Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe

Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe
Flagge des RGW
25 Jahre RGW
Briefmarke der DDR 1974

Der 1949 gegründete Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW; russisch Совет экономической взаимопомощи, CЭB, SEW), im Westen oft als Comecon (aus der englischen Übersetzung Council for Mutual Economic Assistance) bezeichnet, war der wirtschaftliche Zusammenschluss der sozialistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion. Er löste sich – wie das 1955 gegründete militärische Bündnis Warschauer Pakt (im Ostblock selbst als Warschauer Vertrag bezeichnet) – im Jahr 1991 infolge der politischen Umwälzungen des Jahres 1989 auf.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

RGW im Jahr 1986
   Mitglied
   Ruhende Mitgliedschaft
   Assoziiertes Land
   Beobachter

Der RGW wurde als sozialistisches Pendant zum Marshallplan und zur Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet. Er ist auch im Rahmen der Herausbildung des Kalten Krieges und der Zwei-Lager-Theorie zu sehen.

Das Gründungskommuniqué wurde am 25. Januar 1949 veröffentlicht,[1] nachdem zuvor am 18. Januar in Moskau Vertreter aus sechs Ostblock-Staaten das Protokoll zur Gründung unterzeichnet hatten.[2] Gründungsmitglieder waren neben der Sowjetunion die Länder Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und die Tschechoslowakei. Am 23. Februar 1949 trat Albanien dem Bündnis bei (dessen Mitgliedschaft später ruhte), am 29. September 1950 folgte die DDR (bis 1990). Die Mongolei (6. Juli 1962), Kuba (1972) und Vietnam (1978) wurden später ebenfalls Mitglieder. Am 17. September 1964[3] trat Jugoslawien einigen Organen des RGW bei.

China (bis 1961) und Nordkorea hatten Beobachterstatus. Im November 1986 nahmen Delegierte aus der Demokratischen Republik Afghanistan, Angola, Äthiopien, der Volksdemokratischen Republik Jemen (Südjemen), Laos, Mosambik und Nicaragua als Beobachter auf einem Treffen teil.[4]

Am 16. Mai 1973 unterzeichnete Finnland ein Kooperationsabkommen mit dem RGW, 1975 folgten dann der Irak und Mexiko, Nicaragua 1984, Mosambik 1985. Angola, Äthiopien und die Volksdemokratische Republik Jemen folgten 1986 und Afghanistan 1987.

1991 scheiterte der Versuch, das zentralverwaltungswirtschaftliche System des RGW marktwirtschaftlich zu reformieren. Mit der Auflösung der Sowjetunion löste sich auch der RGW am 28. Juni 1991 auf.

Aufgaben

Der RGW hatte zum einen die Aufgabe, eine bessere wirtschaftliche Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen den sozialistischen Staaten zu erreichen und zum anderen eine allmähliche Angleichung der sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen. Als Folge der arbeitsteiligen Spezialisierung entstand eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen der UdSSR und den anderen RGW-Staaten. Mit der Spezialisierung sollten höhere Stückzahlen erreicht und dadurch Kosten verringert werden (Synergie).

Die im Namen formulierte „gegenseitige Wirtschaftshilfe“ geschah vor allem dadurch, dass die wirtschaftlich verhältnismäßig starken Länder (Sowjetunion, DDR, Tschechoslowakei, Ungarn) die schwächeren (Bulgarien, Rumänien, Kuba, Mongolei und Vietnam) im Rahmen der sozialistischen ökonomischen Integration wirtschaftlich unterstützten. Gleichzeitig wurde damit eine ideologische Stärkung im Sinne des Marxismus-Leninismus verfolgt.

Der Außenhandel zwischen den Mitgliedern war durch mehrjährige bilaterale Verträge und einige multilaterale Verträge gekennzeichnet. Für die Koordinierung der langfristigen Wirtschaftspläne in der Sowjetunion (Fünfjahresplan, ab 1959 Siebenjahresplan) entstand ein bürokratischer Apparat, die Gosplan-Behörde, der auch für die Verknüpfung mit den Wirtschaftsplänen der anderen RGW-Staaten sorgte.

Obwohl vom System her nicht vorgesehen, war der Handel zwischen den Mitgliedern annähernd ausgeglichen, da es aufgrund der fehlenden Konvertibilität der Währungen wenig attraktiv war, Gläubigerpositionen im Außenhandel aufzubauen. Der Zahlungsverkehr wurde von der Internationalen Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit (IBWZ) abgewickelt, als RGW-Organ 1957 mit Sitz in Moskau gegründet. Zahlungsmittel waren Transferrubel und Goldreserven. Da die nationalen Preise politische Preise waren, taugten sie wenig zur Festsetzung der Preise im Außenhandel. Deshalb wurden Durchschnittspreise des Weltmarktes als Grundlage verwendet.[5]

Unter dem Dach des RGW kam es auch zu Standardisierungsbemühungen, so etwa am 23. Dezember 1968 zum Vertrag über ein Einheitliches System Elektronischer Rechentechnik (ESER) der auf die Entwicklung einer standardisierten Rechentechnik abzielte.

Gemeinsame Projekte

Energiesektor

Auf der X. Tagung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im Dezember 1958 in Prag wurde der Bau der Erdölleitung Freundschaft beschlossen, die 1963 in Betrieb genommen wurde. Auf der XXVIII. Tagung des RGW im Juni 1974 in Sofia wurde der Bau der Erdgastrasse Druschba beschlossen. Mit dem Aufbau internationaler Pipeline- und Hochspannungsleitungsnetze fanden wichtige, auch politisch wirksame Vernetzungen statt.

Spezialisierung

Die größeren Omnibusse der RGW-Staaten wurden bei Ikarus in Ungarn gebaut, die leistungsstärksten Traktoren sowie schwere Diesellokomotiven (z. B. DR-Baureihe 130) und Flugzeuge in der UdSSR, Fischverarbeitungsschiffe in der DDR. Straßenbahnwagen kamen von ČKD Tatra, Großdiesellokomotiven wie die M62 entstanden in der Lokomotivfabrik Woroschilowgrad und Bergbaulokomotiven wie die EL2 wurden unter anderem vom Lokomotivbau Elektrotechnische Werke Hans Beimler Hennigsdorf geliefert. Ab 1976 musste die Deutsche Reichsbahn ihre mittelschweren Diesellokomotiven (Baureihe 119) aus Rumänien importieren.

Geplant war auch ein Pkw der unteren Mittelklasse als Gemeinschaftsprojekt der RGW-Staaten unter Federführung der DDR und der ČSSR, das so genannte RGW-Auto.

Probleme

In der Anfangszeit gab es vor allem Probleme mit den Produktionskapazitäten, da die ausführenden Betriebe nicht auf gestiegene Produktionsmengen vorbereitet worden waren. Ein Dauerproblem war, dass die gelieferten Stückzahlen nie den benötigten Mengen entsprachen und zudem die Qualität einiger Produkte deutlich zu wünschen übrig ließ. So waren anfangs ca. 50 % der in Rumänien hergestellten Diesellokomotiven bei der Deutschen Reichsbahn nicht einsatzfähig.

Für die DDR bedeutete dies, dass einige Zweige des Fahrzeugbaus eingestellt werden mussten (u.a. Gothawagen T57), dafür entstanden Straßenbahnwagen wie der Rekowagen, Omnibusse wurden von der Firma Fritz Fleischer KG unter erschwerten Bedingungen weiterhin gebaut.

Organe

Treffen des Exekutivkomitees

Alle Hauptorgane des RGW konnten nur unverbindliche Empfehlungen beschließen. Jedes Mitgliedsland hatte nur eine Stimme, und bis 1967 galt das Einstimmigkeitsprinzip, später konnten sich die Mitgliedsländer auch bei einer Abstimmung enthalten.

Ratstagung

Die Ratstagung war formell das oberste Organ des RGW. Sie setzte sich aus den Delegierten aller Mitgliedsländern zusammen und trat in der Regel einmal pro Jahr zusammen, seit 1987 abwechselnd in der Hauptstadt des Vorsitzenden. Geleitet wurde eine Delegation vom Ministerpräsidenten eines Mitgliedslandes oder seinem Stellvertreter.

Exekutivkomitee

Das Exekutivkomitee war das eigentlich entscheidende Organ, welches aus einem Stellvertreter des Regierungschef eines jeden Mitgliedslandes bestand.

Sekretariat

Das Sekretariat bestand aus einem sowjetischen General-Sekretär, seinen nicht-sowjetischen Stellvertretern und weiterem Personal. Der Sitz des Sekretariats war Moskau. Die Gründung wurde auf der IV. Tagung des RGW am 26. und 27. März 1954 in Ungarn beschlossen.

Weitere Organe

Weitere Organe waren Ständige Kommissionen (zuletzt zweiundzwanzig) und Komitees (sechs). Es gab sie seit 1957, doch wurden sie erst später zu Hauptorganen aufgewertet. Des Weiteren gab es die Internationale Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Internationale Investitionsbank sowie die Medunion.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Arie Bloed: The External Relations of the Council for Mutual Economic Assistance. Martinus Nijhoff, Dordrecht/Boston/London 1988, ISBN 90-247-3783-4.
  • Adam Zwass:Zur Problematik der Währungsbeziehungen zwischen Ost und West‎ Europaverlag Wien 1974
  • Adam Zwass:Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe 1949 bis 1987 Springer Verlag, Wien 1988

Weblinks

 Commons: Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Curt Gasteyger: Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Gründungskommuniqué vom 25. Januar 1949. In: Europa von der Spaltung zur Einigung. Bonn 1997, S. 108f. (PDF; 11 kB, abgerufen am 26. Januar 2009).
  2. Alexander Uschakow (Hrsg.): Protokoll über die Gründung eines Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe zwischen der Regierungen den UdSSR, der Republik Polen, der Rumänischen Volksrepublik und der Republik Bulgarien, unterzeichnet am 18. Januar 1949 in Moskau. In: Integration im RGW (COMECON). Baden-Baden 1983, S. 19–21 (PDF; 15 kB, abgerufen am 26. Januar 2009).
  3. Alexander Uschakow (Hrsg.): Kommunique vom 17. September 1964 über die Unterzeichnung eines Abkommens über die Teilnahme Jugoslawiens an der Arbeit einiger Organe des RGW. In: Integration im RGW (COMECON). Baden-Baden 1983, S. 888 (PDF, abgerufen am 27. Januar 2009).
  4. Library of Congress (Hrsg.): The Council for Mutual Economic Assistance. (Country Studies, abgerufen am 27. Januar 2009).
  5. Spiegel.de: Proletarische Profite Artikel von 22. August 1966.
  6. Alexander Uschakow (Hrsg.): Statut der Internationalen Investitionsbank. In: Integration im RGW (COMECON). Baden-Baden 1983, S. 249–261 (PDF; 33 kB, abgerufen am 26. Januar 2009).

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