- Jessidisch
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Die Jesiden (kurd. Êzîdîtî) sind eine kurdischsprachige Volksgruppe und Anhänger einer besonderen Religion. Das Jesidentum (Jesidismus) ist eine ausschließlich bei ihnen verbreitete monotheistische Religion. Muttersprache der Jesiden ist das nordkurdische Kurmandschi. Eine alternative Schreibung lautet „Yeziden“.
Der jesidische Glaube ist nicht missionarisch. Man wird als Jeside geboren. Grundsätzlich bedeutet die Heirat mit Andersgläubigen für Jesiden die Ausstoßung aus der Religionsgemeinschaft.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft der Bezeichnung
Nach Ansicht westlicher Forscher leitet sich die Bezeichnung „Jesidi“ entweder aus "Yazatas" ab, der Bezeichnung für Engel im Zoroastrismus[1] oder aus der iranische Bedeutung für Anhänger Gottes.
Lehre und Kosmogonie
Die Religion der Jesiden ist monotheistisch. Die Wurzeln liegen (nach eigener Sicht) weit vor der Entstehung von Christentum und Judentum. In der Forschung werden je nach Publikation verschiedene Elemente angegeben neben dem altbabylonischen Planetenkult, der Sonnenverehrung eventuell aus dem Mithras-Kult finden sich Einflüsse des Zoroastrismus und des Judentums, wie jüdische Speisegesetze und die Beschneidung der Jungen). Weitere Elemente sind orientchristliche, besonders nestorianische (Eucharistie), mandäische, manichäische, gnostische. Viele Jesiden favorisieren heute selbst eine mindestens vorchristliche Herkunft ihrer Religion, die sich möglicherweise aus dem altpersischen Mithras-Kult oder den Kulten der Meder entwickelte.
Noch im Mittelalter bekannten sich nach jesidischer Überlieferung die meisten Kurden zum Jesidentum. Unter anderem waren viele Adlige laut Şerefhan ursprünglich Jesiden.
Nach jesidischen Vorstellungen ist Gott allmächtig und erschuf die Welt. Er wäre schwach, wenn er noch eine zweite Kraft neben sich dulden würde. Folglich fehlt in der jesidischen Theologie die Gestalt des Bösen. Die Jesiden sprechen den Namen des Bösen nicht aus, weil das Zweifel an der Allmacht Gottes bedeuten würde. Damit einher geht auch die Vorstellung, dass der Mensch in erster Linie selbst für seine Taten verantwortlich ist. Aus jesidischer Sicht hat Gott dem Menschen die Möglichkeit gegeben, zu sehen, zu hören und zu denken. Er hat ihm den Verstand gegeben und damit die Möglichkeit, für sich den richtigen Weg zu finden.
Die Jesiden glauben, dass das Leben nicht mit dem Tod endet, sondern dass es nach einer Seelenwanderung einen neuen Zustand erreicht. Der neue Zustand ist abhängig von den Taten im vorherigen Leben. In diesem Zusammenhang spielen der „Jenseitsbruder“ (biraye achrete) für einen Mann, sowie die „Jenseitsschwester“ (chucha achrete) für eine Frau eine wichtige Rolle. Unter den Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft sucht man sich zu Lebzeiten einen Bruder oder eine Schwester für das Jenseits aus. Diese Wahlgeschwister übernehmen im Jenseits gegenseitig die moralische Mitverantwortung für ihre Taten und in der Totenzeremonie „begleiten“ sie den Verstorbenen auf dem Weg zur neuen Bestimmung. Nach den jesidischen Vorstellungen bestand die Verbindung der Jenseitsgeschwister bereits im vorherigen Leben und wird auch im künftigen Leben weiter bestehen.
Überlieferungen
Das Jesidentum kennt keine verbindliche religiöse Schrift, wie es vergleichbar die Bibel für die Christen ist. Die Vermittlung religiöser Traditionen und Glaubensvorstellungen beruhte – bisher – ausschließlich auf mündlicher Überlieferung. In der Literatur über die Jesiden werden zwei Bücher erwähnt, das „Buch der Offenbarung“ (Kiteb-i Jilwe) und die „Schwarze Schrift“ (Meshef Resch). Von beiden Büchern sind lediglich Auszüge 1921 bekannt geworden, wobei man davon ausgehen kann, dass diese nicht in allen Teilen authentisch die Glaubensvorstellungen aller Jesiden wiedergeben. Sie gelten in der Religionswissenschaft als nachträgliche Aufzeichnungen – relativ zu der Gegenauffassung, etwa das Buch der Offenbarung sei von Scheich Adi selbst verfasst –, haben aber doch den Status heiliger Schriften. Schließlich stellen sie eine wichtige "Neuerung" für die jesidische Religion dar, war doch das Fehlen solcher Schriften einer der Gründe für die Verfolgungen der Jesiden durch den Islam. In der jesidischen Diaspora in Armenien, Georgien, Russland, USA und Deutschland hingegen ermöglicht die Verschriftlichung und Kodifizierung der ehemals mündlichen Traditionen den Erhalt der religiösen Identität.
Der Glaube wird überwiegend durch Lieder (so genannte Qewals) und Bräuche weitergegeben. Genannt sei hier das Buch von Hilmi Abbas in deutscher Sprache, er schrieb einige der bisher nur mündlich überlieferten altkurdischen Legenden nieder, im Jahre 2003 erschien es in München unter dem Titel "Das ungeschriebene Buch der Kurden". Es stellt die Schöpfungsgeschichte aus jesidischer Sicht dar und die mythische Wanderung des kurdischen Volkes von Osten in den Westen in das heutige Siedlungsgebiet.
Taus-i Melek
Eine zentrale Bedeutung in den jesidischen Glaubensvorstellungen hat Taus-i Melek, der „Engel Pfau“, dessen Symbol – wie es der Name sagt – ein Pfau ist. Nach der jesidischen Mythologie hat er in besonderer Weise der Allmächtigkeit Gottes gehuldigt und wurde deshalb von Gott zum Oberhaupt der sieben Engel erkoren. Er nimmt eine Art Stellvertreterfunktion Gottes ein. So symbolisiert Taus-i Melek in der jesidischen Theologie nicht das Böse und ist auch kein in Ungnade gefallener Engel. Zwar wollte er sich dem Mythos nach selbst einmal zum Gott erheben, doch er bereute sein Ketzertum und büßte dafür auf der Erde. Er wurde nicht wie es behauptet wird in die Hölle verbannt, da die Jesiden nicht an die Hölle glauben. Dies ist verständlich wenn man bedenkt, dass im Jesidentum kein Teufel existiert. Der Name darf nicht einmal ausgesprochen werden, da die Existenz eines Wesens neben Gott für die Jesiden tabu ist. Seine Schuld wurde ihm schließlich vergeben, seither dient er Gott als Wächter der Welt und als Mittler zu den Menschen: Er ist der Ansprechpartner der Jesiden.
Nach der Schöpfungsgeschichte der Jesiden ist Taus-i Melek, den Gott mit sechs weiteren Engeln aus seinem Licht schuf, an der gesamten Schöpfung, an dem göttlichen Plan, aktiv beteiligt. Folglich verkörpert Taus-i Melek nicht den Widerpart in einem dualen Weltbild, sondern ist der Beweis für die Einzigartigkeit Gottes.
Die Bedeutung und die Stellung von Taus-i Melek innerhalb des jesidischen Glaubens kann man nur dann verstehen, wenn man sich von der abrahamitischen Sichtweise löst: Die jesidische Vorstellung von Gut und Böse ist älter als die christliche und islamische Interpretation; eine Identifizierung mit dem gefallenen Engel (vgl. Luzifer) ist daher verfehlt. Richtiger ist es, die Negierung des Bösen im Jesidentum als eigenständigen, altiranischen Glaubensansatz zu begreifen.
Scheich Adi
Eine zweite wichtige Gestalt für die Jesiden ist der als Reformer geltende Scheich Adi aus dem 11./12. Jahrhundert. In der Religionswissenschaft wird die These vertreten, er sei mit dem sufischen Mystiker Shaikh Adî Ibn-Musafîr (1075-1162) identisch, der nach seiner Zwangsislamisierung wieder in der jesidischen Gemeinschaft eintreten wollte und deswegen von den Muslimen verfolgt wurde.
Scheich Adi ist für die Jesiden eine Inkarnation des Taus-i Melek, der kam, um das Jesidentum in einer schwierigen Zeit neu zu beleben. An seinem Grab in Lalisch findet jedes Jahr vom 6. bis 13. Oktober das „Fest der Versammlung“ (Jashne Jimaiye) statt. Jesiden aller Gemeinden aus den Siedlungs- und Lebensgebieten kommen zu diesem Fest zusammen, um ihre Gemeinschaft und ihre Verbundenheit zu bekräftigen. Häufig erschweren oder verhindern politische Umstände die Pilgerfahrt nach Lalisch, die eine Pflicht für jeden Jesiden ist. Aus Lalisch bringen die Jesiden geweihte Erde mit, die mit dem heiligen Wasser der Quelle Zemzem (in Lalisch, nicht mit dem muslimischen Samsam zu verwechseln) zu festen Kügelchen geformt wurde. Sie gelten als „heilige Steine“ (Sing. berat) und spielen bei vielen religiösen Zeremonien eine wichtige Rolle.
Nach jesidischer Auffassung kann ein Jeside ein guter Mensch sein, aber um ein guter Mensch zu sein, muss man nicht Jeside sein. Das heißt: Das Jesidentum ist von vornherein tolerant gegenüber anderen Religionen. In einem Gebet der Jesiden heißt es: „Gott, schütze erst die 72 Völker und dann uns.“ Die Jesiden haben keine Berührungsängste mit anderen Religionsgemeinschaften. So ist z. B. das Verhältnis zwischen Jesiden und Christen, das sehr gut ist, eine Konsequenz aus der gemeinsamen Leidensgeschichte der Jesiden und Christen in den kurdischen Gebieten.
Das Kastensystem
Das jesidische Kastensystem wurde von Scheich Adi, einem religiösen Anführer und Reformer, gegründet. Vor dieser Reform gab es bei den Jesiden kein Kastensystem. Hintergrund der Gründung war der Ausrottungsversuch seitens des Islams im Mittelalter an den Jesiden. Die muslimischen Herrscher versuchten, die Mehrzahl der Kurden, die damals Jesiden waren mit Gewalt zu islamisieren. Viele der damaligen Jesiden, die sich weigerten, wurden im Zuge der Islamisierung umgebracht und räumlich voneinander getrennt. Bei den Massakern wurden vor allem Priesterinnen und Priester umgebracht, um den Erhalt der jesidischen Religion zu schwächen. Um einen Zusammenhalt und ein Überleben der jesidischen Religion zu ermöglichen, schuf Scheikh Adi in der Not das jesidische Kastensystem.
Das jesidische Kastensystem hat kaum Ähnlichkeiten mit dem hinduistischen Kastensystem. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Geburt in eine Kaste und das Heiratsverbot zwischen Angehörigen verschiedener Kasten. Sonst unterscheiden sich die beiden Kastensysteme stark voneinander. So ist jeder Jeside unabhängig von seiner Kastenzugehörigkeit gleich an persönlichen und wirtschaftlichen Rechten und Pflichten geboren. Kein Jeside ist aufgrund seiner Kaste besser oder schlechter als andere. Im Jesidentum kann jeder unabhängig von seiner Kaste oder Geschlecht jeden Beruf frei wählen. Die Frauen im Jesidentum sind gleichberechtigt. Sie müssen Schulen besuchen und können studieren sowie arbeiten.
Man unterscheidet hierbei zwischen der Kaste der Scheikhs, der Kaste der Pirs und der Kaste der Murids (allgemeinen jesidischen Gläubigen).
Die Scheikhs und Pirs sind religiöse Führungskräfte (Geistliche) und müssen die jesidische Religion unter den Gläubigen aufrecht halten, Zeremonien (bei Festen, jesidische Taufe bei Neugeborenen und bei Beerdigungen) durchführen, Gläubigen in der Not helfen sowie Streitereien zwischen Jesiden beseitigen.
Obwohl diese Aufgaben die Angehörigen der Scheikhs und Pirs machen müssen, gibt es einen Unterschied zwischen den beiden Kasten. Die Scheikhs haben in der Gemeinschaft noch eine administrative Aufgabe. Sie müssen bei politisch-sozialen Aufgaben für die Gemeinschaft tätig werden. Sie sind also nach außen und innen Vertreter der Gemeinschaft und müssen Probleme sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Gemeinschaft lösen. Die Scheikhs und Pirs sind neben den Mir (Fürst, Oberhaupt der Jesiden), Priesterinnen und Priester von Lalisch, Hüter der Religion und für jeden jesidischen Gläubigen Ansprechpartner.
Die Kaste der Murid ist die dritte und größte Kaste. Die Jesiden in dieser Kaste teilen sich in Stämme auf, bei denen die Heirat der Angehörigen untereinander kein Problem ist. Auch diese haben Pflichten, nämlich zur Erhaltung der Religion beizutragen und sich gegenseitig in der Not zu helfen. Es ist Pflicht für jeden Jesiden unabhängig von seiner Kaste seine Kinder religiös zu erziehen und ihnen die jesidische Kultur und Bräuche beizubringen.
Die jesidischen Siedlungsgebiete waren und sind räumlich von einander getrennt. Aus organisatorischen Gründen hat Scheikh Adi festgelegt, dass sowohl die Angehörigen der Pir als auch der Scheikh sich auf die jesidischen Stämme in Abhängigkeit zu deren Größe aufteilen sollen. So bekam jeder Stamm seine Scheikhs und Pirs. Dadurch gibt es in jedem Siedlungsraum, so etwa in den Dörfern, Städten und Regionen aller Teile Kurdistans sowie im Ausland, für jede Gruppe jesidischer Gläubigen eines Stammes die zuständigen Pirs und Scheikhs. Bei Problemen können sich die Gläubigen jedoch auch an Pirs und Scheikhs wenden, die für andere Stämme zuständig sind.
Jesidische Stämme
Im Jesidentum gibt es viele Stämme. Die Stämme haben Sippencharakter und sind Ergebnisse des Zusammenhalts von Nachfahren bestimmter Gründungsväter und des engen Zusammengehörigkeitsgefühls von Jesiden in bestimmten Gebieten Kurdistans. Die Angehörigen der Stämme sehen sich in der Pflicht, anderen Stammesangehörigen zu helfen. Die Heirat zwischen Angehörigen unterschiedlicher Stämme ist erlaubt und erwünscht.
Verbreitung
Die Jesiden lebten ursprünglich im Verbreitungsgebiet der Kurden im Osmanischen Reich, also auf der Flucht in weiteren Gebieten. Die erste Völkermordwelle an ihnen durch die Osmanen zu Anfang des 19. Jahrhunderts und noch verstärkt nach dem Völkermord an Armeniern und Jesiden während des Ersten Weltkrieg zogen sie in die ehemaligen Sowjetstaaten Armenien und Georgien. Seit den 1980er Jahren wanderten sie auch nach Mittel- und Westeuropa.
Es gibt keine offizielle Zählung der Jesiden. Ihre Zahl wird weltweit auf ca. 800.000 geschätzt. Den Hauptanteil stellen die irakischen Jesiden (160.000–350.000). In Deutschland leben 60.000, im restlichen Europa kommen noch etwa 60.000 hinzu. In den USA und Kanada leben einige Tausende Jesiden, meist aus dem Irak. Im Kaukasus (Armenien und Georgien), in Russland und im Iran leben einige Zehntausend und in Syrien einige Tausend, in der Türkei nur noch wenige Hundert. Die Jesiden stellen heute also unter den mehrheitlich muslimischen Kurden eine religiöse Minderheit dar.
Jesiden im Irak
Das Hauptverbreitungsgebiet der Jesiden ist der Nordirak. Zählungen und Schätzungen von türkischer, britischer und irakischer Seite aus den 1920er Jahren ergaben einen jesidischen Anteil von 4 % bis 7 % an den irakischen Kurden, was heute bei gleich bleibendem Anteil 160.000 bis 350.000 Personen entspräche. Manche Maximalschätzungen gehen heute von bis zu 550.000 jesidischen Gläubigen aus. Die Jesiden siedeln überwiegend westlich des Tigris. Nicht allzu weit von Mosul entfernt befindet sich Lalisch, das religiöse Zentrum der Jesiden. Nahe bei Lalisch residiert in Baadhra das weltliche und geistliche Oberhaupt der Jesiden, der Mir, der auch Schaichan Mire Schaichan genannt wird.
Am 14. August 2007 verübten Terroristen aus dem Umfeld der al-Qaida vier Anschläge in den ausschließlich von Jesiden bewohnten Dörfern El Khatanijah und El Adnanijah. Die Anschläge forderten insgesamt über 500 Todesopfer, Hunderte wurden verletzt.[2] Diese gegen die Jesiden gerichteten Anschläge waren die folgenschwersten seit Beginn des Irakkriegs.[3]
Jesiden in der Türkei
In den letzten 30 Jahren haben die Jesiden in großen Auswanderungswellen wegen Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung die Türkei verlassen. Sie lebten überwiegend in Südostanatolien. Heute befindet sich die große Mehrheit der kurdischen Jesiden aus der Türkei in Deutschland. In der Türkei leben laut der Volkszählung von 2000 noch 423 Jesiden, deren Altersdurchschnitt etwa 50 Jahre beträgt.
Jesiden in Syrien
Auch in Nordsyrien, in Afrin nahe Aleppo und vor allem in Nord-Ost-Syrien gibt es Jesiden, die in und um die Stadt Qamischli und im Gouvernement Al-Hasaka leben. Die Zahl der Jesiden in Syrien lag im Jahre 2000 bei 4.093. Noch im Jahr 1990 betrug die Zahl 12.232. Grund dafür ist die verstärkte Auswanderung nach Europa.
Jesiden im Iran
Im Iran gibt es einige Tausend Jesiden. Im Iran sind als Religionen nur der Islam und, mit wesentlichen Einschränkungen, das Christentum, der Zoroastrismus und das Judentum erlaubt. So müssen die Jesiden ihre Religionszugehörigkeit und -ausübung geheim halten. Sie leben anonym auf dem Land und vor allem in größeren Städten.
Jesiden in der Diaspora
Viele Jesiden flüchteten aus dem osmanischen Reiches Mitte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nach Georgien und Armenien, da sie regelmäßig gezielt Opfer von Verfolgungen, Unterdrückung und Massakern seitens des osmanischen Reiches, nicht selten mit Beihilfe von moslemische Kurden, wurden. Den Armeniern waren die Jesiden willkommen, da sie auch Opfer von Unterdrückung und Völkermord waren sowie da sie viele Armeniern vor den Massakern schützten, indem sie sie in ihren Häuser versteckt hielten. Vor dem Zusammenbruch der UdSSR lag der Zahl der Jesiden in Georgien bei 22.000, in Armenien bei 60.000. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es zu wachsender Nationalismus in den beiden Staaten. Dabei wurde die Situation für die Jesiden und andere Minderheiten schlecht. So hat sich die Zahl der Yeziden in Georgien auf 1.200 und in Armenien 18.000 im Zeitraum 1989-1997 reduziert.[1] Viele Jesiden flüchteten nach Europa und Russland. Die Jesiden in Armenien haben einen eigenen Radiosender und Zeitung in kurdischer Sprache. In ihren Schulen darf kurdisch gelehrt werde.
Eine bedeutende Zahl von Jesiden lebt zur Zeit in Europa, hauptsächlich in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und besonders in der Bundesrepublik Deutschland. Einige wenige leben in Schweden, Dänemark, Österreich und in außereuropäischen Staaten[4], wie in den USA und Kanada. Repressionen trieben sie in den 1980ern vor allem aus der Türkei zur Flucht nach Deutschland.
Der mit den Gegebenheiten vor Ort vertraute Orientalist Gernot Wießner der Universität Göttingen erwirkte mit einem Gutachten beim Verwaltungsgericht Stade 1982 die Anerkennung der Jesiden als Flüchtlinge. Bis 1993 vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich dieser Status allgemein durchgesetzt. Auf politischer Ebene bereitete 1989 Herbert Schnoor in seiner Amtszeit als Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen den Weg für ein Bleiberecht der Jesiden. Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker mit seinem Beiratsmitglied Prof. Wießner hat sich als Menschenrechtsorganisation für die Jesiden eingesetzt.
In Deutschland leben schätzungsweise 60.000 Jesiden[5], vorwiegend in den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Hier bilden sie häufig größere Gemeinden. Bedeutende Gemeinden befinden sich in Hannover, Oldenburg, Celle, Bielefeld, Halle (Westf.), Emmerich am Rhein, Rees, Kalkar und Kleve.
Feleknas Uca, die seit 1999 Die Linke im Europaparlament vertritt, ist Jesidin.
Jesiden in literarischen Werken
- John F. Case: Der achte Tag. Thriller. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 2005, ISBN 3-404-15420-7.
- Agatha Christie-Mallowan: Erinnerung an glückliche Tage. Ausgrabungen mit meinem Mann in Syrien. Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1977, ISBN 3-7857-0195-0.
- Andree Hesse: Die Schwester im Jenseits. Wunderlich, Reinbek 2008, ISBN 978-3-8052-0857-4.
- Yaşar Kemal: Die Ameiseninsel. Unionsverlag, Zürich 2003, ISBN 3-293-20274-8.
- Yaşar Kemal: Der Sturm der Gazellen. Unionsverlag, Zürich 2006, ISBN 3-293-00354-0.
- Marek Krajewski: Tod in Breslau. Roman. Goldmann, München 2002, ISBN 3-442-72831-2.
- James Krüss: Timm Thaler oder das verkaufte Lachen. Oetinger, Hamburg 2006, ISBN 3-7891-4040-6.
- Karl May: Durch die Wüste (Gesammelte Werke; 1). Karl-May-Verlag, Bamberg, 2000, ISBN 3-7802-0001-5.
- Karl May: Durchs wilde Kurdistan (Gesammelte Werke; 2). Karl-May-Verlag, Bamberg 2000, ISBN 3-7802-0002-3.
- Barbara Nadel: Arabeske. Roman. List Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-548-60523-0.
- H. P. Lovecraft: Grauen in Red Hook. Originaltitel: The Horror at Red Hook, 1925, Lovecraft Lesebuch. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1987, ISBN 3-518-37806-6.
Literatur
- Andreas Ackermann: Yeziden in Deutschland. Von der Minderheit zur Diaspora. In: Paideuma – Mitteilungen zur Kulturkunde 49 (2003), S. 157–177 als pdf
- Rüdiger Benninghaus: Friedhöfe als Quellen für Fragen des Kulturwandels: Grabkultur von Yeziden und Aleviten in Deutschland mit Seitenblick auf die Türkei. In: Robert Langer u.a. (Hrsg.): Migration und Ritualtransfer: Religiöse Praxis der Aleviten, Yeziden und Nusairier zwischen Vorderem Orient und Westeuropa. Lang, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-52426-9; S. 247–288. als pdf
- Carsten Colpe: Konsens, Diskretion, Rivalität. Aus der Ethnohistorie von Kurden und Yeziden. In: Carsten Borck, Eva Savelsberg, Siamend Hajo (Hrsg.): Ethnizität, Nationalismus, Religion und Politik in Kurdistan, Kurdologie 1, Münster 1997. ISBN 3-8258-3420-4; S. 279–300 als pdf
- Mirza Dinnayi: Yeziden im Irak: Eine bedrohte Minderheit ohne Existenrechte als pdf
- Johannes Düchting, Nuh Ates: Stirbt der Engel Pfau? Geschichte, Religion und Zukunft der Yezidi-Kurden. Edition KOMKAR. medico international, Köln 1992. ISBN 3-927213-06-3
- Irene Dulz: Die Yeziden im Irak. Zwischen Modelldorf und Flucht. LIT, Münster, Hamburg, London 2001. ISBN 3-8258-5704-2
- Erhard Franz (Hrsg.): Yeziden. Eine alte Religionsgemeinschaft zwischen Tradition und Moderne. Beiträge der Tagung vom 10.–11. Oktober 2003 in Celle. Mitteilungen des Deutschen Orient-Instituts im Verbund der Stiftung Deutsches Übersee-Institut 71. Deutsches Orient-Institut, Hamburg 2004; ISBN 3-89173-085-3 als pdf
- Chaukeddin Issa: Das Yezidentum – Religion und Leben. Dengê Êzîdiyan, Oldenburg 2007. ISBN 978-3-9810751-4-4
- Ilhan Kizilhan: Die Yeziden. medico, Frankfurt/M. 1997. ISBN 3-923363-25-7
- Eva Savelsberg, Siamend Hajo: Yezidische Kurden in Celle. Eine qualitative Untersuchung. In: Kurdische Studien 1 (2001), S. 17–52 als pdf
- Ursula Spuler-Stegemann: Der Engel Pfau. Zum Selbstverständnis der Yezidi. Der Engel Pfau
- Telim Tolan: Religion und Leben. In: Erhard Franz (Hrsg.): Yeziden. Eine alte Religionsgemeinschaft zwischen Tradition und Moderne. Beiträge der Tagung vom 10.-11. Oktober 2003 in Celle. Mitteilungen des Deutschen Orient-Instituts im Verbund der Stiftung Deutsches Übersee-Institut 71. Deutsches Orient-Institut, Hamburg 2004. ISBN 3-89173-085-3
- Gernot Wießner: „ … in das tötende Licht einer fremden Welt gewandert” – Geschichte und Religion der Yezidi] In: Robin Schneider (Hrsg.): Die kurdischen Yezidi. Ein Volk auf dem Weg in den Untergang. Pogrom 110. Gesellschaft für Bedrohte Völker, Göttingen 1984. ISBN 3-922197-14-0; S. 31–46 als pdf
- Banu Yalkut-Breddermann: Der Wandel der yezidischen Religion in der Diaspora In: Gerdien Jonker (Hrsg.): Kern und Rand: Religiöse Minderheiten aus der Türkei in Deutschland. Zentrum Moderner Orient. Studien 11. Das Arabische Buch, Berlin 1999. ISBN 3-86093-227-6; S. 51–63 als pdf
- Banu Yalkut-Breddermann: Das Volk des Engel Pfau. Die kurdischen Yeziden in Deutschland. Das Arabische Buch, Berlin: 2001. ISBN 3-86093-275-6
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