Mazedonienfrage

Mazedonienfrage

Der Streit um den Namen Mazedonien zwischen Griechenland und Mazedonien entzündete sich im Jahre 1991, als sich die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien unter dem Namen Republik Mazedonien (maz. Република Македонија, transliteriert Republika Makedonija) für unabhängig erklärte. Griechenland befürchtete Gebietsansprüche Mazedoniens und verwies auf seine Region Makedonien (griech. Μακεδονία, transliteriert Makedonía). Aufgrund der Hellenisierung der antiken Makedonier beansprucht Griechenland das antike kulturelle Erbe der historischen Region Makedonien.

Der Status quo ist, dass die Republik Mazedonien im internationalen Verkehr meist die Bezeichnung The former Yugoslav Republic of Macedonia (F.Y.R.O.M., dt. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) verwendet. Unter diesem provisorischen Namen wurde die Republik Mazedonien auch von den Vereinten Nationen anerkannt[1], wobei Griechenland und Mazedonien aufgefordert wurden, zu einer friedlichen Einigung im Namenskonflikt zu finden.[2]

Im weiteren Text wird die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien kurz Mazedonien genannt.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung des Konfliktes

Der Name der ehemals von den antiken Makedonen besiedelten historischen Region Makedonien ist über die Jahrtausende erhalten geblieben und von allen Einwohnern dieser Region benutzt worden.[3] Der Name der 148 v. Chr. eingerichteten römischen Provinz Macedonia blieb auch als byzantinische Diözese bewahrt. Nach der slawischen Landnahme im 6. Jahrhundert wurden die hier lebenden Slawen in Verwaltungsakten des Byzantinischen Reiches nach der Region benannt[4]. Das mittelalterliche Mazedonien umfasste jedoch eine andere Region, mit der Stadt Adrianopel als Zentrum, im heutigen Thrakien.

Erst die Osmanen bezeichneten zu verschiedenen Zeiten ihrer Provinz Rumelien als Makedonien.[5] Symbolgehalt für den Freiheitswillen der vor allem slawischen Bevölkerung Makedoniens erhielt dieser Name durch die seit 1893 tätige Bulgarischen Makedonien-Adrianopeler Revolutionären Komitees (seit 1919 bekannt unter dem Namen Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation, kurz IMRO) und den von ihnen initiierten Ilinden-Aufstand 1903 gegen die osmanische Herrschaft.

Nach der Eroberung der südlichen Teile der geographischen Region Makedonien im Ersten Balkankrieg 1912 durch Griechenland wurde auf dem Gebiet der geographischen Region Makedonien die Verwaltungseinheit Generalgouvernement Makedonien (Geniki Diikisi Makedonias) mit Sitz in Thessaloniki eingerichtet; erster Generalgouverneur war ab Ende Oktober 1912 Konstantinos Raktivan.[6][7][8] Im Juli 1928 wurde der Generalgouverneur Makedoniens als Minister für das Generalgouvernement Thessaloniki durch Ministerpräsident Eleftherios Venizelos in den Ministerrang erhoben.[9] Das Generalgouvernement Makedonien wurde weiter untergliedert in Westmakedonien, Zentralmakedonien und Ostmakedonien, wobei die Generalgouverneure Westmakedonien sowie Ostmakedonien keinen Ministerrang in der griechischen Regierung bekleideten. Im weiteren Verlauf bis 1944 hatten die „Gouvernements“ (Diamérisma, διαμέρισμα) Westmakedonien und Thrakien (einschl. Ostmakedonien) wie auch die Gouvernements der Insel Kreta und der Region Epiros mehr politische Kompetenzen als die schon vor dem Krieg bestehenden restlichen sieben Gouvernements Griechenlands. Diese hatten einen eher symbolischen Charakter und ihnen oblagen kaum Verwaltungskompetenzen.[10] Diese Verwaltungsstruktur bestand bis Januar 1945: der Ministerpräsident Nikolaos Plastiras ernannte drei stellvertretende Minister (vgl. Staatssekretären in Deutschland) zu Generalgouverneuren von Westmakedonien, Zentralmakedonien und Ostmakedonien.[11] Nach dem Ende des Griechischen Bürgerkriegs wurden mit dem Amtsantritt der Regierung Sophoklis Venizelos 1950 die drei Generalgouvernements im griechischen Makedonien aufgelöst und zum Generalgouvernement Nordgriechenland zusammengefasst.[12] Im Oktober 1955 wurde mit der Regierung Konstantinos Karamanlis ein Ministerium für Nordgriechenland geschaffen, welches unverändert bis in die Gegenwart besteht.[13] 1987 wurden im Zusammenhang mit EG-Förderprogrammen („Europa der Regionen“) in Griechenland sogenannte „Entwicklungsregionen“ gebildet: die drei auf dem Gebiet Makedoniens neugegründeten Verwaltungsregionen (Periferies) erhielten die Namen „West-“, „Ost-“ bzw. „Zentralmakedonien“. 1985 wurde das Ministerium für Nordgriechenland in Ministerium für Makedonien und Thrakien umbenannt (nach dessen eigenen Angaben), während das Generalsekretariat der griechischen Regierung die Umbenennung für 1987 angibt.[14][15][16] Unabhängig von der Gliederung in Verwaltungseinheiten wurde der griechische Teil Makedoniens als geographische Region Griechenlands und teilweise auch als politische Region Griechenlands aufgefasst.[17]

Flagge der Jugoslaw. Sozialistischen Republik Mazedonien 1945-1992

Innerhalb der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gab es von 1944 bis 1991 eine Teilrepublik namens Mazedonien für das Staatsvolk der „Mazedonier“, gegen deren Benennung Griechenland nach eigener Darstellung aufgrund des griechischen Bürgerkrieges (1945 bis 1949), später aufgrund geopolitischer Zwänge, die sich durch die Rolle Jugoslawiens im Kalten Krieg ergaben, keinen Einspruch erhoben hat.[18]

Flagge der Republik Mazedonien 1992–1995
Flagge der Republik Mazedonien seit 1995

Als 1991 die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien ihre Unabhängigkeit erklärte (Zerfall Jugoslawiens) und historische – nach griechischer Auffassung hellenistische – Namen und Symbole (Stern von Vergina) benutzte, protestierte die griechische Regierung und verweigerte die diplomatische Anerkennung des neuen Landes. Griechenland saß als NATO- und EU-Mitglied am längeren Hebel, da es die diplomatische Anerkennung der Republik Mazedonien in diesen Organisationen blockieren konnte und auch jetzt noch seine Zustimmung zu einer Aufnahme Mazedoniens in die EU von einer Lösung der Namensfrage abhängig macht.[19]

Weiter enthielt die mazedonische Verfassung vom 17. November 1991 einige missverständliche Formulierungen. So war im Artikel 3. von möglichen Grenzänderungen in Übereinstimmung mit der Verfassung die Rede, und Artikel 49 trug der Republik auf, für den Status und die Rechte der Angehörigen des „mazedonischen Volkes“ in Nachbarstaaten zu sorgen, die dortige Minderheiten in ihren kulturellen Entwicklung zu unterstützen und fördern[20].

Am 6. Januar 1992 wurde auf Druck der Europäische Gemeinschaft der Artikel 3 der mazedonischen Verfassung, der die Unverletzlichkeit der mazedonischen Grenzen erklärt, um den Satz ergänzt: „Die Republik Mazedonien hat keine territorialen Ansprüche gegenüber benachbarten Staaten.“[21] und dass Grenzänderungen nur auf der Basis der Freiwilligkeit und gemäß internationalen Normen möglich sein sollten[20]. Artikel 49 wurde um die Bestimmung ergänzt, dass sich Mazedonien nicht in die souveräne Rechte anderer Staaten und ihre inne Angelegenheiten einmischen werde. Am 11. Januar 1992 verpflichtete sich der mazedonische Außenminister, auf jegliche feindlich Propaganda gegenüber Griechenland zu verzichten[20].

Auch trotz des Namenskompromisses Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien war Griechenland wegen der Flagge weiterhin unzufrieden und verhängte am 16. Februar 1994 eine Handelsblockade und schloss seine Grenze zu Mazedonien.[22] Die Sanktionen wurden 1995 nach Unterzeichnung einer von den Vereinten Nationen seit 1993 betriebenen[2] vorübergehenden Übereinkunft vom 13. September 1995 aufgehoben, nachdem Mazedonien in seiner Flagge den Stern von Vergina durch eine achtstrahlige, stilisierte Sonne ersetzt hat. Griechenland hat 1995 bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum die exklusiven internationalen Rechte für den Stern von Vergina beansprucht [23].

Unter der Obhut der UNO begannen beide Länder Verhandlungen über den endgültigen Namen. Trotz des UNO-Vorschlages Republika Makedonija-Skopje lehnen die meisten Griechen die Verwendung des Wortes Mazedonien zur Bezeichnung der Nachbarrepublik ab. Seit der Unabhängigkeit von 1991 bezeichnen sie das Nachbarland umgangssprachlich nach der Hauptstadt des Landes als Skopje (griech. Σκόπια/Skópia), seine Bewohner als Skopianer (griech. Σκοπιανοί/Skopianí) und ihre Sprache als Skopianisch (griech. Σκοπιανικά/Skopianiká).

Der Antrag Mazedoniens auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (22. März 2004) eröffnete eine neue Gelegenheit für die Beilegung dieses letzten offenen Problems zwischen den beiden Nachbarn. Auf der Sitzung des Stabilisierungs- und Assoziationsrates der EU mit Mazedonien (14. September 2004, Brüssel) hat die EU festgestellt, dass die Namensdifferenzen noch existieren, und dazu aufgerufen, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Neuen Zündstoff erhielt der Streit, als im Dezember 2006 die mazedonische Regierung bekanntgab, den Flughafen von Skopje nach Alexander dem Großen zu benennen, was den Protest der griechischen Außenministerin Dora Bakoyannis hervorrief.[24]

Am 6. Juni 2008 weigerten sich die griechischen Behörden, eine Landegenehmigung für das Flugzeug des mazedonischen Präsidenten zu erteilen, der an einem Südosteuropa-Gipfel teilnehmen sollte, da dieses die Aufschrift „Republik Mazedonien“ und nicht „F.Y.R.O.M.“ trug.[25]

Position Griechenlands

Karte Makedoniens zur Zeit Philipps II. (dunkelorange)

Griechenland argumentiert, Makedonien (griechisch Μακεδονία, Makedonía) sei ein Name griechischen Ursprungs, der bereits für die nördliche griechische Region Makedonien und die historische Region Makedonien verwendet wird. Slawische Stämme seien in der Balkanregion aber erst im frühen Mittelalter (ab dem 6. Jahrhundert n. Chr.) erschienen – und die Bewohner der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien seien Slawen. Außerdem umfasse das Staatsgebiet der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik größtenteils ein Gebiet, das nicht zum ursprünglichen historischen Gebiet Makedoniens zähle. In der Antike habe man dieses Gebiet, in dem heute auch die Hauptstadt Skopje liegt, Paionien genannt. Die Verwendung des Namens Mazedonien stelle somit eine Usurpation fremder Geschichte und Kultur dar. Dies geschehe aus politischen Gründen, um sich von den benachbarten Bulgaren abzugrenzen und ein identitätsstiftendes Nationalgefühl begründen zu können, das die Grundlage für die Existenz des neuen Staates sein soll (vgl. Nationenbildung und Herkunftssage). Zudem handele es sich bei der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik um einen Vielvölkerstaat (unter anderem 25 % Albaner, 4 % Türken, 3 % Roma, 2 % Serben), dessen territoriale Einheit es sicherzustellen gelte. Ein weiterer Grund für die historisch nicht haltbare Bezugnahme auf die antiken Makedonier und ihren Staat liege im Anspruch auf eine politische Vorrangstellung der slawischstämmigen Bevölkerungsgruppe gegenüber den anderen Volksgruppen, die so historisch begründet werden soll.[26]

Besetzung Griechenlands 1941–45: Bulgarien (grün), Italien (blau), Deutschland (rot)

Die slawischen Bewohner dieser Region hätten sich selbst in den vergangenen Jahrhunderten immer als Bulgaren bezeichnet. Dies habe sich erst mit der Verordnung Titos geändert, der der südlichsten Region Jugoslawiens, der ehemaligen Vardar-Banschaft, den offiziellen Namen Vardar-Mazedonien verlieh. Damit hätten bulgarische Gebietsansprüche auf Südjugoslawien abgewehrt werden und zugleich jugoslawische Gebietsansprüche gegen Nordgriechenland gestützt werden sollen. Zu diesem Zweck hätten die Bewohner der südlichsten Provinz Jugoslawiens eine neue nationale Orientierung erhalten sollen. Die Sprache der slawischen Bevölkerungsmehrheit, wesentliche Grundlage eines Volkes, welche dem Bulgarischen äußerst nahe stehe, sei in Mazedonisch umbenannt worden. Es habe außerdem eine groß angelegte Geschichtsfälschung nach kommunistischem Muster begonnen. Die verfälschte Geschichte sei in den Schulen unterrichtet worden, mit der Folge, dass die heutigen slawischstämmigen Bewohner ein falsches Bild von ihrer Geschichte hätten.[27]

Griechenland sperrt sich auch gegen den Namen Republik Mazedonien, weil es mazedonische Gebietsansprüche gegen die gleichnamige nordgriechische Region Makedonien befürchtet – eine Angst, die damit begründet wird, dass die ebenfalls slawischstämmigen Bulgaren von 1941 bis 1945 unter faschistischer Regierung auch Ostmakedonien besetzt hätten. Zwar habe Griechenland gegenwärtig militärisch von Mazedonien nichts zu befürchten, durch propagandistische Beeinflussung der Bevölkerung Griechisch-Makedoniens und durch mögliche gemeinsame Interessen zwischen Mazedonien und der Türkei könne dessen Politik aber durchaus eine Gefahr darstellen.[28]

Da sich die griechischen Makedonier seit dem Altertum, und damit bereits vor den Slawen, als Makedonier bezeichnet hätten, könne dieser Name jetzt nicht plötzlich von einer neu geschaffenen Nation verwendet werden, noch dazu ohne jede historische, ethnische oder sprachliche Grundlage.

Von griechischer Seite wird eingeräumt, dass man nicht gegen die Existenz des neuen Staates sei, sondern nur gegen den Namen, den dieser für sich und seine Einwohner beanspruche. Griechenland sei im Grunde an guten nachbarschaftlichen Beziehungen interessiert und bereit, den jungen Staat politisch und wirtschaftlich zu unterstützen.

Argumente der Republik Mazedonien

„FYROM mich nicht, sag Mazedonien“. (Plakatmotiv einer Kampagne des mazedonischen Staats)

Die Bezeichnung Skopje für die Republik Mazedonien wird von den slawischen Mazedoniern als herabwürdigend empfunden. Auch die Bezeichnung Fyromer (oder FYROM für ihr Land) halten sie für äußerst unangemessen.

Makedonien sei seit alters der Name der historischen Region, in der die Republik Mazedonien liegt, so dass die Benutzung dieses Namens für den auf diesem Gebiet liegenden Staat nahe liege. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht, da die Republik Mazedonien der einzige Staat mit diesem Namen sei. Aus der Namensübereinstimmung mit den griechischen Regionen Westmakedonien, Zentralmakedonien und Ostmakedonien und Thrakien ließen sich ebenso wenig Gebietsansprüche ableiten wie etwa aus derjenigen zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der belgischen Provinz Luxemburg.

Jugoslawische Banschaften 1929–1941

Die Mazedonier hätten nicht erst unter Tito ein mazedonisches Nationalgefühl entwickelt, sondern spätestens seit dem Ilinden-Aufstand von 1903. Der Name Makedonija für dieses von Slawen bewohnte Gebiet sei bereits mindestens seit dem 19. Jahrhundert üblich (beispielsweise bei Vuk Karadžić 1836/49 in der Form „Maćedonija“). Der von griechischer Seite gern herangezogene Name Vardar-Banschaft stehe im Kontext des zentralistischen Ersten Jugoslawiens, dessen Verwaltungseinheiten durch ihre Grenzen und Namen bewusst die bestehenden nationalen Unterschiede verdecken sollten, so dass auch so traditionelle Regionen wie Dalmatien („Banschaft Küste“), Kroatien-Slawonien („Banschaft Save“), Vojvodina („Banschaft Donau“) oder Krain („Banschaft Drau“, heute Slowenien) nicht unter ihrem angestammten Namen geführt worden seien.

Bisweilen beanspruchen die slawischen ebenso wie die griechischen Makedonier eine Verwandtschaft mit den antiken Makedonen, mit der Begründung, dass diese sich allmählich mit den Slawen seit deren Ankunft auf dem Balkan im 6. Jahrhundert vermengt hätten. Diese These ist jedoch auch unter slawischen Mazedoniern heftig umstritten und vermutlich kaum überprüfbar.

Mazedonien habe freundschaftliche Beziehungen zu seinen Nachbarländern, fühle sich aber seit der Unabhängigkeit 1991 zu Unrecht in den Namensstreit mit Griechenland verwickelt.

Standpunkt anderer Staaten und Organisationen

Mazedonien wurde von drei (USA, Russland und China) der fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates unter dem Namen Republik Mazedonien anerkannt. Die beiden anderen ständigen Sicherheitsratsmitglieder Frankreich und das Vereinigte Königreich, die ebenso wie Griechenland EU-Mitglieder sind, verweigern dies jedoch. Auch hat der überwiegende Teil der Staatengemeinschaft das Land unter seinem verfassungsmäßigen Namen anerkannt. Dies gilt allerdings nur für bilaterale Beziehungen zwischen der Republik Mazedonien und dem jeweiligen Land. Die völkerrechtliche Bezeichnung ist nach wie vor „The former Yugoslav Republic of Macedonia“ (F.Y.R.O.M.).

Der Weltsicherheitsrat empfahl am 7. April 1993 die Aufnahme Mazedoniens in die UNO und stellte dabei die Existenz des Namensstreites fest.[29] Die Generalversammlung nahm Mazedonien daraufhin am 8. April 1993, der Empfehlung des Sicherheitsrates folgend, unter dem Namen The former Yugoslav Republic of Macedonia (Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) in die Staatengemeinschaft auf.[1] Auch die Bundesrepublik Deutschland verwendet im offiziellen Rahmen den bei den Vereinten Nationen üblichen Namen.[30]

Nach der Aufnahme Mazedoniens in die UNO haben auch andere internationale Organisationen diese Namenskonvention übernommen, darunter die EU, die NATO, das Internationale Olympische Komitee, die Europäische Rundfunkunion, der IWF, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und andere.

Die meisten Diplomaten, die in Mazedonien akkreditiert sind, benutzen in offiziellen internationalen Dokumenten die Bezeichnung Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien oder Mazedonien (ehemalige jugoslawische Republik), so beispielsweise die Vertreter Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Italiens, Spaniens, Finnlands, Portugals, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande, Australiens, Brasiliens, Argentiniens, Ägyptens und andere. In Deutschland wird von offizieller Seite teilweise auch die Abkürzung EJR Mazedonien[30] verwendet.

Andererseits haben über 106 Länder Mazedonien unter dem Namen Republik Mazedonien für den bilateralen Verkehr anerkannt. Dazu gehören die USA (2004), Russland, die Volksrepublik China, die Nachbarländer Bulgarien (das Mazedonien 1992 als erster Staat überhaupt anerkannte[31]), Albanien und Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, die Türkei, die Ukraine, Weißrussland, Estland, Litauen, Iran, Pakistan, die Philippinen, Malaysia und andere. Auch die Außenministerien Deutschlands, Österreichs und der Schweiz nennen die Republik Mazedonien bei diesem Namen. Kanada hat im Spätsommer 2007 Mazedonien unter dem Namen Republik Mazedonien anerkannt.

Ende 2007 begannen Gespräche zur Lösung des Namensstreits, in welchem beide Seiten auf ihren Forderungen beharrten.

In Bukarest fand vom 2. bis 4. April 2008 ein NATO-Gipfel statt, bei dem über die Aufnahme von fünf Staaten (Albanien, Georgien, Kroatien, Mazedonien und Ukraine) entschieden werden sollte. Der ungelöste Namensstreit und das daraus resultierende Veto Griechenlands verhinderten den Beitritt Mazedoniens. Ebenso wie im Falle Georgiens und der Ukraine wurde die Entscheidung verschoben. Mazedonien hat am 17. November 2008 das griechische Verhalten beim Internationalen Gerichtshof als Verstoß gegen das vorläufige Übereinkommen vom 13. September 1995 angegriffen.[32]

Aktueller Stand und Lösungsansätze

Bisher wurde keine dauerhafte Einigung über den Namen der Republik erzielt. Alternative Namen sind mannigfaltig vorgeschlagen worden:

  • Republik Skopje – nach der Hauptstadt
  • Vardarska Republika (Vardar-Republik) – bezogen auf Mazedoniens wichtigsten und einzigen schiffbaren Fluss und angelehnt an die Verwaltungseinheit Vardarska banovina des Königreiches Jugoslawien
  • Dardanien – bezogen auf das nördliche Nachbarvolk der antiken Makedonen, die Dardaner, die auch in der Region um Skopje siedelten (die jedoch ihrerseits von Kosovo-Albanern als Vorfahren reklamiert werden)
  • Paionien – nach einem weiteren antiken Volk aus dieser Region, den Päoniern
  • Südslawien – wodurch der Name Jugoslawiens wieder aufgegriffen würde
  • Zentralbalkanische Republik
  • Republik Mazedonien-Skopje
  • Slawische Republik Mazedonien
  • Slawomazedonien
  • Neumazedonien
  • Obermazedonien
  • Nordmazedonien, Republik des Nördlichen Mazedonien, Republik Nord-Mazedonien
  • Mazedonoslawien
  • Demokratische Republik Mazedonien
  • Republik Mazedonien (Skopje)

Dabei waren lange Zeit diejenigen Namen, in denen mazedon- enthalten ist, für Griechenland inakzeptabel, während für Mazedonien nur diese akzeptabel sind.[33]

Im Oktober 2004 haben Griechenland und die Republik Mazedonien beschlossen, ihre Beziehungen zu normalisieren und die Verhandlungen über den Namen des Landes zu intensivieren. Der Staatsname bleibt jedoch Quelle für lokale und internationale Unstimmigkeiten. Die Verwendung des Namens ist weiterhin umstritten.

Aufgrund des anhaltenden Widerstandes von griechischer Seite ist Mazedonien derzeit gezwungen, im internationalen Verkehr stets den Zusatz former Yugoslav Republic (FYR) (ehemalige jugoslawische Republik) zu verwenden.

Matthew Nimetz, der UN-Sonderbeauftragte für Mazedonien, hat für offizielle Zwecke den unübersetzten Namen Republika Makedonija-Skopje (Република Македонија-Скопје) vorgeschlagen. Griechenland hat diesen Vorschlag abgelehnt, ihn aber als eine Grundlage für weitere konstruktive Verhandlungen bezeichnet. Der mazedonische Premierminister Vlado Buckovski lehnte den Vorschlag ab und unterbreitete den Gegenvorschlag einer Doppelbenennung, wobei die internationale Gemeinschaft den Namen Republik Mazedonien verwendet, während Griechenland und weitere Länder den Namen Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien benutzen.

Im Oktober 2005 machte Matthew Nimetz einen neuen Vorschlag: Demnach sollen die Länder, die die Republik Mazedonien unter diesem Namen anerkannt haben, diesen weiterhin benutzen, während Griechenland den Namen Republik Mazedonien-Skopje verwenden solle. In internationalen Organisationen solle der unübersetzte, lateinisch transkribierte Name Republika Makedonija verwendet werden.

Eine internationale Schiedskommission soll demnächst auch den Landesnamenstreit schlichten. Griechenland favorisiert zwar weiterhin Republik Skopje oder Dardanien, hat aber auch angedeutet, Vardar-Mazedonien oder Obermazedonien als Diskussionsgrundlage akzeptieren zu können, in denen Mazedonien deutlich als rein geographische Bezeichnung zu erkennen ist.[34]

Literatur

  • Danforth, Loring M. The Macedonian conflict: Ethnic nationalism in a transnational world. Princeton/NJ 1995. ISBN 0-691-04357-4.
  • Katsioulis, Christos. Die griechische außenpolitische Identität im Namenskonflikt mit Mazedonien und im Kosovo Krieg [sic]. Herausgegeben vom Lehrstuhl Internationale Beziehungen/ Außenpolitik, Universität Trier, 2002 ([2])
  • Makedonien: Geographie – ethnische Struktur – Geschichte – Sprache und Kultur – Politik – Wirtschaft – Recht. Hg. Walter Lukan und Peter Jordan. Wien u. a. 1998. ISBN 3-631-34025-7.
  • Makedonien: Eine Dokumentensammlung. Hg. Dimiter Kossew u. a. Sofia 1982.
  • Roudometof, Victor. Collective memory, national identity, and ethnic conflict. Greece, Bulgaria, and the Macedonian question. In: Collective memory, national identity, and ethnic conflict. Westport, Conn [u.a.] 2002 ISBN 0-275-97648-3
  • Shea, John. Macedonia and Greece: The struggle to define a new Balkan nation. Jefferson/NC 1997. ISBN 0-7864-0228-8.
  • Steppan, Hans-Lothar. Der mazedonische Knoten: Die Identität der Mazedonier dargestellt am Beispiel des Balkanbundes 1878–1914. Eine Dokumentation zur Vorgeschichte der Republik Mazedonien nach Aktenlage des Auswärtigen Amtes. Frankfurt am Main u. a. 2004. ISBN 3-631-51895-1.
  • Zahariadis, Nikolaos. Nationalism and small-state foreign policy: The Greek response to the Macedonian issue. Political Science Quarterly 109.4 (1994), S. 647-664.

Einzelnachweise

  1. a b In Resolution 47/225 (A/RES/47/225) der UN-Generalversammlung vom 8. April 1993 heißt es: „Die Generalversammlung […] beschließt, den Staat, dessen Aufnahmegesuch in die Vereinten Nationen in Dokument A/47/876-S/25147 enthalten ist, aufzunehmen, wobei dieser Staat für alle Zwecke innerhalb der Vereinten Nationen bis zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit, die über den Namen dieses Staates entstanden ist, provisorisch als ‚die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien‘ bezeichnet wird.“ (Man beachte die Kleinschreibung auch im englischen Original: “the former Yugoslav Republic of Macedonia”.) Vgl. auch die offizielle Liste der UN-Mitgliedstaaten und ihre deutsche Übersetzung, wo Mazedonien unter T wie “The former …” bzw. D wie „Die ehemalige …“ aufgeführt wird.
  2. a b Vgl. Resolution 817 des UN-Sicherheitsrates (S/RES/817) vom 7. April 1993 (Facsimile der englischen Originalfassung als PDF), in der es heißt: "Der Sicherheitsrat […] drängt die Parteien, […] zu kooperieren, um zu einer raschen Beilegung ihrer Differenzen zu kommen." Diese Aufforderung wird auch in Erklärung S/PRST/1995/46 vom 15. September 1995 noch einmal bekräftigt.
  3. Vgl. John Shea (Macedonia in history: myths and constants, in: Makedonien: Geographie – ethnische Struktur – Geschichte – Sprache und Kultur – Politik – Wirtschaft – Recht, Hg. Walter Lukan und Peter Jordan, Wien u. a. 1998, S. 131–168, hier S. 142): “[…] for most of the past 2,500 years the name has been given to people who lived there rather than to people of a specific ethnic group.”
  4. Wolf Oschlies, Lehrbuch der mazedonischen Sprache, München 2007, S. 9.: [...]Um 540 drangen erstmals Slaven in den südlichen Balkan ein, im 7. Jahrhundert lebte in Makedonien eine starke slavische Bevölkerung, die von der Byzanz Bürokratie nach der Region benannt wurde [...]
  5. Vgl. Hans-Lothar Steppan, Der mazedonische Knoten: Die Identität der Mazedonier dargestellt am Beispiel des Balkanbundes 1878–1914. Eine Dokumentation zur Vorgeschichte der Republik Mazedonien nach Aktenlage des Auswärtigen Amtes, Frankfurt am Main u. a. 2004, S. 46–47
  6. Boeckh, Katrin: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg: Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung auf dem Balkan. Oldenbourg, München 1996. S. 358. ISBN 3-486-56173-1
  7. Karakasidou, Anastasia N.: Passages to Nationhood in Greek Macedonia, 1870-1990. The University of Chicago Press, Chicago 1997. S. 162. ISBN 0-226-42494-4
  8. Mazower, Mark: Salonica: City of Ghosts. Christians, Muslims, and Jews, 1430-1950. Vintage Books, New York 2004. S. 282. ISBN 978-0-375-72738-2
  9. Ministerliste der Regierung Eleftherios Venizelos (4. Juli 1928 bis 7. Juni 1929). Generalsekretariat der Griechischen Regierung (Geniki Grammatia tis Kyveniseos). Informationen auf Griechisch.
  10. Naval Intelligence Division. Greece. Volume I - Physical Geography, History, Administration and Peoples. B.R. 516 (Restricted) Geographical Handbook Series. March 1944. S. 253-255.
  11. Ministerliste der Regierung Nikolaos Plastiras (3. Januar 1945 bis 8. April 1945). Generalsekretariat der Griechischen Regierung (Geniki Grammatia tis Kyveniseos). Informationen auf Griechisch.
  12. Ministerliste der Regierung Sofoklis Venizelos (23. März 1950 bis 15. April 1950). Generalsekretariat der Griechischen Regierung (Geniki Grammatia tis Kyveniseos). Informationen auf Griechisch.
  13. Ministerliste der Regierung Konstantinos Karamanlis (6. Oktober 1955 bis 29. Februar 1958). Generalsekretariat der Griechischen Regierung (Geniki Grammatia tis Kyveniseos). Informationen auf Griechisch.
  14. Ministerliste des Ministeriums für Makedonien und Thrakien auf dessen Website. Letzter Zugriff: 2008-03-28
  15. Steppan, Hans-Lothar: Der mazedonische Knoten: Die Identität der Mazedonier dargestellt am Beispiel des Balkanbundes 1878–1914. Eine Dokumentation zur Vorgeschichte der Republik Mazedonien nach Aktenlage des Auswärtigen Amtes. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2004. S. 19 und 369ff. ISBN 3631518951
  16. Ministerliste der Regierung Andreas Papandreou (5. Juni 1985 bis 2. Juli 1989). Generalsekretariat der Griechischen Regierung (Geniki Grammatia tis Kyveniseos). Informationen auf Griechisch.
  17. Legg, Keith R.: Politics of Modern Greece. Stanford University Press, Stanford 1969. S. 366. ISBN 0-8047-0705-7. (Karte bei Google Books einsehbar.)
  18. Als NATO-Mitglied hatte Griechenland die Bemühungen um freundschaftliche Beziehungen zu Jugoslawien zu unterstützen, das einen von Moskau unabhängigen Weg ging; vgl. Nikolaos Zahariadis, Nationalism and small-state foreign policy: The Greek response to the Macedonian issue, Political Science Quarterly 109.4 (1994), S. 647-664, hier: S. 653.
  19. Καραμανλής: Οχι ένταξη, χωρίς λύση στο όνομα [Karamanlis: Keine Aufnahme ohne Lösung für den Namen]. In: Ελεύθερος Τύπος / Eleftheros Typos [Freie Presse]. 19. Oktober 2007. Abgerufen am 8. November 2007. (neugriechisch)
  20. a b c Carsten Giersch: Konfliktregulierung in Jugoslawien 1991-1995: Die Rolle von OSZE, EU, UNO und NATO, Nomos Verlag, Baden-Baden, 1997, ISBN 3-7890-5307-4, S.193-194
  21. Änderung veröffentlicht im Gesetzblatt der Republik Mazedonien (Služben vesnik na Republika Makedonija) Nr. 1/1992; vgl. Art. 3 der mazedonischen Verfassung als PDF mit allen bisherigen Änderungen auf der Site des mazedonischen Präsidenten oder in der heutigen Fassung auf der Seite der mazedonischen Regierung (beides in mazedonischer Sprache).
  22. Vgl. Zahariadis, Nationalism and small-state foreign policy, S. 665.
  23. [1] Eintragung des Sterns von Vergina bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum, 3. Juni 1995
  24. Skopje's airport to be named "Alexander the Great" “, Kathmerini, 29. Dezember 2006. Zugriff am 26. Dezember 2006. 
  25. derStandard.at Präsident sagte Teilnahme an Südosteuropa-Gipfel ab
  26. Floudas, Demetrius Andreas; Fehlender Parameter "zugriff", oder "zugriff-jahr" (Hilfe) "Pardon? A Name for a Conflict? FYROM's Dispute with Greece Revisited”. in: Kourvetaris et al (eds.), The New Balkans, East European Monographs: Columbia University Press, 2002, p. 85..
  27. Pressespiegel: „(…) Beide (gemeint sind Philipp II. und Alexander der Große) sind von mazedonischen Pseudohistorikern enthellenisiert und zu Slawen gemacht worden.“, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 16. September 2002
  28. Zahariadis, Nationalism and small-state foreign policy, S. 664.
  29. Empfehlung der Aufnahme und Feststellung des Namenskonfliktes in Resolution 817 (pdf) des UN-Sicherheitsrates', 7. April 1993
  30. a b Vgl. die Länderinformationen des deutschen Auswärtigen Amtes: „Ländername laut Verfassung: Republik Mazedonien (Republika Makedonija); VN-Mitgliedschaft unter der Bezeichnung ‚ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien‘“. Deutschland verwendet im offiziellen Rahmen den bei den Vereinten Nationen üblichen Namen.
  31. Vgl. Wolfgang Ismayr: Die politischen Systeme Osteuropas, Opladen: Leske + Budrich 2006, ISBN 3-8100-4053-3; Ljubomir Ivanov et al.: Bulgarian Policies on the Republic of Macedonia [dreisprachig: Bulgarisch, Mazedonisch und Englisch], Sofia: Manfred Wörner Foundation 2008, ISBN 978-954-92032-2-6.
  32. Schriftsatz an den Internationalen Gerichtshof vom 13. November 2008 (engl.)
  33. Loring M. Danforth. National conflict in a transitional world: Greeks and Macedonians at the Conference for Security and Cooperation in Europe. In: ders., The Macedonian conflict: Ethnic nationalism in a transnational world. Princeton/NJ 1995.
  34. Vgl. Michael Martens: Skopjes Anachronismus heizt Spannungen an [Interview mit der griechischen Außenministerin Dora Bakogianni]. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.03.2008; Gerd Höhler: Wie soll Mazedonien heißen? In: Der Tagesspiegel 28.03.2008; Michael Martens: Balkanische Petitesse mit Folgen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.03.2008.


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