- Gustav-Adolf Schur
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Gustav-Adolf „Täve“ Schur (* 23. Februar 1931 in Heyrothsberge) ist ein ehemaliger deutscher Radrennfahrer und der populärste Sportler in der Geschichte der DDR. Als jeweils erster Deutscher konnte er die Straßenrad-Weltmeisterschaft der Amateure und die Friedensfahrt gewinnen. Von 1959 bis 1990 war Schur Abgeordneter in der Volkskammer und von 1998 bis 2002 im Deutschen Bundestag.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Der unter seinem Spitznamen Täve (abgeleitet von Gustav) berühmt gewordene Gustav-Adolf Schur wuchs in der Nähe von Magdeburg in Biederitz auf. Erst mit 19 Jahren begann er seine Karriere als Radsportler, die ihm von 1950 bis 1964 die größten Erfolge brachte, die ein Rad-Amateur erreichen konnte. Schur wurde in dieser Zeit sechsmal DDR-Meister und gewann viermal die DDR-Rundfahrt. Er war 1953 maßgeblich daran beteiligt, dass die DDR-Friedensfahrtmannschaft unter Kapitän Paul Dinter zum ersten Mal das Blaue Trikot der besten Mannschaft gewinnen konnte. Seinen echten Durchbruch erlebte er aber 1955, als er als erster Radfahrer aus der DDR die prestigeträchtige Friedensfahrt – das bedeutendste Amateur-Etappenrennen überhaupt – für sich entscheiden konnte. Schur wiederholte seinen Erfolg bei der „Tour de France des Ostens“ 1959.
Als Mitglied der gesamtdeutschen Olympiamannschaft gewann er 1956 in Melbourne Bronze und 1960 in Rom die Silbermedaille im Mannschaftsfahren. Der olympische Medaillenregen, der ab den 1970er Jahren für die DDR einsetzte, war damals überhaupt noch nicht abzusehen. Von 1955 bis 1963 studierte Schur an der DHfK Leipzig und erwarb ein Diplom als Sportlehrer. Ende der 1950er Jahre befand er sich auf dem Höhepunkt seines Könnens, was er durch zwei aufeinanderfolgende Siege bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft der Amateure 1958 und 1959 eindrucksvoll bestätigen konnte.
Den Gipfel seiner Beliebtheit in der DDR erreichte „Täve“ aber, als er als Titelverteidiger und großer Favorit bei der Straßen-WM 1960 antrat, die diesmal auf dem Sachsenring stattfand. Vor heimischem Publikum verzichtete Schur aus taktischen Gründen auf seine Siegchance, um seinen Teamkollegen Bernhard Eckstein zu schützen, der das Rennen schließlich gewann.
Diese selbstlose Haltung setzte dem „Mythos Täve“ die Krone auf, dessen Dimensionen sich in einer Umfrage erahnen lassen, die nach dem Ende der DDR 1990 durchgeführt wurde: In dieser wurde „Täve“ Schur 25 Jahre nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn mit fast der Hälfte aller Stimmen zum größten DDR-Sportler aller Zeiten gewählt. Schon während seiner aktiven Zeit konnte Schur neunmal hintereinander die Wahl zum DDR-Sportler des Jahres gewinnen.
Sein Sohn Jan wurde zusammen mit Uwe Ampler, Mario Kummer und Maik Landsmann bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul Olympiasieger im 100-km-Mannschaftsfahren.
Gustav-Adolf Schur engagierte sich stärker als andere Sportler in der DDR politisch. Von 1959 bis 1990 saß er als Abgeordneter in der Volkskammer der DDR. Nach der Wende – 1990 hatte Schur im Spielfilm Letztes aus der Da Da eR eine Nebenrolle übernommen – blieb er seinen Ansichten treu und wandte sich der PDS zu. Auf deren Landesliste Sachsen zog er in den Bundestag ein, dem Schur von 1998 bis 2002 angehörte. Für die Fraktion fungierte er als sportpolitischer Sprecher und setzte sich nach eigener Auskunft insbesondere für den Breitensport ein, welchen er im Vergleich zum Spitzensport als benachteiligt betrachtete.
Schur ist durch seine Mitwirkung im Kuratorium Friedensfahrt Course de la Paix e. V. sehr engagiert für den Erhalt und die Fortsetzung des gleichnamigen traditionsreichen Radrennens. Er unterstützt das Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen (Sachsen-Anhalt), wo Exponate zur Friedensfahrt – Preise, Trikots, Bilder und anderes – besichtigt werden können.
Seit 1992 betreibt Gustav-Adolf Schur einen Fahrradladen in Magdeburg; Inhaber ist sein Sohn Gus-Erik Schur. „Täves Radladen“ unterstützt den Radsportverein RC Lostau, dessen Mitglieder unter dem Namen „Team Täves Radladen“ europaweit an Radrennen teilnehmen.[1] Zudem hat Täve Schur zahlreiche Ehrenämter inne und hält Vorträge.[2]
Ehrungen
Im Jahre 2005 wurde der am 16. Oktober 2000 in der Volkssternwarte Drebach (Erzgebirge) entdeckte Asteroid 2000 UR nach Gustav-Adolf Schur benannt. Er bewegt sich zwischen den Planeten Mars und Jupiter um die Sonne und trägt jetzt die offizielle Bezeichnung (38976) Täve.
Täve Schur gehört neben 22 weiteren Personen zu den Kandidaten für eine Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports, wurde aber nicht berücksichtigt.
Kritik
Schurs Nominierung für die Hall of Fame des deutschen Sports stieß beim Verein für Doping-Opfer-Hilfe auf Widerstände. So kritisierten Ines Geipel, Andreas Krieger und andere DDR-Dopingopfer in einem öffentlichen Brief, dass Schur eine „zentrale Propagandafigur des kriminellen DDR-Sports gewesen sei, der mehr als 30 Jahre Abgeordneter in der Volkskammer der DDR war“. Darüber hinaus warfen sie Schur, der stets ein Dopingopfer-Hilfegesetz für alle nachweislich geschädigten deutschen Sportler befürwortet hatte,[3] vor, im Bundestag gegen die Aufklärung des Körperlaboratoriums DDR sowie gegen eine Entschädigung der Opfer des DDR-Sports votiert zu haben und bezeichneten ihn als „notorischen Geschichtsverleugner... der das missbräuchliche Tun im DDR-Sport banalisiert und die Opfer kalt diskreditiert.“[4] [5] In einer öffentlichen Stellungnahme verteidigten die Verantwortlichen der Stiftung Deutsche Sporthilfe ihre Entscheidung zu Täve Schur, da „nach heutigem Kenntnisstand keine personifizierte, justiziable Belege für Verfehlungen existieren, die einer Kandidatur widersprochen hätten".[6] Im August 2011 leugnete Schur bei einer Buchpräsentation erneut systematisches Doping im DDR-Sport.[7]
Literatur
- Andreas Ciesielski (Hrsg.): Typisch Täve. Eine Hommage an einen 75jährigen, Scheunen-Verlag, Kückenshagen 2006, ISBN 3-938398-22-1.
- Klaus Huhn: Das vierte Buch über Täve, Spotless-Verlag, ; Berlin 1992, ISBN 3-928999-04-4.
- Tilo Köhler: Der Favorit fuhr Kowalit. Täve Schur und die Friedensfahrt, Kiepenheuer, Leipzig 1997, ISBN 3-378-01015-0.
- Gustav-Adolf Schur: Täve, die Autobiografie. Gustav Adolf Schur erzählt sein Leben, Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2001, ISBN 3-360-00948-7.
- Klaus Ullrich: Unser Täve. Ein Buch über Gustav Adolf Schur, Sport-Verlag, Berlin 1962.
- Uwe Johnson: Das dritte Buch über Achim; 1962
- Stefan Schweizer: Täve Schur und das Bild der „Diplomaten im Trainingsanzug“, In: Karin Hartewig, Alf Lüdtke (Hrsg.): Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotografie im anderen deutschen Staat, Wallstein-Verlag, Göttingen 2004, ISBN 3-89244-790-X; S. 69–86.
- Norbert Rossbach: Täve. Der Radsportler Gustav-Adolf Schur, In: Silke Satjukow, Rainer Gries (Hrsg.): Sozialistische Helden. Eine Kulturgeschichte von Propagandafiguren in Osteuropa und in der DDR, Links-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-86153-271-9; S. 133-146.
- Alexander Osang: Ein brauchbarer Held, In Berliner Zeitung vom 4. April 1998[8]
Weblinks
Commons: Täve Schur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Biographie beim Deutschen Bundestag
- Literatur von und über Gustav-Adolf Schur im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Fotos und Tondokumente
Einzelnachweise
- ↑ S. 4–7: Ein Magdeburger Radsportidol, Interview mit Schur; abgerufen am 4. Februar 2010
- ↑ Der rastlose Täve, Beitrag in der Superillu vom 22. Februar 2006; abgerufen am 11. Februar 2010
- ↑ Beratungen zum Dopingopfer-Hilfegesetz bzw. zur Errichtung eines Fonds zur Unterstützung der Doping-Opfer der DDR, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 243. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2002.
- ↑ Banalisierung des Missbrauchs, Deutschland Radio.
- ↑ Dopingopfer kritisieren Hall of Fame, Der Spiegel.
- ↑ Die Brüche der Geschichte treffen auch den Sport, Badische Zeitung.
- ↑ Frank Bachner: "Ein Musterland an sportlicher Gesundheit", Der Tagesspiegel, 6. August 2011
- ↑ Ein brauchbarer Held, Ein Portrait, eingesehen am 5. August 2010
1927 Jean Aerts | 1928 Allegro Grandi | 1929 Pierino Bertolazzo | 1930, 1932 Giuseppe Martano | 1931 Henry Hansen | 1933 Paul Egli | 1934 Kees Pellenaars | 1935 Ivo Mancini | 1936 Edgar Buchwalder | 1937 Adolfo Leoni | 1938 Hans Knecht | 1946 Henri Aubry | 1947 Alfo Ferrari | 1948 Harry Snell | 1949 Henk Faanhof | 1950 Jack Hoobin | 1952 Luciano Ciancola | 1953 Riccardo Filippi | 1954 Emiel Van Cauter | 1955 Sante Ranucci | 1956 Frans Mahn | 1957 Louis Proost | 1958, 1959 Gustav-Adolf Schur | 1960 Bernhard Eckstein | 1961 Jean Jourden | 1962 Renato Bongioni | 1963 Flavio Vicentini | 1964 Eddy Merckx | 1965 Jacques Botherel | 1966 Evert Dolman | 1967 Graham Webb | 1968 Vittorio Marcelli | 1969 Leif Mortensen | 1970 Jørgen Schmidt | 1971 Régis Ovion | 1972 Hennie Kuiper | 1973 Ryszard Jan Szurkowski | 1974 Janusz Kowalski | 1975 André Gevers | 1976 Bernt Johansson | 1977 Claudio Corti | 1978 Gilbert Glaus | 1979 Gianni Giacomini | 1980 Sergei Suchorutschenkow | 1981 Andrej Vedernikow | 1982 Bernd Drogan | 1983 Uwe Raab | 1984 Alexi Grewal | 1985 Lech Piasecki | 1986 Uwe Ampler | 1987 Richard Vivien | 1988 Olaf Ludwig | 1989 Joachim Halupczok | 1990 Mirco Gualdi | 1991 Wiktor Rschaksinski | 1992 Fabio Casartelli | 1993 Jan Ullrich | 1994 Alex Pedersen | 1995 Danny Nelissen
(anschließend wurde die Unterscheidung in Amateure und Profis aufgehoben, weitere Ergebnisse unter Weltmeister im Straßenrennen)
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