Welt am Draht

Welt am Draht
Filmdaten
Originaltitel Welt am Draht
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1973
Länge 204 (99+105) Minuten
Stab
Regie Rainer Werner Fassbinder
Drehbuch Rainer Werner Fassbinder
Fritz Müller-Scherz
Daniel F. Galouye (Romanvorlage)
Produktion Peter Märthesheimer
Alexander Wesemann
Musik Gottfried Hüngsberg
Titelmelodie: „Albatross“ von Fleetwood Mac
Kamera Michael Ballhaus
Ulrich Prinz
Schnitt Ursula Elles
Marie Anne Gerhardt
Besetzung

Welt am Draht ist ein zweiteiliger Fernsehfilm von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1973. Vorlage ist der 1964 erschienene Science-Fiction-Roman Simulacron-3 von Daniel F. Galouye.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Die Handlung spielt in der Gegenwart der 1970er Jahre. Am „Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung (IKZ)“ wurde ein Supercomputer namens Simulacron-1 entwickelt, der imstande ist, eine Kleinstadt zu simulieren. Diese virtuelle Realität läuft rund um die Uhr und wird von „Simulationseinheiten“ bevölkert, die in etwa dasselbe Leben führen wie wir und ein Bewusstsein besitzen. Außer einer „Kontaktperson“ wissen die simulierten Menschen jedoch nicht, dass ihre Welt nur eine Simulation bzw. ein Simulakrum ist.

Fred Stiller wird zum neuen Direktor des Instituts befördert, nachdem sein Vorgänger, Professor Henry Vollmer, unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist. Zuvor hatte dieser gegenüber seinem Mitarbeiter Günther Lause noch angedeutet, eine „ungeheure Entdeckung“ gemacht zu haben. Einige Tage später, auf einer Party von Stillers Vorgesetztem Herbert Siskins, verschwindet Lause wie vom Erdboden verschluckt, unmittelbar, bevor er Stiller über Vollmers Entdeckung in Kenntnis setzen konnte. Stiller macht sich auf die Suche nach Lause, doch niemand außer ihm scheint den einstigen Sicherheitschef des Instituts überhaupt gekannt zu haben. Auch in den Personaldatenbanken des Instituts ist der Name nicht verzeichnet – offiziell hat Lause nie existiert.

Während Stiller weitere Nachforschungen anstellt, ereignen sich innerhalb der Computersimulation seltsame Dinge: Eine der Simulationseinheiten wollte Selbstmord begehen und wurde daraufhin von Stillers Mitarbeiter Walfang aus der Simulation gelöscht, eine andere will das System verlassen und in die wirkliche Welt gelangen. Eines Tages gelingt es einer Simulationseinheit namens Einstein, in den Körper des Mitarbeiters und Freundes von Stiller, Fritz Walfang, zu schlüpfen, als dieser sich mittels einer „Kontaktschaltung“ in die Simulationswelt einklinkt. Doch die falsche Identität wird entdeckt und Einstein wieder in seine Welt zurückgeschickt.

Während es am Institut zu politischen Auseinandersetzungen über die Nutzung der Forschungsergebnisse kommt – Siskins will das System der Industrie zur Verfügung stellen – geht Stiller langsam dem Wahnsinn entgegen. Er spürt, dass auch er, wie sein Vorgänger, ausgeschaltet werden soll. Begleitet von einer zarten Affäre zwischen Stiller und Eva Vollmer, der Tochter des ehemaligen Direktors, entdeckt er, dass auch seine eigene Welt nicht die wirkliche Welt ist, sondern ebenfalls eine Simulation, die von einer höheren Ebene aus programmiert wurde.

Im zweiten Teil wird offenbart, dass Fred Stiller ein Wiedergänger seines Erschaffers ist, der ihn nach seinem Ebenbild ersonnen hat.

Hintergrund

Kritiken

Benjamin Happel schreibt in seiner Rezension unter dem Titel Matrix für Fortgeschrittene:

„Mit seiner von einem ‚Goldmann Weltraum Taschenbuch‘ inspirierten Story nimmt Welt am Draht eine Diskussion vorweg, die erst später in vollem Umfang ausdiskutiert werden sollte. Fassbinder fragt nach grundlegenden philosophischen Konzepten des Seins, der Realitätswahrnehmung, und eben auch der Videoüberwachung. Er fragt nach dem Objektstatus von überwachten Subjekten und skizziert den Alptraum, als Individuum mit dem Glauben an seine eigene Existenz lediglich einem Trugbild zum Opfer zu fallen (sicher nicht zufällig heißt der Supercomputer des Films Simulakron). Zahlreiche aktuelle Filme nehmen diese Thematik auf, von Cronenbergs eXistenZ über Matrix von den Wachowsky Brothers oder Dark City von Alex Proyas. Ein Rückblick auf Fassbinders Werk bringt dem Zuschauer sicherlich einige neue Erkenntnisse, denn Fassbinder inszeniert zwar möglicherweise ein wenig langsamer als genannte Kollegen, dafür allerdings auch mit ein wenig mehr Tiefgang.“[1]

Das Lexikon des internationalen Films urteilt:

„Eine faszinierende Mischung aus Krimi, Abenteuerfilm und Zukunftsvision, die die komplexen Erzähl- und Wirklichkeitsebenen mit verblüffender Geradlinigkeit zu vermitteln versteht. Fassbinder bedient sich ‚klassischer‘ Genremotive, um effektvoll über Fragen der Korruption und Manipulation, aber auch über mögliche Formen des Widerstands zu reflektieren.“

Veröffentlichung

Der Zweiteiler wurde 1973 im Fernsehen von der ARD ausgestrahlt und war danach viele Jahre weder im Kino noch auf käuflichen Medien verfügbar.

Im Rahmen der Berlinale 2010 hatte eine restaurierte Fassung in der Reihe Berlinale Special am 14. Februar 2010 ihre Welturaufführung. Am 18. Februar 2010 wurde diese Fassung als Doppel-DVD innerhalb der "Arthaus Premium"-Reihe von Kinowelt/Arthaus veröffentlicht.[2]

Am 6. Oktober 2010 erschien der Film in Frankreich beim Label Carlotta Films erstmalig auf Blu-ray .[3]

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Benjamin Happel: Welt am Draht. Matrix für Fortgeschrittene.
  2. DVDuell.de: Rainer Werner Fassbinders Welt am Draht im Februar 2010 auf DVD
  3. DVDuell.de: Fünf neue Blu-ray Discs von Carlotta Films bis Ende 2010

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