Nanochemie

Nanochemie
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Neue Materialien wie Fullerene (d) oder Carbon-Nanotubes (h) sind Nanotechnologie und werden schon jetzt in vielen Gebieten eingesetzt.
Schon heute liegt die Größenordnung der Transistoren (siehe Bild) eines handelsüblichen Mikroprozessors im Bereich der Nanotechnologie. Es werden 45 nm breite Strukturen erreicht.

Mit der Nanotechnologie (v. altgriech. νᾶνος [nános] „Zwerg“) wird heute populärwissenschaftlich die Forschung in der Clusterphysik und Oberflächenphysik, Oberflächenchemie, der Halbleiterphysik, in Gebieten der Chemie und bisher noch im begrenzten Rahmen in Teilbereichen des Maschinenbaus und der Lebensmitteltechnologie (Nano-Food) bezeichnet. Der Sammelbegriff gründet auf der allen Nano-Forschungsgebieten gleichen Größenordnung vom Einzelatom bis zu einer Strukturgröße von 100 Nanometern (nm). Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter (10−9 m). Diese Größenordnung bezeichnet einen Grenzbereich, in dem die Oberflächeneigenschaften gegenüber den Volumeneigenschaften der Materialien eine immer größere Rolle spielen und zunehmend quantenphysikalische Effekte berücksichtigt werden müssen. In der Nanotechnologie stößt man also zu Längenskalen vor, auf denen besonders die Größe die Eigenschaften eines Objektes bestimmen. Man spricht von „größeninduzierten Funktionalitäten“.

Schon heute spielen die Nanomaterialien eine wichtige Rolle, die zumeist auf chemischem Wege oder mittels mechanischer Methoden hergestellt werden. Einige davon sind kommerziell verfügbar und werden in handelsüblichen Produkten eingesetzt, andere sind wichtige Modellsysteme für die physikalisch-chemische und materialwissenschaftliche Forschung. Ebenfalls bedeutend ist die Nanoelektronik. Deren Zugehörigkeit zur Nanotechnologie wird in der wissenschaftlichen und forschungspolitischen Praxis nicht einheitlich gesehen.

Eine Entwicklungsrichtung der Nanotechnologie kann als Fortsetzung und Erweiterung der Mikrotechnik angesehen werden (Top-down-Ansatz), doch erfordert eine weitere Verkleinerung von Mikrometerstrukturen meist völlig unkonventionelle neue Ansätze. Die Chemie folgt in der Nanotechnologie oft dem entgegengesetzten Ansatz: bottom-up. Chemiker, die üblicherweise in molekularen, d. h. Sub-Nanometer-Dimensionen arbeiten, bauen aus einer Vielzahl von einzelnen Moleküleinheiten größere nanoskalige Molekülverbunde auf. Ein Beispiel dazu sind Dendrimere.

Nur ein kleiner Zweig der Nanotechnologie beschäftigt sich mit Nanomaschinen oder Nanobots.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge der Nanotechnologie

Als Vater der Nanotechnologie gilt Richard Feynman auf Grund seines im Jahre 1959 gehaltenen Vortrages „There’s Plenty of Room at the Bottom“ (Ganz unten ist eine Menge Platz), auch wenn erst Norio Taniguchi den Begriff Nanotechnologie 1974 erstmals gebrauchte:

„Nano-technology mainly consists of the processing of separation, consolidation, and deformation of materials by one atom or one molecule.“

Nanotechnologie im Sinne dieser Definition ist die Veränderung von Materialien, sei es Atom für Atom oder Molekül für Molekül. Das schließt ein, dass die kritischen Eigenschaften von Materialien oder Geräten im Nanometerbereich liegen können, und dass diese Materialien und Geräte aus einzelnen Atomen bzw. Molekülen konstruiert werden. Heute wird Nanotechnologie aber nur noch selten in diesem engen Sinn benutzt, heute schließt man (wie oben erläutert) auch die Herstellung von Nanomaterialien auf chemischem Wege in diesen Begriff mit ein.

Unabhängig von Taniguchi machte 1986 K. Eric Drexler den Begriff weithin bekannt. Er inspirierte mit seinem Buch Engines of Creation viele heutzutage bekannte Wissenschaftler und Mediziner, darunter auch Richard E. Smalley (Fullerene), dazu, Nanotechnologie zu studieren. Drexlers Definition von Nanotechnologie ist strenger als die Taniguchis: Sie beschränkt sich auf die Konstruktion von komplexen Maschinen und Materialien aus einzelnen Atomen. Nach dieser Definition fällt die heutige Nanotechnologie also nicht unter das, was Drexler als Nanotechnologie ansieht. Dies veranlasste Drexler im Verlauf der 1990er Jahre dazu, seine Vorstellung von Nanotechnologie zur Abgrenzung in Molekulare Nanotechnologie (MNT) umzubenennen, denn vielfach wurde und wird der Begriff zur Bezeichnung aller Arbeiten verwandt, die sich mit Nanostrukturen befassen, auch wenn dabei gewöhnliche chemische, pharmazeutische oder physikalische Methoden verwendet werden.

Tatsächlich stehen derzeit viele Wissenschaftler Drexlers Vision von Nanotechnologie skeptisch bis offen ablehnend gegenüber. Wenn es auch nach Ansicht der Verfechter der MNT ihren Gegnern bisher nicht gelungen ist, überzeugende wissenschaftliche Argumente gegen die Umsetzbarkeit von MNT vorzubringen, halten viele doch die Machbarkeit für wenig wahrscheinlich; auch wenn Drexler mit Nanosystems 1991 ein Lehrbuch zu MNT herausgegeben hat, das auf Basis seiner Doktorarbeit am MIT in wissenschaftlicher Form die zu ihrer Verwirklichung nötigen Schritte beschreibt. Über die Jahre wurden zwar einige Annahmen Drexlers experimentell bestätigt, doch es bleiben viele Vorbehalte, die einer Verwirklichung entgegenstehen: Selbst wenn es gelänge, beispielsweise einen Nanomotor aus Metall herzustellen, wäre er nicht lange funktionsfähig: schon der Wasserfilm, der aufgrund der Adsorption von Luftfeuchtigkeit an der Metalloberfläche entsteht, würde den Motor lahmlegen. Metalle wie Eisen, Stahl oder Aluminium bilden an Luft einen dünnen Oxidfilm, der bei gewöhnlichen Werkstücken nicht stört. Die Oxidation von Nanometallen führt aber in der Regel zur vollständigen Umwandlung in das Oxid. Ein Nanomotor aus Metall würde also durch Luftsauerstoff quasi verbrannt. Man könnte also nur einen Motor bauen, der aus einem Stoff besteht, der durch Wasser nicht oxidiert. Wenn man Makromoleküle in Vakuum oder in Luft im Abstand von weniger als einigen Atomdurchmessern an einander vorbei bewegen wollte, dann würden sie durch die Van-der-Waals-Kräfte an einander kleben bleiben. Wenn man aber die Makromoleküle in Wasser oder in eine andere geeignete Flüssigkeit einbettet, dann übernimmt die Flüssigkeit die Van-der-Waals-Kräfte, und man kann die Makromoleküle reibungsarm an einander vorbei bewegen. Auf diese Weise funktionieren lebende Zellen, und der Geißel-Antrieb der Bakterien erreicht 50 Umdrehungen pro Sekunde. Einzelne Atome oder Moleküle rein mechanisch fest zu halten oder los zu lassen wird ebenfalls durch die Van-der-Waals-Kräfte erschwert, was als das „Klebrige-Finger-Problem“ bezeichnet wurde. Dieses Problem, und auch die rein mechanische Herstellung von Atombindungen, wurde durch das Anlegen einer elektrischen Spannung bewältigt, was hier[1] gezeigt wurde.

Nanotechnologie als Trendwort

Nanotechnologie im Sinne Drexlers zieht ihre Faszination aus ihrer zwiespältigen Natur. So behaupten ihre Befürworter, die ausgereifte MNT ermögliche einerseits materiellen Reichtum für die gesamte Menschheit, die Besiedelung des Weltraums und individuelle Quasi-Unsterblichkeit; andererseits biete sie die Möglichkeit der Katastrophe für die gesamte Menschheit durch Kriege, globale Terroranschläge, einen unüberwindbaren Polizeistaat und totale Verfremdung des heutigen Menschenbilds durch Gentechnik. Diese sehr gegensätzlichen Aspekte machen Nanotechnologie in Drexlers Sinn vor allem für die Literatur interessant. Zahlreiche Autoren der Science-Fiction haben Nanotechnologie als Element in ihre Geschichten aufgenommen und als Buch oder Film umgesetzt. Dabei werden häufig die negativen Aspekte der Technologie beleuchtet und verarbeitet.

Die meisten seriösen Wissenschaftler halten Drexlers Visionen für überzogen. Manche betrachten ihn trotz seiner Studien eher als mehr oder weniger guten Science-Fiction-Autor.

Das Präfix nano- ist bei Unternehmern und Wissenschaftlern heute ähnlich beliebt wie in den 1970er und 1980er Jahren mikro- (z. B. Microsoft, AMD) und in den 90er Jahren das e- (z. B. eBanking, eGovernment, eBusiness etc.).

Heutige nanotechnologische Produkte

Zu den wichtigsten nanotechnologischen Produkten im weitesten Sinne zählen viele Pigmente und andere Zusatzstoffe (Additive) für Lacke und Kunststoffe, wie beispielsweise hochdisperse Kieselsäuren oder Ruß. Diese Produkte sind zum Teil seit über 40 Jahren auf dem Markt, erhalten aber im Zuge des allgemeinen Medienrummels („Nano-Hype“) oft im Nachhinein die Vorsilbe Nano. Außerdem gibt es seit kurzer Zeit auch Kleidungsstücke die einen Nano-Verbund aufweisen und somit schmutzabweisend wirken. Dies beruht auf der Funktion, dass die Schmutzteilchen auf den winzigen Nano-Elementen nicht anhaften. Allgemein bezeichnet der Begriff Nanoteilchen einen Verbund von wenigen bis einigen tausend Atomen oder Molekülen, dessen Größe typischerweise zwischen 1 und 100 Nanometern liegt.

Typische moderne Vertreter von nanotechnologischen Produkten sind die sogenannten Quantenpunkte (engl. Quantum Dots). Auch moderne Prozessoren haben Strukturen, die kleiner sind als 100 nm und können daher als nanotechnologisch bezeichnet werden, obwohl das nicht üblich ist, da sie mit konventionellen lithographischen Verfahren hergestellt werden. Besondere Einsatzgebiete der Nanotechnologie sind heutzutage insbesondere die Beschichtung von Oberflächen oder die Herstellung von zahnärztlichen Füllungsmaterialien. Nanofüllkörper verhalten sich bei diesen Anwendungen nicht mehr wie eine amorphe Substanz, sondern nehmen Eigenschaften von Flüssigkeiten an.

Zusammenspiel der Wissenschaften

Eine große Besonderheit der Nanotechnologie ist, dass sie ein fachübergreifendes Zusammenspiel vieler, eigentlich spezialisierter Fachgebiete der Naturwissenschaften darstellt. So spielt die Physik eine wichtige Rolle, allein schon bei der Konstruktion der Mikroskope zur Untersuchung und vor allem wegen der Gesetze der Quantenmechanik. Für eine gewünschte Struktur der Materie und Atomanordnungen bedient man sich der Chemie. Der gezielte Einsatz von Nanopartikeln in der Medizin soll bei bestimmten Krankheiten helfen. Andererseits werden aber auch Strukturen, wie z. B. zweidimensionale Kristalle, im Nanometermaßstab aus DNA konstruiert, weil diese sich mit bisherigen Technologien (z. B. der Polymerase-Kettenreaktion) gut manipulieren lässt. Die Wissenschaft ist hier an einem Punkt angelangt, an dem die Grenzen der verschiedenen Disziplinen verschwimmen, man nennt Nanotechnologie deswegen auch eine konvergente Technologie.

Einsatzmöglichkeiten

Das momentan absehbare Ziel der Nanotechnologie ist die weitere Miniaturisierung der Halbleiterelektronik und der Optoelektronik sowie die industrielle Erzeugung neuartiger Werkstoffe wie z. B. Nanoröhren.

In der Medizin bieten Nanopartikel die Möglichkeit, neuartige Diagnostika und Therapeutika zu entwickeln, beispielsweise Kontrastmittel für die bildgebenden Verfahren der Computertomographie oder Magnetresonanztomographie sowie neue Medikamente mit Nanopartikeln als Wirkstofftransporter oder -depot, beispielsweise in der Tumorbekämpfung. Hierbei werden eisenoxidhaltige Nanopartikel in die Blutbahn injiziert, wodurch diese mit dem Blutstrom im Körper verteilt werden. Nach der Anreicherung im Tumor kann dieser durch ein angelegtes Magnetfeld erhitzt und somit zerstört werden. Im Fokus der Forschung stehen hierbei die Methoden, durch die eine gezielte Anreicherung der Nanopartikel im Tumor erreicht werden kann. Oberflächen aus Nanostrukturen bieten die Möglichkeit, langlebigere, biokompatible Implantate zu entwickeln. Diese Disziplin der Nanotechnologie wird auch als Nanobiotechnologie bezeichnet.

Zahlreiche Anwendungen betreffen auch Probleme des Alltags: ein Beispiel dafür ist der Lotuseffekt, der selbstreinigende Oberflächen ermöglicht. Auch als Schutzanstrich für Karosserien wird die Nanotechnologie derzeit verwendet. Dabei fungiert ein nanoskalisches Bindemittel als Alternative zu Chromatschichten bei der Automobillackierung. Auch der Schutz vor ultravioletter Strahlung in modernen Sonnencremes besteht aus nanoskaligem Titandioxid.

Das Ziel der Entwicklung in der Nanotechnologie ist die digitale, programmierbare Manipulation der Materie auf atomarer Ebene und die daraus resultierende molekulare Fertigung bzw. Molekulare Nanotechnologie (MNT).

Untersuchungen bis in den atomaren Bereich sind heute mit dem Elektronenmikroskop oder dem Rasterkraftmikroskop möglich. Mit ihnen lassen sich jedoch auch aktiv einzelne Nanostrukturen formen.

Kritik

Ende der 1990er Jahre rückte die Nanotechnologie stärker in das öffentliche und mediale Interesse. Mit wachsenden Versprechungen („Dritte industrielle Revolution“) traten verstärkt auch technikkritische Stimmen an die Öffentlichkeit. Eine Initialfunktion für die Diskussion in Deutschland ist einem ursprünglich im April 2000 im Magazin Wired erschienenen Artikel von Bill Joy „Why the future doesn’t need us“ [2] zuzuschreiben. Joy ist Chief Scientist of Sun Microsystems, Wired eine wichtige Zeitschrift der IT-Community – beide mithin blinder Technikkritik weitgehend unverdächtig. Joy weist mit dramatischem Gestus auf gravierende Folgen der neuen Techniken – Gentechnik, Nanotechnologie, Robotik – hin und fordert Verzicht: Angesichts der Unsicherheit und Begrenztheit des Wissens über den Fortgang technischer Entwicklungen und der weitreichenden Potenziale von Nanotechnologie entstünden Risiken, denen man nur durch Verzicht auf Entwicklung und Nutzung dieser Techniken ausweichen könne. In der Folge werden durch wissenschaftliche Institutionen und Nichtregierungsorganisationen eine ganze Reihe von Studien und Positionspapieren publiziert, die sich aus unterschiedlicher Perspektive mit möglichen Folgen der Nanotechnologie beschäftigen und in ihren (politischen) Empfehlungen weit auseinandergehen.

Die Nord-Süd-Wissenschaftlervereinigung ETC Group mit Sitz in Kanada forderte 2003 ein Moratorium für die Nanotechnologie wegen befürchteter unkalkulierbarer Risiken. Im gleichen Jahr veröffentlichte Greenpeace eine kritische Studie zur Nanotechnologie. Im Juli 2004 legten die Royal Society und die Royal Academy of Engineering einen umfangreichen Bericht vor, in dem sie eine stärkere Regulierung von Nanotechnologien fordern. Der Bericht war ein Jahr zuvor von der britischen Regierung in Auftrag gegeben worden. Studien des Center for Biological and Environmental Nanotechnology (CBEN) an der Rice University zufolge reichern sich Nanopartikel über die Nahrungskette in Lebewesen an. Dies bedeute nicht zwangsläufig eine Schädlichkeit, betonen die Autoren, verweisen jedoch auf andere Technologien, die am Anfang ebenfalls als ungefährlich galten. Der Risikoforscher und Direktor des Stockholm Environment Institute Roger Kasperson sieht in der Nanotechnologie-Debatte Parallelen zum frühen Atomzeitalter.

Risiken und Gefahren

2004 erschien der viel beachtete und überraschend skeptische Report „Nanotechnologie. Kleine Teile – grosse Zukunft?“ der schweizerischen Rückversicherungsgesellschaft Swiss Re. Der Report eines der weltgrößten Rückversichereres äußert die Befürchtung, dass Nanotubes ähnliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnten wie Asbest. Versicherungen wird empfohlen, die Risiken von Nanotechnologie auf keinen Fall unbegrenzt zu versichern. Um kumulative Folgeschäden für die Branche zu vermeiden, wird gefordert, die Versicherungen auf Versicherungsverträge bei Nanotechnologie grundsätzlich mit einer maximalen abzudeckenden Schadenshöhe zu versehen.[3]

Im Juni 2005 veröffentlichte die Allianz Versicherungs-AG eine Studie über die Chancen und Risiken von Nanotechnologie. Das Fazit: Forschung und Industrie müssten fundierte Erkenntnisse über Risiken erarbeiten. Wichtig seien internationale Standards, Langzeit-Beobachtung und Risiko-Transfer. „Das eigentliche Risiko der Nanotechnologie“, so die Studie „ist die Lücke, die zwischen ihrer dynamischen Entwicklung und dem Wissen um mögliche Gefahren und den gültigen Sicherheitsstandards zur Vermeidung negativer Auswirkungen besteht.“ Die beteiligten Allianz-Experten warnen vor „mögliche[n] Risiken […], die nicht nur gesundheitliche, sondern auch weitreichende wirtschaftliche Folgen haben könnten, wenn mit ihnen nicht professionell umgegangen wird.“[4]

Im März 2006 wurden zwei Reinigungssprays, die kurzfristig bei einem Discounter im Angebot waren, wegen erwiesener Gesundheitsgefährdungen aus dem Handel genommen: „Magic Nano Bad- und WC-Versiegeler“ und „Magic Nano Glas- und Keramik-Versiegeler“. Hersteller war die Fa. Kleinmann in Sonnenbühl (Baden-Württemberg). Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurden mehr als 70 Fälle mit gravierenden Gesundheitsstörungen nach der Anwendung der Haushaltsprodukte gemeldet. Alle Betroffenen klagten über Atemnot. In sechs Fällen mussten Lungenödeme klinisch behandelt werden. Die Betroffenen hatten Bestandteile der Sprays eingeatmet. Die zuständigen Landesbehörden warnten vor den Produkten. Der Fall Magic Nano erwies sich allerdings als „Magic Marketing“, da das Produkt nach Angaben des Herstellers gar keine Nanopartikel enthielt[5]. Diese Auskunft wurde nach einer Anhörung von 60 Experten durch das BfR bestätigt, das dazu mitteilte: „Der Begriff ’Nano im Produktnamen soll[te] vielmehr [nur] auf den hauchdünnen Film hinweisen, der sich nach dem Versprühen der Produkte auf der Oberfläche von Keramik oder Glas bildet“[6].

Am 8. April 2006 veröffentlicht die Washington Post einen Artikel mit der Überschrift „Nanotech Raises Worker-Safety Questions“[7], in dem beklagt wird, dass „keine bundesstaatlichen oder Bundesregeln zum Arbeitsschutz die spezifischen Gefahren von Nanomaterialien betreffen, obwohl viele Labor- und Tierstudien gezeigt haben, dass Nanopartikel […] eigenartige biologische Reaktionen hervorrufen und viel toxischer sein können als größere Partikel derselben Chemikalien“. Der Artikel berichtet von Regierungsberatern, die nicht einmal wüssten, worauf genau sie ihre Untersuchungen konzentrieren sollten, auf deren Grundlage schließlich die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen zu entwickeln seien. Währenddessen gehe die Handhabung von Nanomaterialien in der Industrie ungebremst und ohne Sicherheitsstandards weiter.

Auf der Jahrestagung der US-amerikanischen „American Association for Cancer Research“ im April 2007 wird eine Untersuchung von Forschern der University of Massachusetts vorgestellt, die feststellt, dass Nanopartikel in Gewebezellen die DNA schädigen und Krebs auslösend wirken können. Die Forscher empfehlen große Vorsicht bei Fertigungsverfahren mittels Nanotechnologie und die Vermeidung unkontrollierten Entweichens in die Umwelt. Sie beklagen die fehlenden gesetzlichen und arbeitsschutzregulierenden Maßnahmen hinsichtlich des Umganges mit Nanopartikeln: „Es wäre vernünftig, ihre Ausbringung in die Umwelt zu begrenzen“, so eine Forscherin der Universität.

NanoDialog und Nanokommission

Die Nanokommission setzt sich aus Vertretern der Wirtschaft, Bundesministerien und Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden zusammen und berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und andere beteiligte Ressorts zu möglichen Chancen und Risiken von Nanomaterialien für Umwelt und Gesundheit im Rahmen des bundesweiten NanoDialogs.

Geleitet wird die Kommission von Herrn Staatssekretär a. D. Wolf-Michael Catenhusen. Fachliche Unterstützung leisten Experten in drei Arbeitsgruppen:

  • Arbeitsgruppe 1 beschäftigt sich mit den Chancen von Nanomaterialien für den Umwelt-/ Gesundheits- und Verbraucherschutz
  • Arbeitsgruppe 2 arbeitet an den Themen Risiken und Sicherheitsforschung und
  • Arbeitsgruppe 3 bereitet einen Leitfaden für einen verantwortungsvollen Umgang mit Nanomaterialien vor.

Literatur

Deutsch

  • Niels Boeing: Nano ?! – Die Technik des 21. Jahrhunderts Rowohlt, Berlin 2004, ISBN 3-87134-488-5.
  • Vlad Georgescu, Marita Vollborn: Nanobiotechnologie als Wirtschaftskraft. Campus Verlag, 2002, ISBN 3-593-36926-5.
  • Uwe Hartmann: Faszination Nanotechnologie. Spektrum Akademischer Verlag. 2005. ISBN 3-8274-1658-2 .
  • Thorsten Klooster: Intelligente Oberflächen. Birkhäuser Verlag, Basel 2009. ISBN 978-3-7643-8811-9
  • Uwe Lahl: Nanotechnologie: Aufbruch ins Ungewisse. Oekom Verlag, München 2006 (Sammelband mit 15 kritischen Beiträgen), ISBN 3-86581-050-0.
  • H. Paschen u. a.: Nanotechnologie – Forschung, Entwicklung, Anwendung; Springer-Verlag 2004; ISBN 3-540-21068-7.
  • A. Nordmann, J. Schummer, A. Schwarz (Hrsg.): Nanotechnologien im Kontext. Philosophische, ethische und gesellschaftliche Perspektiven. Berlin 2006 (Sammelband mit 22 dt. Beiträgen), ISBN 3-89838-074-2 (Online).
  • T. Shelley: Nanotechnologie. Neue Möglichkeiten, Neue Gefahren; Übersetzung: U. Seith; Parthas-Verlag, Berlin, 2007; ISBN 978-3-86601-720-7.
  • Bundestagsdrucksache „Stand und Entwicklung der Nanotechnologie in Deutschland“, BT-Drs. 14/5443 vom 28. Februar 2001
  • Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) „Technikfolgenabschätzung Nanotechnologie“, BT-Drs. 15/2713 vom 15. März 2004
  • Georg Erber: Große Potentiale der Nanotechnologie in Deutschland. In: Wochenbericht des DIW Berlin 74, Nr. 25, 2007, S. 393–396 (Online).
  • J. Kahn: Nanotechnologie. Miniroboter im Einsatz gegen Krebs, extrem kleine Datenspeicher: Wie neue Forschung unser Leben verändert. In: National Geographic Deutschland. Juni 2006, S. 132–153.
  • Jürgen Nakott: Markt ohne Grenzen. Wir sind längst von Nanopartikeln umgeben – Das Risiko kennt noch niemand. In: National Geographic Deutschland. Juni 2006, S. 154–157.
  • Nadrian C. Seeman: Karriere für die Doppelhelix In: Spektrum der Wissenschaft. Januar 2005.
  • Niels Boeing: Die Risiken der Nanotechnik. Vorschlag für eine Klassifizierung in drei Risikoklassen. 22. Chaos Communication Congress, 29. Dezember 2005 (PDF).
  • Ferdinand Muggenthaler: Nanophysik und Nanoethik. In: Jungle World 17. Dezember 2003 (Dossier, Online).
  • Valentin L. Popov : Kontaktmechanik und Reibung. Ein Lehr- und Anwendungsbuch von der Nanotribologie bis zur numerischen Simulation. Springer-Verlag, 2009, S. 328, ISBN 978-3-540-88836-9.

Englisch

  • K. Eric Drexler: Nanosystems: Molecular Machinery, Manufacturing and Computation. Crystal Dreams Pub, 1992, ISBN 0471575186 (Kapitel 1 u. 2, HTML).
  • K. Eric Drexler: Engines of Creation. The coming era of nanotechnolog. Fourth Estate, 1996, ISBN 1857024869(Auszüge).
  • K. Eric Drexler, Chris Peterson, Gayle Pergamit : Unbounding the Future: Nanotechnology Revolution. Simon & Schuster, 1992, ISBN 0671711083 (Auszüge).
  • Robert A. Freitas: Nanomedicine, Volume I: Basic Capabilities: 1. Landes Bioscience, 1999, ISBN 157059645X (HTML). 
  • Douglas Mulhall: Our Molecular Future. Prometheus Books, 2002, ISBN 1573929921. 
  • G. Schmid (Hrsg.): Nanoparticles – From Theory to Application. Wiley-VCH, 2003, ISBN 3-527-30507-6.
  • Stefan Sepeur, Nora Laryea, Stefan Goedicke, Frank Gross: Nanotechnology.European Coating Tech Files, 2008, ISBN 978-3-866-30906-7.
  • Jean-Baptiste Waldner: Nanocomputers & Swarm Intelligence, ISTE, London 2007, ISBN 1-84704-002-0.
  • Greenpeace: Future technologies, today’s choices Nanotechnology, Artificial Intelligence and Robotics: A technical, political and institutional map of emerging technologies. London 2003, ISBN 1-903907-05-5 (PDF).
  • Joseph Kennedy: Nanotechnology: The Future is Coming Sooner Than You Think. Joint Economic Committee, United States Congress, März 2007 (PDF).
  • The Royal Society (Hrsg.): Nanoscience and nanotechnologies: opportunities and uncertainties. 2004 (Online).

Siehe auch

Portal
 Portal: Werkstoffe – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Werkstoffe

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eine Anwendung der Mechanochemie: Cornell researchers probe secrets of chemical bonding by assembling molecules one at a time. In: Cornell News Service. Bill Steele, 25. Nov. 1999. Abgerufen am 13. Jan. 2009.
  2. gekürzter deutschsprachiger Nachdruck von „Why the future doesn’t need us“ „Warum die Zukunft uns nicht braucht“ in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. Juni 2000
  3. Swiss Re (Hrsg.): Nanotechnologie. Kleine Teile - grosse Zukunft?. Zürich 2004
  4. Allianz Versicherungs-AG (Hrsg.): Allianz veröffentlicht Studie zur Nanotechnologie. München, 3. Juni 2005
  5. Magic Nano Shows Industry Need for Standard Terminology. smalltimes.com, 14. April 2006
  6. Nanopartikel waren nicht die Ursache für Gesundheitsprobleme durch Versiegelungssprays! Bundesinstitut für Risikobewertung, 26. Mai 2006
  7. Nanotech Raises Worker-Safety Questions. washingtonpost.com, 8. April 2006

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