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Eine Babyklappe, auch Babynest oder Babykörbchen genannt, soll es Müttern oder Vätern in Not ermöglichen, ihr Neugeborenes anonym zur Adoption freizugeben. Eine Klappe dient den Betreibern zur Folge als Erste-Hilfe-Stelle, um Kinder vor Tötung oder Aussetzung zu schützen. Zunehmend richten gemeinnützige private und kirchliche Organisationen und Krankenhäuser Babyklappen ein. Faktisch wäre es der unklaren Rechtslage wegen nahezu jeder Organisation und sogar Privatpersonen möglich, eine solche Babyklappe einzurichten. Wegen unklarer Rechtslage und ethisch-moralischer Diskussionen über Sinn und Erfolg der Einrichtungen sind sie umstritten.
Inhaltsverzeichnis
Historisches
Vergleichbare Einrichtungen existieren schon seit Jahrhunderten, so etwa beim Vatikanischen Hospital Santo Spirito, an dem noch heute eine alte Babyklappe sichtbar ist. Papst Innozenz III. ließ gegen Ende des 12. Jahrhunderts als erster verfügen, dass an den Pforten der damals besonders in den romanischen Ländern zahlreichen Findelhäuser sogenannte Drehladen angebracht wurden. Diese Einrichtung sollte die geheime Aussetzung ermöglichen und die Ermordung unehelich geborener Kinder verhindern. Das von der Zunft der Seidenweber im 14. Jahrhundert gestiftete Findelhaus „Ospedale degli Innocenti“ in Florenz, besitzt einen drehbaren Holzzylinder („Ruota“), an dem noch bis 1875 Säuglinge anonym abgegeben werden konnten.
Johann Georg Krünitz beschreibt eine entsprechende Vorrichtung in seiner "Oeconomischen Encyklopädie" mit diesen Worten:
- „An den Findelhäusern wird die Einrichtung gemacht, dass die Kinder in einen gewissen Drehschrank, Rolle oder Walze, Torno genannt, geleget, und dieselbe umgedrehet wird, dass das Kind in das Haus hineinwärts zu liegen kommt. Man zieht alsdenn an der daselbst befindlichen Glocke oder Klingel, und geht davon; da denn das Kind auf dieses gegebene Zeichen sogleich von den dabey wachenden Aufsehern in Empfang genommen wird. Gedachtes Behältnis oder Torno, welches in der Mauer an einer eisernen Spindel befestigt ist; sieht gemeiniglich einem großen Kornscheffel ähnlich, und kann umgedrehet werden, so bald der Deckel davon genommen wird.“
Und an anderer Stelle fügt er hinzu:
- „Der Torno an dem Hamburger Findel= und Waisenhause, hat folgende merkwürdige Überschrift:
Auf dass der Kindermord nicht künftig werd verübet,
Der von tyrannscher Hand der Mutter oft geschicht,
Die gleichsam Molochs Wuth ihr Kindlein übergiebet,
Ist dieser Torno hier auf ewig aufgericht. ANNO 1709.“
Die erste moderne Babyklappe in Deutschland wurde am 8. April 2000 in Hamburg-Altona eingeweiht. Diese Einrichtung besteht aus einem Wärmebett, in das der Säugling von außen gelegt werden kann. Mit einer Zeitverzögerung, die der einlegenden Person die Möglichkeit gibt, sich unentdeckt zu entfernen und so ihre Anonymität zu wahren, wird ein stummer Alarm ausgelöst. Der ruft Fachpersonal herbei, das sich um das Findelkind kümmert.
Diskussion
Obwohl das Stigma der nicht ehelichen Geburt in der westlichen Gesellschaft kaum noch existiert, kommt durch neue religiöse Bewegungen und nicht zuletzt durch die Migration wieder eine Klientel zustande, für welche diese Einrichtung einen Nutzen darstellt.
Kritiker meinen, dass Babyklappen jedoch nicht das Töten oder das Aussetzen von Kindern verhindern. Dies wird damit begründet, dass Mütter, die ihre Kinder aussetzen oder töten, sich in scheinbar ausweglosen Situationen wähnen, darum nicht zu planvollem Handeln in der Lage sind, somit in Panik reagieren und nicht die Babyklappen in Anspruch nehmen können. Mütter in sozialen Notlagen, die nicht in Panik sind, könnten die Babys problemlos zur Adoption freigeben. Der wesentliche Unterschied für Mutter und Kind ist hier, dass dem Kind bei der Adoption (auf lange Sicht) die Kenntnis über die eigene Herkunft erhalten bleibt.
Darüber hinaus bieten Babyklappen Müttern, die sonst u.U. den Weg der Freigabe zur Adoption wählen würden, die Möglichkeit, ihre Kinder bei den Babyklappen anonym abzugeben. Diesen Kindern wird dadurch das in der UN-Kinderrechtskonvention proklamierte Recht auf Wissen um die eigene Herkunft vorenthalten.
Auch existieren viele Alternativen zur Babyklappe, etwa die anonyme Geburt, in der die Mutter anonym in einer Klinik ihr Kind zur Welt bringen kann. Dort sind Mutter und Kind sicher versorgt. Eine Beratung über ihre Möglichkeiten (staatliche Unterstützung oder Adoption) wird ihr angeboten, sie ist aber nicht dazu verpflichtet. Bei einer anonymen Geburt bleibt die Anonymität der Mutter also ebenso wie bei der Babyklappe erhalten, Mutter und Kind sind aber vor, während und nach der Geburt medizinisch und seelsorgerisch nicht auf sich allein gestellt. Kritiker der Babyklappe warnen davor, dass junge Eltern, die die Babyklappe nutzen, bei einer Beratung - etwa während einer anonymen Geburt - Wege hätte erfahren können, die ihnen vielleicht doch einen gemeinsamen Weg mit ihrem Kind ermöglicht hätten. Weil die Abgabe eines Kindes in einem Drittel aller Fälle bei den abgebenden Frauen zu schweren Depressionen bis hin zu psychogener Sterilität führen kann, ist eine Begleitung und Aufklärung der Mutter über ihre Rechte umso wichtiger (nach Untersuchungen der Adoptionsexpertin und Kriminologin Prof. Dr. Christine Swientek). Auch für die Kinder ist es oft wichtig, später einen Ansatz zur Wurzelsuche zu haben und mehr über ihre Identität und ihren Ursprung herausfinden zu können. Hilfe und Beihilfe liegen bei diesem Thema nah beieinander und werden daher auch unter den Verantwortlichen kontrovers diskutiert.
Babyklappen in Deutschland
Babyklappen gibt es zurzeit in Aachen, Altötting, Aue, Augsburg, Berlin, Bochum, Braunschweig, Bremen, Chemnitz, Detmold, Dessau, Dortmund, Dresden, Duisburg, Eisenach, Erfurt, Essen, Fulda, Gummersbach, Halle (Saale), Hamburg, Hanau, Hannover, Herford, Hüllhorst, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kassel, Kelheim, Kiel, Köln, Korbach, Landshut, Leipzig, Lübeck, Ludwigshafen, Magdeburg, Mainburg, Mannheim, Minden, Moers, Mönchengladbach, München, Münster (Westfalen), Neunkirchen (Saar), Nordhorn, Oberhausen, Osnabrück, Paderborn, Pforzheim, Potsdam, Recklinghausen, Regensburg, Rostock, Satrup, Schwerin, Stuttgart, Sulzbach-Rosenberg, Trier, Unna, Worms und Wuppertal. Insgesamt handelt es sich um über 80 Einrichtungen (Stand: 2005).
Geplant sind Babyklappen in Bad Homburg vor der Höhe, Brandenburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Gelsenkirchen, Homburg (Saar), Ingolstadt, Kassel, Krefeld, München-Schwabing, Passau.
In Hamburg (an zwei Stellen) besteht die Babyklappe seit dem Jahr 2000, in den ersten fünf Jahren sind dort 22 Babys hineingelegt worden.
In den drei hessischen Klappen, die sich im Bistum Fulda befinden, kamen seit 2001 sieben Säuglinge an.
In der Lübecker Babyklappe, die 1997 als private Initiative in einem Wohnhaus eingerichtet worden war, wurden bis 2007 neun Neugeborene abgelegt. Die Betreiberin betreut die Kinder bis zur Übergabe an Pflegefamilien. Die Kinder wurden durch kommunale Stellen zur Adoption vermittelt. Die Initiatorin bittet die Mütter jeweils über die Medien, ihrem Kind persönliche Gegenstände mitzugeben oder nachträglich einen Brief mit der Schilderung ihrer Beweggründe einzuwerfen. Dieser Bitte sind mehrere Mütter gefolgt.
Laut Terre des Hommes wurden 2006 32 Kinder anderswo ausgesetzt, von denen nur acht lebend gefunden wurden.
Gefahren der Babyklappen
Neben möglicher Gefahr für Mutter und Kind vor, während und nach der Geburt (mangelnde Versorgung, eventuell das Nichtkennen möglicher Alternativen durch das durch die Einrichtung der Babyklappe geförderte Umgehen der Beratung zu staatlichen Hilfen) und im weiteren Verlauf ihres Lebens (Wurzelsuche, psychische Bewältigung der Abgabe des eigenen Kindes), zeigen zwei exemplarische Fälle weitere Fallstricke der Babyklappe:
- in Hannover wurde im Januar 2008 vor der privaten Babyklappe Friederikenstift ein totes Baby aufgefunden. Die Tür hatte sich vermutlich verzogen und ließ sich von der Mutter nicht öffnen. Diese legte das Kind bei Frost vor die Klappe, die sehr schlecht einsehbar und nicht kameraüberwacht ist. Das Kind erfror.
- in Berlin wurde im Juli 2002 in der Babyklappe des Krankenhauses Waldfriede in Zehlendorf ein durch massive Gewaltanwendung getötetes Kind abgelegt.
Juristische Bewertung
Durch die Abgabe eines Neugeborenen an der Babyklappe entzieht sich die Mutter der elterlichen Verpflichtung, für das Wohl des Kindes zu sorgen. Diese zunächst strafbar erscheinende Handlung wird juristisch jedoch durch die Fiktion der „Überlassung“ des Kindes an einen Dritten überlagert, die nach dem Sozialgesetzbuch für eine Dauer von bis zu acht Wochen zulässig ist, um etwa die Versorgung der Kinder während eines Krankenhausaufenthalts der Eltern sicherzustellen. Bei einer Überschreitung dieses Zeitraums ist jedoch das Jugendamt einzuschalten.
Die Rechtsprechung betrachtet mangels einer spezifischeren Rechtsgrundlage Neugeborene, die in einer Babyklappe abgegeben werden, wie „überlassene“ Kinder. Diese Rechtslücke beklagen Juristen, Sozialdienste und sonstige Betroffene - da Folgen mitunter auch missbräuchlichen Umgangs mit Babyklappen angesichts fehlender Regelungen sehr schwer zu begegnen ist. So wurden in der Karlsruher Babyklappe bereits behinderte Kinder anonym abgegeben oder auch ein schon drei Monate altes Kind; ein ebenfalls schon mehrere Wochen altes Kind fand sich in einer Bad Kreuznacher Babyklappe vor.
Bisher sind mehrere Anläufe gescheitert, eine gesetzliche Regelung für den Umgang mit Babyklappen und den dort abgelegten Kindern zu erreichen. Hinderungsgründe für die angestrebte Regelung waren familien- und verfassungsrechtliche Bedenken, die das Persönlichkeitsrecht der anonym abgegebenen Kinder bedroht sahen durch die Unmöglichkeit für das Kind, Kenntnis über seine wahre Herkunft (ein Grundrecht, siehe unten) zu erlangen.
Zur strafrechtlichen Diskussion siehe den Artikel Personenstandsfälschung.
Babyklappen in der Schweiz
Es existiert eine Babyklappe beim Spital Einsiedeln.
Babyklappen in Österreich
Babyklappen gibt es zurzeit in: Wien, Salzburg,Graz, Linz, Bregenz, Klagenfurt, Ried, St. Veit an der Glan und Wels.KH Lienz in Osttirol
Situation international
- Belgien - der Bund Moeder voor Moeder (Mutter für Mutter) installierte 2000 die erste babyschuif in Antwerpen-Borgerhout. Sie wird Moeder Mozes Mandje benannt. In den ersten drei Jahren wurden keine Säuglinge in der Babyklappe hinterlegt.
- Italien - Italien hat etwa ein Dutzend Babyklappen der „Bewegung für das Leben“. 2006 wurde eine moderne Babyklappe am Santo Spirito-Krankenhaus in Vatikanstadt angelegt.
- Japan - Pläne des katholischen Jikei Hospitals in Kumamoto zur Einrichtung einer Babyklappe (kônotori no yurikago - Storchenwiege) führte 2007 zu politischen Diskussionen. Der japanische Gesundheitsminister Hakuo Yanagisawa sah keine juristische Handhabe, die Pläne des Krankenhauses, das sich vorab in Deutschland über Babyklappen informiert hatte, zu verhindern. Im April 2007 genehmigte die Stadt dem Krankenhaus die Einrichtung einer Babyklappe, die am 15. Mai 2007 in Betrieb genommen wurde.
- Niederlande - 2003 scheiterten Absichten, eine babyluik in Amsterdam zu installieren, nach heftigen Protesten. Die niederländische Gesundheitsministerin Clémence Ross erklärte, Babyklappen seien gesetzeswidrig.
- Pakistan - Die Edhi Foundation hat etwa 250 Stellen, die eine jhoola-Dienstleistung anbieten. Eine jhoola ist eine aufgehängte Wiege mit Matratze, die vor Stellen stehen, an denen Mütter ihre Kinder anonym abgeben können. Es gibt eine Klingel; Personalmitglieder prüfen einmal pro Stunde die Wiege.
- Polen das erste Fenster des Lebens (Okno życia) wurde 2006 in Krakau eingeführt. Das zweite folgte 2008 in Warschau.
- Philippinen - Das Hospicio de San Jose in Manila, 1810 gegründet und von den Daughters of Charity von Saint Vincent de Paul betrieben, hat eine „Drehwiege“ mit der Aufschrift „Abandoned Babies Received Here“ (Ausgesetzte Säuglinge werden hier aufgenommen).
- Südafrika - Die gemeinnützige Organisation „Door Of Hope“ (Tür der Hoffnung) installierte 2000 ein „Loch in der Wand“ an der Mission Church in Johannesburg. Bis Juni 2004 wurden etwa 30 Säuglinge dort hinterlassen.
- Tschechische Republik - Die erste Babklappe etablierte Babybox-Statim 2005 in Prag. Bis März 2006 wurden drei Säuglinge dort hinterlegt.
- Ungarn - In Ungarn gibt es etwa ein Dutzend Babyklappen, die meisten bei Krankenhäusern. Die erste wurde 1996 im Schöpf-Mérei Ágost-Krankenhaus in Budapest eingerichtet.
- Vereinigte Staaten - Babyklappen sind in den Vereinigten Staaten nicht bekannt; jedoch führten 47 Staaten safe haven laws (Zufluchtgesetze) ein, angefangen mit Texas am 1. September 1999. Danach dürfen Eltern ihr Neugeborenes (jünger als 72 Stunden) anonym bei Zufluchtsorten wie Feuerwachen oder Krankenhäusern abgeben.
Siehe auch
Weblinks
- Babyklappen in Deutschland, Österreich und der Schweiz Verzeichnis auf der Website des Herstellers, dort auch umfangreiche weitere Informationen
- Anonyme Geburten: Fallstricke einer Legalisierung Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 8 vom 22. Februar 2002, Seite A-493 / B-397 / C-375
- Terre des hommes - Babyklappe und anonyme Geburt Auf den Seiten finden sich statistische Daten zur Tötung von Neugeborenen zwischen 1999 und 2006. Terre des hommes steht der Babyklappe ablehnend gegenüber.
- Baby vor Babyklappe in Hannover erfroren In dem Artikel finden sich auch Hintergrundinformationen zur Geschichte dieser Babyklappe.
- Erstochenes Baby in Babyklappe abgelegt
Literatur
- Swientek, Christine Prof. Dr.: ausgesetzt, verklappt, anonymisiert: Deutschlands neue Findelkinder. Kirchturm Verlag 2007. ISBN 978-3-934117-10-5
- Swientek, Christine Prof. Dr.: Die Wiederentdeckung der Schande. Babyklappen und anonyme Geburt. Lambertus Verlag 2001. ISBN 3-7841-1361-3
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