Tetrahydrocannabinol

Tetrahydrocannabinol
Strukturformel
Struktur von Tetrahydrocannabinol
Allgemeines
Name Tetrahydrocannabinol
Andere Namen
  • (–)-Δ9-trans-Tetrahydrocannabinol
  • (6aR,10aR)-6,6,9-Trimethyl- 3-pentyl-6a,7,8,10a-tetrahydro- 6H-benzo[c]chromen-1-ol
  • Dronabinol (Freiname)
Summenformel C21H30O2
CAS-Nummer 1972-08-3
PubChem 16078
ATC-Code

A04AD10

DrugBank APRD00571
Kurzbeschreibung

zähe, harzartige Masse[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiemetikum

Verschreibungspflichtig: Ja, BtMG
Eigenschaften
Molare Masse 314,47 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig bis fest

Schmelzpunkt

ca. 40 °C[1]

Siedepunkt

ca. 157 °C [2]

pKs-Wert

10,6 [3]

Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser (2,8 mg·l−1 bei 23 °C)[4]

Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [5]
keine Einstufung verfügbar
H- und P-Sätze H: siehe oben
EUH: siehe oben
P: siehe oben
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [1]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 20/22
S: 51
LD50
  • 482 mg·kg−1 (Maus, peroral)[3]
  • 666 mg·kg−1g (Ratte, oral)[6]
  • 29 mg·kg−1 (Ratte, i. v.)[6]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

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Δ9-Tetrahydrocannabinol [ˌtɛtʁaˌhyːdʁoˌkanabiˈnoːl] (Delta-9-THC, Δ9-THC, THC) gehört zu den psychoaktiven Cannabinoiden und ist der Hauptwirkstoff der Hanfpflanze (Cannabis). Tetrahydrocannabinol unterliegt in Deutschland den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes.

Inhaltsverzeichnis

Chemie

Tetrahydrocannabinol kommt ausschließlich im Hanf (Cannabis) vor. Es wurde erstmals 1964 von Yehiel Gaoni und Raphael Mechoulam am Weizmann-Institut für Wissenschaften in Israel isoliert.[7] Besonders reich an THC sind die unbefruchteten weiblichen Blütenstände (etwa 6 bis 20 %), der THC-Gehalt der übrigen Pflanzenteile ist weit geringer (knapp 1 %). In den Samen der Pflanze ist gar kein THC enthalten. Die Blätter nahe der Blüte enthalten etwa 5–6 % THC. Männliche Pflanzen haben im Unterschied zu weiblichen einen sehr geringen THC-Gehalt.

Biosynthese

Biosynthese von THC-COOH.

Tetrahydrocannabinol liegt in der Cannabis-Pflanze überwiegend als THC-Säure vor. Durch enzymatische Kondensation aus den beiden Prekursoren Geranylpyrophosphat und Olivetolsäure wird Cannabigerolsäure gebildet, die anschließend enzymatisch in Tetrahydrocannabinolsäure umgelagert wird. Durch Wärme und UV-Strahlung decarboxyliert die Säure zum THC. Eine Umwandlung oral aufgenommener THC-Carbonsäure in THC ließ sich in Fütterungsexperimenten mit Ratten nicht nachweisen.[8]

Extraktion

THC ist sehr lipophil. Es kann per Extraktion aus THC-haltigem Pflanzenmaterial isoliert werden, wozu unpolare und schwach polare Lösungsmittel wie n-Alkane, Aceton, Isopropylalkohol oder Ethanol geeignet sind. Nach dem Abdampfen des Lösungsmittels bleibt ein harziger, ölartiger Extrakt zurück. Die Zusammensetzung des Extrakts ist abhängig von der Wahl des Lösungsmittels. Bei geeigneten Bedingungen können sehr hohe THC-Konzentrationen erreicht werden. Dieser Extrakt wird auch als Haschischöl bezeichnet.

Mit n-Butan (Feuerzeuggas) lassen sich lipophile Inhaltsstoffe bei sehr tiefen Temperaturen aus dem Pflanzenmaterial extrahieren; diese Methode bringt allerdings hohe Brand- und Explosionsgefahr mit sich. Butan verdampft bereits bei Zimmertemperatur. Der so erhaltene Extrakt hat ein Aussehen ähnlich wie Bernstein, bei Zimmertemperatur ist er dickflüssig und zieht Fäden wie Kunstharz. Wenn man ihn abkühlt, erstarrt er relativ schnell.

Neben THC enthält der Extrakt weitere Cannabinoide; bei Verwendung stärker polarer Extraktionsmittel wie Ethanol können entsprechend polare Stoffe enthalten sein, wie Chlorophyll, Alkaloide (Trigonellin, Hordenin), Aminosäuren, Aminozucker,[9] eventuell auch ungelöste feine Teile des Ausgangsmaterials. Durch geeignete Verfahren kann der Extrakt noch weiter gereinigt werden.

Teilsynthese

Dronabinol ist teil-synthetisch produziertes Tetrahydrocannabinol. In Deutschland wird es von den Unternehmen Bionorica Ethics und THC Pharm produziert. Dronabinol-haltige Fertigarzneimittel sind bisher in Deutschland nicht zugelassen. In den Vereinigten Staaten sowie Kanada gibt es unter dem Handelsnamen Marinol Fertigarzneimittel in Kapselform, die gemäß § 73 Abs. 3 AMG importiert werden können. Meistens wird jedoch Dronabinol als Rezeptursubstanz für Dronabinol-Kapseln oder ölige Dronabinol-Tropfen verschrieben.[10] Ein synthetisches Analogon ist Benzopyranoperidin (Nabitan, Nabutam).

Der Wirkstoff wird aus rechtlichen Gründen mit aufwendigen Verfahren aus THC-armem Nutzhanf teilsynthetisch hergestellt (Extraktion von Cannabidiol und Umwandlung in THC) und ist daher sehr viel teurer, als wenn man ihn aus potentem „Rauschhanf“ extrahieren würde.

Die Wirkungsweise und die Indikation entsprechen denen von Tetrahydrocannabinol (siehe korrespondierende Abschnitte unten).

Konsumformen

Der Konsum kann auf unterschiedliche Art erfolgen. Die üblichste Konsumform ist das Rauchen von Haschisch oder Marihuana pur oder gemischt mit Tabak. Häufig wird THC-haltiges Material auch mit Hilfe speziellen Rauchzubehörs wie Bongs und Pfeifen geraucht oder mit dem Vaporizer verdampft und inhaliert.

Daneben wird THC auch in Speisen und Getränken verarbeitet. Da THC lipophil ist, kann es in fettreichen Nahrungsmitteln wie Milch, Kuchen, Muffins verarbeitet werden. THC ist auf Grund seiner Lipophilie ohne Emulgator nicht intravenös applizierbar. Aufgrund seiner schlechten Wasserlöslichkeit kann es in Form von Lösungen oder Emulsionen mit Ethanol, Dimethylsulfoxid, Polysorbat 80, Cremophor EL oder Polyvinylpyrrolidon verabreicht werden.

Pharmakologie

Wirkmechanismen

Kalottenmodell des Tetrahydrocannabinols.

Der Wirkmechanismus der Cannabinoide ist in seiner Gesamtheit wenig verstanden.

THC wirkt unter anderem auf mindestens zwei Arten von Rezeptoren, die bei Säugetieren vorkommen, CB1 und CB2. CB1-Rezeptoren befinden sich vorwiegend in zentralen und peripheren Nervenzellen, wo sie die Ausschüttung von Neurotransmittern modulieren. Sie kommen aber auch in anderen Zellen vor, zum Beispiel in der Hypophyse, Immunzellen, gastrointestinalem Gewebe, sympathetischen Ganglien, Herz, Lunge, Harnblase und Nebennieren. CB2-Rezeptoren kommen hauptsächlich in Immunzellen vor und sind an der Zytokinausschüttung beteiligt.

Endocannabinoide sind körpereigene Substanzen, die auf die CB1- und CB2-Rezeptoren wirken. Sie sind Eikosanoide und werden vom Organismus bei Bedarf erzeugt. Die bekanntesten sind Arachidonylethanolamid (Anandamid) und 2-Arachidonylglycerol (2-AG). Die Endocannabinoide und die Cannabinoid-Rezeptoren bilden das sogenannte Endocannabinoid-System.

THC bindet an die CB1-Rezeptoren und sorgt so für eine Reizübertragung in diesen Synapsen, mit Auswirkungen auf das zentrale und periphere Nervensystem, wie Glücksgefühl, Entspannung und Analgesie (Schmerzlinderung). Die Aktivierung hemmt über G-Proteine die Adenylylcyclase, blockiert Ca2+-Kanäle und aktiviert K+-Kanäle. Die Transduktionsmechanismen ähneln hierbei den Opioidrezeptor-Subtypen μ, δ und κ.

Über die Rolle der CB2-Rezeptoren ist weniger bekannt, man nimmt jedoch an, dass sie an der Immunmodulation beteiligt sind, weil sie vorwiegend in B-Zellen und in natürlichen Killerzellen vorkommen.

THC wirkt auch auf andere pharmakologische Ziele wie etwa auf 5-HT3-Rezeptoren und auf Capsaicin empfindliche perivaskuläre sensorische Nerven.

Das Verteilungsmuster der CB1-Rezeptoren im Gehirn bedingt viele der pharmakologischen Eigenschaften von THC. Im Stammhirn, wo lebenswichtige Funktionen wie Atmung koordiniert werden, sind nur sehr wenige bis gar keine dieser Rezeptoren vorhanden. Im Hippocampus, wo das Kurzzeitgedächtnis angesiedelt ist, finden sich hingegen viele dieser Rezeptoren. CB1-Rezeptoren in den Basalganglien bieten eine Erklärung für den Einfluss von THC auf die Motorik.

Das nicht psychoaktive Cannabidiol (CBD) hat neben eigenen therapeutischen Wirkungen einen modulierenden Einfluss auf THC. Sowohl THC als auch CBD wirken antioxidativ und entfalten so eine neuroprotektive Wirkung, zum Beispiel bei Glutamat-induzierter Exzitotoxizität. Darüber hinaus hemmt THC die Glutamat-Ausschüttung und/oder den Eintritt von Calcium über die Ionenkanäle und wirkt so zusätzlich neuroprotektiv.

Das in Cannabis in geringer Menge enthaltene Δ8-Tetrahydrocannabinol (Δ8-THC) ist psychoaktiv, aber etwas weniger potent als Δ9-THC.

THC und CBD können Zeichen des apoptotischen und nekrotischen Zelltods induzieren.

Metabolismus

Δ9-THC wird im Menschen überwiegend zu 11-Hydroxy-Δ9-THC (11-OH-Δ9-THC) oxidiert. Dieses Stoffwechselprodukt ist ebenfalls psychoaktiv und wird weiter zu 11-Nor-9-carboxy-Δ9-THC (11-COOH-THC, THC-COOH, THC-Carbonsäure, nicht psychoaktiv) verstoffwechselt. In Menschen und Tieren wurden über 100 verschiedene Δ9-THC-Metabolite identifiziert, nahezu alle sind nicht psychoaktiv.[11] Die Metabolisierung findet im Wesentlichen in der Leber und durch die Cytochrom P450 Enzyme 2C9, 2C19 und 3A4 statt. Die Metaboliten werden dann aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften im Fettgewebe eingelagert, woraus sie anschließend nur sehr langsam wieder entfernt werden.[11] Mehr als 65 % des ursprünglich vorhandenen THCs werden so in Form von Metaboliten im Stuhl ausgeschieden und rund 25 % im Urin, ein geringer Teil wird im Körper selbst abgebaut.[11] Die Hauptmetaboliten im Urin sind mit Glucuronsäure verestertes THC-COOH und freies THC-COOH, während im Stuhl 11-OH-THC dominiert.[12]

Toxizität

Die LD50 bei der Maus beträgt 42 mg/kg Körpergewicht intravenös und 482 mg/kg bei oraler Verabreichung, beim Rhesusaffen tritt nach intravenöser Gabe von 128 mg/kg Körpergewicht der Tod durch Atemstillstand und Herzversagen ein.[13]

Der LD50-Wert wird am Menschen nicht ermittelt und lässt sich nicht verlässlich hochrechnen. Nimmt man in einer groben (und niedrig angesetzten) Schätzung, den potentiellen peroralen LD50-Wert für Menschen mit 150 mg/kg Körpergewicht an, dann würde eine 70 kg schwere Person nach oralem Akut-Konsum von 10,5 g THC mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % sterben. Diese Menge ist enthalten in rund 70–130 g eines Cannabisprodukts mit 8 – 15 % THC-Gehalt. Andere Autoren geben niedrigere letale Dosen von etwas über 4 Gramm an.[11] Da THC über den Darm nur zu etwa 6 % resorbiert wird und über die Lunge zu rund 20 % resorbiert wird[6][14] ist es praktisch unmöglich letale Mengen THC durch den Konsum natürlicher Cannabisprodukte zuzuführen, zumal die erforderlichen Menge um etwa den Faktor 1000 über der üblichen Konsummenge liegt. Es ist deshalb beim Menschen kein Fall einer Überdosis mit Todesfolge bekannt.

Pharmakokinetik

Psychische Effekte treten bei folgenden Dosierungen auf: 30–50 μg/kg intravenös, 50 μg/kg bei Rauchinhalation, 120 μg/kg oral.[15] Bei Rauchinhalation geringerer Mengen THC (5–7 mg) überwiegt die sedative Komponente, bei Mengen von 15 mg oder darüber überwiegt Vigilanz, die sich bis zu psychotischen Zuständen steigern kann.

Bei Rauchinhalation gehen ungefähr 20 % des im Rauch vorhandenen Δ9-THC in das Blut über, oral nur etwa 6 %.[16] THC geht vom Rauch sehr schnell ins Blut über, hierbei ist die Entwicklung der Plasmakonzentration mit intravenöser Einnahme vergleichbar. Bei oraler Einnahme in Form von Sesamölkapseln war die Wirkung wegen des First-Pass-Effekts vermindert, die Bioverfügbarkeit betrug nur etwa 10 bis 20 %, die höchste THC-Konzentration wurde nach etwa zwei Stunden erreicht.

THC ist im Blutplasma überwiegend an Proteine gebunden, maximal 10 % kommen in den roten Blutkörperchen vor. Die Plasmahalbwertszeit nach intravenöser Gabe entwickelt sich in vier Phasen, was nahelegt, dass es mindestens vier Gewebearten gibt, in die THC einsickert, mit jeweils unterschiedlicher Durchlässigkeit und Bindungskapazität. Die THC-Konzentration fällt zunächst in wenigen Minuten stark ab, und sinkt dann langsam weiter. Die Halbwertszeiten betragen jeweils 1 Minute, 4 Minuten, 1 Stunde und 19 Stunden. Die kurzen Halbwertszeiten (1 und 4 Minuten, 1 Stunde) sind auf den schnellen Übergang von THC in bestimmte Gewebearten sowie auf den schnellen Stoffwechsel der Substanz zurückzuführen. Nach ungefähr 6 Stunden besteht ein Pseudogleichgewicht zwischen dem THC-Gehalt im Plasma und in den Geweben. Nach 5 Tagen werden etwa 80 bis 90 % der THC-Dosis in Form von Metaboliten ausgeschieden, etwa zu zwei Dritteln im Stuhl und zu einem Fünftel im Harn.

Die THC-Konzentration im Gehirn erreicht nach rund 30 Minuten ihr Maximum, sie ist dabei etwa drei bis sechs Mal höher als im Plasma. Die THC-Konzentrationskurven im Gehirn und im Plasma verlaufen parallel, was für einen uneingeschränkten Übertritt ins Gehirn spricht. Tierversuche haben gezeigt, dass sich THC als lipophile Substanz in bestimmten Gewebearten stark anreichert, zum Beispiel in Körperfett, Herz, Leber und Lunge. Ebenso wurde im Tierversuch nachgewiesen, dass THC durch die Plazenta auf Föten übergeht und deren Entwicklung beeinflusst, wobei die Auswirkungen noch nicht hinreichend erforscht sind.[17]

Synthetische Analoga

Synthetische Analoga
Wirkstoff Wirkung
Δ6a,10a-THC eventuell psychoaktiv
Δ6a,10a-Hexyl-THC Synhexyl (Parahexyl), schwächere Wirkung als Δ9-THC
Δ6a,10a-Dimethylheptyl-THC DMH-THC, teilweise psychoaktiv
Δ6a,10a-Methyloctyl-THC
Dimethylheptylpyran DMHP, CB1-Agonist, potenter als Δ9-THC
Nabilon Antiemetikum, psychoaktiv
Levonantradol Antiemetikum, psychoaktiv
CP 55,940 rund 45 Mal so potent wie Δ9-THC
BRL 4664

Wirkungen

Bekannte Wirkungen von Δ9-THC auf den Menschen beziehungsweise Wirkungen von Cannabis, welche auf Δ9-THC zurückgeführt werden:[18]

Wirkungen
Effekte mit therapeutischem Potenzial Effekte des "high" Andere Wirkungen
  • Stimmungssteigerung
  • Euphorie
  • Redseligkeit
  • veränderte Wahrnehmung (z. B. in Bezug auf Farben, Musik, Geschmack und Zeitgefühl)
  • Gefühle erhöhter Einsicht und Bedeutung

Die wiederholte Einnahme von Δ9-THC kann bei Mensch und Tier Toleranz und Abhängigkeit bewirken. Die Toleranz ist reversibel und dürfte auf eine Verringerung der Rezeptordichte oder des Rezeptor-Signalverhaltens zurückzuführen sein. Änderungen der Affinität von Δ9-THC auf die Rezeptoren, Veränderungen des Stoffwechsels und pharmakokinetische Effekte dürften hierbei eine geringere Rolle spielen.

Eine 2011 veröffentlichte Metastudie stellte fest, dass bei jugendlichen Patienten mit psychotischen Erkrankungen, welche THC konsumieren, die Erkrankung rund 2,7 Jahre früher einsetze. Ein früherer Erkrankungsbeginn gehe mit einer schlechteren Heilungsaussicht einher. Die Autoren kommentieren, dass das Erreichen wichtiger Entwicklungsschritte in der späten Pubertät und dem frühen Erwachsenenalter die langfristigen Behinderungen, die aus psychotischen Erkrankung resultierten, abmildern könnte.[19]

Werden THC-haltige Pflanzenteile vermischt mit Tabak geraucht, kommen die Risiken des Tabakrauchens bzw. Nikotins hinzu: Arteriosklerose, sowie ein signifikant erhöhtes Risiko von Herz- und Hirninfarkten, Mund-, Kehlkopf-, Lungen- und Blasenkrebs. Es bestehen keine Hinweise, dass THC mutagen, cancerogen oder teratogen (fruchtschädigend) ist. Schwangere und Stillende und Heranwachsende sollten auf den Konsum von THC verzichten, weil Schäden am ungeborenen oder gestillten Kind, nicht ausgeschlossen werden können und es Hinweise darauf gibt, dass THC die Entwicklung des nicht ausgereiften Gehirns nachhaltig beeinflussen könnte.[20] Bei Erwachsenen wurden keine Hinweise auf bleibenden Hirnveränderungen gefunden. (siehe auch: Cannabis als Rauschmittel)

Medizinische Anwendung

Das halbsynthetische THC Dronabinol ist in Deutschland und anderen Staaten als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel für die Herstellung von Rezepturarzneimitteln erhältlich. Unter dem Handelsnamen Marinol® ist es in den Vereinigten Staaten zur Behandlung von Anorexie und Kachexie bei AIDS und als Antiemetikum im Rahmen einer Krebstherapie zugelassen. Zur Therapie eines zu hohen Augeninnendruckes (Glaukom) ist Marinol® nicht zugelassen.

Die gesetzlichen Krankenkassen (z. B. AOK) übernehmen nicht regelhaft die Kosten der Medikation, die im Einzelfall Kosten bis hin zu 800 Euro pro Monat verursachen kann, auch wenn diese Form einer Therapie oft der letzte Ausweg für diverse Krankheitsbilder ist und sein könnte. Zurzeit läuft eine Studie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit Blepharospasmus-Patienten.

In der Schweiz muss für eine Therapie mit Dronabinol vom Arzt eine patientenspezifische Ausnahmebewilligung beim BAG beantragt werden. Da Dronabinol keine Pflichtleistung der Krankenkassen ist, muss eine Kostenübernahme im Vorfeld und im Einzelfall abgeklärt werden. Bei manchen Kassen braucht es dafür eine Zusatzversicherung.[21]

Das vollsynthetische THC-Analogon Nabilon hat ähnliche Indikationen wie Dronabinol. Das THC-Analogon Levonantradol wird in Deutschland nur für Forschungszwecke genutzt. Außerdem befindet sich THC in der klinischen Erprobungsphase für die Behandlung von Glaukomen und Autoimmunerkrankungen, wie Multipler Sklerose, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Dass THC Tics bei Betroffenen des Tourette-Syndroms wirksam reduziert, bestätigten die Ergebnisse einer sechswöchigen Studie an der Medizinischen Hochschule Hannover.

In den Niederlanden werden unter staatlicher Kontrolle drei standardisierte Cannabis-Varietäten für medizinische Zwecke erzeugt: Bedrocan (THC ca. 18 %; CBD <1 %), Bedrobinol (THC ca. 13 %; CBD <1 %) und Bediol (THC ca. 5 %; CBD ca. 6 %).[22] Diese Arzneimittel sind in den Niederlanden verschreibungsfähig.

In Kanada und Großbritannien ist ein Mundspray mit den Handelsnamen Sativex (Wirkstoff: Nabiximols, bestehend aus pflanzlichem THC und Cannabidiol) für die Behandlung neuropathischer Schmerzen und Spasmen bei multipler Sklerose sowie zur Behandlung von Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen in Zusammenhang mit Krebs- und AIDS-Erkrankungen zugelassen. Weitere Anwendungsgebiete befinden sich in der klinischen Prüfung.

Die Inhalation von THC habe laut einer kleinen, plazebo-kontrollierten Studie aus dem Jahr 2007 einen geringfügig positiven Effekt auf neuropathischen Schmerz im Rahmen einer Polyneuropathie bei AIDS.[23]

Drogennachweis

Die Nachweisdauer von THC beträgt in Abhängigkeit vom Konsum 2–35 Tage im Urin beziehungsweise 12 Stunden im Blut. Der Nachweis im Urin erfolgt meist über die THC-Metabolite THC-Carbonsäure und 11-Hydroxy-THC. Neben der vergleichsweise aufwändigen LC/MS-Methode existieren für den Nachweis von THC-Metaboliten im Harn eine Reihe von Immunassay-Tests wie etwa Radioimmunassay (RIA), EMIT (enzyme multiplied immunoassay technique), CEDIA (cloned enzyme donor immunoassay) und FPIA (fluorescence polarization immunoassay). Um die Zahl falsch positiver Ergebnisse mit diesen Tests zu reduzieren, empfiehlt die US-amerikanische Substance Abuse and Mental Health Services Administration (SAMHSA) einen Cutoff-Wert von 50 ng/mL.[24] Zur hochspezifischen und hochsensitiven Quantifizierung der THC-Carbonsäure im fg-Bereich kann die GC/MS-Methode eingesetzt werden. Dabei werden hochfluorierte Derivate, wie etwa das THC-COOH-HFBA-PFPOH-Derivat unter Verwendung des deuterierten Derivats als internem Standard nach dem Prinzip der Isotopenverdünnungsanalyse mit der NCI-Technik (Negative Chemische Ionisation) vermessen.[25] Diese Methodik vermeidet die oben geschilderten Probleme der falsch positiven oder falsch negativen analytischen Ergebnisse, die bei Enzymimmunassays (ELISA) immer wieder beobachtet werden und findet daher auch in der forensischen Analytik bei Schiedsanalysen Verwendung.[26]

Falsch negative Ergebnisse können etwa durch verdünnte Harnproben verursacht werden, zum Beispiel bei einer Verdünnung in vivo durch vermehrte Flüssigkeitszufuhr. Über die Verdünnung des Harns können der Kreatinin-Gehalt und die Osmolalität Anhaltspunkte bieten, jedoch herrscht Uneinigkeit darüber, ab welchem Kreatinin-Wert eine Harnprobe als „unverdünnt“ gilt.

Falsch positive Ergebnisse wurden bei einigen intensivmedizinisch behandelten Patienten berichtet, außerdem bei Personen, welche den Cannabiskonsum zwar aufgegeben haben, jedoch mehr Sport betreiben: da THC im Fettgewebe gespeichert wird, können beim Abbau von Fettreserven THC-Metabolite freigesetzt werden.[27]

THC im Straßenverkehr

THC wirkt auf das Zentralnervensystem, deshalb sollte nach dem Konsum auf das Benutzen von Maschinen und das Führen von Fahrzeugen verzichtet werden. Die Polizei kann bei Fahrerkontrollen mit einem Schweiß-, Speichel-, Urintest oder durch Untersuchung des Blutes auch längere Zeit nach dem Konsum Spuren von THC nachweisen. Die Nachweisdauer hängt vor allem vom jeweiligen Konsummuster (Dauer, Art der Einnahme, Frequenz, Dosis) ab und kann im Urin zwischen einer Woche und zwei Monaten betragen. Zurzeit ist die gesetzliche Situation allerdings noch nicht eindeutig beschlossen, es drohen aber Geldbußen von mindestens 500 Euro, Fahrverbote bis zu drei Monaten und vier Punkte in Flensburg. Die Polizisten vor Ort können nur orientierende Vortests durchführen, die Blutprobe wird später in einem Labor untersucht und die Menge an THC und seiner Abbauprodukte bestimmt. Rechtlich sieht es so aus, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, wenn noch THC im Blut nachweisbar ist. Im Beschluss des Bayerischen VGH vom 25. Januar 2006, Az. 11 CS 05.1711, steht: Der derzeitige medizinisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt es nicht, bereits ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit als derart gesichert im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV anzusehen, dass dem Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist. Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml ist vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen.FeV § 11 Abs. 7, FeV § 14 Abs. 1 S. 4, StVG § 3 Abs. 1 Dies gilt aber nur, wenn keine Fahrfehler gemacht wurden. In vielen Fällen ordnet die Verwaltungsbehörde (Fahrerlaubnis) eine Überprüfung der Kraftfahreignung (MPU) zum Nachweis der Kraftfahrtauglichkeit an.

Versuche mit chronisch kranken MS-Patienten haben jedoch den Verdacht nahegelegt, dass eine Behandlung mit THC oder THC-ähnlichen Stoffen keinesfalls die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt.

In der Schweiz ist seit Anfang 2005 ebenfalls mit einem Drogentest (engl. „Drug Wipe“) in Verkehrskontrollen zu rechnen, trotz des Gerüchts, dass die von der Polizei eingesetzten Schnelltests in über 80 % der Fälle falsche Resultate liefern.[28][29]

Die Methode des THC-Nachweises im Straßenverkehr ist umstritten, da der Konsument nicht unter direktem Einfluss der Droge stehen muss, sondern es für einen positiven Test ausreicht, Tage und Wochen zuvor THC konsumiert zu haben. Dies gilt für alle Urintests, da diese nicht direkt THC nachweisen, sondern ein Abbauprodukt des THC, die Tetrahydrocannabinolsäure (THC-COOH, auch THC-Carbonsäure genannt). Die Cannabinolsäure hat keine berauschende Wirkung mehr. Sie wird allerdings relativ langsam und je nach Konstitution verschieden schnell aus dem Körper ausgeschieden und ist somit längere Zeit, manchmal sogar über Wochen im Urin nachweisbar. Die derzeit zuverlässigste Nachweismethode ist die Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung (GC/MS) von Derivaten (häufig als Trimethylsilyl-Derivate) der THC-Carbonsäure.[30] Im Gegensatz dazu weisen Speichel- und Schweißtests wie die oben zitierten Drogentests THC mit ausreichender Empfindlichkeit direkt nach.

THC-Gehalte gängiger Schwarzmarktprodukte

Konventionelles, in Mitteleuropa gewachsenes Freiland-Marihuana enthält im Schnitt rund 6 % THC, während unter Kunstlicht gewachsenes, speziell auf hohen THC-Gehalt gezüchtetes Marihuana (fälschlich auch als „Genhanf“ bekannt) einen Wirkstoffgehalt von etwa 20 % vorweisen kann. In den USA begann man in den 1970er-Jahren mit solchen Züchtungen; insbesondere in den Niederlanden setzte man diese seit den 1980er Jahren fort, so dass der durchschnittliche THC-Gehalt des sogenannten „Nederwiet“ zuletzt (2004) bei etwa 20 % lag. Dennoch sind Meldungen über angeblich bis zu 50-fach erhöhte THC-Gehalte als maßlos übertrieben zu betrachten. US-amerikanische Forscher wiesen darauf hin, dass die als zum Vergleich angegebenen äußerst niedrigen Werte für in den 60er/70er-Jahren beschlagnahmtes Cannabis (z. T. unter 1 %) darauf zurückzuführen sein dürften, dass seinerzeit die ganzen Pflanzen inklusive Stängel und Blätter analysiert wurden, während heute nur die tatsächlich konsumierten Blütenstände untersucht werden.

Haschisch enthält im Schnitt zwischen 5 und 10 % THC, wobei – wie auch bei Marihuana – die Spanne sehr groß sein kann: Hochwertiges Haschisch kann ebenfalls über 20 % THC enthalten. Das in den Niederlanden aus hochwertigem Marihuana hergestellte Haschisch (welches jedoch nur einen sehr kleinen Marktanteil hat) enthält mitunter bis zu 40 % THC. Eine Studie der Universität Leiden aus dem Jahre 2006 untersuchte elf Cannabiskraut-Proben aus niederländischen Coffee-Shops, der THC-Gehalt lag zwischen 11,7 % und 19,1 %. Zwei Vergleichsproben von Cannabiskraut aus niederländischen Apotheken enthielten 12,2 % beziehungsweise 16,5 % THC.[31]

Das auf dem Schwarzmarkt eher selten erhältliche Haschischöl kann je nach Produktionsweise bis zu 90 % THC enthalten. Werden „billige“ Lösemittel von mäßigem Reinheitsgrad eingesetzt, die giftige Beiprodukte oder Vergällungsstoffe enthalten, oder werden Lösemittel nur ungenügend entfernt, kann der Konsum zu zusätzlichen Gesundheitsschäden führen.

Handelsnamen

Marinol (Kanada, Vereinigte Staaten) Dronabinol (Deutschland)

Literatur

  • Franjo Grotenhermen: Hanf als Medizin. Ein praxisorientierter Ratgeber zur Anwendung von Cannabis und Dronabinol. AT-Verlag, Baden 2004, ISBN 3-85502-944-X.
  • Roger Pertwee (Hrsg.): Cannabinoids. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-22565-X (Handbook of Experimental Pharmacology. Band 168).
  • Franjo Grotenhermen (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide. Pharmakologie, Toxikologie und therapeutisches Potential. Huber, Bern 2004, ISBN 3-456-84105-1.

Einzelnachweise

  1. a b c Sicherheitsdatenblatt von Caelo (PDF).
  2. John M. McPartland, Ethan B. Russo: Cannabis and Cannabis Extracts: Greater Than the Sum of Their Parts? The Haworth Press, Inc., 2001.
  3. a b Tetrahydrocannabinol bei ChemIDplus.
  4. Edward R. Garrett, C. Anthony Hunt: Physicochemical Properties, Solubility, and Protein Binding of Δ9-Tetrahydrocannabinol. In: Journal of Pharmaceutical Sciences. 63, Nr. 7, 1974, S. 1056–1064, doi:10.1002/jps.2600630705.
  5. In Bezug auf ihre Gefährlichkeit wurde die Substanz von der EU noch nicht eingestuft, eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  6. a b c Thieme Chemistry (Hrsg.): Eintrag zu Tetrahydrocannabinole im Römpp Online. Version 3.14. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2011, abgerufen am 21. August 2011.
  7. Yehiel Gaoni, Raphael Mechoulam: Isolation, structure and partial synthesis of an active constituent of hashish. In: Journal of the American Society. 86, Nr. 8, 1964, S. 1646–1647, doi:10.1021/ja01062a046.
  8. J. Jung, M. R. Meyer, H. H. Maurer, C. Neusüß, W. Weinmann, V. Auwärter: Studies on the metabolism of the Delta9-tetrahydrocannabinol precursor Delta9-tetrahydrocannabinolic acid A (Delta9-THCA-A) in rat using LC-MS/MS, LC-QTOF MS and GC-MS techniques. In: Journal of Mass Spectrometry. 44, Nr. 10, 2009, S. 1423–1433, doi:10.1002/jms.1624.
  9. Eberhard Breitmeier: Alkaloide. Teubner, Stuttgart 1997, ISBN 3-519-03542-1, S. 87 ff.
  10. Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Hrsg.): Neues Rezeptur-Formularium. 2008 (PDF, Rezepturhinweise für Dronabinol).
  11. a b c d Lester Grinspoon, James B. Bakalar: Marihuana, die verbotene Medizin. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-86150-060-4.
  12. M. A. Huestis: Pharmacokinetics and metabolism of the plant cannabinoids, Δ⁹-tetrahydrocannabinol, cannabidiol and cannabinol. In: Handbook of Experimental Pharmacology. Nr. 168, 2005, S. 657–690, doi:10.1007/3-540-26573-2_23.
  13. Eberhard Teuscher, Ulrike Lindequist: Biogene Gifte. Akademie-Verlag, Berlin 1988, Letale Dosen von THC bei Maus und Rhesusaffe, S. 65 f.
  14. Gabriel G. Nahas: Toxicology and pharmacology of cannabis sativa with special reference to Δ 9-THC. In: Bulletin on Narcotics. 24, Nr. 2, 1972, S. 11–27.
  15. The central neuropharmacology of psychotropic cannabinoids. In: Pharmacology & Therapeutics. 36, Nr. 2–3, 1988, S. 189–261, doi:10.1016/0163-7258(88)90106-4.
  16. Klaus Aktories, Ulrich Förstermann, Franz B. Hofmann, Klaus Starke: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Urban und Fischer, München 2006, ISBN 3-437-44490-5.
  17. C. Nora Chiang, Rao S. Rapaka: Pharmacokinetics and Disposition of Cannabinoids. In: Structure-Activity Relationships of the Cannabinoids. 1987, S. 137 (NIDA Research Monograph. Band 79).
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