- Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien
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Socijalistička Federativna Republika Jugoslavija (serbokroatisch und mazedonisch)
Socialistična federativna republika Jugoslavija (slowenisch)
Republika Socialiste Federative e Jugosllavisë (albanisch)
Jugoszláv Szocialista Szövetségi Köztársaság (ungarisch)
Sozialistische Föderative Republik JugoslawienFlagge Wappen Wahlspruch: Brüderlichkeit und Einheit
(serbokroatisch Bratstvo i jedinstvo, slowenisch Bratstvo in enotnost, mazedonisch Братство и единство)Amtssprache Serbokroatisch (offiziell eine Sprache mit mehreren Varianten), Slowenisch, Mazedonisch, eingeschränkt auch Albanisch und Ungarisch sowie auf lokaler Ebene die Sprachen weiterer Nationalitäten Hauptstadt Belgrad Staatsform Föderale Republik Regierungsform Einparteiensystem Staatsoberhaupt Präsident Jugoslawiens (1945–1980)
Vorsitzender des Präsidiums der SFRJ (1980–1992)Regierungschef Ministerpräsident Jugoslawiens Fläche 255.804 km² Einwohnerzahl 23.271.000 (1990/1991) Bevölkerungsdichte 91 Einwohner pro km² Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 3.650 € (1990) Währung Jugoslawischer Dinar
1 Dinar = 100 ParaGründung 29. November 1943 / 29. November 1945 Nationalhymne Hej Sloveni Nationalfeiertag 29. November (Dan republike, „Tag der Republik“) Zeitzone MEZ / MESZ Kfz-Kennzeichen YU Internet-TLD .yu Telefonvorwahl +38 In Folge der Jugoslawienkriege zerfiel die SFRJ 1991/1992. Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (Serbokroatisch und Mazedonisch: Socijalistička federativna republika Jugoslavija, Социјалистичка федеративна република Југославија; Slowenisch: Socialistična federativna republika Jugoslavija), vereinzelt auch Sozialistische Bundesrepublik Jugoslawien (SBRJ) genannt, war ein blockfreier, sozialistischer Staat in Südosteuropa, der von 1945 bis zum 26. April 1992 bestand.
Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde die SFR Jugoslawien als das Königreich Jugoslawien, oder auch Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bezeichnet. Die Bezeichnung nach dem Zweiten Weltkrieg war zunächst Demokratisches Föderatives Jugoslawien[1] sowie von 1946 bis 1963 Föderative Volksrepublik Jugoslawien.
Der Staat umfasste die heutigen Staaten Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien, Mazedonien und das Kosovo. Alle diese Staaten waren, bis auf das Kosovo, Teilrepubliken der SFR Jugoslawien.
Inhaltsverzeichnis
Geographie
In der Zeit von 1954 bis 1991 hatte Jugoslawien eine Fläche von 255.804 km². Es bestand aus den sechs Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien sowie den beiden zu Serbien gehörenden autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina. Es grenzte an Italien, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Albanien, mit einer langen Küste am Adriatischen Meer mit zahlreichen Inseln.
Der Nordosten des Landes ist relativ flach, der Rest des Landes eher gebirgig. Höchster Berg ist der Triglav (2864 m, in den Julischen Alpen nahe Jesenice), gefolgt vom Golem korab (2753 m, im Korab, auf der Grenze zu Albanien westlich von Gostivar) und dem Titov Vrv (2747 m, im Šar Planina nahe Tetovo).
An der Grenze zu Albanien liegen drei große Seen: der Skutarisee, der Ohridsee und der Prespasee. Die Donau durchfließt den Nordosten Jugoslawiens (u. a. die Städte Novi Sad und Belgrad) und bildet einen Teil der Grenze zu Rumänien, das dortige Durchbruchstal wird als Eisernes Tor (serbokroatisch: Đerdap) bezeichnet. Wichtige Nebenflüsse der Donau in Jugoslawien sind die Drau (Drava), die Save (Sava) und die Morava.
Bevölkerung
→ Hauptartikel: Bevölkerung Jugoslawiens
Jugoslawien hatte 1991 rund 23 Millionen Einwohner, es gab 19 Städte mit jeweils mehr als 100.000 Einwohnern. Die größten Städte waren Belgrad (1.168.000 Einwohner) und Zagreb (706.800 Einwohner), gefolgt von Sarajevo, Skopje und Ljubljana. Von 1961 bis 1991 nahm die Bevölkerung Jugoslawiens um 25 % zu.[2]
Geschichte
Föderative Volksrepublik Jugoslawien (1945–1963)
Mit den AVNOJ-Beschlüssen vom 29. November 1943 wurde während des Zweiten Weltkrieges der Grundstein für eine neue Föderation südslawischer Völker unter der Führung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) gelegt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Jugoslawien als sozialistischer Bundesstaat aus sechs Teilrepubliken (Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien und Mazedonien) gegründet. Am 29. November 1945 wurde die Föderative Volksrepublik Jugoslawien (Federativna Narodna Republika Jugoslavija) proklamiert, nachdem Titos kommunistische Volksfront die Wahlen gewonnen hatte. Am 31. Januar 1946 erhielt Jugoslawien eine nach dem Vorbild der UdSSR gestaltete Verfassung.
1948 distanzierte sich Tito immer mehr von der Sowjetunion und dem Ostblock und es kam zum Bruch. Tito verfolgte einen eigenen jugoslawischen Kommunismus (Titoismus). Jugoslawien näherte sich immer mehr den blockfreien Staaten und dem Westen an und pflegte schon bald wirtschaftliche Kontakte.
Am 7. April 1963 wurde der Staat in die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (Socijalistička Federativna Republika Jugoslavija/SFRJ) umbenannt.
Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (1963–1992)
1974 wurden die Provinzen Vojvodina und Kosovo in einer neuen Verfassung zu autonomen Provinzen innerhalb Serbiens erklärt (Artikel 2). De facto wurden die Provinzen dadurch informell zu Republiken aufgewertet, die Serbien nur formell unterstanden. Doch wurde ihnen im Gegensatz zu Republiken kein Recht auf Selbstbestimmung (einschließlich des Rechts auf Sezession) eingeräumt. So bestand die SFRJ aus sechs Teilrepubliken (Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Slowenien) und zwei Autonomen Provinzen innerhalb Serbiens (Kosovo, Vojvodina).
Nach dem Tod Titos am 4. Mai 1980 übernahm das Präsidium der Republik die Regierungsgeschäfte. Die acht Mitglieder setzten sich aus je einem Vertreter der sechs Teilrepubliken und der zwei autonomen Provinzen zusammen. Immer mehr kam es jedoch zu Unstimmigkeiten, da die integrative Persönlichkeit Tito fehlte.
Auseinanderbrechen Jugoslawiens ab 1991
→ Hauptartikel: Jugoslawienkriege
Außer in Serbien wurden in allen ehemaligen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien nach durchgeführten demokratischen Wahlen Referenden über die staatliche Souveränität abgehalten.
Bei jeweils sehr hohen Wahlbeteiligungen stimmten für die jeweilige staatliche Souveränität:
- Slowenien: 88 Prozent
- Kroatien: 94,7 Prozent
- Bosnien-Herzegowina: 92,8 Prozent
- Mazedonien: 91 Prozent
- Montenegro: 55,5 Prozent.
Vor allem in Kroatien und Bosnien-Herzegowina hatten die jeweils serbischen wahlberechtigten Einwohner die Abstimmungen allerdings boykottiert.
Belgrad versuchte die Unabhängigkeitsbestrebungen zuerst militärisch zu unterwerfen. So intervenierte die Jugoslawische Volksarmee (JNA) zuerst 1991 in Slowenien (10-Tage-Krieg in Slowenien) und daraufhin auf Seiten der Krajina-Serben in Kroatien (Kroatien-Krieg). Als dies jedoch misslang, verlagerte sich der Krieg dann immer mehr nach Bosnien-Herzegowina (Bosnienkrieg). Letztendlich gelang den drei Staaten jedoch die Durchsetzung der Unabhängigkeit.
„Bundesrepublik Jugoslawien“ (1992–2003) bzw. „Serbien und Montenegro“ (2003–2006)
→ Hauptartikel: Serbien und Montenegro
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen beschloss am 22. September 1992 durch Mehrheitsbeschluss (Billigung von 127 Ländern bei 26 Enthaltungen und sechs Gegenstimmen), dass die aus Serbien und Montenegro bestehende Bundesrepublik Jugoslawien nicht automatisch die Rechtsnachfolge der SFRJ als Mitgliedstaat der UN antreten könne, sondern sich ebenso wie die anderen Nachfolgestaaten der SFRJ neu um die Mitgliedschaft bewerben müsse. Die Bundesrepublik Jugoslawien dürfe deshalb den Sitz der SFRJ in der UN-Vollversammlung nicht mehr wahrnehmen. Da die Bundesrepublik Jugoslawien sich weigerte, diesen Beschluss zu akzeptieren, verlor sie de facto ihren Sitz in der Vollversammlung. Erst im Jahre 2000 wurde die Bundesrepublik Jugoslawien, nachdem sie sich wie gefordert neu beworben hatte, wieder in die UN aufgenommen; auch der frühere jugoslawische UNO-Sitz wurde ihr wieder übertragen. Mit der Annahme einer neuen Verfassung im Jahre 2003 benannte sich die Bundesrepublik Jugoslawien um in „Serbien und Montenegro“. Dies stellte das Ende des Begriffs „Jugoslawien“ als Staatsname dar.
Politik
Politisches System
Soweit nicht anders angegeben beziehen sich die Angaben auf die Verfassung von 1974, die bis 1988 gültig war:
Bundesebene
Staatsoberhaupt war nach Titos Tod das Präsidium der SFRJ, das sich aus je einem auf fünf Jahre gewählten Vertreter jeder Republik und Autonomen Provinz sowie dem Vorsitzenden des BDKJ zusammensetzte; jährlich wurde ein neuer Vorsitzender dieses Präsidiums bestimmt.
Die Funktion einer Bundesregierung hatte der Bundesexekutivrat. Dieser setzte sich zusammen aus:
- dem Ministerpräsidenten (Vorsitzender des Bundesexekutivrates, Regierungschef)
- den Bundessekretären (Ministern)
- Vertretern der Republiken und Autonomen Provinzen
- Leitern der Bundesverwaltungsorgane
Das Parlament auf Bundesebene war die Bundesversammlung, die aus dem Rat der Republiken und Provinzen (12 Delegierte aus jeder der 6 Republiken, 8 Delegierte aus jeder der 2 Autonomen Provinzen, zusammen also 88 Delegierte) und dem Bundesrat (Delegierte der Selbstverwaltungsorganisationen und gesellschaftspolitischen Organisationen: 30 je Republik und 20 je Autonomer Provinz, zusammen also 220 Delegierte) bestand.
Republiken und Provinzen
Im Gegensatz zum Königreich Jugoslawien, das seit 1929 in neun Banschaften (Verwaltungsbezirke) unterteilt war, war die SFRJ in sechs Republiken gegliedert, wovon eine, nämlich Serbien zwei Provinzen (ab 1974: Autonome Provinzen) enthielt. Im Laufe der Zeit erhielten die Republiken und Provinzen immer mehr Kompetenzen (siehe Die Verfassung der SFRJ).
Republiken und Provinzen der SFRJ Republik Hauptstadt Fläche (km²) Slowenien Ljubljana 20.253 Kroatien Zagreb 56.542 Bosnien und Herzegowina Sarajevo 51.129 Montenegro Titograd 13.812 Mazedonien Skopje 25.713 Serbien Belgrad 88.361 (Serbien ohne A. P.) — 55.968 Autonome Provinz Hauptstadt Fläche (km²) A. P. Vojvodina Novi Sad 21.506 A. P. Kosovo Priština 10.887 Siehe auch: Bevölkerung Jugoslawiens nach Republiken und Provinzen
Kommunale Ebene
Als politische Einheit auf kommunaler Ebene gab es die Gemeinde (serbokroatisch: opština), die in einzelne Ortschaften (naselje) unterteilt war. Dabei handelte es sich üblicherweise um eine Stadt und die umliegenden kleineren Dörfer.
Die Verfassung der SFRJ
Eine erste Verfassung der SFRJ trat am 31. Januar 1946 in Kraft. Diese wurde durch das Verfassungsgesetz vom 13. Januar 1953 ersetzt. Am 7. April 1963 trat die dritte Verfassung in Kraft, die wiederum am 18. April 1967, am 26. Dezember 1968 und am 30. Juni 1971 geändert wurde. Eine vierte Verfassung trat am 21. Februar 1974 in Kraft[3] und blieb bis zum Zerfall der SFRJ gültig. Die Verfassung von 1974 galt als die längste Verfassung aller Staaten (als kürzeste galt die – inzwischen überholte – der Volksrepublik China, Großbritannien hat keine geschriebene Verfassung). Am 25. November 1988 wurde die Verfassung deutlich verändert.
Während die Verfassung von 1948 sich am Vorbild der Sowjetunion orientierte, wurde 1963 der Selbstverwaltungssozialismus in der Verfassung verankert (also die Arbeiterselbstverwaltung sowie eine Abkehr vom Zentralismus, so dass Kompetenzen von der Bundesebene auf der Ebene der Republiken übertragen wurden). Die Verfassung von 1974 enthielt eine noch stärkere Föderalisierung und wertete die Provinzen innerhalb Serbiens (Vojvodina und Kosovo) zu Autonomen Provinzen auf, die nun einen annähernd den Republiken gleichrangigen Status erhielten.
Parteien und Massenorganisationen
Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens war die einzige in der SFRJ existierende Partei, bis sich 1989 die Vereinigung für eine jugoslawische demokratische Initiative gründete und allmählich zu einer Partei entwickelte. Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens löste ab Januar 1990 auf, als zunächst der slowenische Bund der Kommunisten die Partei verlassen hatte. Im Laufe des Jahres 1990 gründeten sich auf der Ebene der zahlreiche neue, zumeist nationalistische Parteien; in den meisten Republiken bildeten sich auch Nachfolgeorganisationen des Bundes der Kommunisten, die teils sozialdemokratisch oder liberal, teils ebenfalls nationalistisch ausgerichtet waren. Der Ministerpräsident Ante Marković gründete mit dem Bund der Reformkräfte Jugoslawiens eine neue gesamtjugoslawische Partei mit sozialdemokratischem bis linksliberalem Profil.
Wichtige Massenorganisationen waren:
- Pioniere / Jugendverband
- Sozialistischer Bund des werktätigen Volkes (SSRNJ)
- Gewerkschaftsbund (mit rund 5 Millionen Mitgliedern Anfang der 1980er Jahre)
- Bund der Kriegsteilnehmer
Außenpolitik
Die Sozialistische Bundesrepublik Jugoslawien war der erste Staat, auf den die Bundesrepublik Deutschland am 19. Oktober 1957 wegen seiner wenige Tage zuvor erklärten de jure-Anerkennung der DDR ihre Hallstein-Doktrin anwendete. Nachdem die Bundesregierung ihre diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien abbrach, vereinbarten beide Staaten am 31. Januar 1968 die Wiederaufnahme ihrer Beziehungen.
Die Bewegung der blockfreien Staaten (englisch: Non-Aligned Movement (NAM); serbokroatisch: Pokret Nesvrstanih) wurde 1961 in Belgrad gegründet. Josip Broz Tito gehörte neben dem ägyptischen Staatschef Nasser und dem indischen Premier Nehru zu den wichtigsten Wegbereitern der Bewegung. 1989 fand eine weitere Gipfelkonferenz der Blockfreien in Belgrad statt. Mit Josip Broz Tito stellte Jugoslawien in den Jahren 1961–1964 den Generalsekretär der NAM; in den Jahren 1989–1992 wurde der Generalsekretär wieder von Jugoslawien gestellt, das Amt wurde vom Vorsitzenden der kollektiven Präsidentschaft der SFRJ bekleidet, zunächst 1989/90 von Janez Drnovšek, dann noch nacheinander von Stjepan Mesić und Branko Kostić sowie vom Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien, Dobrica Ćosić, wobei zumindest die letzteren drei diese Funktion nur auf dem Papier ausübten, so dass die NAM in dieser Zeit faktisch ohne Generalsekretär dastand.
Die SFRJ war unter anderem Mitglied folgender Internationaler Organisationen:
- Vereinte Nationen
- Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT)
- Internationale Atomenergieorganisation (IAEA)
- Internationale Arbeitsorganisation (IAO)
- Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)
- Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW bzw. Comecon, assoziiertes Mitglied ab 1964)
Militär
Die Jugoslawische Volksarmee (JNA) war eine Wehrpflichtarmee, die in den 1980er Jahren eine Stärke von 240.000 Soldaten hatte (Heer: 191.000, Luftwaffe: 37.000, Marine: 13.000[4]). Der Wehrdienst dauerte 15 Monate, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gab es nicht. Eine vormilitärische Ausbildung erfolgte bereits an den Schulen. Neben der JNA gab es die Territoriale Verteidigung (TO), die aus rund 1 Million Menschen bestand, nur leicht bewaffnet war und im Falle einer Besetzung des Landes den Partisanenkampf aufnehmen sollte. Bemerkenswert war, dass die jugoslawische Volksarmee aufgrund der Blockfreiheit des Landes über Jahre gleichzeitig sowohl sowjetische als auch US-amerikanische Rüstungsgüter bezog. Später konnte Jugoslawien einen großen Teil der Waffen selbst produzieren, allerdings teilweise in Lizenz von ausländischen Lizenzgebern. In einigen Fällen bauten jugoslawische Rüstungsunternehmen (z. B. Soko in Mostar) Flugzeuge und Waffen, die aus westlichen und östlichen Komponenten zusammengesetzt waren und neben dem Eigenbedarf auch für den Export in blockfreie Staaten gebaut wurden.[5]
Wirtschaft
Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien hatte zunächst kurzzeitig ein planwirtschaftliches Wirtschaftssystem nach dem Vorbild der Sowjetunion. Die Verstaatlichungen dienten auch der Politik der ethnischen Säuberung. Am 24. Mai 1944 wurde von der AVNOJ eine Enteignung des Vermögens aller Deutschen beschlossen[6]. Die betraf 50 % der gesamten Industrie und ca. 120.000 Landwirtschaftliche Betriebe. Jugoslawien war Mitte der 1940er Jahre ein stark durch die Agrarwirtschaft geprägtes Land. 70 % der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft, die 36 % des Sozialproduktes erwirtschaftete. Am 23. August 1945 wurde das Gesetz über die Agrarreform und Kolonisierung (Zakon o Agrarnoj reformi i kolonizaciji) erlassen, mit dem Großgrundbesitzer enteignet wurden (das „Feindvermögen“ war ja bereits konfisziert). Die landwirtschaftlichen Flächen wurden zunächst an Neubauern verteilt. Offiziell galt der Slogan „Der Boden denen, die ihn bebauen“. Vielfach waren jedoch nicht die lokalen Bauern sondern verdiente Kämpfer des Widerstandes die Profiteure der Bodenreform[7]
Der Bruch Titos mit Stalin 1948 führte zu einer Wende in der Wirtschaftspolitik, hin zu einer Sozialistischen Marktwirtschaft. In einer weiteren Bodenreform 1948 erfolgte eine Forcierung der Zwangskollektivierung großer Teile der Landwirtschaft. In der Industriepolitik setzte Tito ab Anfang der 1950er Jahre ein System der Arbeiterselbstverwaltung.
Die Währung Jugoslawiens war der Jugoslawische Dinar. Innerhalb Jugoslawiens gab es ein deutliches wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle (Slowenien, Kroatien, Vojvodina gegenüber den anderen, südlicher gelegenen Teilrepubliken/Provinzen, wie z. B. Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Kosovo). Jugoslawien war dennoch das wirtschaftlich stärkste Land in Südosteuropa. Das Nord-Süd-Gefälle kam auch im Bruttoinlandsprodukt der einzelnen Republiken zum Ausdruck, das sich 1988 wie folgt dargestellt hat (US$):[8]
- Slowenien: 5.918
- Kroatien: 3.230
- Vojvodina: 3.061
- Serbien (ohne Vojvodina und Kosovo): 2.238
- Montenegro: 1.754
- Bosnien und Herzegowina: 1.573
- Mazedonien: 1.499
- Kosovo: 662
- Jugoslawien insgesamt: 2.480
Den größten Einzelanteil am Bruttoinlandsprodukt und somit die höchste Wirtschaftsleistung, der Teilrepubliken, hatte die Teilrepublik Serbien einschließlich seiner Provinzen Vojvodina und Kosovo. An zweiter Stelle standen die Teilrepublik Kroatien und an dritter die Teilrepublik Slowenien.[8] Gemessen am BIP pro Kopf war die Sozialistische Republik Slowenien die wohlhabendste und die Teilrepublik Kroatien stand an zweiter Stelle gefolgt von der Teilrepublik Serbien an dritter.
Tourismus
Die SFR Jugoslawien gehörte zwischen den 1960er Jahren und 1990 neben Italien und Spanien zu den beliebtesten (Sommer-)Reisezielen in Europa. Millionen Touristen verbrachten ihren Urlaub an der Adriaküste, den Inseln und dem Hinterland. Die meistbesuchte Teilrepublik war Kroatien, mit einer über 1800km langen Küste und 1246 Inseln. Der Wintertourismus konzentrierte sich auf die Julischen Alpen, Karawanken (im Norden/Slowenien) und Sarajevo, wo 1984 die Olympischen Winterspiele stattfanden. Das Wahrzeichen des ehemaligen Jugoslawien, Stari Most (die Brücke von Mostar), war ebenfalls ein beliebtes Ziel von Touristen. Nicht nur die Mittelmeerküste Jugoslawiens war beliebt bei Besuchern sondern auch die zahlreichen Seen im Land. Die bekanntesten Seen waren die Plitvicer Seen, der Bleder See, der Skutarisee (größter See Südosteuropas) und der Ohridsee in der ehemalig südlichsten Teilrepublik Mazedonien, welcher zu den ältesten Seen der Welt gehört.
Hochschulen
Zum Zeitpunkt der Gründung Jugoslawiens existierten die Universität Zagreb (gegründet 1669) und die Universität Belgrad (gegründet 1808).
Zwischen 1918 und 1992 wurden diese Universitäten neu gegründet:[9]
- Universität Ljubljana (1919)
- Universität Sarajevo (1949)
- Universität Skopje (1949)
- Universität Novi Sad (1960)
- Universität Niš (1965)
- Universität Priština (1970)
- Universität der Künste Belgrad (1973)
- Universität Rijeka (1973)
- Universität Split (1974)
- Universität Titograd, heute Universität Montenegro (1974)
- Universität Banja Luka (1975)
- Universität Maribor (1975)
- Josip-Juraj-Strossmayer-Universität Osijek (1975)
- Universität Kragujevac (1976)
- Universität Tuzla (1976)
- Universität Mostar (1977)
- Universität Bitola „St. Klement von Ohrid“ (1979)
Ebenfalls neu gegründet wurden mehrere Fachhochschulen. Die Kunstakademien in Ljubljana, Zagreb und Priština wurden zunächst als eigenständige Hochschulen gegründet, später aber in die jeweilige Universität integriert. Weitere Kunst- und Musikhochschulen gab es unter anderem in Novi Sad und Dubrovnik.[10]
Die erste Universität auf dem späteren Gebiet Jugoslawiens war die Universität Zadar, die 1396 gegründet und 1807 geschlossen wurde. 1955 wurde in Zadar wieder eine Philosophische Fakultät eingerichtet. In den Jahren 1674 bis 1786 betrieb das Paulinerkloster in Lepoglava (bei Varaždin) eine Universität.
Siehe auch: Jugoslawischer HochschullehrerMedien
→ Hauptartikel: Hörfunk und Fernsehen in Jugoslawien
Kultur
Literatur und Theater
Der bekannteste jugoslawische Schriftsteller war Ivo Andrić (1892–1975), der 1961 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Weitere bedeutende Schriftsteller waren Mehmed Meša Selimović (1910–1982), Miroslav Krleža (1893–1981) und Aleksandar Tišma (1924–2003).
Der 1941 in der Schweiz erschienene Jugendroman Die Rote Zora und ihre Bande von Kurt Held spielt in Jugoslawien. Eine Übersetzung von Gustav Gavrin erschien in Jugoslawien 1952 unter dem Titel Družina riđokose zore. Der in Jugoslawien geborene Schriftsteller Milo Dor (1923–2005) lebte in Wien und schrieb in deutscher Sprache; viele seiner Werke spielen in Jugoslawien.
Siehe auch: Liste jugoslawischer Schriftsteller
Film
Bis 1945 wurden in Jugoslawien nur wenige Filme gedreht. In den 1950er Jahren war ein am italienischen Neorealismus angelehnter Stil vorherrschend, der dann durch den Novi Film abgelöst wurde. In den 1980er Jahren waren die Filme von Emir Kusturica auch international erfolgreich.
Vor allem in den 1960er Jahren entstanden zahlreiche Koproduktionen zwischen Jugoslawien und der Bundesrepublik Deutschland, unter anderem zahlreiche Karl-May-Filme, die häufig im Nationalpark Plitvicer Seen entstanden.
Bildende Kunst
In Jugoslawien lebten einige der bedeutendsten Vertreter der Naiven Malerei (unter anderem Ivan Generalić).
Neben zahlreichen historischen Baudenkmalen gab es in Jugoslawien auch bedeutende Beispiele moderner Architektur. Bekannte Vertreter des jugoslawischen Industriedesign waren unter anderem Saša Mächtig und Davorin Savnik.
Musik
Sport
Jugoslawien war Gastgeber der Fußball-Europameisterschaft 1976. Die Olympischen Winterspiele 1984 fanden in Sarajevo statt. Jugoslawien war zudem auch Gastgeber zahlreicher Europa- und Weltmeisterschaften anderer Sportarten (z. B. Basketball, Leichtathletik, Schwimmen, Handball, Wasserball, Tennis, Motorradrennen).
Jugoslawien war stark im Basketball (die Herren-Nationalmannschaft war Weltmeister 1970, 1978, 1990, 1998 und 2002 sowie Europameister 1973, 1975, 1977, 1989 und 1991, und gewann bei den Olympischen Sommerspielen 1980 die Goldmedaille). Jugoslawien war Handball-Weltmeister 1973 (Damen) und 1986 (Herren) und gewann im Wasserball (Herren) die olympischen Goldmedaillen 1968, 1984 und 1988 sowie viermal die Silbermedaille. Die Ruderweltmeisterschaft fand 1966, 1979 und 1989 in Bled statt.
Berühmte Sportler waren unter anderem:
- Miroslav Cerar (Kunstturner, Goldmedaillengewinner der Sommerolympiaden 1964 und 1968)
- Đurđica Bjedov (Schwimmerin, Gold- und Silbermedaillengewinnerin der Sommerolympiade 1968)
- Matija Ljubek (Kanute, Goldmadaillengewinner der Sommerolypiaden 1976 im Einer-Kanadier)
- Slobodan Živojinović (Tennisspieler, in den 1980er Jahren zeitweise Doppel-Partner von Boris Becker)
- Monika Seles Tennisspielerin
Siehe auch: Kategorie:Sportler (Jugoslawien)
Literatur
- Die Verfassung der SFR Jugoslawien, eingeleitet von Herwig Roggemann, 1980, ISBN 3-87061-146-4 (zur Verfassung von 1974)
- Herbert Büschenfeld, Jugoslawien, 1981, ISBN 3-12-928821-X
- Statistisches Bundesamt: Statistik des Auslandes, Länderbericht Jugoslawien (mehrere Ausgaben), zuletzt erschienen im März 1990, ISBN 3-8246-0210-5
- F. W. Hondius: The Yugoslav community of nations, Diss. Leiden 1968 (zur Nationalitätenpolitik und zu den Verfassungen von 1948, 1953 und 1963)
- Südosteuropa-Handbuch, Band 1: Jugoslawien, hrsg. von Klaus-Detlev Grothusen, 1975, ISBN 3-525-36200-5 – vor allem die Beiträge von George Zaninovich (zum Bund der Kommunisten Jugoslawiens, S. 11–32), Franz Mayer und Ivan Kristan (Staat, Verfassung, Recht, Verwaltung, S. 33–149), Klaus-Detlev Grothusen (Die Außenpolitik, S. 150–187), Günther Wagenlehner (Landesverteidigung, S. 188–198) und Ivan Kristan (Die obersten Organe in Partei und Staat, S. 465–469; Verträge und Abkommen, S. 487–512)
- Wolfgang Höpken: Partizipation und kommunale Selbstverwaltung in jugoslawischen Gemeinden. In: Jugoslawien am Ende der Ära Tito, hrsg. von Klaus-Detlev Grothusen, Othmar Nikola Haberl u. Wolfgang Höpken, Band 2, 1986, ISBN 3-486-51411-3, S. 67–141
Weblinks
Wikisource: Verfassung der SFR Jugoslawien vom 21. Februar 1974 (slowenisch) – Quellen und Volltexte- Orders and Decorations of the SFRY (englisch)
- List of leaders of SFRY (englisch)
- „Yugoslavia: the outworn structure“ (CIA) Report from November 1970 (englisch; PDF; 3,68 MB)
Einzelnachweise
- ↑ Milovan Đilas schreibt in Jahre der Macht. Kräftespiel hinter dem Eisernen Vorhang. Memoiren 1945–1966, Seewald, 1983, dass sich diese Bezeichnung bereits ab 1943 „eingebürgert“ habe.
- ↑ Food and Agriculture Organization of the United Nations
- ↑ Vgl. Die Verfassung der SFR Jugoslawien (s. o.), S. 21.
- ↑ Streitkräfte 1985/86. Die „Military Balance“ des Internationalen Instituts für Strategische Studien. London/Koblenz 1986, S. 173.
- ↑ Tobias Pflüger, Martin Jung, Krieg in Jugoslawien, 2. Aufl. 1994, ISBN 3-9803269-3-4, S. 103 f.
- ↑ Erlass über den Übergang feindlichen Vermögens in Staatseigentum und die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen sowie die Beschlagnahme des von den Besatzungsmächten gewaltsam entfremdeten Vermögens
- ↑ Zoran Pokrovac: Sozialistische Reformen am Fall Jugoslaviens und sozialistische Konstruktion der Wirklichkeit. In: Christoph Boyer (Hrsg.): Zur Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen. Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-465-04026-2, S. 123–137.
- ↑ a b Tobias Pflüger, Martin Jung: Krieg in Jugoslawien, 2. Aufl. 1994, ISBN 3-9803269-3-4, S. 29.
- ↑ Enciklopedija Jugoslavije, 2. Ausg., Band 6, Artikel Jugoslavija, Abschnitt Nauka, S. 510 f.
- ↑ Katica Marendić: Faculties and Academies of Art, in: Yugoslav Survey (ISSN 0044-1341), 26 (1985), Heft 4, S. 85–96.
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