Schloss Lüttinghof

Schloss Lüttinghof
Das Herrenhaus von Norden

Das Haus Lüttinghof ist eine Wasserburg in Gelsenkirchen und das älteste erhaltene Bauwerk der Stadt. Sie liegt im Stadtteil Hassel nördlich von Gelsenkirchen-Buer an der Stadtgrenze zu Marl, unweit des Marler Stadtteils Polsum. Die Burg wurde Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde sie von den Herren von Nesselrode im Stil des Barock umgestaltet und ein Ziergarten angelegt. Der Garten verwilderte, die Burgkapelle und die Wirtschaftsgebäude der Vorburg wurden im 20. Jahrhundert abgebrochen. Anstelle der Wirtschaftsgebäude wurde bis 1991 ein moderner Neubau errichtet und 2005 im Herrenhaus ein Gastronomiebetrieb eröffnet.

Inhaltsverzeichnis

Architektur und Baugeschichte

Gesamtanlage

Die Wasserburg liegt in einer Niederung in der Nähe eines alten Handelsweges. Die Gebäude der Anlage stehen auf einzelnen von breiten Gräften umgebenen Inseln, die durch steinerne Bogenbrücken miteinander verbunden sind. Der Zugang zur Vorburg erfolgt von Südwesten über eine Brücke. Voraus erhebt sich der Westflügel des Herrenhauses aus dem Wassergraben, der ihn von der Vorburg trennt. Südlich des Zuwegs liegt auf einer Halbinsel eine freie Rasenfläche, auf der bis 1974 eine Burgkapelle stand. Nördlich davon befindet sich anstelle der einstigen Wirtschaftsgebäude ein moderner dreiflügeliger Neubau. Von der Hoffläche der Vorburg führt eine weitere Brücke, von Pfeilern begleitet, auf den nahezu quadratischen Innenhof der Kernburg. Er wird im Süden und Westen von den rechtwinklig zueinander angeordneten Flügeln des Herrenhauses eingefasst. Der Eingang des Herrenhauses führt über eine Treppe am Westflügel ins erste Geschoss. Auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofs führt eine Brücke, die von zwei barocken Pfeilern mit aufgesetzten Vasen flankiert wird, zur langgestreckten Insel des ehemaligen Barockgartens. Vor der Brücke führt ein schmaler Weg auf eine Terrasse hinter dem Herrenhaus.

Herrenhaus

Das sogenannte Vorhaus von der Vorburgbrücke aus gesehen

Das erste Gebäude entstand wahrscheinlich kurz vor 1308. Aus dieser Bauperiode sind die 1,65 Meter starken Außenmauern an den Gräftenseiten bis ins erste Geschoss erhalten. Dieses Bruchsteinmauerwerk war eine im Burggraben stehende fünf Meter hohe Umfassungsmauer mit einem Wehrgang, die einen 31,5 mal 26 Meter großen Innenhof einschloss. Innerhalb der Mauer standen das Oberhaus (Südflügel) und das daran rechtwinklig angeschlossene Vorhaus (Westflügel), deren Außenmauern ebenfalls teilweise erhalten sind. Zu dieser Zeit bildete eine Durchfahrt des Westflügels, in einer Achse mit der Brücke der Vorburg, den Zugang zum Innenhof. Der Haupteingang ins Herrenhaus lag in der Gebäudeecke im Innenhof.

1423/24 brannte die Burg ab. Teile der Außenmauern konnten bei dem baldigen Wiederaufbau genutzt werden. Der Südflügel wurde mit feinerem Mauerwerk um ein Geschoss erweitert. Der etwa 35 cm starke Fassadenabsatz erhielt ein Werksteingesims. Heute ist er mit Dachziegeln gedeckt. Im Kellergeschoss des Südflügels wurden Kreuzgewölbe mit Gurtbögen errichtet, die Tonnengewölbe des Westflügels konnten erhalten werden.[1] Die unterschiedlich alten Gewölbe führten zu der Annahme, der Südflügel sei ein jüngerer Anbau des Westflügels.[2]

Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Durchfahrt des Vorhauses zugemauert. Der Zugang zur Kernburg wurde an die Nordseite der Insel verlegt.

Zum Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts kam es zu größeren Umbauten. Einem Auftrag vom Juni 1690 an den Maurermeister Niklas Kamarck zufolge, sollte ein Bau „vom neuen Haus bis heraus zum Weyer hin“ mit einer 7,22 mal 7,54 Meter messenden Kammer, einer Galerie und einer neuen Pforte errichtet werden. Ob und wenn ja wo genau der Bauauftrag ausgeführt wurde, ist unklar. In einer undatierten Auftragsbestätigung des gleichen Handwerkers sollte ein runder Turm aus Ziegelsteinmauerwerk abgebrochen und durch einen quadratischen Turm mit einer Kantenlänge von 5,65 Meter und vier Geschossen Höhe ersetzt werden. Bei diesen Turm handelt es sich wahrscheinlich um einen Treppenturm, der im Gelenk der beiden Flügel stand.[3] Bis 1692 wurden 100.000 Ziegelsteine für ein „neues Gebäude“ beschafft. Damit ist vermutlich der Ausbau des zweiten Geschosses des Westflügels um 1700 gemeint.[4] Die Fenster im Untergeschoss wurden vergrößert und den neuen, regelmäßigen Fenstern im Obergeschoss axial angepasst. Unter den Fenstern wurden, möglicherweise schon um 1688[3], geschweifte Sohlbänke angebracht, im Obergeschoss ein von geschweiften Konsolen getragener Aborterker. Die Satteldächer mit drei Giebeln wurden 1709 bis 1713 durch Walmdächer ersetzt. Dabei wurde vermutlich auch das Dachgesims angefügt. Die Außenwand des Westflügels zum Innenhof und die darunter befindlichen Gewölbe musste 1711 teilweise neu errichtet werden. 1713 wurde der Haupteingang ins Herrenhaus von der Gebäudeecke ein Stück nach Norden in den Westflügel, in eine Achse mit dem Barockgarten, versetzt. Die alte Umfassungsmauer im Nordwesten und Nordosten des Innenhofs wurde vermutlich 1714 abgetragen. Ein Auftrag an den Maurermeister Henrich Tutmann vom 20. Juli 1715 erwähnt drei Bögen im Innenhof. Dabei handelt es sich vermutlich um eine Loggia an der Nordwestseite des Innenhofs, die dem Bau vom Juni 1690 entsprechen könnte.[5] Wegen der massiven, geschlossenen Bauweise blieb der Wehrcharakter der Anlage trotz der barocken Umbauten erhalten.[2]

Der Treppenaufgang im Innenhof zum Eingang im ersten Geschoss wurde 1841 nach Plänen des Berliner Architekten C. Freyse neu gestaltet. Die Treppenführung im Innern wurde 1869/70 verändert.

Vermutlich führten Bergsenkungen zum Einsturz der nordöstlichen Ecke des Südflügels, die danach erneuert wurde.[1]

Von 1988 bis 1991 wurde die Burg restauriert. Unter anderem wurde das Dach neu eingedeckt und die Außenwände angestrichen. Der Anstrich mit ziegelroter Mineralfarbe auf dünnem Schlämmputz erfolgte in Anlehnung an Farbreste des Mauerwerks im zweiten Geschoss des Vorhauses. Im Inneren wurden die Holzbalkendecken durch Stahlbeton entlastet, Zwischenwände abgerissen und eine neue Treppe installiert. Der Innenhof wurde neu gepflastert und neue Brücken aufgebaut.

Innenausstattung

Der größte Teil der Innenausstattung kam ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Haus Havixbeck.[6]

Der Kamin von 1562 stand vermutlich ursprünglich in der Herrenstube in der Nordwestecke des Vorhauses im ersten Geschoss. Er wurde zur Eheschließung des Burgherrn Reiner von Raesfeld mit Anna von der Lippe (genannt Hoen) aufgestellt und wird daher auch Hochzeitskamin genannt. Er lässt sich der Renaissance zuordnen. Von zwei Säulen gehen Halbbögen aus, die den Kaminmantel tragen. Der Mantel ist oben und unten von Gesimsbändern abgeschlossen. Auffallend sind vor allem die vier weit vortretenden Köpfe. Die beiden Büsten auf der Frontseite lassen sich den Ehepartnern zuordnen. Zwischen den Büsten befindet sich in der Mitte eine mit Rollwerk dekorierte Kartusche mit dem Spruch „Uf dusser stuffe sall men sprechen: Ehrbare wordt un va nemanz gebrechen. 1562.“ („In dieser Stube soll man sprechen: Ehrbare Worte und von Niemands’ Gebrechen. 1562.“)

Der Kamin von 1688 stand im Rittersaal, wo heute ein Abguss des Kamins steht. Er stammt aus der Werkstatt des Johann Wilhelm Gröninger und ist in Baumberger Sandstein ausgeführt und barock dekoriert. Von Blüten geschmückte Lisenen und Karyatiden halten den Kaminmantel, der durch Faszien architraviert wird. Zwischen den horizontalen Balken wird eine Kartusche mit der Inschrift „OMNIA PRO POSTERIS“ („Alles für die Nachkommen“) von Roll- und Knorpelwerk sowie zwei Putten eingefasst. Über dem oberen Gebälk folgt ein gesprengter Schweifgiebel. In seiner Mitte befindet sich eine Kartusche, welche die Ämter und Titel des Burgherrn Johannes Wilhelm von Nesselrode aufzählt. Die Kartusche darüber zeigt das Wappen derer von Nesselrode. Beide Kartuschen werden von üppigen Voluten, Blütenornamentik und Putten umrankt. Den äußeren Abschluss bilden zwei Frauengestalten, die auf den geschwungenen Giebelstücken ruhen.

Wirtschaftsgebäude

Die drei Flügel der Wirtschaftsgebäude standen auf der Vorburginsel. Sie enthielten Erntekammern, Schmiede und Holzwerkstatt, Ställe für Kühe, Schweine und Pferde sowie Wohnräume für die Bediensteten. Der nordöstliche, weiß verputzte Ziegelstein- und Holzfachwerkbau mit Walmdach wurde 1725 erbaut. Das Gebäude hatte aber einen auf Eichenpfählen gegründeten Vorgängerbau aus Bruchsteinen. Im 19. Jahrhundert wurde es erneuert und 1948 um Wohnräume im Südosten erweitert. Im Nordwesten schloss sich im rechten Winkel eine langgestreckte Scheune an. Sie wurde im zweiten Weltkrieg zerstört und danach wiederaufgebaut, brannte jedoch 1959 ab und wurde 1960/61 ein weiteres Mal neu errichtet. Der Scheune schloss sich der südwestliche Trakt aus Ziegelsteinen an. Er stammte aus dem Jahr 1838.

Die Wirtschaftsgebäude wurden 1987/88 abgebrochen und an ihrer Stelle ein großflächig verglaster Backsteinbau mit Holzbaugliedern errichtet. Der moderne Neubau orientiert sich am Grundriss der alten Vorburg und besteht wie diese ebenfalls aus drei Flügeln. Der Bau wirkt durch die niedrige Trauflinie des Satteldachs trotz seiner zwei Geschosse relativ niedrig gegenüber dem Herrenhaus. 1994 wurde er als „vorbildliches Bauwerk in Nordrhein-Westfalen“ ausgezeichnet.[7]

Mühlen

Unmittelbar im Südwesten der Burganlage mündet der Hasseler Mühlenbach in den Picksmühlenbach, der weiter als Rapphoffs-Mühlenbach nach Norden der Lippe zufließt. Die Bachläufe trieben 1671 zwei Kornmühlen, eine Ölmühle und eine Walkmühle an. 1691 wurde eine Bohr- und Schleifmühle erwähnt. Der aufgestaute Rapphoffs-Mühlenbach wurde ab 1716 auch zum Antrieb einer Papiermühle genutzt.

Nur von der Kornmühle neben dem Zugang zur Vorburg sind Reste erhalten. Sie wurde 1718 bis 1721 neu erbaut. 1872 erhielt sie vom streng katholischen Müller die Türinschrift „Credo in unam sanctam ecclesiam et papam infallibilem“ in dem er sich zur Unfehlbarkeit des Papstes nach dem ersten Vatikanisches Konzil bekannte. Danach wurde die Mühle als „Unfehlbarkeitsmühle“ bekannt. Im Frühjahr 1945 wurde sie bei Bombenangriffen zerstört. Ihre Fundamentreste und Mühlsteine erinnern an den Standort.

Burgkapelle

Eine Anerkennung der Ausstattung (Dotation) einer Kapelle seitens des Burgherr Johann Stecke – datiert auf den 23. November 1379 – belegt erstmals eine dem Heiligen Antonius geweihte Kapelle auf Lüttinghof. Unklar bleibt, ob es sich dabei um einen Kapellenraum im Herrenhaus oder bereits um einen selbstständigen Bau handelte.

Die Baumaßnahmen der Kapelle um 1500 am heutigen Platz waren demnach entweder der erste Bau oder eine umfangreiche Erneuerung einer schon bestehenden Kapelle. Die Fundamente mussten 1516 erneuert werden. Der Backsteinbau war 13,65 Meter lang und 8,75 Meter breit. Der 3/8-Chorschluss lag im Nordosten. Sieben zweibahnige Spitzbogenfenster mit spätgotischem Fischblasen-Maßwerk und die dazwischen stehenden Strebepfeiler gliederten die Kapelle in der Vertikalen.

Um 1670 stiftete die Familie von Nesselrode den Altar, der einen niedrigeren ersetzte. Vermutlich wurde zu seiner Aufstellung das mittlere Chorfenster zugemauert. Das Schmuckwerk des Altars zeigte sowohl Stilformen der Renaissance als auch des Barock. Aus der gleichen Zeit stammten die Kirchenbänke, die Wandverkleidung und ein Sakramentshäuschen. Die Chorschranken kamen aus der Engelsburg Recklinghausen in die Kapelle.

Zwischen 1709 und 1717 wurde die Kapelle mehrmals repariert. Die Fundamente wurden erneuert, Giebel und Dachgebälk instand gesetzt. Das Dach wurde mit Moselschiefer neu eingedeckt und das renovierte Mauerwerk neu verputzt.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Giebelwand im Südwesten verändert. Eine Lithografie von 1837/40 zeigt noch einen quadratischen Dachreiter aus Holz mit einer steilen Zeltspitze. Später wurde er durch einen von Kreuz und Hahn bewehrten Glockengiebel ersetzt.

Danach verfiel die Burgkapelle, bis sie 1974 wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste. Auf der freien Rasenfläche ist ihr Grundriss mit Steinplatten nachgezeichnet.

Gartenanlage

Anfang des 18. Jahrhunderts wurde nordöstlich der Burganlage ein etwa 90 mal 183 Meter großer barocker Ziergarten angelegt. Er war nur über eine Brücke vom Herrenhaus aus zugänglich und von Gräften umflossen. 1705 wurde in der Mitte des Gartens ein mehrteiliger Schalenbrunnen (Kaskade) mit einem vierpassförmigen Überlaufbecken aufgestellt, das einen Durchmesser bis zu acht Metern aufwies. Um den Brunnen gruppierten sich nach einem Vertrag von 1713 vierzehn große Skulpturen. Von ihnen sind noch sieben etwa 2,10 Meter hohe Statuen aus Sandstein erhalten. Sie stellen Götter der griechischen und römischen Mythologie dar (Artemis, Aktaion, Bacchus, Flora, Pan, Herakles und eine wegen starken Verfalls nicht genauer zu bestimmende weibliche Gottheit, möglicherweise Daphne). Außerdem befanden sich 1713 vier kleinere Skulpturen, zwölf Kaiserbüsten auf Postamenten, vier Obelisken und vier Sonnenuhren im Garten. Er ist – ebenso wie auch ein Nutzgarten mit Gemüse- und Kräuterbeeten sowie Obstbäumen im Süden der Burganlage – heute nicht mehr erhalten und wird als Weideland genutzt.

Geschichte

Familie von Lüttinghof

Die älteste urkundliche Erwähnung von Haus Lüttinghof als castrum Luttekenhove datiert vom 28. August 1308. Es handelt sich um eine Lehnsurkunde zwischen dem Kölner Erzbischof Heinrich II. und Dietrich von Flerke. Die Familie von Flerke (auch von Vlierke) besaß im 13. Jahrhundert eine Burg an der Lippe bei Ahsen. Diese Burg an der Grenze der kurkölnisches Veste Recklinghausen wurde 1287 im Zuge einer Fehde mit der Grafschaft Mark von Eberhard I. von der Mark zerstört. Irgendwann danach, vermutlich aber kurz vor 1308, ließ Dietrich von Flerke in einer Niederung zwischen Gelsenkirchen-Buer und Polsum eine Wasserburg errichten. Danach nannte er sich Dietrich von Luttekenhove, also von Lüttinghof. 1322 übernahm sein Sohn Dietrich (II.) von Lüttinghof die Burg. Er gewann politischen Einfluss im Vest und wurde 1352 Amtmann in Recklinghausen und Dorsten. Sein Sohn Dietrich (III.) von Lüttinghof war ab 1361 Burgherr, starb aber 1376 ohne Nachkommen.

Familie Stecke

Neuer Lehnsträger wurde der Knappe Johann Stecke aus einer Familie des Landadels aus dem Herzogtum Kleve. Sein Sohn Borchard II. Stecke nutzte die Burg als militärischen Stützpunkt für seine Fehden. Er hatte jedoch mit seiner Frau Elisabeth de Grave keinen männlichen Nachkommen.

Familie von der Ruer

Die Tochter von Borchard II., Elisabeth Stecke, hatte 1430 Reiner von der Ruer geheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn Godert von der Ruer wurde 1454 Herr von Haus Lüttinghof. Von ihm ist die sogenannte „Kiliansfehde“ überliefert: Godert hatte im Sommer 1465, als in Essen die Kilianskirmes gefeiert wurde, heimlich 800 Stück Vieh von Essener Weiden nach Lüttinghof getrieben. Godert ließ seine Bauern und Schützen aus Recklinghausen auf Lüttinghof Stellung nehmen und verteidigte die Burg gegen die Essener. Sein Sohn Burchard von der Ruer war ebenso kampfeslustig. Als Schnapphahn raubte er durchziehende Handelsreisende aus. Burchard war vermutlich kinderlos und löste das Lehnsverhältnis über die Burg 1513 auf.

Familie von Raesfeld

Der Kölner Kurfürst Philipp II. von Daun belehnte daraufhin Reiner von Raesfeldt mit der Burg Lüttinghof. Sein Enkel hieß, wie schon der Sohn, ebenfalls Reiner. Er übernahm die Burg wahrscheinlich Mitte des 16. Jahrhunderts. Reiner wurde 1586 Statthalter im Vest Recklinghausen. Während der Reformation war er Fürsprecher des katholischen Erzbischofs und Kurfürsten Ernst von Bayern, der auch mehrmals zu Gast auf Lüttinghof war. Im Achtzigjährigen Krieg besetzten protestantische, niederländische Soldaten 1590 das Haus und nahmen Reiner gefangen. Es folgte eine Belagerung der Burg, und es kam zu einer Schlacht mit mehreren hundert Toten. Doch erst nach Zahlung von 8.000 Reichstalern gaben die Niederländer die Anlage frei. Der Burgherr Reiner starb nach einem Jahr in holländischer Gefangenschaft. Seine Erbtochter Anna Clara von Raesfeld heiratete um 1593 Johann Heinrich Hugo Huyn von Amstenrath. 1603 erhielt er vom Kurfürsten die Burg als Lehen. Johann geriet in Geldnot, und so verkaufte er das Haus Lüttinghof 1615 für 4.000 Reichstaler an Wilhelm von Nesselrode.

Familie von Nesselrode

Wilhelm von Nesselrode folgten seine Söhne Bertram und Mathias. Danach herrschte Mathias’ Sohn, Johann Wilhelm von Nesselrode. Er starb 1693 als Domherr in Münster kinderlos. Sein Neffe, Mathias Johann Bertram Wilhelm von Nesselrode, übernahm danach die Burg. Er starb 1705, woraufhin seine Witwe Maria Louisa von Brabeck die Belehnung der gemeinsamen Töchter Sebastiana Anna Charlotte Johanna und Maria Antoinetta Theresia Felicitas beantragte. 1718 heiratete Sebastiana den Freiherren Johann Rudolf Benedikt von Twickel zu Havixbeck. 1727 oder 1729[8] übernahm ihr gemeinsamer Sohn, Clemens (I.) August von Twickel, das Haus Lüttinghof.

Familie von Twickel

Clemens (I.) August übertrug die Burg vermutlich vor seinem Tod 1792 an seinen 1755 geborenen Sohn, Clemens (II.) August Maria von Twickel. Der Reichsdeputationshauptschluss hob die Lehnsherrschaft der kurkölnischen Erzbischöfe 1803 auf, und das Haus Lüttinghof wurde Eigentum von Clemens II. von Twickel. Er wohnte bis zu seinem Tod 1841, und seine Nachkommen bis in die 1890er Jahre, im Herrenhaus. Danach bezog es ein Förster. In den 1970er Jahren diente die Burg als Erholungsheim für Ordensschwestern.[9]

Stadt und Landschaftsverband

Der LWL ließ auf der Vorburginsel diesen modernen Neubau errichten.

1976 veräußerte Clemens VI. von Twickel die Wasserburg an die Stadt Gelsenkirchen. Die Stadt übertrug sie 1986 an die Westfälisch-Lippische Vermögensverwaltungsgesellschaft des Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Der LWL renovierte das Herrenhaus und ließ die Vorburg abreißen sowie an ihrer Stelle einen modernen Neubau errichten. Die Gebäude wurden am 20. September 1991 als zentrale Restaurationswerkstatt für die Museen des westfälischen Museumsamtes in Trägerschaft des LWL eingeweiht. Es beheimatete sieben konservatorische und restauratorische Werkstätten (Holz und Möbel, Metall, Skulpturen, Gemälde, Textilien, Papier und Leder, Glas und Keramik), chemische Labors sowie Einrichtungen für Fotografie und Röntgenaufnahmen. Die Verwaltung der Werkstatt war im Herrenhaus untergebracht. Zum 1. Januar 2004 wurde die Restaurierungswerkstatt aufgegeben. Die Räumlichkeiten der Restaurationswerkstatt werden seither als Büros und seit April 2005 auch als Schulungsräume für die beiden Gelsenkirchener Studienseminare genutzt.[10] Im Herrenhaus wird seit 2005 die Burggastronomie „Schnapphahn“ betrieben in der auch regelmäßig Kammerkonzerte stattfinden.

Einzelnachweise

  1. a b W. Breuer: Notizen zur Baugeschichte des Hauses Lüttinghof in Gelsenkirchen-Buer. S. 188.
  2. a b R. Brock: Haus Lüttinghof. S. 96f.
  3. a b W. Breuer: Notizen zur Baugeschichte des Hauses Lüttinghof in Gelsenkirchen-Buer. S. 190.
  4. W. Breuer: Notizen zur Baugeschichte des Hauses Lüttinghof in Gelsenkirchen-Buer. S. 189f.
  5. W. Breuer: Notizen zur Baugeschichte des Hauses Lüttinghof in Gelsenkirchen-Buer. S. 192.
  6. W. Breuer: Notizen zur Baugeschichte des Hauses Lüttinghof in Gelsenkirchen-Buer. S. 193.
  7. Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Auszeichnung vorbildlicher Bauten in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 1995.
  8. Widersprüchliche Angaben in M. Anczykowski: Haus Lüttinghof. S. 8.
  9. Karl Emerich Krämer: Haus Lüttinghof. In: Burgenfahrt durchs Münsterland. Dr. Wolfgang Schwarze Verlag, Düsseldorf 1975. S. 122f.
  10. Konrad Morsey: Schöner lernen. Gelsenkirchener Studienseminare zogen um ins Wasserschloss. In: Bezirksregierung Münster (Hrsg.): Jahresblick 2005. Münster 2005 (PDF; 6,2 MB).

Literatur

  • Maria Anczykowski: Haus Lüttinghof. Geschichte einer Wasserburg in Gelsenkirchen. Ardey, Münster 1992. ISBN 3-87023-031-2.
  • Heinz-Jürgen Bartel: Zur Bauplanung – Haus Lüttinghof. In: Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Aus westfälischen Museen. Münster 1988, ISSN 0178-3912, S. 42–47.
  • Wilhelm Breuer: Notizen zur Baugeschichte des Hauses Lüttinghof in Gelsenkirchen-Buer. In: Verein für Orts- und Heimatkunde Gelsenkirchen-Buer (Hrsg.): Beiträge zur Stadtgeschichte. Bd. 13. Gelsenkirchen 1987, S. 187–214.
  • Rudolf Brock: Haus Lüttinghof. In: Heimatbund Gelsenkirchen (Hrsg.): Burgen und Schlösser in Gelsenkirchen. Gelsenkirchen, 1960. S. 95–100.
  • Johannes Körner (Bearb.): Landkreis Recklinghausen und Stadtkreise Recklinghausen, Bottrop, Buer, Gladbeck und Osterfeld. In: Provinzialverband der Provinz Westfalen (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen. Bd. 39. Münster 1929. Unveränderter Nachdruck der Erstauflage Hermes, Warburg 1995. ISBN 3-922032-79-6, S. 81ff, 87f, 100–106.
  • Julia Obladen-Kauder: Archäologische Untersuchungen auf der Anlage von Haus Lüttinghof. In: Verein für Orts- und Heimatkunde Gelsenkirchen-Buer (Hrsg.): Beiträge zur Stadtgeschichte. Bd. 15. Gelsenkirchen 1989, S. 257–285.
  • Julia Obladen-Kauder: Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen auf der Anlage von Haus Lüttinghof in Gelsenkirchen. In: Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (Hrsg.): Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe. Bd. 8. Mainz 1993, ISSN 0175-6133, S. 133–154.
  • Gustav August Spürk: Burg Lüttinghof. In: Verein für Orts- und Heimatkunde Gelsenkirchen-Buer (Hrsg.): Beiträge zur Stadtgeschichte. Bd. 8. Gelsenkirchen 1976.
  • Helmut Weigel: Sachkultur und geistige Welt auf Haus Lüttinghof im Barock. Der Kamin 1688 und ein Inventarverzeichnis 1743. In: Verein für Orts- und Heimatkunde Gelsenkirchen-Buer (Hrsg.): Beiträge zur Stadtgeschichte. Bd. 17. Gelsenkirchen 1992. S. 5–77.
  • Karsten Mark: Schnapphahns Wasserburg. Anwesen in Gelsenkirchen ist 700 Jahre alt, in: Westfalenspiegel 6/2008, S. 57

Weblinks

51.6192083333337.03944444444457Koordinaten: 51° 37′ 9″ N, 7° 2′ 22″ O


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