des Shkodrasees, Plav und Gusinje im nördlichen Prokletije im Tal des oberen Lim in Montenegro, Bajram Curr, der Hauptort des Kreis Tropoja, im östlichen Prokletije. Auch die etwas weiter entfernten, größeren Städte Shkodra, Podgorica, Gjakova und Peja können Teile des Prokletije zu ihrem Einflussgebiet zählen und werden von den Bewohnern des Berglands für Besorgungen, Behördengänge und Marktverkäufe frequentiert.
Innerhalb des Gebirges gibt es lediglich Dörfer mit bis zu einigen Hundert Einwohnern. Zu den größten dürften Tamara und Selca zählen, die beide im Tal des Cem liegen und zur Gemeinde Kelmend gehören. Die Gemeinde mit acht Dörfern – darunter auch Vermosh – zählt 6600 Einwohner (2003).[10] Tamara verfügt als einziger Ort im zentralen Gebirge über Infrastruktureinrichtungen wie eine weiterführende Schule (shkolla e mesme) und – neben Vermosh – eine Geburtsklinik. Viele Bewohner der Dörfer im inneren Prokletije wie Boga, Theth oder Valbona leben nur in den Sommermonaten dort, da diese Dörfer im Winter oft über Wochen oder sogar Monate von der Umwelt abgeschnitten sind und die Versorgungslage sehr schlecht ist.
Neben der saisonalen Abwanderung leidet das ganze Gebirge unter einer starken Abwanderung, da es neben der Landwirtschaft kaum Einkommen gibt. Viele ziehen in der Hoffnung nach Arbeit und etwas mehr Komfort in die Gegend von Shkodra oder Koplik, nach Tirana oder sogar ganz ins Ausland.[14][22] Da die Zahl der ganzjährigen Bevölkerung und somit auch der Kinder immer kleiner wird, gibt es auch nur wenige staatliche oder kommunale Angestellte wie Lehrer. Neben der Landwirtschaft bieten Forstwirtschaft – oft illegal – und in bescheidenem Umfang auch der Tourismus ein Einkommen. Wasserkraft wird nur am Drin in größerem Umfang genutzt. In vielen Dörfern gibt oder gab es aber kleine Wasserkraftwerke, die das Dorf mit Strom versorgen sollten.
Viele Dörfer sind schon vor dem 15. Jahrhundert besiedelt worden.[23] Einzelne Täler, die zum Teil schon seit der Altsteinzeit bewohnt sind[24] und zum Ende des Kommunismus mehrere Tausend Einwohner zählten,[25] drohen heute zu entvölkern.
Früher führte auch die einstmals wichtigste Straßenverbindung der südlichen Adria ins Innere der Balkanhalbinsel den großen Flusstälern folgend durch das Prolkletije. Die ehemalige Karawanenstraße zwischen Podgorica und Plav durchquerte das Gebirge entlang Lim und Cijevna, wurde aber durch die von Österreich-Ungarn geforderte Grenzziehung durch das obere Luca-Tal auf dem Berliner Kongress aus damals strategischen Gründen versperrt.
Lediglich im Nordwesten gibt es eine Straße, die das Prokletije durchquert. Sie führt vom Ostufer des Shkodrasees bei Han i Hotit über einen ersten Pass ins Tal des Cem, folgt diesem bis zur Quelle hoch über den Qafa e Bordolecit nach Vermosh, überquert dort die Grenze nach Montenegro und endet bei Gusinje. Die Straße war 2007 zum größten Teil nicht asphaltiert. Von Westen nach Osten gibt es lediglich eine Straße, die von Koplik über Boga und den Qafa Thore nach Theth führt. Diese Straße war 2008 bis Boga asphaltiert. Ab Theth – von wo auch ein schlechter Fahrweg das Tal der Shala hinunter ins Kir-Tal und diesem Fluss folgend nach Shkodra führt – geht es nur zu Fuß nach Norden (Qafa e Pejës) und nach Osten (Qafa e Valbonës) weiter. Das Dorf Valbona ist über eine unasphaltierte Straße mit Bajram Curr verbunden, das am besten von Gjakova aus oder über die Fähre auf dem Koman-Stausee zu erreichen ist. Die Straße über den Qafa Morinës von Bajram Curr nach Gjakova ist frisch ausgebaut.[26]
Kulturgeschichte
Berglandwirtschaft und Fernweidewirtschaft
Ackerbau ist im Prokletije nur in sehr eingeschränktem Maß möglich und in einigen zentralen Tälern bis 1000 m Höhe betrieben. Angebaut wird insbesondere Getreide, Kartoffeln und Gemüse.
Vorherrschend ist die Viehzucht. Es werden vor allem Schafe gehalten.[10] Während im zentralen Prokletije rund um Boga, Theth und Valbona aufgrund der stark zurückgegangenen Bevölkerungszahl sich die Viehwirtschaft auf den Talboden und nahe zu erreichende Hänge beschränkt, ist in Kelmend im nördlichen Albanien (Nikç, Lepusha, Vermosh) noch Alpwirtschaft respektive Koliba-Wirtschaft weit verbreitet.[27] Die Sommerweiden werden durch sogenannte Katune – das sind einfache, zu mehreren zusammenstehende Holzhütten – geprägt, in dem die Bevölkerung Anfang Sommer hinaufzieht. Die zentralen verkarsteten Gegenden sind viel weniger besiedelt und an vielen Stellen zu steil für den Herdenauftrieb.
Traditionell war die Transhumanz in Albanien bei vielen Stämmen noch stark ausgebreiteter als heute. Schon damals wurden die Berggebiete zum Teil nur im Sommer bewohnt, während im Winter das Vieh in die schneefreien Küstenebenen getrieben wurde. Die unüberwindbaren Staatsgrenzen, die im 20. Jahrhundert auf dem Balkan gezogen wurden, verunmöglichten diese Fernweidewirtschaft weitgehend und trennten zum Teil auch Familien und Stämme für Jahrzehnte. Große Veränderungen im Alltag brachte aber die Einführung landwirtschaftlicher Genossenschaften in Nordalbanien in den 1960er Jahren. Die Bergbauern mussten damals Land und Vieh an den Staat abtreten.[23]
Heute ist wieder zu beobachten, dass große Schafherden aus den Ebenen im Sommer über weite Distanzen auf Bergweiden im Prokletije getrieben werden.[27]
Religionen und Sprachen
Wie so viele Gebiete des Balkans ist auch der Prokletije eine kulturelle Schnittstelle. Hier treffen sich Katholiken, Muslime und Orthodoxe verschiedener Völker (Albaner, Serben, Montenegriner und Bosniaken).
Der westliche Teil des Prokletije ist traditionell katholisch.[14] So leben beispielsweise in der Gemeinde Kelmend lediglich im Dorf Nikç einige muslimische Familien.[10]. Im Kreis Tropoja sowie in der Ebene rund um Shkodra und Koplik leben hingegen mehrheitlich Muslime. Im albanischen Teil des Prokleije leben ausschließlich Albaner.[28]
Im nördlichen und östlichen Prokletije leben zum Teil auch Slawen. Prominenter Zeuge der serbischen Besiedlung an den östlichen Ausläufern des Prokletije ist das serbisch-orthodoxe Kloster Visoki Dečani, das zum Unesco Welterbe zählt und am Fuße der Gjeravica/Djeravica liegt.
Brauchtum
Im Prokletije ist der Übergang von Brauchtum zu gelebter Tradition oft noch sehr fließend. Großfamilien unter einem Dach bestehend aus dem Familienoberhaupt, seinen Söhnen mit Frauen und Kindern gab es auch noch im kommunistischen Albanien. Erst die postkommunistische Migration führte zu einem verbreiteten Auseinanderbrechen dieser Wohnstrukturen. In Boga lebten aber bereits Mitte der 1990er Jahre nicht einmal mehr ein Viertel der Leute in Großfamilien. Auch andere Regelungen des Gewohnheitsrechts des Berglandes, des Kanuns, haben noch Einfluss auf den Alltag. Die Blutrache ist zwar nicht mehr ein allgegenwärtiges Problem wie in den 1990er Jahren, kommt aber nach wie vor. Bei einer Umfrage Mitte der 1990er Jahre in Boga zeigte sich, dass in mehr als 90 Prozent die Ehepartner nicht durch Liebe zueinander fanden, sondern die Heirat von den Familien arrangiert wurden. Die Ehepartner durften traditionell nicht aus dem gleichen fis (Stamm) kommen. Auch in der Neuzeit ist noch kaum eine verheiratete Frau im gleichen Dorf geboren worden.[14][27][23]
Literatur
- Federico Boenzi, Giovanni Palmentola: Glacial features and snow-line trend during the last glacial age in the Southern Apennines (Italy) and on Albanian and Greek mountains, in: Zeitschrift für Geomorphologie, 41, 21-29, Berlin 1997.
- Jovan Cvijić: Die Eiszeit im Prokletije und den umliegenden Gebirgen.- Glas SKAN, XCI, Belgrad 1913. (Original: Cvijić, J. 1921: Ledeno doba u Prokletijama i okolnim planinama.- Glasnik srpske Kraljevske Akad. XCL, 1913, XCIII.)
- Jovan Cvijić:Geomorphologie I-II, Belgrad 1924/26.
- Edith Durham: High Albania, London 1909
- Helmut Eberhart, Karl Kaser (Herausgeber): Albanien - Stammesleben zwischen Tradition und Moderne, Böhlau Verlag, Wien 1995, ISBN 3-205-98378-5
- Milovan Milivojevića, Ljubomir Menkovića and Jelena Ćalić: Pleistocene glacial relief of the central part of Mt. Prokletije (Albanian Alps). In: Quaternary International, V. 190, 1, 1. November 2008, 112-122
- Franz Nopcsa: Geographie und Geologie Nordalbaniens, Institutum Regni Hungariae Geologicum, Budapest 1929
- Christian Zindel, Barbara Hausamman: Wanderführer Nordalbanien – Thethi und Kelmend, Huber Verlag, München 2008, ISBN 978-3-940686-19-0
Weblinks
- Alpet Shqiptare (albanisch)
- Summitpost.org (englisch)
- Internationales Projekt Balkans Peace Park
Einzelnachweise
- ↑ Website des Montenegrinischen Tourismusministeriums
- ↑ a b c d e f g Akademia e Shkencave e RPSSH: Fjalor enciklopedik shqiptar, Tirana 1985 und Gjeografia fizike e Shqipërisë, Tirana 1990
- ↑ Jovan Cvijić:Geomorphologie I-II, Belgrad 1924/26.
- ↑ Borivoje Ž. Milojević Visoke planine u našoj Kraljevini, Belgrad 1937
- ↑ a b Herbert Louis: Albanien. Eine Landeskunde vornehmlich auf grund eigener Reisen, Verlag von J. Engelhorns Nachfolgern in Stuttgart, Berlin 1927
- ↑ Milovan Milivojevića, Ljubomir Menkovića and Jelena Ćalić Pleistocene glacial relief of the central part of Mt. Prokletije (Albanian Alps) In: Quaternary International, V. 190, 1, 1. November 2008, 112-122
- ↑ a b c d e Prospekt zum Kelmendi Geopark Natyror
- ↑ a b Angjelin Curraj, Adriatik Lleshi, in: Florian Baba (Herausgeber): Linja e Gjelbër Shqiptare, Tirana 2006
- ↑ Name gemäss Gjeografia fizike e Shqipërisë (Tirana 1990); es finden sich auch die Bezeichnungen Biga e Gimajt, der meist mit einer Höhe von 2.331 m verzeichnet ist, sowie auf albanischen Karten Biga e Shalës mit 2.230 m
- ↑ a b c d Profili i Komunës Kelmend
- ↑ Durham bezeichnete in High Albania mit Prokletije lediglich die Region zwischen Malësia e Madhe und Gusinje, also in etwa die eigentliche Bjeshkët e Namuna, wobei sie am Rande erwähnt, dass dieser Begriff zumal auch für das ganze Gebirge verwendet werde.
- ↑ a b Robert Elsie (Hrsg.): Der Kanun. Dukagjini Publishing House, Peja 2001
- ↑ a b c Franz Nopcsa: Geographie und Geologie Nordalbaniens, Institutum Regni Hungariae Geologicum, Budapest 1929
- ↑ a b c d Helmut Eberhart, Karl Kaser (Herausgeber): Albanien - Stammesleben zwischen Tradition und Moderne, Böhlau Verlag, Wien 1995, ISBN 3-205-98378-5
- ↑ Nopcsa hingegen verwandte den Begriff Dukagjin für das am anderen, südlichen Ufer des Drin gelegene Bergland, heute Puka. Durham zählt die Gebiete beidseits des Drin zum Gebiet der Dukagjin, wobei sie erwähnt, dass er zumal auch für eine kleinere Region verwendet werde.
- ↑ SummitPost.org: Kučka krajina mountains
- ↑ Rosemarie und Marcus Stöckl: Montenegro: Die schönsten Küsten- und Bergwanderungen; 50 Touren, Bergverlag Rother 2008, ISBN 3-7633-4358-X
- ↑ SummitPost.org: Komovi
- ↑ a b c Petrit Imeraj, Joost Smets, in: Gilian Gloyer: Albania Bradt Travel Guide, Bucks 2006 (zweite Ausgabe), ISBN 978-1-84162-149-4
- ↑ a b c Wolfgang Fremuth (Herausgeber): Albania - Guide to it's Natural Treasures, Verlag Herwig Klemp, Tirana 2000, ISBN 3-931323-06-4
- ↑ Gilian Gloyer: Albania Bradt Travel Guide, Bucks 2006 (zweite Ausgabe), ISBN 978-1-84162-149-4; Renate Ndarurinze: Albanien entdecken, Trescher Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-89794-091-4
- ↑ Renate Ndarurinze: Albanien entdecken, Trescher Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-89794-091-4
- ↑ a b c Steve Cook, Marash Rakaj: Social Changes in the Albanian Alps During Communism, University of Pittsburgh, Johnstown 1995
dieselben: Village and Regional Exogamy in Bogë, a Village in the Malësia e Madhe Rreth (Great Highlands Administrative Area) of northern Albania, University of Pittsburgh, Johnstown 1995 - ↑ Shala Valley Project – Final Report of the 2006 Field Season
- ↑ James Pettifer: Albania & Kosovo – Blue Guide, A & C Black, London 2001, ISBN 0-7136-5016-8
- ↑ Volker Grundmann: Albanien: Das komplette Reisehandbuch, Unterwegs-Verlag, Singen 2008, ISBN 978-3-86112-257-9
- ↑ a b c Eigene Beobachtungen von User:Albinfo
- ↑ Arqile Berxholi, Dhimiter Doka, Hartmut Asche (Herausgeber): Atlasi Gjeografik i Popullsise se Shqiperise. Atlasi si Shqiperise. Demographic Atlas of Albania. Atlas of Albania. Bevölkerungsgeographischer Atlas von Albanien. Atlas von Albanien, Tirana 20003, ISBN 99927-907-6-8. [1]
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