Gabriel Dessauer

Gabriel Dessauer
St. Bonifatius, Wiesbaden, Innenraum von der Orgelempore gesehen

Gabriel Dessauer (* 4. Dezember 1955 in Würzburg) ist ein deutscher Kantor, Konzertorganist und Hochschullehrer. Er ist seit 1981 verantwortlich für die Kirchenmusik in St. Bonifatius, Wiesbaden. Er ist ein international konzertierender Organist und lehrt seit 1995 Orgel an der Hochschule für Musik Mainz. 1985 gründete er den Projektchor Reger-Chor.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Gabriel Dessauer, der Sohn von Guido Dessauer und seiner Frau Gabrielle, schloss seine Schulzeit 1974 mit dem Abitur am Kolleg St. Blasien ab. Er studierte zunächst ein Jahr Kirchenmusik am Richard-Strauss-Konservatorium in München, im Fach Orgel bei Elmar Schloter. Von 1975 bis 1980 studierte er Kirchenmusik und Orgelspiel an der Hochschule für Musik bei Diethard Hellmann und Klemens Schnorr. Er setzte sein Studium bei Franz Lehrndorfer fort und erhielt 1982 das Meisterklassendiplom.[1]

Er war Organist in Gottesdiensten in St. Blasien von 1971 bis 1974, dann ein Jahr an der Evangelischen Akademie Tutzing und Chorleiter des evangelischen Kirchenchores in Tutzing. Von 1975 bis 1981 war er Kantor von St. Andreas, München.[1]

Kirchenmusik in St. Bonifatius, Wiesbaden

Seit 1981 ist Dessauer Kantor von St. Bonifatius, der katholischen Hauptkirche von Wiesbaden, der Landeshauptstadt von Hessen. Er leitet dort den Kirchenchor Chor von St. Bonifatius mit ca. 120 Mitgliedern, der 1862 gegründet wurde, außerdem den Kinderchor von St. Bonifatius sowie die Schola, die den Gregorianischen Choral pflegt. Der Chor singt in Gottesdiensten, darunter regelmäßig Orchestermessen von Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert zu Weihnachten und Ostern. Dessauer initiierte 1985 die Neuerrichtung der Orgel, die 1954 von Romanus Seifert & Sohn gebaut wurde, durch die Orgelbaufirma Hugo Mayer. 1995 fügte er drei elektronische Bass-Register ein.

Jedes Jahr, oft am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, leitet Dessauer ein Chorkonzert mit Werken wie Mendelssohns Elias, Ein deutsches Requiem von Brahms, und Verdis Messa da Requiem.[2] Chor und Kinderchor traten gemeinsam auf in Hermann Suters Le Laudi (1998 und 2007) und 2004 in der Deutschen Erstaufführung von John Rutters Mass of the Children. 2006 leitete Dessauer das Requiem von Karl Jenkins aus dem Jahr 2004. 2010 wählte er Werke von Bach, seine Messe in g-Moll und Chorsätze aus den Kantaten BWV 140, BWV 12, BWV 120 und Wir danken dir, Gott, wir danken dir.[3] 2011 dirigierte er Haydns Die Schöpfung, wobei der Kinderchor den Chorsopran verstärkte.[4] Dessauer beauftragte Colin Mawby, eine Messe für Chor, Kinderchor, Oboe und Orgel zu komponieren, mit deren Uraufführung am 3. Oktober 2012 das 150. Jubiläum des Chores gefeiert werden soll.

Dessauer setzte zunächst die Tradition einer monatlichen Stunde der Kirchenmusik fort und veranstaltete dann Boni-Musikwochen, eine Folge von Chor- und Orgelkonzerten zu einem Thema in zwei Wochen. Bei den Musikwochen 2010, Reger und mehr, konzertierten unter anderem Jürgen Sonnentheil (St. Petri, Cuxhaven), Kent Tritle (St. Ignatius Loyola, New York) und Ignace Michiels (Sint-Salvator-Kathedrale, Brügge).[5]

Dessauer trat mit dem Chor von St. Bonifatius auf in Azkoitia und San Sebastián, in beiden Kirchen an einer Cavaillé-Coll-Orgel (1986), im Limburger Dom (1987), in St. Jakobus, Görlitz (1990) und in Memphis, Tennessee (1996). Sie reisten 2008 nach Rom und gestalteten ein Konzert in San Paolo entro le mura mit Vivaldis Gloria und Haydns Nelson-Messe sowie eine Messe im Petersdom.[6]

Orgelkonzerte

Dessauer spielte Orgelkonzerte in Europe und den USA, dort unter anderem in der Washington National Cathedral und St. Patrick's Cathedral in New York City. Er spielte die Kotzschmar-Orgel im Merrill Auditorium in Portland, Maine, und in der Cathedral of Our Lady of the Angels in Los Angeles. 2004 hielt er einen Vortrag bei der National Convention der American Guild of Organists in Los Angeles über die Chormusik von Max Reger, der ein Mitglied der Gemeinde St. Bonifatius war, als er in Wiesbaden studierte und lebte. 2005 spielte Dessauer die Spreckels-Orgel in San Diego, die größte Freiluftorgel der Welt.[2] 2010 gab er ein Konzert in St. Ignatius Loyola, New York.

Seit 1992 organisierte für das Rheingau Musik Festival Orgeltouren, die zu historischen Orgeln im Rheingau führten, später auch zu den Domen von Worms und Speyer, Würzburg und Fulda[1]

Dessauer spielt an der Walcker-Orgel der Marktkirche in Wiesbaden regelmäßig ein Silvesterkonzert gemeinsam mit ihrem Organisten Hans Uwe Hielscher.

Lehre

Seit 1995 lehrt Dessauer Orgel an der Hochschule für Musik Mainz, einem weitgehend autonomen Teil der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.[1]

Reger-Chor

1985 lud Dessauer Sängerinnen und Sänger ein, einen Projektchor zu bilden, um ein einziges Werk aufzuführen, das Hebbel-Requiem von Reger in der Orgelversion von Max Beckschäfer.[5] Der Name Reger-Chor wurde gewählt, als 1988 ein zweites Projekt der Deutschen Erstaufführung der Messe op. 111 von Joseph Jongen galt. Ein weiteres Projekt war 1990 eine der ersten Aufführungen in Deutschland von Rutters Requiem, aufgenommen auf der ersten CD des Chores. 2001 begann eine internationale Zusammenarbeit mit dem Organisten Ignace Michiels, die eine ungefähr gleiche Anzahl von Choristen aus Flandern und dem Rhein-Main-Gebiet für ein jährliches Konzert vereint, das sowohl in Deutschland als auch in Belgien aufgeführt wird. 2003 leitete Dessauer die Uraufführung der Orgelfassung von Regers Der 100. Psalm von François Callebout.

In Ergänzung zu Werken von Reger wählte Dessauer bevorzugt selten aufgeführte geistliche Musik, wie zum Beispiel Herbert Howells, Benjamin Britten, Herbert Sumsion, Maurice Duruflé, Edward Elgar, Frederick Delius, William Lloyd Webber, Jules Van Nuffel, Joseph Ryelandt, Andrew Carter, Kurt Hessenberg, Rupert Lang, Morten Lauridsen und Eric Whitacre.

Chorprojekte

1999 organisierte er zusammen mit Ignace Michiels ein Projekt, gemeinsam ein Jahrhundert der Gewalt zum Abschluss zu bringen. Sowohl in Brügge als auch in Wiesbaden wurde ein Konzert aufgeführt von den Chören Cantores und Chor von St. Bonifatius, mit Michiels an der Orgel und Dessauer am Pult. Das Konzert in Brügge am 23. Oktober 1999 hieß Eeuw van zinloos Geweld (Jahrhundert sinnloser Gewalt). Auf dem Programm standen Van Nuffels In convertendo Dominus, Rudolf Mauersbergers Wie liegt die Stadt so wüst, und Duruflés Requiem. Das Konzert in Wiesbaden hieß Versöhnungskonzert zum Ende des Jahrhunderts.

2005 bereitete Dessauer den Chor vor für ein Gedenkkonzert 50 Jahre nach Kriegsende, gemeinsam mit der Schiersteiner Kantorei, Wiesbaden, einem englischen Chor und einem aus Macon, Georgia, Brittens War Requiem, dirigiert von Martin Lutz. Ein Jahr später nahm der Chor teil an einer Aufführung des Werks in Macon.

Im November 2009 führte Dessauer erneut Duruflés Requiem auf, diesmal mit einem Chor von Freiwilligen, die in einem Gedenkkonzert ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen wollten. Janina Moeller sang das Mezzosopran-Solo, Petra Morath-Pusinelli spielte die Orgel.[7]

Einspielungen

Einzelnachweise

  1. a b c d Gabriel Dessauer. Johannes Gutenberg-Universität Mainz (2010). Abgerufen am 23. November 2010.
  2. a b Gabriel Dessauer. St. Bonifatius, Wiesbaden (2010). Abgerufen am 23. November 2010.
  3. Richard Hörnicke (5. Oktober 2010): Eine anrührende Glaubensbotschaft – Bachs g-Moll Messe unter der zügig zupackenden Leitung von Gabriel Dessauer. Wiesbadener Kurier. Abgerufen am 24. November 2010.
  4. Richard Hörnicke (5. Oktober 2011): Imposante Fülle / Haydns „Schöpfung“ in St. Bonifatius. Wiesbadener Kurier. Abgerufen am 5. Oktober 2011.
  5. a b Richard Hoernicke (13. August 2010): Wenn Freunde musizieren. Wiesbadener Kurier. Abgerufen am 24. November 2010.
  6. Claudia Scheidt (2008): Romfahrt des Chores. St. Bonifatius, Wiesbaden. Abgerufen am 24. November 2010.
  7. Tabea Müller (9. November 2009): Mit tröstendem Grundton – Gedenkkonzert – Musik als Mahnung: Duruflé-Requiem vor der Reichspogromnacht in der Bonifatiuskirche. Wiesbadener Kurier. Abgerufen am 24. November 2010.

Weblinks


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