Schachweltmeisterschaft 1993

Schachweltmeisterschaft 1993
Die Kontrahenten der Schachweltmeisterschaft 1993
Porträts
Kasparov-25.jpg
Nigel Short.jpg
Garri Kasparow Nigel Short
Nation
Flag of Russia 1991-1993.svg
Russland
Flag of the United Kingdom.svg
Vereinigtes Königreich
Status Titelverteidiger
Weltmeister seit 1985
Herausforderer
Alter 30 Jahre 28 Jahre
Elo-Zahl 2805 2655
Savoy Theatre 1881

Die Schachweltmeisterschaft 1993 war ein vom Schachverband PCA organisierter Zweikampf zur Ermittlung des Schachweltmeisters. Er fand vom 7. September 1993 bis 21. Oktober 1993 in London zwischen Garry Kasparow und Nigel Short statt. Es war die erste Weltmeisterschaft, die von der PCA organisiert wurde und damit die erste seit der Schachweltmeisterschaft 1937, die nicht vom Weltschachbund FIDE organisiert wurde. Die FIDE richtete ihre eigene Weltmeisterschaft aus.

Nach 20 der 24 angesetzten Partien ging Kasparow uneinholbar in Führung und verteidigte seinen Titel.

Inhaltsverzeichnis

Qualifikation

Am 13-rundigen Interzonenturnier 1990 in Manila nahmen 64 Spieler teil. Es war das erste Interzonenturnier nach Schweizer System. Die Spieler auf den ersten elf Plätzen qualifizierten sich für das Kandidatenturnier. Automatisch qualifiziert waren die Halbfinalisten des Kandidatenturniers zur Schachweltmeisterschaft 1990: Artur Jussupow, Anatoli Karpow, Jonathan Speelman und Jan Timman. Karpow erhielt als Herausforderer bei der Schachweltmeisterschaft 1990 ein Freilos im Achtelfinale und musste erst im Viertelfinale eingreifen.

Im Achtel- und Viertelfinale waren die Zweikämpfe auf acht Partien angesetzt, im Halbfinale auf zehn Partien und im Finale auf 14 Partien. Bei einem Unentschieden wurden Schnellschachpartien als Stichkampf gespielt. Bei einer vorzeitigen Entscheidung wurden fehlende Partien nicht mehr ausgespielt.

Nigel Short konnte das Kandidatenturnier gewinnen und wurde Herausforderer Kasparows. Dieser äußerte sich vor Wettkampfbeginn herablassend über seinen Kontrahenten: My opponent is Short and the match will be short.[1]

  Achtelfinale Viertelfinale Halbfinale Finale
                             
 UkraineUkraine Wassyl Iwantschuk[Q 1]  
 IsraelIsrael Leonid Judassin ½  
   UkraineUkraine Wassyl Iwantschuk 4[Q 2]  
 
   Russland 1991Russland Artur Jussupow 4[Q 2]  
 Russland 1991Russland Sergei Dolmatow 4[Q 3]
 Russland 1991Russland Artur Jussupow 4[Q 3]  
   Russland 1991Russland Artur Jussupow 4  
   NiederlandeNiederlande Jan Timman 6  
 NiederlandeNiederlande Jan Timman  
 DeutschlandDeutschland Robert Hübner  
   NiederlandeNiederlande Jan Timman
 
   SchweizSchweiz Viktor Kortschnoi  
 SchweizSchweiz Viktor Kortschnoi 4[Q 4]
 UngarnUngarn Gyula Sax 4[Q 4]  
   NiederlandeNiederlande Jan Timman
   EnglandEngland Nigel Short
 Russland 1991Russland Alexej Drejew  
 IndienIndien Viswanathan Anand  
   IndienIndien Viswanathan Anand
 
   Russland 1991Russland Anatoli Karpow  
 Russland 1991Russland Anatoli Karpow  
      
   Russland 1991Russland Anatoli Karpow 4
   EnglandEngland Nigel Short 6  
 EnglandEngland Jonathan Speelman 4[Q 5]  
 EnglandEngland Nigel Short 4[Q 5]  
   EnglandEngland Nigel Short 5
 
   Weissrussland 1991Weißrussland Boris Gelfand 3  
 Weissrussland 1991Weißrussland Boris Gelfand 4[Q 6]
 Bosnien und Herzegowina 1992Bosnien und Herzegowina Predrag Nikolić 4[Q 6]  

Trennung von der FIDE

Es kam zu Zerwürfnissen mit dem Weltschachbund FIDE um die Preisgelder, besonders den Anspruch der FIDE auf 20 Prozent des Preisfonds. Kasparow und Short antworteten mit der Gründung der PCA und Ausrichtung eines eigenen Weltmeisterschaftszweikampfs. Die FIDE entzog daraufhin Kasparow im März 1993 den offiziellen Weltmeistertitel und hielt eigene Schachweltmeisterschaften ohne Kasparow ab. Die Mehrheit der Schachwelt akzeptierte jedoch weiterhin Kasparow als einzigen echten Schachweltmeister. Die englische Tageszeitung The Times wurde Sponsor des Duells zwischen Kasparow und Short und bezeichnete es als The Times World Chess Championship.

Modus

Der Zweikampf war auf 24 Partien angesetzt. Im Gegensatz zu anderen Weltmeisterschaften sollten auch bei frühzeitiger Entscheidung alle Partien ausgetragen werden.[2] Die Bedenkzeit betrug 2 Stunden für die ersten 40 Züge, dann jeweils 1 Stunde für weitere 20 Züge. Hängepartien waren nach sechs Stunden Spielzeit vorgesehen.[1]

Die Farben für die erste Partie wurden am 3. September 1993 in einer Zeremonie ausgelost.[2] Danach wechselten die Farben in jeder Partie.

Als Spielort wurde das Savoy Theatre in London ausgewählt.[3] Gespielt wurde an drei Tagen pro Woche, dienstags, donnerstags sowie samstags.[2] Als Hauptschiedsrichter fungierte der Russe Juri Awerbach.[4]

Der Preisfond betrug 1,7 Millionen Pfund Sterling, von dem der Sieger des Zweikampfs fünf Achtel erhielt. Als Sponsor wurde die Zeitung The Times gewonnen.[1]

Als Sekundanten fungierten Alexander Beliavsky und Surab Asmaiparaschwili für den Weltmeister, Robert Hübner und Jonathan Speelman für den Herausforderer. Short hatte kurz zuvor die Zusammenarbeit mit seinem vorherigen Sekundanten Lubomir Kavalek beendet.

Verlauf

Die erste Partie wurde symbolisch von Schachgroßmeister Raymond Keene eröffnet. Nach 25 Zügen war die Zeitnotphase erreicht, in der Kasparow im 36. Zug einen Fehler beging. Ein Remisangebot Kasparows wurde von Short abgelehnt. Kurz darauf hielt Awerbach die Uhr an: In Gewinnstellung hatte Short bei seinem 39. Zug die Bedenkzeit überschritten.

Die zweite Partie endete nach einer weiteren Zeitnotschlacht remis. In der dritten Partie startete Short einen Königsangriff, den Kasparow abwehrte und selbst gewann. Die vierte Partie gewann Kasparow ebenfalls. In der fünften Partie wechselte Kasparow die Eröffnung, aber ging in eine vorbereitete Remisvariante Shorts. Die sechste Partie endete nach einem Figurenopfer Shorts ebenfalls remis. In der siebten Partie gelang Kasparow ein weiterer Sieg durch einen Königsangriff. Die achte Partie wurde zu einem taktischen Kampf. Nach mehreren taktischen Operationen und einem gefährlichen Angriff Shorts gab Kasparow ein remisbringendes Dauerschach. In der neunten Partie gelang Kasparow ein Endspiel, das er gewinnen konnte, aber stattdessen durch einen Fehlzug vergab. Short verpasste jedoch das Remis, wodurch Kasparow doch gewann. In der zehnten Partie verpasste Kasparow zunächst einen Gewinn. Short opferte seine Dame strategisch, vergab jedoch später den Sieg, den sein starker Freibauer sicherstellen konnte, wodurch Kasparow in ein Remis entkam. Durch ein Bauernopfer in der elften Partie wurde Shorts Bauernstruktur aufgebrochen, jedoch reichte der Materialvorteil zum Remis. Nach einem Läuferopfer Kasparows in der zwölften Partie sicherte sich Short durch Gegenspiel erneut ein Remis. Es folgten zwei weitere Remispartien, bis Kasparow in der fünfzehnten Partie mit einer Familienschachdrohung gewann. Shorts einziger Sieg folgte in der sechzehnten Partie. Nach einem Bauerngewinn in der siebzehnten Partie reichte Shorts Vorteil nicht zum Sieg, und nach drei weiteren Remispartien, in denen Kasparow zweimal die bessere Stellung hatte, lag Kasparow uneinholbar in Führung.

Die verbliebenen vier Spieltage wurden mit Schaupartien aufgefüllt. Dabei handelte es sich jeweils um eine 20-Minuten-Partie und eine Partie mit ausgeloster Eröffnung. Am letzten Tag spielten Kasparow und Short gegen fünf Organisationskomiteemitglieder.

Beobachter kritisierten später, dass der Zweikampf nicht die Spannung der Weltmeisterschaftskämpfe Kasparows gegen Karpow erreichte.

Partietabelle

Da die Weltmeisterschaft vorzeitig entschieden war, wurde an den verbleibenden Tagen ein Zweikampf im Schnellschach mit vier Partien gespielt, den Kasparow mit 4:0 für sich entschied. Außerdem wurde ein Themazweikampf mit drei Partien gespielt, in dem die ersten vier Züge vor jeder Partie ausgelost wurden. Short gewann diesen mit 2:1.

Partie Datum Spieler
(Weiß)
Spieler
(Schwarz)
Ergebnis ECO Eröffnung Züge Gesamtstand
(aus Sicht Kasparows)
1 7. September Kasparow Short 1:0 C88 Spanisch 39 Züge 1:0
2 9. September Short Kasparow ½:½ B67 Sizilianisch 51 Züge 1½:½
3 11. September Kasparow Short 1:0 C88 Spanisch 59 Züge 2½:½
4 14. September Short Kasparow 0:1 B97 Sizilianisch 40 Züge 3½:½
5 16. September Kasparow Short ½:½ E35 Nimzo-Indisch 18 Züge 4:1
6 18. September Short Kasparow ½:½ B86 Sizilianisch 31 Züge 4½:1½
7 21. September Kasparow Short 1:0 C88 Spanisch 36 Züge 5½:1½
8 23. September Short Kasparow ½:½ B86 Sizilianisch 41 Züge 6:2
9 25. September Kasparow Short 1:0 E35 Nimzo-Indisch 52 Züge 7:2
10 28. September Short Kasparow ½:½ B86 Sizilianisch 43 Züge 7½:2½
11 30. September Kasparow Short ½:½ C45 Schottisch 50 Züge 8:3
12 2. Oktober Short Kasparow ½:½ B88 Sizilianisch 40 Züge 8½:3½
13 5. Oktober Kasparow Short ½:½ D19 Slawisch 34 Züge 9:4
14 7. Oktober Short Kasparow ½:½ B88 Sizilianisch 39 Züge 9½:4½
15 9. Oktober Kasparow Short 1:0 D35 Damengambit 39 Züge 10½:4½
16 12. Oktober Short Kasparow 1:0 B87 Sizilianisch 38 Züge 10½:5½
17 14. Oktober Kasparow Short ½:½ C45 Schottisch 41 Züge 11:6
18 16. Oktober Short Kasparow ½:½ B87 Sizilianisch 33 Züge 11½:6½
19 19. Oktober Kasparow Short ½:½ C73 Spanisch 26 Züge 12:7
20 21. Oktober Short Kasparow ½:½ B87 Sizilianisch 36 Züge 12½:7½

Nachgeschichte

Die PCA organisierte für die nächste Schachweltmeisterschaft 1995 einen eigenen Qualifikationszyklus. Der Inder Viswanathan Anand konnte sich als Herausforderer Kasparows qualifizieren. Kasparow verteidigte den Titel gegen Anand mit 10½:7½ Punkten.

Bei der Schachweltmeisterschaft 2000 verlor Kasparow den Weltmeistertitel mit 6½:8½ Punkten an Wladimir Kramnik.

Weblinks

Literatur

Einzelnachweise

  1. Der oben genannte Spieler hatte in der ersten Partie Weiß. Danach wechselten sich die Farben ab. In den Zeitraum der Qualifikation fallen die Auflösung der Sowjetunion sowie Jugoslawiens. Hier wurde die Zugehörigkeit zu den neu entstandenen Staaten verwendet.
  2. a b Jussupow konnte sich in den 60-Minuten-Partien mit 1½:½ durchsetzen.
  3. a b Jussupow konnte sich in vier 45-Minuten-Partien mit 2½:1½ durchsetzen.
  4. a b Kortschnoi konnte sich in zwei 45-Minuten-Partien mit 1½:½ durchsetzen.
  5. a b Short konnte sich in zwei 45-Minuten-Partien mit 1½:½ durchsetzen.
  6. a b Gelfand konnte sich in zwei 45-Minuten-Partien mit 1½:½ durchsetzen.
  1. a b c Mark Weeks: World Chess Championship: 1993 Kasparov-Short(englisch).
  2. a b c John Darnton: Chess Adopts Boxing's Anarchy and Attitude(englisch). In: New York Times (6. September 1993)
  3. Pfleger/Metz: Schach-WM 1993. S.15f.
  4. Pfleger/Metz: Schach-WM 1993. S.21 „Gleichzeitig schreitet Schiedsrichter Juri Awerbach ein[…].“

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