Gotische Bronzefünten in Nordostdeutschland

Gotische Bronzefünten in Nordostdeutschland

Mittelalterliche Taufbecken aus Bronze, auch Fünte genannt, ersetzten beginnend mit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts insbesondere in den Hansestädten an der südlichen Ostseeküste die bis dahin üblichen steinernen Taufen, die oftmals aus Granit, meist jedoch aus Kalkstein von der Insel Gotland gefertigt waren. Die aufwendigeren Bronzefünten trugen dem gestiegenen Repräsentationsbedürfnis Rechnung und ermöglichten ein filigraneres Bildprogramm. Die nachstehende Liste soll die verbliebenen Exemplare in Mecklenburg-Vorpommern, dem nordöstlichen Niedersachsen und Schleswig-Holstein in zeitlicher Folge erfassen und soweit möglich den Stiftern und den ausführenden Gießern zuordnen. Nach der Zäsur der Reformation folgten auf die hier dargestellten Formen der Gotik in Norddeutschland barocke Taufen, deren Gestaltung nicht mehr in dem bisherigen Maße auf das Becken als Tauffaß abhob. Im Herzogtum Schleswig wurden allerdings am Ende des 16. Jahrhunderts von Michael Dibler weitere Tauffässer in Bronze gegossen, die in den Kirchen von Eckernförde (1588) und Flensburg (1591) erhalten sind. Sie lehnen sich von der Form noch an die gotischen Taufkessel an. Die in lateinischer Schrift abgefassten Schriftbänder und das Bildprogramm ordnen sie jedoch bereits der Renaissance zu, so dass sie in der nachstehenden Liste nicht aufgeführt werden.

In Dänemark gehören auf dem jütischen Festland die gotischen Fünten im Dom zu Ribe (1375), im Dom zu Århus (1481) und die in Flensburg gegossene Fünte der Marienkirche Hadersleben (1485) zu den bekannteren Beispielen. Aber auch an der polnischen Ostseeküste setzt sich das Vorkommen von Taufen dieser Art in größeren Kirchen fort. Hier kann als Beispiel auf die Fünte im Dom zu Kolberg (1345) verwiesen werden. Der Import von Taufsteinen aus Kalkstein von der schwedischen Insel Gotland nach Norddeutschland und das Beispiel der Taufe des schwedischen Bischofs Beno Korp auf Fehmarn zeigen deutlich, dass für die Hansekaufleute des Mittelalters Taufkessel genauso Handelswaren darstellten wie Retabel, Triumphkreuze oder andere sakrale Ausstattungsgegenstände.

Tabelle

Fünten aus Bronzeguss in Nordostdeutschland (13. bis 15./16. Jahrhundert)
Kirche Giesser Jahr Anmerkungen Abbildung
St. Marien, Rostock Niedersächsische Giesser datiert 1290 Auf die niedersächsische Herkunft der Künstler weisen Ähnlichkeiten mit der Bronzetaufe von 1225 im Hildesheimer Dom. Kessel und Deckel sind stilistisch deutlich unterschieden und stammen von verschiedenen Meistern. Eine Inschrift datiert den Guss oder die Weihe des Taufkessels auf Ostern 1290, damit ist die Fünte nicht nur das älteste Ausstattungsstück der Marienkirche sondern vermutlich auch die älteste eherne Fünte in Nordostdeutschland.
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St. Johannis, Meldorf Meister Ulricus Ende 13./Anfang 14. Jahrhundert Die Zuschreibung durch Thieme-Becker an den Meister Ulricus steht wohl in Widerspruch zu Datierungen bei Beseler, wonach die Fünte aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts stammen soll.
St. Nicolai, Lüneburg Meister Ulricus[1] um 1325 Aus der 1651 abgebrochenen Cyriacuskirche in Lüneburg übernommen.
St. Marien, Wismar Hans Apengeter zugeschrieben um 1335 Heute in St. Nikolai, Wismar. Zuschreibung als Vorbild der Fünte der Lübecker Marienkirche
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St. Marien, Lübeck Hans Apengeter datiert 1337 Gießer dieser Erzfünte ist Hans Apengeter, der namentlich auf dem Fries der Taufe in mittelniederdeutsch benannt wird: Vergip alle Missetat deme di dit Vat gemaket hat Hans Apengeter was he genannt und was geboren van Sassenland. Auch die Stiftung dieser Taufe durch die Lübecker Patrizier Eberhard von Alen und Johann von Schepenstede ist außergewöhnlich gut dokumentiert.
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St. Nikolai, Kiel Hans Apengeter datiert 1344
St. Laurentius, Schönberg (Mecklenburg) Gerhard Kranemann datiert 1357
St. Marien, Barth nach 1360 Diese Fünte ist das einzig erhaltene bronzene Taufbecken in Vorpommern. Das achteckige Becken zeigt Menschen- und Tierköpfe. In dargestellten gotischen Giebelreihen sind jeweils paarweise Apostel, Heilige und Gruppen aus biblischen Geschichten zu sehen.
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St. Marien, Parchim 1365
Dom St. Peter und Paul, Bardowick 1367 Von vier Figuren getragener Taufkessel.
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Dom zu Schwerin Letztes Viertel des 14. Jahrhundert Wohl im Wachsausschmelzungsverfahren hergestellt
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Dorfkirche Herrnburg Ende 14. Jahrhundert Der Kessel ist glockenartig, an der Wandung mit flachem, aber reichem Maßwerk verziert. Unten herum läuft ein Streifen mit einer stilisierten Weinranke, am Rand befindet sich ein bärtiger Männerkopf, mit einer Vorrichtung gegenüber wieder zur Befestigung des (verlorenen) Deckels. Die Beine sind in ihrem oberen Teil verdickt und mit Schuppen besetzt, blattähnliche Gebilde schließen diese nach unten zu ab, den Fuß bilden breite Tierklauen[2]
St. Nikolai, Burg auf Fehmarn Apengeter-Kreis datiert 1391 Lateinische Inschrift anno milleno tricenteno nonageno primo non pleno fontem dedit hunc michi beno korp episcopus arosiensis. Frei übersetzt Im Jahre 1391 (nicht voll) gab mir diese Taufe Beno Korp, Bischof von Arosia. Das sechseckige gotische Bronzetaufbecken in Kelchform ist von lübscher Herkunft und wird dem Apengeter-Kreis zugerechnet. Das Fassungsvermögen beträgt etwa 195 Liter (3 Ohm). Durch welche Umstände das Taufbecken nach Fehmarn kam, ist bis heute nicht ganz geklärt.[3] Bei dem Bischof von Arosia handelte es sich um Bono Korp, der um 1391 Bischof von Västerås war. Der Ort wurde in der Wikingerzeit als Handelsplatz unter dem Namen Aros gegründet. Eine Kopie (Abguss) befindet sich seit 1955 im Dom zu Västerås als dem ursprünglichen Bestimmungsort.
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St. Mauritius, Hittfeld Lorenz Grove datiert 1438
St. Gabriel, Haseldorf datiert 1445 Der Standring dieser Fünte ist mit einem Rundbogenfries und vier Wappen versehen. Vier Figuren tragen die kesselartige Kuppa. Darauf befindet sich umlaufend eine Inschrift. Kleine Reliefs zeigen Darstellungen von Maria, einer Kreuzgruppe und dem Heiligen Georg.
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St. Marien, Bad Segeberg Ghert Klinghe datiert 1447
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St. Jakob und St. Dionysius, Gadebusch datiert 1450 Der umlaufenden Inschrift der Fünte mit entsprechendem Wappen und den Initialen HK zu Folge wurde diese Taufe 1450 von dem Priester Hinrich Koppelmann gestiftet. Drei kniende Engel tragen den runden Kessel, der von zwei umlaufenden, von der Inschrift jedoch getrennten, Reihen mit je elf separat gegossenen, aufgenieteten Reliefs geschmückt wird. Unter niedrigen Maßwerkbögen sind jeweils für sich stehende Szenen der Passion Christi, sowie der Stifter der Fünte bildlich dargestellt. Die Gusstechnik und die Art der plastischen Darstellung machen diese Bronzefünte mit denen der Marienkirche in Rostock und der Nikolaikirche in Wismar zu einer der bedeutenden in Nordostdeutschland.
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Groothuser Kirche Ghert Klinghe 1454 Das Becken ruht auf vier Diakonen. Auf der Wandung werden die Kreuzigung inmitten der Standfiguren von Aposteln, der Madonna und des Heiligen Mauritius dargestellt.
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St. Aegidien, Lübeck Hinrich Gerwiges datiert 1453 Die schlichte gotische Bronzefünte in Aegidien fällt hinter dem prunkvollen Umbau des Barock aus dem Jahr 1710 zunächst nicht ins Auge. Das Tauffass wird von drei Klerikern auf den linken Schultern getragen. Die weitere Verzierung besteht nur in der lateinischen Majuskelumschrift. Beseler weist darauf hin, das ursprünglich das nunmehr glatte Mittelfeld mit Figurennischen versehen war, die auf den Kessel aufgelötet waren.[4]
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Dom zu Lübeck Lorenz Grove datiert 1455 Dieses Taufbecken zeigt zwölf Relieffiguren (Segnender Heiland mit Siegesfahne, Maria, neun Apostel und die Heilige Dorothea). Der Kunsthistoriker Max Hasse hat darauf hingewiesen, dass die Relieffiguren Merkmale des Weichen Stils aufweisen. Ihre Formen waren vermutlich älter. Bei der Herstellung des Beckens im Lehmhemdverfahren wurden die Relieffiguren nach dem Guss des Kessels als separate Gussteile auf den Kessel aufgenietet. Ungewöhnlich ist auch die Kombination mit der im Verhältnis dazu auch noch recht großen Figur der heiligen Dorothea. Der Kessel steht auf einem mittigen, kelchförmigen Fuß und außen auf drei knienden Engeln. Er ist mit Laurens grove signiert.
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St. Jakobi, Lübeck Klaus Grude datiert 1466 Das eherne Taufbecken ist von Grude beim Guss mit Pfingsten 1466 signiert und datiert. Es war eine testamentarische Stiftung des Lübecker Ratsherrn Johann Broling.[5] Das Becken steht auf den gleichen Füßen in der Gestalt kniender Engel wie das Taufbecken von Lorenz Grove aus dem Jahr 1455 im Lübecker Dom. Daraus wird gefolgert, die Formen Groves müssten auf Klaus Grude übergegangen sein. Außen sind auf dem Kessel neun Reliefs mit Bildern der Apostel aufgenietet, das Taufbecken wurde also nicht in einem Stück gegossen.
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Maria-Magdalenen-Kirche, Lauenburg Cord Friedebusch datiert 1466
Pilsumer Kreuzkirche Hinrich Klinghe 1469 Das Becken ruht auf vier Diakonen als Standfiguren, deren Köpfe durch die Evangelistensymbole dargestellt werden. Die Evangelisten Matthäus und Markus werden irrtümlich beide als „sanctus marcus“ bezeichnet. Die Namen der Figuren in den Feldern, die durch kleine Musikerfiguren voneinander getrennt werden, sind auf Nimbenumschriften angegeben. Nach der Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes folgen zwölf Apostel (mit Paulus und Matthias) statt Judas Iskariot und Judas Thaddäus) sowie Bischof Nikolaus.
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St. Viti, Zeven Hinrich Klinghe 1469 mit „ghert klinge“ signiert, aber aus stilistischen Gründen Zuschreibung an Hinrich Klinghe. Drei Diakone tragen das Becken, auf dessen Wandung die Kreuzigungsszene und zehn Apostel als Relief dargestellt werden.
St. Jacobi, Bramstedt Hinrich Klinghe 1469 Das Becken ruht auf vier Diakonen. In den Feldern werden biblische Figuren dargestellt.
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St. Remigius, Albersdorf um 1470
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Eilsumer Kirche Barthold Klinghe der Ältere 1472 Vier Diakonen tragen das Becken, auf dessen Wandung Christus, Maria und Apostel erscheinen.
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St. Laurentius, Müden Hinrich Klinghe 1473 Drei Diakone als Standfiguren tragen das Becken. Kielbögen gliedern die Beckenwandung. Darüber sind Lilienornamente angebracht, in den Feldern darunter finden sich Apostelfiguren mit ihren Attributen.
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Stiftskirche Bützow 1474
St.-Magnus-Kirche, Esens Hinrich Klinghe 1474 Die vier Sphinxen, auf denen das Becken ruht, wurden nachträglich angebracht (um 1600). Die Beckenwandungen sind durch Kielbögen gegliedert. Die größte Darstellung nimmt die Kreuzigungsszene mit Maria und Johannes ein. Dem schließen sich fünf Apostel, ein Relief der Taufe Christi im Jordan, ein heiliger Bischof und weitere fünf Apostel an.
Uttumer Kirche Hinrich Klinghe 1474 Das Becken ruht auf vier Diakonen. Auf der Beckenwandung folgen nach der Kreuzigungsszene fünf Apostel, Bischof Nikolaus, Christi Taufe und weitere fünf Apostel.
St. Marien, Stendal Lübecker Meister 1474
Stendal Marienkirche Fuente 2 2011-09-17.jpg
Alte Kirche, Pellworm Hinrich Klinghe 1475 Ursprünglich für die Kirche zu Buphever geschaffen, die 1634 unterging.
Dom zu Schleswig Ghert Klinghe 1480
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Wibadi-Kirche, Wiegboldsbur Peter Clockgether datiert 1496 Wird von vier Rittern getragen. Unter den Kielbögen in der Beckenwandung sind die Kreuzigungsszene und Apostel zu sehen.
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St. Nikolai, Flensburg Peter Hansen 1497 Kuppa in Kesselform auf vier Evangelisten als Standfiguren. Der Glockengießer Hansen schuf 1486 bereits das Taufbecken in Norderbrarup
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St. Nicolai, Mölln Peter Wulf 1509

Literatur

  • Johannes Baltzer und Friedrich Bruns: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Herausgegeben von der Baubehörde. Band III: Kirche zu Alt-Lübeck. Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche. Verlag von Bernhard Nöhring: Lübeck 1920. Unveränderter Nachdruck 2001: ISBN 3-89557-167-9
  • Hartwig Beseler (Hrsg.): Kunsttopographie Schleswig-Holstein. Neumünster 1974
  • Gustav Lindtke: Lübecker Bronzetaufen des Mittelalters. In: Der Wagen 1966, S. 53–62.
  • Albert Mundt: Die Erztaufen Norddeutschlands von der Mitte des XIII. bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts. Leipzig: Klinkhardt & Biermann 1908, zugl. Dissertation, Halle/Saale 1908. (Digitalisat in der Google Buchsuche)
  • Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898, Neudruck Schwerin 1992. ISBN 3-910179-06-1
  • Reinhold Spichal: Waren mittelalterliche Bronzetaufbecken auch verkörperte Raummaße? Eichamt Bremen, Bremen
  • Wolfgang Teuchert: Taufen in Schleswig-Holstein. Heide in Holstein: Boyens & Co. 1986 (Kleine Schleswig-Holstein-Bücher 37) ISBN 3-8042-0365-5

Einzelnachweise

  1. In Lüneburg und dem Niederelberaum nachweisbarer Wanderglockengießer der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, Schüler des Herman gen. Clocgetere. (Nach Thieme-Becker: Meister Ulrich)
  2. nach Mundt (Lit.), S.10
  3. Hans Wentzel: Das Taufbecken des Beno Korp und einige verwandte Skulpturen in Schweden und Norddeutschland. 1938.
  4. Beseler (1974), S. 73 ff.
  5. Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie. Nr. 525; † 1464(!), Schonenfahrer; er stiftete seiner Stadt testamentarisch 4.000 Mark zum Bau des Holstentores.

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  • Taufbecken — Ein Taufbecken oder Taufstein, in Norddeutschland auch die Fünte (von lat. fons: Quelle, Brunnen) genannt, dient in christlichen Kirchen der Taufe. Da die Taufe die Aufnahme in die christliche Gemeinde bedeutet, befindet es sich häufig im… …   Deutsch Wikipedia

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