- Warum läuft Herr R. Amok?
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Filmdaten Originaltitel Warum läuft Herr R. Amok? Produktionsland Deutschland Originalsprache Deutsch Erscheinungsjahr 1970 Länge 84 Minuten Altersfreigabe FSK 16 Stab Regie Michael Fengler, Rainer Werner Fassbinder Drehbuch Fengler, Fassbinder, Dialoge überwiegend improvisiert Produktion Wilhelm Rabenbauer Musik Peer Raben Kamera Dietrich Lohmann Schnitt Franz Walsch Besetzung - Kurt Raab: Herr R.
- Lilith Ungerer: R.s Frau
- Amadeus Fengler: R.s Kind
- Franz Maron: R.s Chef
- Hanna Schygulla: R.s Schulfreundin
- Peer Raben: R.s Schulfreund
- Irm Hermann: Nachbarin
- Ingrid Caven: Nachbarin
- Lilo Pempeit: Kollegin
- Harry Baer: Kollege
Warum läuft Herr R. Amok? ist ein Film von Michael Fengler von 1970. Vermarktet wurde der Film als kooperative Regiearbeit von Fengler und Rainer Werner Fassbinder. Fassbinder war allerdings nur wenige Tage beim Dreh und zog sich dann aus dem Projekt zurück. Sein Name blieb aber im Cast.
Gesamtdrehzeit: 13 Tage, Kosten: ca. 135.000 DM.[1] Es war der erste Farbfilm von Fassbinder, die Hauptrolle Herr R. spielte Kurt Raab.
Die Dialoge sind großteils nach Absprache improvisiert, was Kritiker zu Vergleichen mit Filmen von Andy Warhol hinriss. Der Film stellt eine Kritik an Doppelmoral und erstarrenden sozialen Verhältnissen der Nachkriegszeit dar.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Der Angestellte R. lebt ein anständiges, unauffälliges Leben mit seiner Frau und seinem Sohn. Er arbeitet als technischer Zeichner, seine monoton erscheinende Arbeit in einem unpersönlichen und schmucklos eingerichteten Büro, das er auf engem Raum mit zwei Kollegen und einer Schreibhilfe teilt, wird gelegentlich von seinem Vorgesetzten kritisiert. Auch der Alltag ist erfüllt von Monotonie und Trostlosigkeit. Der Sohn hat Probleme in der Schule. Die Erwartungen seiner Frau nach einer Beförderung scheint R. nicht erfüllen zu können. Einzig beim Schwelgen in Erinnerungen mit seinem Jugendfreund zeigt sich R. einmal lebendig und froh.
Auf einer Betriebsfeier steht Herr R. auf, um angetrunken eine Lobrede auf seine Firma zu halten und seinen Kollegen sowie seinem Vorgesetzten seine Sympathien auszudrücken. Ein freundschaftlicher Annäherungsversuch seinem Vorgesetzten gegenüber wird von diesem barsch abgewehrt. R. setzt sich wieder auf seinen Platz und wird von seiner Frau zischelnd flüsternd zurecht gewiesen und als Versager tituliert.
Gesundheitliche Probleme von R. werden ebenfalls angedeutet, allerdings kann der behandelnde Arzt keine Diagnose darüber erstellen, woher diese rühren.
Nachdem so das Leben von Herrn R. lange geschildert worden ist, kommt es plötzlich zum entscheidenden Moment. Eine Nachbarin ist zu Besuch bei der Ehefrau des Herrn R. und unterhält sich mit ihr tratschend über Belanglosigkeiten. Herr R. versucht währenddessen angestrengt, eine Jazz-Sendung im Fernsehen zu verfolgen, was ihm aufgrund der lautstarken Ausführungen der Nachbarin nicht gelingt. Auch dass R. mehrmals den Fernseher lauter dreht, bewegt sie nicht dazu, das Zimmer zu verlassen und die Unterhaltung mit Frau R. im Nebenzimmer fortzusetzen. Herr R. wird − wie schon oft im Verlauf der Handlung geschehen − ignoriert. Als besagte Nachbarin R. den Rücken zudreht, ergreift dieser plötzlich einen Kerzenleuchter und erschlägt sie, seine Frau und seinen Sohn.
Am nächsten Morgen fährt R. wie gewohnt pünktlich zu seinem Arbeitsplatz, wo die Kriminalpolizei erscheint, als R. auf der Toilette ist. Der Film endet mit den rätselnden Fragen seiner Kollegen, die sich nicht erklären können, wie es zum Amoklauf kommen konnte. Als sie nach R. schauen, finden sie ihn erhängt auf dem WC.
Hintergründe
„Im KATZELMACHER wollten wir durch den Stil, in AMOK durch die Farbe außerdem noch die Möglichkeit zu einer Alternativhaltung bieten: Die Leute sollen den Inhalt verstehen und sehen, daß das mit ihnen zu tun hat, gleichzeitig aber durch die Form, in der das passiert, eine Distanz dazu haben, in der sie reflektieren können, was sie da sehen. Ich glaube, das geht wirklich, daß man durch stilistische Mittel die Distanz schafft, die nötig ist für solche Filme.“[2]
Kurt Raab bemerkte zu seiner Rolle, da er seine Filmpartnerin Lilith Ungerer sowieso nie habe leiden können, sei es ihm ein besonderer Genuss gewesen, sie wenigstens im Film umbringen zu können.
Der Schriftsteller Martin Walser beschrieb die in diesem Film angewandte Methode: „Erst wenn alle denunziert sind, ist der Film aus.“ Der Kleinbürger werde „mit grimmigem Humor entlarvt“.[3]
Kritiken
„Fassbinder protokolliert schonungslos den banalen Alltag einer Durchschnittsexistenz und durchleuchtet die fatale Vorgeschichte einer vermeintlichen Kurzschlußhandlung - die Fallstudie eines Außenseiters, der an beängstigend normalen Verhältnissen zugrunde geht.“
„Ein böser Film, penetrant alltäglich. Die Dialoge, von den Darstellern improvisiert [,…] sind von so banaler Durchschnittlichkeit, daß allein das Zuhören fast Schmerzen bereitet. Der Film ist schon unerträglich ohne sein Ende, wozu die ausgelaugten Farben beitragen. Er macht spürbar, wie unnormal dieses scheinbar so normale bürgerliche Leben in seinem immer gleichen Trott ist. […] Was den Film so trostlos macht, ist nicht nur sein Inhalt, sondern auch seine ästhetische Methode. […] Wenn es einen naturalistischen Film gibt, dieser ist es. Ihm fehlt jedes utopische Element, jede Idee, wie ein menschenwürdigeres Leben aussehen könnte.“
– Wilhelm Roth[4]
„Fassbinder nimmt in Warum läuft Herr R. Amok? vieles von diesem langsamen, siechenden Leben vorweg, dieser Quälerei, die er später in Händler der vier Jahreszeiten (1971) noch deutlicher in Szene gesetzt hat. Die furchtbare Sprachlosigkeit der Sprache der Personen, die versteckten Aggressionen und Auto-Aggressionen, die unter der Oberfläche einer Welt bedrohlich warten, sich zu entladen, sind Ausdruck einer fast völlig erstarrten Gesellschaft. Und es wird im Rückblick auf diesen Film deutlich, was es heißen könnte, dass die Normalität, jedenfalls eine bestimmte, es ist, die die Gewalt in extremer Form hervorbringt – so oder so, als Ausdruck der Tat eines einzelnen oder als Exzess ganzer Gruppen gegen andere.“
– Ulrich Behrens[5]
Cast
- Ton: Klaus Eckelt
- Ausstattung: Kurt Raab
Auszeichnungen
- 1970 Internationale Filmfestspiele Berlin / Berlinale – Interfilm Award
- 1970 Internationale Filmfestspiele Berlin / Berlinale – OCIC Award
- 1971 Deutscher Filmpreis / Bundesfilmpreis – Filmband in Gold für Beste Regie (Michael Fengler und Rainer Werner Fassbinder)[6]
Theateraufführungen
- 22. Oktober 2002 (Premiere) "Out of Control", theatrale Collage nach "Warum läuft Herr R. Amok", John Cassavetes und Alexander Kluge, Thalia Theater Hamburg; 2004 Hebbel-Theater Berlin, Forum Freies Theater (FFT) Düsseldorf, Theater Hellerau Dresden, Mousonturm Frankfurt, Regie: Harriet Maria Meining und Peter Meining (norton.commander.productions [1]), Musik von Tarwater [2] in Zusammenarbeit mit Sarah Marrs und Rob Taylor
- 25. Mai 2003 (Premiere), Schauspiel Frankfurt, Regie: Michael Thalheimer, Kritik der FAZ, Frankfurt, 26. Mai 2003
- 17. Mai 2007 (Premiere) "Vor den Vätern sterben die Söhne/Warum läuft Herr R. Amok?" nach einem Buch von Thomas Brasch und dem Film "Warum läuft Herr R. Amok", Staatstheater Stuttgart Depot, Regie: Thomas Dannemann, Kritik von Tomo Mirko Pavlovic, "Nachtkritik.de", Berlin, 17. Mai 2007
- 25. September 2009 (Premiere, Schweizer Erstaufführung) Schauspielhaus Zürich Pfauenbühne, Regie: Heike M. Goetze, Kritik von Tobias Hoffmann, NZZ, Zürich, 29. September 2009
Literatur
- Michael Töteberg: Rainer Werner Fassbinder. Rowohlt, Reinbek 2002 (Rowohlts Monographien), ISBN 3-499-50458-8
- Peter Iden: Rainer Werner Fassbinder - mit Beiträgen von Peter Iden u.a. 4., erg. u. erw. Aufl. Hanser, München 1983 (Reihe Film; 2), ISBN 3-446-13779-3
Weblinks
- Warum läuft Herr R. Amok? in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Kritik von E. Knörer, filmzentrale
- Warum läuft Herr R. Amok? bei Filmportal.de
- Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin
Einzelnachweise
- ↑ Rainer Werner Fassbinder, Werkschau Programm, S.15, Hrsg. Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin, 1992
- ↑ DIE ZEIT, 31. Juli 1970, hier zitiert nach: Rainer Werner Fassbinder, Werkschau Programm, S.15, Hrsg. Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin, 1992
- ↑ zuerst in dem literarischen Jahrbuch Tintenfisch, 7/1974, hier zitiert nach: Michael Töteberg: Rainer Werner Fassbinder. Rowohlt, Reinbek 2002 (Rowohlts Monographien), ISBN 3-499-50458-8, S. 76
- ↑ Wilhelm Roth: Kommentierte Filmographie. In: Rainer Werner Fassbinder / mit Beiträgen von Peter Iden u.a. 4., erg. u. erw. Aufl. Hanser, München 1983 (Reihe Film; 2), ISBN 3-446-13779-3, hier S. 130ff
- ↑ Follow-me-now.de
- ↑ Deutsche Filmakademie
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