Schachweltmeisterschaft 1957

Schachweltmeisterschaft 1957
Botwinnik und Smyslow
Porträts
Botvinnik 1933.jpg
Smyslov2002.jpg
Michail Botwinnik
(Bild: 1933)
Wassili Smyslow
(Bild: 2002)
Nation
Flag of the Soviet Union (1955-1980).svg
Sowjetunion
Flag of the Soviet Union (1955-1980).svg
Sowjetunion
Status Titelverteidiger
Weltmeister seit 1948
Herausforderer
Alter 45 Jahre 35-36 Jahre[1]

Die Schachweltmeisterschaft 1957 war als ein vom 5. März bis 27. April 1957 ausgetragener Zweikampf zwischen dem amtierenden Schachweltmeister Michail Botwinnik und seinem Herausforderer Wassili Smyslow um den Weltmeistertitel im Schach die 20. Schachweltmeisterschaft. Bereits nach 22 Partien wurde das auf 24 Partien angesetzte Duell entschieden, da Smyslow uneinholbaren Vorsprung hatte und somit der 7. Schachweltmeister wurde. Beim Revanchekampf 1958 gewann Botwinnik jedoch den Titel wieder zurück.

Inhaltsverzeichnis

Spielort und Rahmenprogramm

Wie bereits 1951 und 1954 fand der Zweikampf im Tschaikowski-Konzertsaal in Moskau statt. Bei einem 12:12-Unentschieden würde Botwinnik seinen Weltmeistertitel erfolgreich verteidigt haben. Als Sekundanten standen Igor Bondarewski und Grigori Goldberg zur Verfügung.[2] Botwinnik beanspruchte jedoch seinen Sekundanten laut Graeme Cree nicht.[3]

Dienstags und donnerstags standen im unteren Foyer Großmeister für Simultanvorstellungen bereit. Im Foyer der zweiten Etage waren neben weiteren Simultanvorstellungen auch die Analyse der Partien sowie Schachkompositionswettbewerbe geboten. Für erfolgreiche Spieler und Löser wurden Preise und Auszeichnungen vergeben.

Vorgeschichte

Botwinnik war seit 1948 Schachweltmeister. Smyslow hatte sich mit dem Sieg beim Amsterdamer Kandidatenturnier 1956 als Gegner Botwinniks qualifiziert. Vor der Schachweltmeisterschaft 1957 hatten Botwinnik und Smyslow bereits 47 Partien[4] ausgetragen. Botwinnik führte die Bilanz mit 15 Siegen, 22 Unentschieden und 10 Niederlagen an. 1951 hatte Botwinnik gegen Bronstein und 1954 gegen Smyslow seinen Weltmeistertitel jeweils mit 12:12 Punkten verteidigt, wobei Smyslow 1954 am Anfang einen halben Punkt aus vier Partien geholt hatte.

Verlauf

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Siege Punkte
Michail Botwinnik 0 ½ ½ 1 1 0 ½ 0 ½ ½ ½ 0 1 ½ ½ ½ 0 ½ ½ 0 ½ ½ 3 9 ½
Wassili Smyslow 1 ½ ½ 0 0 1 ½ 1 ½ ½ ½ 1 0 ½ ½ ½ 1 ½ ½ 1 ½ ½ 6 12 ½
Botwinnik - Smyslow
5. Wettkampfpartie
Solid white.svg a b c d e f g h Solid white.svg
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Mit 25. b5-b6 erhielt Botwinnik entscheidenden positionellen Vorteil
Smyslow - Botwinnik
12. Wettkampfpartie
Solid white.svg a b c d e f g h Solid white.svg
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Das Manöver 42. Td8-d3 sicherte den Sieg
Smyslow - Botwinnik
18. Wettkampfpartie
Solid white.svg a b c d e f g h Solid white.svg
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Der studienartige Zug 52. La3-c1!! rettete das von den Kommentatoren verloren geglaubte Endspiel

Botwinnik bereitete sich vor allem auf den Zug 1. d2-d4 vor, obwohl Smyslow mit 1. e2-e4 zu eröffnen pflegte. Auf diesen Zug hatte Botwinnik eine Variante der Sizilianischen Verteidigung mit beiderseitigen Chancen vorbereitet, mit der er Smyslow den Königsbauernzug unangenehm machen wollte.[5] Im Wettkampf brachte diese Variante jedoch Smyslow eine vorteilhafte Stellung ein. In mehreren Partien wurde Botwinnik so vor Probleme gestellt, weshalb er auf die Französische Verteidigung auswich. Smyslows Eröffnungen waren solider, sodass er als Schwarzer eine Bilanz von +2 -2 =7 erreichte und seine größere Anzahl an Weißsiegen den Ausschlag gab.

In der ersten Partie wurde Botwinnik ein Zeitnotfehler zum Verhängnis, als er einen positionellen Fehler beging, der seine Niederlage begründete. Smyslow führte somit bereits nach der ersten Partie. Die zweite Partie wurde für Botwinnik nach einem Eröffnungsfehler erneut schwierig, doch er erreichte ein Remis im Endspiel. Nach einer weiteren Remispartie stand erneut die Eröffnung der zweiten Partie auf dem Plan, für die Botwinnik jedoch statt dem fehlerhaften einen anderen Zug vorbereitet hatte. Smyslow verlor im Mittelspiel eine Qualität und die Partie. Somit war der Spielstand ausgeglichen.

Botwinnik brachte in der fünften Partie mit positionellem Spiel Smyslow in eine schwierige Lage und eroberte zunächst einen Bauern. Im folgenden Zug versäumte er einen aussichtsreichen taktischen Schlag und brachte stattdessen den Punkt durch stetige Verbesserung seiner Stellung sicher ein.

In der sechsten Partie wechselte Smyslow zur Damenbauerneröffnung. Botwinnik wählte daraufhin eine scharfe Variante der Grünfeld-Indischen-Verteidigung, die zuvor häufig von Smyslow mit Schwarz gespielt worden war. Smyslow merkt an: „Somit waren in dieser Partie die Rollen vertauscht - ich mußte gegen meine eigene theoretische Waffe kämpfen.“[6] Nachdem Botwinnik verfrüht die Damen tauschte, überspielte ihn Smyslow positionell, sodass der Wettkampfstand erneut ausgeglichen war.

Die siebte Partie endete bald remis, woraufhin in der achten Partie erneut die Sizilianische Verteidigung erprobt wurde, in der Smyslow bereits nach weniger als 20 Zügen entscheidenden Vorteil erreichte und diesen realisierte. In der neunten Partie wurde Smyslow seinerseits überspielt, doch Botwinnik verpasste mehrere Gewinnmöglichkeiten und musste sich mit einem Remis zufriedengeben.

Die zehnte Partie begann erneut mit dem Aufzug des Königsbauern, doch Botwinnik wählte diesmal die Spanische Eröffnung aus, in der sich Smyslow gut auskannte. Dieser erreichte leichten positionellen Vorteil, doch Botwinnik baute eine sichere Verteidigung auf und hielt sich Gegenchancen aufrecht. Die Partie endete remis. In der elften Partie bot Botwinnik ein passives Qualitätsopfer an, das Smyslow jedoch ablehnte, da es zu Vorteil für Botwinnik geführt hätte. Stattdessen endete auch diese Partie unentschieden. Die zwölfte Partie brachte Smyslow hingegen bereits früh materiellen Vorteil ein, den er behaupten konnte. Einige Züge später opferte Smyslow jedoch den Bauern zurück und erhielt somit positionellen Vorteil. So durfte ein Turmopfer nicht angenommen werden, da sonst eine Bauernumwandlung entschieden hätte. Doch auch die Partiefolge brachte Smyslow einen weiteren Sieg und somit einen Ausbau seines Vorsprungs auf zwei Punkte ein.

Bereits in der folgenden Partie vermochte es Botwinnik, mit positionellem Spiel den Vorsprung des Herausforderers zu halbieren. Dabei entschieden seine Freibauern, die bereits im Mittelspiel stärker als Smyslows Freibauern waren. In der 14. Partie leitete Smyslow mit einem mutigen Manöver einen Königsangriff ein, der jedoch niemals über die Vorbereitung hinauskam, da der Herausforderer auch an anderer Stelle seine Stellung verteidigen musste. Botwinnik erreichte ein gutes, aber nicht gewonnenes, Endspiel. Smyslow verteidigte sich zum Remis. Die 15. Partie brachte ein scharfes Mittelspiel mit sich, das schließlich in ein für Botwinnik gewonnenes Endspiel mündete. Dieser ließ jedoch mehrere gute Chancen verstreichen und erreichte nur ein weiteres Remis. Experten schätzten später, dass ein Sieg in dieser Partie und somit der Ausgleich im Zweikampf den Kampfverlauf umkrempeln hätte können.

Die 16. Partie mündete in eine positionell vorteilhafte Stellung, die Smyslow immer weiter verbesserte, ohne Botwinnik Gegenspiel zu lassen. Bereits einen Zug nach der Abbruchstellung vergab Smyslow jedoch seinen Vorteil. Einige Züge später kam es zu einem Remis durch Stellungswiederholung.

In der 17. Partie erhielt Smyslow leichten Vorteil, den er ins Endspiel rettete. Nach einer Ungenauigkeit Botwinniks gewann Smyslow im Endspiel die Partie. Die 18. Partie wurde durch zwei Bauernopfer Botwinniks geprägt, durch die der Weltmeister Angriff gegen die weiße Dame erhielt. Nach einer Kombination gewann er einen Bauern zurück und erhielt Vorteil. Das Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern rettete Smyslow schließlich mit einem äußerst genauen Zug (siehe Diagramm). In der 10. Partie wurde hingegen bereits früh ein Remis vereinbart. Nachdem Smyslow in der 20. Partie ein positionelles Übergewicht erhielt, das er langsam zu einem vollen Punkt verwertete, war mit drei Punkten Vorsprung für Smyslow der Zweikampf faktisch beendet, da sich Botwinnik in den letzten beiden Partien nicht mehr wehrte und bereits nach 13 und 11 Zügen in das Remis einwilligte.

Wassili Smyslow wurde nach der 22. Partie der 7. Schachweltmeister in Kontinuität seit Wilhelm Steinitz.

Folgen

Smyslow verlor den Titel bereits beim Revanchekampf 1958 wieder. Botwinnik hielt den Titel bis 1960, als er Michail Tal unterlag, schaffte es jedoch bereits 1961 erneut, den Titel zurückzuerobern. Erst Tigran Petrosjan konnte 1963 endgültig den Titel von Botwinnik erobern. Dennoch blieb Botwinnik noch bis um 1970 ein starker Turnierspieler, zog sich dann aber vom Turnierschach zurück, um Schachtalente zu fördern und ein Computerschachprogramm zu entwickeln. Zu seinen Schülern zählen Anatoli Karpow, Garri Kasparow und Wladimir Kramnik, die ebenfalls Weltmeister geworden sind.

Smyslow blieb lange ein Spitzenspieler, der selbst 1983 noch am Kandidatenturnier um den Weltmeistertitel teilnahm und sich im erst Finale Botwinniks Schüler Garri Kasparow geschlagen geben musste, der in diesem Zyklus dann selbst Schachweltmeister wurde.

Einzelnachweise und Quellen

  1. Am 24. März 1957 war Smyslows 36. Geburtstag
  2. Mohaupt und Machatschek, S. 17-18
  3. Informationen bei Graeme Cree (via web.archive.org)
  4. Quelle hierfür ist die BigDatabase 2005, im Buch von Mohaupt und Machatschek zur Schachweltmeisterschaft 1957 werden 46 Partien genannt, wobei bei gleichbleibendem Rest nur 14 Siege Botwinniks verzeichnet sind.
  5. Es handelte sich dabei um 1. e2-e4 c7-c5 2. Sg1-f3 Sb8-c6 3. d2-d4 c5xd4 4. Sf3xd4 Sg8-f6 5. Sb1-c3 d7-d6 6. Lc1-g5 e7-e6 7. Dd1-d2 a7-a6 8. O-O-O h7-h6. Mohaupt & Mahatschek, S. 10-11
  6. Wassily Smyslow, Meine 130 schönsten Partien, Heidelberg 1988, S. 104

Literatur

  • Hermann Mohaupt, Heinz Machatschek (Hrsg.): Weltmeisterschaftsturnier 1957. Sportverlag, Berlin 1957.

Weblinks



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