- Angst essen Seele auf
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Filmdaten Originaltitel Angst essen Seele auf Produktionsland Deutschland Originalsprache Deutsch Erscheinungsjahr 1974 Länge 89 Minuten Altersfreigabe FSK ab 12 Stab Regie Rainer Werner Fassbinder Drehbuch Rainer Werner Fassbinder Produktion Rainer Werner Fassbinder Musik Rainer Werner Fassbinder Kamera Jürgen Jürges Schnitt Thea Eymèsz Besetzung - Brigitte Mira: Emmi Kurowski
- El Hedi ben Salem: Ali
- Barbara Valentin: Wirtin Barbara
- Irm Hermann: Tochter Krista
- Rainer Werner Fassbinder: Schwiegersohn Eugen
- Karl Scheydt: Albert Kurowski
- Elma Karlowa: Frau Kargus
- Anita Bucher: Frau Ellis
- Gusti Kreissl: Paula
- Walter Sedlmayr: Angermayer, Krämer
- Doris Mattes: Frau Angermayer
- Liselotte Eder: Frau Münchmeyer
- Marquard Bohm: Gruber, Sohn des Vermieters
- Hannes Gromball: Ober in der Osteria
- Katharina Herberg: Mädchen in der Kneipe
- Rudolf Waldemar Brem: Kneipengast
- Peter Moland: Chef in der Autowerkstatt
- Margit Symo: Hedwig
- Peter Gauhe: Bruno Kurowski
- Helga Ballhaus: Yolanda
- Elisabeth Bertram: Frieda
- Hark Bohm: Arzt
- Kurt Raab: Automechaniker
- Ingrid Caven
Angst essen Seele auf (Arbeitstitel: Alle Türken heißen Ali) ist ein Melodrama von Rainer Werner Fassbinder und gilt deutschlandweit und auch international als ein zentrales Werk des Regisseurs.
Inhaltsverzeichnis
Handlung
Emmi Kurowski, eine verwitwete Putzfrau jenseits der 60, betritt eine orientalische Bar in München – teils, weil es regnet, teils aus Neugier, woher die Musik stammt. Weil er nichts Besseres zu tun hat und von einer Bekannten dazu animiert wird, fordert Ali, ein etwa zwanzig Jahre jüngerer Marokkaner mit mäßig guten Deutschkenntnissen, Emmi zum Tanzen auf. Sie unterhalten sich, er begleitet sie nach Hause, darf sogar bei ihr übernachten. Es entstehen Gefühle zwischen beiden, und trotz beginnender feindseliger Stimmung bei Emmis Kindern, Nachbarinnen und Kolleginnen heiraten die beiden schließlich.
Doch die Widerstände wachsen: Die Nachbarinnen lästern über das ungleiche Paar, die Kolleginnen schneiden Emmi, der Lebensmittelhändler Angermayer weigert sich, die beiden zu bedienen, und Emmis Kinder sind fassungslos – ihr Sohn Bruno zerstört vor Wut sogar Emmis Fernseher. Verzweifelt ob all der Feindseligkeit bricht Emmi bei einem Biergartenbesuch, bei dem sie mit Ali von den Kellnern nicht bedient, sondern nur angegafft wird, in Tränen aus, und beide beschließen, ihre Hochzeitsreise nachzuholen und danach einen neuen Anfang zu wagen.
Und in der Tat sieht nach der Rückkehr die Welt völlig anders aus. Das Paar wird anscheinend akzeptiert, wenn auch aus eigensüchtigen Gründen: Angermayer komplimentiert Emmi wieder in seinen Laden hinein, da er auf den Umsatz, den sie bringt, doch nicht verzichten will; Emmis Kinder brauchen sie als Babysitterin; die Nachbarinnen können einen starken und vor allem belastbaren Mann im Haus gut gebrauchen, und die Kolleginnen finden ein neues Opfer, über das sie sich das Maul zerreißen können, und sie stellen darüber hinaus fest, dass Ali so gar nicht dem Klischee vom schmutzigen, faulen Ausländer entspricht, das sie (und nicht nur sie) im Kopf haben.
Doch mit der scheinbaren Akzeptanz kommen die Probleme zwischen Emmi und Ali auf: Die Atmosphäre zwischen ihnen wird frostiger. Als Emmi anfängt, Ali als nützliches Objekt zu behandeln, anstatt als Menschen mit dem Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Zuwendung, geht Ali wieder häufiger in die Kneipe, in der dieser Film seinen Anfang fand, und holt sich beides von der Wirtin Barbara. Er übernachtet bei ihr und kommt irgendwann überhaupt nicht mehr nach Hause zu Emmi, bis diese ihn an seiner Arbeitsstelle aufsucht. Sie erklärt ihm, dass sie Verständnis für seine Bedürfnisse habe, dass sie ihm seine Freiheiten lassen wolle, aber er doch bitte zurückkommen solle – da bricht Ali zusammen: Im Krankenhaus erläutert ein Arzt, dass Ali ein Magengeschwür hat, wie so viele Gastarbeiter, die unter den schlechten Bedingungen leiden. Da Gastarbeitern aber kein Kuraufenthalt gewährt wird und man nur operieren könne, werde das Geschwür erfahrungsgemäß immer wieder kommen. Emmi weint an Alis Krankenbett.
Allgemeines
„Angst essen Seele auf“ führt in Fassbinders Werk seine Adaptionen von den Douglas-Sirk-Filmen weiter, wie sie zwei Jahre zuvor schon von dem Film „Händler der vier Jahreszeiten“ eingeleitet wurden. Hier ist es vor allem der Film „Was der Himmel erlaubt“, der das strukturelle Vorbild liefert. Seine Bedeutung hat „Angst essen Seele auf“ dadurch bekommen, dass er die Hollywood-Melodramatik Sirks mit der Betrachtung der deutschen Alltagsrealität verbindet. Anders als bei vielen Filmen jener Zeit verzichtete Fassbinder auf die Kameraarbeit von Michael Ballhaus. Stattdessen setzte die photographische Ästhetik von Jürgen Jürges auf eine schnörkellose, dem Sujet angemessene Erzählweise. Die visuelle Umsetzung sollte dabei nicht von der eigentlichen Geschichte ablenken. Der Film gehört mit ca. 260.000 DM Budget zu den günstigeren Fassbinder-Filmen. Fassbinder selbst glänzte in der Rolle des unfreundlichen Film-Schwiegersohnes von Brigitte Mira.
Preise
Angst essen Seele auf gewann unter anderem Kritikerpreise auf dem Filmfestival von Cannes 1974 sowie den Deutschen Filmpreis in Gold für Brigitte Mira als beste Hauptdarstellerin.
Kritiken
„[…] Melodram, das mit kühler Brillanz die Mißachtung von Minderheiten und die Mechanismen sozialer Unterdrückung analysiert. Zugleich populär und bitter-ironisch erzählend, sucht Fassbinder ein breites Publikum, ohne persönliche Obsessionen zu verleugnen und ohne an kritischer Schärfe zu verlieren. - Sehenswert ab 16.“
„Angst essen Seele auf soll demnach keinesfalls als eine Art wahres Rührstück verstanden werden (das wäre verlogenes Hollywood), sondern als eine Art Konkrete Utopie, die jedoch auch nicht lehrstückhaft unmittelbare Lehrinhalte feilbietet, sondern den Zuschauer zum Vergleich vom verfremdeter, typisierter Filmwelt und eigener Lebenswelt zwingt. So klagt der Film zwar an und versteht sich als ‚moralische Anstalt‘, versteht es jedoch geschickt, die Vorwürfe nicht an Personen/Charakteren oder an nebulösen Verhältnissen kleben zu lassen, sondern an dem, was zwischen den Personen an Aktion und Dialog stattfindet. Angst essen Seele auf ist nach wie vor ein hochaktueller Film, da die Konfliktlinien zwischen jung und alt, vertraut und fremd immer wieder aufs Neue anstehen.“
– Wolfgang Melchior: Filmzentrale.com
„Fassbinders formal sehr stark an den Melodramen Douglas Sirks orientierter Film bringt im exakten Wortsinn etwas sehr Exaktes auf den Punkt. ‚Angst essen Seele auf‘ ist sicherlich und vor allem ein Film gegen den blühenden Rassismus – und insofern ist dieser über 30 Jahre alte Film (leider) so aktuell wie 1974. Doch der Film geht weit darüber hinaus. Fassbinders extrem minimalistische Form des Filmens, der Dialoge, der Szenerie, der Gestik und Mimik fokussiert die Geschichte nicht nur auf das Wesentliche, das Konzentrat, das Eingemachte. Er zeigt, wie subjektive Befindlichkeit, Unzufriedenheit, Ängste gepaart mit einer erlernten, anerzogenen (deutschen) Tradition, die sich auf alles ‚Fremde‘, ‚Andere‘, ‚Andersartige‘ negativ bezieht, Projektionsflächen schafft, um diesem Negativen in den Projizierenden selbst einen personalen Ausdruck im anderen zu verschaffen: in der Konstruktion dessen, was man gemeinhin und gemeiner Weise (in diesem Fall und in dieser Geschichte) ‚Ausländer‘ nennt.“
– Ulrich Behrens: Kritik auf Filmzentrale.com
Wirkung
Der Film, der Filmemacher in der ganzen Welt beeinflusst hat, existiert auch in einer Theaterfassung des Autors. Die Yılmaz Arslan Filmproduktion GmbH produzierte 2003 zudem Shahbaz Noshirs Kurzfilm Angst isst Seele auf, der mit subjektiver Kamera die wahre Geschichte eines ausländerfeindlichen Übergriffs auf einen Darsteller der Theaterfassung auf dem Weg zum Schauspielhaus einzufangen versucht.
Ebenso wurde der Titel für die deutschsprachige Fassung einer Episode der amerikanischen Fernsehserie Die Simpsons verwendet.[1]
Der Titel hat sich außerdem im Laufe der Zeit zum geflügelten Wort entwickelt, bei welchem meist das Objekt „Seele“ durch einen themenspezifischen Ausdruck ersetzt wird.[2]
Einzelnachweise
Weblinks
- Angst essen Seele auf bei filmportal.de (u.a. zeitgenössische Rezensionen, Uraufführungsplakat, Fotos)
- Angst essen Seele auf in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Filmkritik in der filmzentrale
- Sammlung von Kritiken zu Angst essen Seele auf bei Rotten Tomatoes (englisch)
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