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Märkisches Viertel
Ortsteil von BerlinKoordinaten 52° 36′ 0″ N, 13° 21′ 30″ O52.613.358333333333Koordinaten: 52° 36′ 0″ N, 13° 21′ 30″ O Einwohner 35.206 (30. Juni 2008) Neugründung 1. Juni 1999 Postleitzahlen 13435, 13439 Ortsteilnummer 1210 Verwaltungsbezirk Reinickendorf Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Das Märkische Viertel (kurz MV) in Berlin ist eine Großwohnsiedlung, Satellitenstadt oder Trabantenstadt im Bezirk Reinickendorf. Die Siedlung wurde von 1963 bis Frühjahr 1974 gebaut und war mit ihren ca. 17.000 Wohnungen für bis zu 50.000 Bewohner ausgelegt. Seit Juni 1999 ist das Märkische Viertel ein Ortsteil des Bezirks Reinickendorf (mit eigenem Wappen). Davor gehörte es zum Ortsteil Wittenau.
Ende 2007 betrug die Bevölkerungszahl 35.439.[1]
Neben dem Märkischen Viertel entstanden in West-Berlin zwei weitere Großwohnsiedlungen: die etwa gleichgroße Gropiusstadt (Neukölln) und das etwas kleinere Falkenhagener Feld (Spandau). In Ost-Berlin entstanden etwas später Großbausiedlungen in Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf. Allen ist gemeinsam, dass sie jeweils am Stadtrand liegen.
Inhaltsverzeichnis
Größe
Ohne wirklich kreisrund zu sein, hat das Märkische Viertel einen ungefähren Durchmesser von zwei Kilometern. Im Norden und Süden ist dieser gedachte Kreis abgeplattet. Größte Ost-West-Ausdehnung im nördlichen Drittel mit etwa 2,5 Kilometer, an der südlichen Kante dagegen weniger als einen Kilometer. Die Fläche umfasst 3,2 km².
Lage und Ausdehnung
Der Ortsteil liegt am Ostrand des Bezirks Reinickendorf, relativ genau auf halber Höhe von dessen Nord-Süd-Ausdehnung.
Im Süden und Osten grenzt das Märkische Viertel an den Bezirk Pankow und lag dadurch direkt an der Berliner Mauer. Im Nordosten ist die Siedlung durch den Verlauf der Quickborner Straße begrenzt, während der Ortsteil das dahinterliegende Industriegebiet bis zur Bezirksgrenze nach Pankow einschließt. Im Norden stellt eine ehemalige Eisenbahnstrecke (ein Teil der Industriebahn Tegel – Friedrichsfelde) die Begrenzung dar. Unmittelbar nördlich liegt der Freizeitpark Lübars des ländlichen Ortsteils Lübars. Die Abgrenzung an dieser Stelle wirkt fast brutal: Unmittelbar südlich der Gleise erheben sich teils zehnstöckige Hochhäuser, während auf der Nordseite Kleingärten und Getreidefelder liegen.
Im Nordwesten ist die Begrenzung der Siedlung nicht ganz eindeutig. Die Eisenbahnstrecke knickt leicht nach Süden ab, nähert sich jedoch nicht mehr den Hochhäusern. Allerdings liegt nördlich der Bahn, an der Kreuzung mit dem Eichhorster Weg, das Fernheizwerk des Märkischen Viertels. An dieser Stelle sind die nächsten Hochhäuser bereits rund 500 Meter entfernt. Gleichzeitig finden sich nach außen blickend in etwa 200 Meter Entfernung weitere Hochhäuser nördlich der Wittenauer Straße (bis zum Zabel-Krüger-Damm und um die dazwischenliegende Titiseestraße), die nicht mehr zum Märkischen Viertel gerechnet werden, obwohl sie aus der gleichen Zeit stammen. Sie gehören zum Reinickendorfer Ortsteil Waidmannslust. Die westliche Begrenzung stellt der Bahndamm der Nordbahn dar, eine Eisenbahntrasse, die heute von der S-Bahn befahren wird. Nach Westen schließt sich der Ortsteil Wittenau an.
Der Kreis schließt sich im Süden an der Stelle, wo die S-Bahn den Nordgraben überquert, der gleichzeitig Abgrenzung nach Pankow ist. Unmittelbar südlich des Nordgrabens liegt das Fabrikgelände Bergmann-Borsig, das seit etwa 2000 zu einem Gewerbepark (Pankow-Park) umstrukturiert wird. Im Osten stößt der Nordgraben nach etwa einem Kilometer auf die Gleise der Heidekrautbahn, von denen er überquert wird, und die – auf Pankower Gebiet liegend – die Begrenzung nach Osten hin bilden.
Entstehung
Das Märkische Viertel war die erste große Neubausiedlung im damaligen West-Berlin. Erste Ideen zu einer städtebaulichen Neuordnung an dieser Stelle reichen bis in die frühen 1950er-Jahre zurück. Bereits 1952 wurde im Bezirk Reinickendorf ein erster Raumordnungsplan entworfen. 1959 bescheinigte ein soziologisches Gutachten dem Gebiet mit seinen zahlreichen Wohnlauben und Notunterkünften auf ungeordneten, oft unerschlossenen Grundstücken völlig unzulängliche hygienische Verhältnisse. Vor diesem Hintergrund zog der Senat Anfang der 1960er-Jahre die Planung an sich. Die „grünen Slums“ sollten so rasch wie möglich verschwinden. Im Juli 1962 legten die Architekten Hans C. Müller, Georg Heinrichs und Werner Düttmann ein städtebauliches Konzept für das Märkische Viertel vor. Im Dezember 1962 berief der damalige Berliner Bausenator Rolf Schwedler die Gesellschaft für sozialen Wohnungsbau (GESOBAU) zum Sanierungsträger für das Vorhaben.
Mehr als 35 in- und ausländische Architekten planten die Neubauten. Mit einer übergreifenden Farbkoordinierung wurde der deutsche Künstler Utz Kampmann in den Jahren von 1966 bis 1968 betraut. Entwürfe für die Wohnbauten lieferten Karl Fleig, René Gagès, Ernst Gisel, Werner Düttmann, Georg Heinrichs, Hans C. Müller, Lothar Juckel, Chen Kuen Lee, Ludwig Leo, Peter Pfannkuch, Hansrudolf Plarre, Heinz Schudnagies, Herbert Stranz, O. M. Ungers, Schadrach Woods, Astra Zarina-Haner, Siegfried Hoffie, Erwin Eickhoff, Jo Zimmermann und die Bauabteilung der DEGEWO.[2] Die Wohnbauten bildeten Hochhausketten mit unregelmäßigen Grundrissen und gestaffelten Höhen, die größere Flächen mit Einfamilienhäusern umrahmen.
Das große, zentrale Einkaufszentrum, die Märkische Zeile wurde 2000 um die Shopping-Mall Märkisches Zentrum erweitert. Zusammen mit dem Veranstaltungs- und Kulturzentrum Fontane-Haus, dem Hallenbad und der Thomas-Mann-Oberschule gruppiert es sich um den zentralen Marktplatz. Daneben entstanden weitere, wesentlich kleinere Zentren, bei denen sich mehrere Geschäfte (Friseur, Zeitungsläden) um einen kleineren Supermarkt ansiedelten. Grundschulen und Kindergärten wurden ebenfalls nicht (nur) im zentralen Bereich vorgesehen, sondern ringsum am Rand zwischen den einzelnen Hochhaus-Gruppen. Innerhalb der Hochhausgruppen entstanden zahlreiche Spielplätze nah bei den Wohnungen.
Die Ladenzeilen errichteten Hans Bandel und Waldemar Proeike, Schulen und Kindertagesstätten Stephan Heise, Harald Franke, Hasso Schreck, Karl Fleig, Jörn-Peter Schmidt-Thomsen, Günter Plessow, Hasso Windeck, Ernst F. Bartels, Christoph Schmidt-Ott und die Bauabteilung des Bezirks Reinickendorf. Evangelische Gemeindezentren planten Bodo Fleischer, Günther Behrmann, Stephan Heise, Gerd Neumann, Dietmar Grötzebach und Günter Plessow. Das Fernheizwerk und einen 1988 abgerissenen Informations-Pavillon gestaltete Fridtjof Schliephacke. Ein Seniorenzentrum entwarf Gert H. Rathfelder, für das Katholische Gemeindezentrum St. Martin, das Altenwohnheim und eine Grundschule zeichnete Werner Düttmann verantwortlich. Das Hotel Rheinsberg errichtete Bodo Fleischer mit Hanno Hübscher. Die Schwimmhalle entwarfen Henning Schran und Hasso Schreck, das Spielhaus des Bundes Deutscher Pfadfinder Engelbert Kremser, das Haus der Fürsorge Ludwig Leo und den Verkehrskindergarten sowie mehrere Sportanlagen die SAL-Planungsgruppe.[3]
Bereits im August 1964 zogen die ersten Mieter ein. Der (vorerst) letzte Neubau wurde 1974 übergeben. Von den insgesamt 16.916 Wohnungen waren 15.043 von der landeseigenen GESOBAU, 614 von der DEGEWO, 812 von der DEBAUSIE und weitere 304 von einem Privatunternehmen errichtet worden. 134 Wohnungen entstanden schließlich 1974 in einem Altenwohnheim.[4]
Imagewandel
Trotz der vielschichtigen Planung entwickelte das Märkische Viertel anfangs einen schlechten Ruf, der weit über Berlin hinausreichte. In dem vom Land Berlin herausgegebenen Reiseführer Berlin für junge Leute (3. Aufl., 1983) wurde dies wie folgt begründet: „[Das] kam daher, dass in den ersten Jahren nur eine mangelhafte Infrastruktur vorhanden war. Das heißt, es gab zu wenig Geschäfte, Restaurants und Kneipen; zu wenig Schulen, Kindergärten und Spielplätze.“ (S. 103) – Mit anderen Worten: Die Planung auf dem Papier hatte nicht mit der Umsetzung Schritt gehalten; die Anzahl der Wohnungen (und Einwohner) stieg schneller als die erforderliche Infrastruktur errichtet wurde.
Verstärkt wurde das Imageproblem durch einen Paradigmenwechsel der Planungsdisziplinen. Ende der 1960er-Jahre wandten sich mehr und mehr Architekten und Stadtplaner von der Idee neuer Retortensiedlungen ab und der gewachsenen europäischen Stadt zu. Altbausanierung und die Erneuerung alter Stadtviertel rückten in den Mittelpunkt. Noch während der Bauzeit galt das Märkische Viertel damit plötzlich als Dinosaurier und Relikt nicht länger zeitgemäßer architektonischer Ideen. Als Gegenveranstaltung zu den offiziellen Berliner Bauwochen 1968 kritisierte eine Ausstellung an der TU das Märkische Viertel aufs Schärfste. Anschließende Artikel im Spiegel taten ein Übriges, um den Ruf des Viertels zu demontieren.
Ein weiteres Problem stellten die neuen Einwohner selbst dar: Sie kamen oft aus Altbauten von Sanierungsgebieten der Innenstadt und mussten aus ihrem gewohnten, vertrauten Kiez hierher umziehen, weil ihre alten Wohnhäuser abgerissen wurden. Dadurch verloren sie zum einen ihre bisherigen sozialen Bindungen und konnten sich zum anderen mit dem neuen – aus ihrer Sicht anonymen, kalten, unfreundlichen – Wohnumfeld nicht identifizieren und vereinsamten. Es kam zu Selbsttötungen, die von den Massenmedien aufgenommen wurden und ein schlechtes Licht auf die Siedlung warfen. Der, der Außerparlamentarischen Opposition (APO) verbundene, „Arbeitskreis Mieten und Wohnen“ gab gegen die Missstände seine MVZ – Märkische Viertel Zeitung heraus, die heute noch in öffentlichen Archiven – wie dem der FU Berlin – vollständig verfügbar ist. Publikumswirksam wurden damals Transparente u. a. gegen die Mieterhöhungen aus den Häusern gehängt, die den zeitgenössisch-biederen Berlinern noch als „Wolkenkratzer“ anmuten mochten. Ein oder mehrere Mitglieder des Arbeitskreises MVZ schlossen sich offenbar der Rote Armee Fraktion um Andreas Baader, Horst Mahler und Ulrike Meinhof an.
Für Touristen soll es organisierte Busfahrten durch das „schlimme Wohngebiet“ gegeben haben. Fotografische und filmische Darstellungen zeigten die Siedlung oft „grau in grau“ und in der düsteren Stimmung der Wintermonate oder im regnerischen Wetter.
Durch Ergänzung und Ausbau der Infrastruktur konnte die negative Entwicklung des Images gestoppt werden. Auch kleinere Umbauten, die der Haupteigentümer GESOBAU in einzelnen Häusern veranlasste und zu denen z. B. freundlichere Eingangsbereiche gehörten, werteten das Viertel auf. Anfang der 1990er-Jahre wurde schließlich der Marktplatz vor dem Kulturzentrum Fontanehaus umgestaltet und 1992 der von Emanuel Scharfenberg gestaltete Bronze-Brunnen Fontanebogen aufgestellt. Bei einer Höhe von 4,60 Metern hat das zugehörige Brunnenbecken eine Ausdehnung von 12 × 8 Metern.
Zusammen mit weiteren Verschönerungen entstand so eine Umgebung, in der zum 40-jährigen Jubiläum des Märkischen Viertels die durchschnittliche Wohndauer bei 17 Jahren lag und in der es Mieter gibt, die bereits seit der Fertigstellung in der gleichen Wohnung leben. Ebenso lässt sich beobachten, dass Kinder der Erstbezieher in der Siedlung bleiben und eigene Familien gründen. Das Märkische Viertel zählt heute nicht zu den ausgewiesenen sozialen Brennpunkten Berlins, wie zum Beispiel die Rollbergsiedlung in Neukölln.
Energetische Modernisierung
2008 hat die GESOBAU AG, bis heute größter Eigentümer und Vermieter im Märkischen Viertel, damit begonnen, mehr als 13.000 Wohnungen energetisch zu modernisieren. Bereits ab 2007 lief dazu ein Pilotvorhaben. Das Projekt hat ein Investitionsvolumen von 440 Mio. Euro und soll etwa acht Jahre dauern. Es gilt damit als derzeit größtes Sanierungsvorhaben im deutschen Wohnungsbau mit Modellcharakter für den nachhaltigen Umbau von Großsiedlungen in ganz Deutschland.
Eine Reihe abgestimmter Maßnahmen steigern Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit der Wohnbauten. An erster Stelle steht der Einbau neuer, verlustarmer Rohr- und Verteilersysteme für die Wärmeversorgung und der Austausch der Heizkörper. Veraltete Einrohrsysteme werden durch Zweirohrsysteme ersetzt. Um die Wärmeverluste durch die Gebäudehülle zu reduzieren, wird auf die Fassaden ein Wärmedämmverbundsystem aufgebracht. Auch die Dächer (bzw. die Decken der obersten Geschosse) und die Kellerdecken werden wärmegedämmt und die Fenster ausgetauscht. Je nach Gebäude können sich durch diese Maßnahmen die Heizkosten mehr als halbieren. In der Summe errechnet die GESOBAU eine Verringerung des CO2-Ausstoßes (nach Abschluss der Maßnahmen) um mehr als 20.000 Tonnen jährlich.
Neue funkbasierte und fernablesbare Messgeräte erfassen in Zukunft den Verbrauch an Heizwärme, Warm- und erstmals auch Kaltwasser exakt und erlauben so ein Monitoring der eigenen Verbrauchsgewohnheiten durch die Mieter. Da alle Strangleitungen in den Wänden erneuert werden, lässt der Bauherr zugleich die Bäder modernisieren und Wasser sparende Armaturen und Geräte installieren. Die veralteten, unhygienischen Müllschlucker werden geschlossen und durch ein umweltfreundlicheres Trennsystem ersetzt. In den Zugangsbereichen werden Flächen entsiegelt und zu Grünanlagen umgestaltet.
Weil die Sanierung in bewohnten Gebäuden stattfindet und gerade ältere Menschen oder Schwangere beeinträchtigen kann, hat die GESOBAU ein Hilfe- und Betreuungsnetzwerk besonders für ältere Mieter initiiert, das soziale Einrichtungen als Partner einbindet und die Bauzeit erträglich gestalten soll. Besonders belastete Mieter können mit ihren Familien für die Zeit, in der ihre Wohnung saniert wird, sogar ein Ausweichquartier erhalten. Seit September 2008 informiert eine Infobox auf dem Stadtplatz am Wilhelmsruher Damm Anwohner und Öffentlichkeit über die Modernisierung.
Grün- und Wasserflächen
Konzeptionell von Anfang an vorgesehen waren neben Kinderspielplätzen zahlreiche Grünflächen und Wege zwischen den Hochhäusern und auch größere Grünzüge. Die nahezu komplett neugepflanzten Gewächse benötigten Zeit zum Wachsen, wodurch sich unmittelbar nach Fertigstellung der Großsiedlung der Eindruck einer kahlen Betonwüste ergab.
Im Märkischen Viertel gibt es im nördlichen Bereich zwei Seen. Das kleinere Mittelfeldbecken, das nur über Parkwege zu erreichen ist. Und das doppelt so große Seggeluchbecken (der Name leitet sich von Segge für Riedgras und Luch für Sumpf her), das durch eine Straßenbrücke geteilt wird. Beide Seen sind durch kleine Gräben miteinander verbunden. Das Grabensystem durchzieht das ganze nördliche Viertel und diente ursprünglich der Entwässerung. Beim Bau des Märkischen Viertels wurden die Gräben kanalisiert, behielten jedoch ihren gewundenen Verlauf und wurden in Grünzüge integriert. Im Süden übernahm der wesentlich größere Nordgraben die Entwässerung. - Teile des heutigen Märkischen Viertels waren ursprünglich ein Feuchtgebiet, weswegen viele der Hochhäuser keine Keller aufweisen, sondern Abstellräume im Erdgeschoss haben, während die Wohnungen erst darüber liegen.
Verkehr
Die Anbindung an das Schnellbahnnetz Berlins geschieht nur über den S- und U-Bahnhof Bahnhof Wittenau am westlichen Rand des Märkischen Viertels. Innerhalb der Trabantenstadt wird der Öffentliche Personennahverkehr mit Autobussen abgewickelt, die fast alle Hauptstraßen befahren. Eine Verlängerung der U-Bahnlinie U8, die das Viertel schnellbahnmäßig etwas besser erschlossen hätte, wird nicht mehr diskutiert.
Straßen
Die zentrale Ost-West-Achse ist der Wilhelmsruher Damm. Weitere Hauptstraßen sind: Dannenwalder Weg (Erschließung des südlichen und nordöstlichen Teils), Finsterwalder Straße (Nordwesten), Eichhorster Weg und Schorfheidestraße (Nord-Süd-Verbindung im westlichen Drittel). Eine besondere Rolle nimmt der Senftenberger Ring ein. Er ist zwar keine Hauptverkehrsstraße, jedoch wesentlicher Teil der verkehrlichen Erschließung im Norden des Märkischen Viertels. Er zweigt nördlich vom Wilhelmsruher Damm ab, teilt sich nach 350 Metern und bildet einen kompletten Ring mit einem Durchmesser von etwa 500 Metern, der nur an zwei weiteren Stellen Verbindung nach außen hat (Calauer und Wesendorfer Straße).
Die Straßennamen erklären gleichzeitig die Herkunft des Namens der Großsiedlung: Sie bezeichnen Orte in der Mark Brandenburg im Märkischen. Eine Ausnahme davon bildet lediglich der Wilhelmsruher Damm, der nach dem nahegelegenen Ortsteil Wilhelmsruh des Bezirks Pankow benannt ist (jedoch nördlich an diesem vorbeiführt). Diese Straße gab es bereits vor dem Bau des Märkischen Viertels.
Schienenverkehr
Bereits vor dem Bau des Märkischen Viertels vorhanden war der S-Bahnhof Wittenau (Nordbahn). Er liegt auf dem Bahndamm, der die westliche Begrenzung bildet. Aus zwei Gründen wurde er ursprünglich nicht als Verkehrsanbindung für die Siedlung beachtet: Er liegt zwar an der Ost-West-Hauptachse, leider befand sich der Zugang auf der nördlichen, dem Wilhelmsruher Damm abgewandten Seite (am Göschenplatz). Der zweite – und wesentlichere – Grund lag in den besonderen politischen Verhältnissen West-Berlins und der S-Bahn, die bis 1984 von der DDR-Reichsbahn betrieben wurde. Von der West-Berliner Bevölkerung des Märkischen Viertels wurde die S-Bahn nahezu komplett boykottiert (S-Bahn-Boykott). Erst nach der Betriebsübernahme der S-Bahn durch die BVG im Jahre 1984 änderte sich diese Situation. Nach Modernisierungsarbeiten an der S-Bahn-Strecke wurde 1986 der Südzugang des S-Bahnhofes in Betrieb genommen.
Trotz des Boykotts der S-Bahn wurden im Zuge der Errichtung des Märkischen Viertels in den 1970er-Jahren zwei Maßnahmen im Zusammenhang mit der S-Bahnstrecke durchgeführt: Die Brücke über den Wilhelmsruher Damm wurde neu errichtet und dabei vorausschauend so angelegt, dass zwischen den beiden S-Bahngleisen Platz für einen Bahnsteigzugang blieb und dadurch der Bahnsteig unmittelbar am Wilhelmsruher Damm beginnen konnte. Die zweite Maßnahme bestand in einer neuen S-Bahnbrücke über der neu angelegten Schorfheidestraße etwas weiter südlich. Hier war auch ein weiterer S-Bahnhof vorgesehen; ungefähr auf halber Strecke zwischen den Bahnhöfen Wittenau (Nordbahn) und Wilhelmsruh.
Bereits den ersten Bewohnern des Märkischen Viertels wurde Ende der 1960er-Jahre ein Anschluss an die U-Bahn versprochen. Frühe Pläne sahen eine Anbindung direkt von Süden vor, die im Märkischen Zentrum bzw. eine Station weiter am Senftenberger Ring enden sollte. Angeblich soll es kleinere Vorleistungen (eher: konstruktive Berücksichtigungen) im Bereich einzelner Hochhausfundamente oder -gründungen geben. Südlich des Wilhelmsruher Damms fällt eine freie Trasse auf, die nicht von Hochhäusern bebaut ist (zum Tornower Weg hin). Diese Planungen wurden nie verwirklicht und spätestens in den 1970er Jahren verworfen. Stattdessen wurde eine U-Bahn, von Westen her kommend, unter dem Wilhelmsruher Damm geplant. Während die Führung bis zum Märkischen Zentrum klar war, gab es Überlegungen, auf eine nordwärts schwenkende Verlängerung zum Senftenberger Ring zu verzichten, um nach einer – nicht erwarteten – Wiedervereinigung die Strecke geradeaus nach Pankow, zur Bezirksgrenze, verlängern zu können.
Realisiert wurde diese Planung nur zum Teil, nämlich bis unter den S-Bahnhof am Westrand. Am 24. September 1994 – zwanzig Jahre nach der Fertigstellung des Märkischen Viertels – wurde der U-Bahnhof mit dem Namen Wittenau (Wilhelmsruher Damm) eröffnet. Es handelt sich um die Verlängerung der U-Bahnlinie 8 vom Bahnhof Paracelsus-Bad her. Gleichzeitig wurde der S-Bahnhof von Wittenau (Nordbahn) in Wittenau (Wilhelmsruher Damm) umbenannt. Die Betriebsführung der S-Bahn war zwischenzeitig (nach der Wiedervereinigung) von der BVG an die S-Bahn Berlin GmbH, einem Unternehmen der Deutsche Bahn AG übergegangen.
Am Ostrand des Märkischen Viertels sind seit dem Fall der Berliner Mauer die Gleise der Heidekrautbahn zugänglich. Die Eigentümerin der Bahnstrecke, die Niederbarnimer Eisenbahn AG, plant grundsätzlich eine Wiederinbetriebnahme der Strecke von Basdorf bis zum S-Bahnhof Wilhelmsruh oder darüber hinaus. Ein Zeitpunkt ist nicht abzusehen. An manchen Sommerwochenenden werden auf der Strecke nach Basdorf hin Sonderzug- und Museumszugfahrten von den Berliner Eisenbahnfreunden e.V. durchgeführt.
Die Strecke im Norden, ein Teilstück der Industriebahn Tegel–Friedrichsfelde, ist stillgelegt, ohne dass Aussicht auf Reaktivierung besteht. Die Strecke war nie für den Personenverkehr vorgesehen.
Straßenbahn: In der Planung ist eine geradlinige Verlängerung über den Wilhelmsruher Damm nach Westen bis zum U-Bahnhof Wittenau derjenigen Strecke, die heute gerade östlich der Bezirksgrenze zu Pankow an der Haltestelle Rosenthal Nord endet. Der Bedarf dazu ist gegeben, auf dem Wilhelmsruher Damm verkehrt heute je Richtung im Schnitt alle 2½ Minuten ein Bus. Der Senat investiert jedoch nur zögerlich in neue Straßenbahntrassen, und die Strecke befindet sich derzeit nur in der Langfristplanung. Kurzfristig gefährdet würde das Projekt durch die Option, die Straßenbahn zwischen Rosenthal Nord und Pankow abzubauen.
Persönlichkeiten
- Der Rapper Sido wurde im Märkischen Viertel geboren.
- Der Liedermacher Mario Hené wuchs im Märkischen Viertel auf.
- Fußballprofi Benjamin Köhler verbrachte seine Jugend im Märkischen Viertel.
Literatur
- MV Plandokumentation / Märkisches Viertel. Verlag Kiepert KG, Berlin 1972, ISBN 3-920597-18-4.
- Brigitte Jacob, Wolfgang Schäche: 40 Jahre Märkisches Viertel / Geschichte und Gegenwart einer Großsiedlung. jovis Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-936314-07-1.
- Torsten Birne: In weiter Ferne - Das Märkische Viertel und die Gropiusstadt. Wohnungsbau in Westberlin 1960 bis 1972, S. 307-313 in: Stadt der Architektur, Architektur der Stadt. Berlin 1900-2000 hg. v. Thorsten Scheer, Josef Paul Kleihues, Paul Kahlfeldt, Nicolai, Berlin 2000, ISBN 3-87584-017-8
- GESOBAU (Hrsg.): 100 Jahre Gesobau (Jubiläumsbroschüre). Eigenverlag, Berlin 2000
Weblinks
- Der Ortsteil Märkisches Viertel im Internetangebot des Bezirks Reinickendorf
- Community des Märkischen Viertels
- Website des Haupteigentümers GESOBAU
Einzelnachweise
- ↑ Bericht des Statistischen Landesamts Seite 19
- ↑ Rolf Rave e.a.: Bauen der 70er Jahre in Berlin; Kiepert; Berlin 3. Aufl. 1994
- ↑ Rave e.a.: Bauen der 70er Jahre in Berlin, a.a.O.; + GESOBAU (Hrsg.): 100 Jahre GESOBAU (Jubiläumsbroschüre). Eigenverlag, Berlin 2000, S. 19–20
- ↑ GESOBAU (Hrsg.): 100 Jahre GESOBAU (Jubiläumsbroschüre). Eigenverlag, Berlin 2000, S. 25
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