Österliche Bußzeit

Österliche Bußzeit

Als Fastenzeit wird im Christentum der Zeitraum der sieben Wochen vor Ostern bezeichnet. Sie erinnert an das 40-tägige Fasten Jesu Christi zur Vorbereitung seines öffentlichen Wirkens. Ihr Beginn, der Aschermittwoch, stellt zugleich das Ende des Karnevals bzw. Faschings dar.

Die im Christentum früher für Werktage gebotene Enthaltung von Fleischspeisen und von Tanzveranstaltungen wurde im 20. Jahrhundert merklich gelockert. Für das Volkstanzen wird sie jedoch weiterhin eingehalten.

Fastenzeiten gibt es auch in anderen Religionen, z. B. den Fastenmonat Ramadan im Islam. In den Fastenzeiten schreiben oder schlagen die Glaubensgemeinschaften das Fasten vor. Im Christentum ist es in unterschiedlichem Maß in den Kirchen der katholischen Tradition, in der altkatholischen, der anglikanischen und der römisch-katholischen Kirche und auch in der Orthodoxie und im Protestantismus üblich. Ersatzweise und ergänzend sind asketische Verzichte damit gemeint (siehe unten).

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung und Symbolik der christlichen Fastenzeit bis zur Reformation

Symbolische Verkörperung der Fastenzeit beim Karneval, Teilansicht eines Gemäldes von Pieter Brueghel dem Älteren

Die christliche Tradition sieht genau genommen zwei Fastenzeiten vor, da der Advent eigentlich auch eine Fastenzeit ist. Der christliche Brauch lässt sich bis in das 4. Jahrhundert zurückverfolgen. Im Mittelalter dauerte die Fastenzeit vor Weihnachten 40 Tage und begann nach dem 11. November, dem Martinstag. Der Brauch, davor noch eine Martinsgans zu essen, stammt aus dieser Zeit.

Der Begriff Fastenzeit steht hingegen nur für die österliche Bußzeit. Sie beginnt am Aschermittwoch und endet in der Osternacht, der nächtlichen Vigil zum Osterfest. Auch in dem Fall sind 40 Tage Fastenzeit vorgesehen, wobei die Sonntage seit der Synode von Benevent (1091) nicht mehr dazu rechnen. Nach einer anderen Zählweise erstreckt sich die Fastenzeit ebenfalls 40 Tage lang – was sich auf den Zeitraum von Aschermittwoch bis Palmsonntag bezieht und die Sonntage einschließt. Palmsonntag beginnt die Karwoche, die nach der Zählweise als gesonderter Abschnitt zählt.

Im christlichen Festkalender geht die österliche Fastenzeit (Quadragesima) dem Osterfest voran, das das Konzil von Nicäa 325 auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond (in Jerusalem) festsetzte. Ostern ist deshalb ein beweglicher Festtermin, der in die Zeit zwischen den 22. März und den 25. April (die sogenannten Ostergrenzen) fallen kann. Der Termin der Fastenzeit ist beweglich und definiert sich im Verhältnis zu Ostern durch die Länge der Fastenzeit.

In Bezug auf das Fasten Jesu in der Wüste (Mt 4,2 EU) legte die Kirche die Länge der Fastenzeit auf 40 Tage und Nächte fest. Die in 40 Einheiten zu teilende Zeitspanne bezeichnet die erdzugewandte Vielfalt und kommt in der Bibel mehrfach vor: 40 Jahre wandern die Israeliten durch die Wüste (Ex 16,35 EU), 40 Tage begegnet Mose Gott auf dem Sinai (Ex 24,18 EU), 40 Tage wandert Elija zum Berg Horeb (1_Kön 19,8 EU), 40 Tage fastet Jesus in der Wüste (Mt 4,2 EU); (Lk 4,2 EU) und 40 Tage nach der Auferstehung zu Ostern feiert die Kirche Christi Himmelfahrt (Apg 1,3 EU).

Der Beginn der Fastenzeit liegt auf einem Mittwoch, ursprünglich nach dem sechsten Sonntag vor Ostern (Invocavit). Als die Synode von Benevent (1091) die Sonntage in der Fastenzeit als Gedächtnistage der Auferstehung Jesu vom Fasten ausnahm, rückte deshalb der Beginn der Fastenzeit um sechs (Wochen-)Tage vor. Die Fastnacht endet seitdem am Dienstag nach dem siebten Sonntag vor Ostern (Estomihi) und die Fastenzeit beginnt mit dem folgenden Mittwoch, dem Aschermittwoch. Jene, die ihre Fastnacht nach der alten Fastenordnung vor der Regelung in Benevent (1091) feiern, begehen die „alte Fastnacht“, auch „Bauernfastnacht“ genannt, die immer in die geltende Fastenzeit fällt. Im Unterschied zur „alten Fastnacht“ wurde der neue Fastnachtstermin nach der neuen Fastenordnung „Herrenfastnacht“ genannt.

Im Mittelalter waren die Fastenregeln sehr streng: man durfte nichts essen und trinken außer drei Bissen Brot und drei Schluck Bier oder Wasser. Erst 1486 erlaubte Papst Innozenz VIII. auch Milchprodukte in der Fastenzeit.

Die Fastenzeit war in der Alten Kirche aber nicht nur eine Bußzeit, sondern auch eine wichtige Zeit für die Taufbewerber (Katechumenen), die damals nur einmal im Jahr, nämlich in der Feier der Osternacht getauft wurden. Sie wurden während der „vierzig Tage“ (Quadragesima) „Photizomenoi“ genannt, das heißt auf Griechisch „die erleuchtet werden“. In dieser Zeit intensiver Taufvorbereitung wurden sie eingeführt in das Mysterium von Tod und Auferstehung. In der heutigen Zeit, in der Erwachsenentaufen wieder häufiger vorkommen, finden in der Osternacht vielfach Taufen von erwachsenen Katechumenen statt.

Die Fastenzeit gilt als auch „gebundene“ Zeit, denn in ihr waren bzw. sind die Christen an Verpflichtungen gebunden: Die Pflicht zum Fasten, d. h. zum Verzicht auf Fleisch, Milchprodukte (= Laktizinien), Wein und Eier, Mitfeier der Karwoche und des Osterfestes, Empfang des Bußsakramentes und des Altarsakramentes wenigstens in der österlichen Zeit.

Andere Namen für die österliche Fastenzeit oder Fastenquadragese sind: Quadragesima, Quadragena, Quarentana, Quadragesimum major, Quadragesimum ante pascha, tempus quadragesimale, großes Fasten, lange Fasten, jejunium longum, jejunium quadragesimale, jejunium paschale, jejunia.

Sonntage in der Fastenzeit

Hauptartikel: Fastensonntag

Die sechs Sonntage in der Fastenzeit haben ihre Namen von den Anfängen der lateinischen Introituspsalmen:

  • Invocavit – Er ruft mich, darum will ich ihn erhören. (Ps 91,15 Lut)
  • Reminiscere – Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit! (Ps 25,6 Lut)
  • Oculi – Meine Augen sehen stets auf den Herrn. (Ps 25,15 Lut)
  • Laetare – Freuet euch mit Jerusalem! (Jes 66,10 Lut)
  • Judica – Gott, schaffe mir Recht! (Ps 43,1 Lut)
  • Palmarum – Palmsonntag

Der Merkspruch lautet: "In rechter Ordnung lerne Jesu Passion". (Invocavit - Reminiscere - Oculi - Laetare - Judica - Palmarum)

Fastenzeiten in der römisch-katholischen Kirche

Die vierzigtägige Fastenzeit der römisch-katholischen Liturgie ist als „österliche Bußzeit“ bestimmt. Sie dient ganz der Vorbereitung des Hochfestes Ostern. Daher bereiten sich in dieser Zeitspanne die Katechumenen auf ihre Aufnahme in die Kirche (durch die Sakramente Taufe und Eucharistie) vor, die schon Getauften hingegen durch innere Einkehr, Bußwerken und Fasten auf die Erneuerung des Taufversprechens und die Kommunion in der Feier der Osternacht. „Die Fastenzeit dauert von Aschermittwoch bis zum Beginn der Abendmahlsmesse am Donnerstag in der Karwoche.“[1] „Am Karfreitag und gegebenenfalls am Karsamstag bis zur Osternachtfeier wird überall das Osterfasten gehalten.“[2] Dieses Osterfasten ist keine Bußübung, sondern ein Trauerfasten zum Gedächtnis der Passion Christi sowie seiner Grabesruhe und unterstützt die besondere Festfreude des Auferstehungstages Ostern.

Gebotene strikte Fast- und Abstinenztage sind heute noch in der katholischen Kirche der Aschermittwoch als Beginn der Fastenzeit und der Karfreitag, an dem die Kirche des Leidens und Sterbens Christi gedenkt. In diesen Tagen dürfen sich die katholischen Gläubigen nur einmal sättigen und ein weiteres Mal eine kleine Stärkung zu sich nehmen. Dem Abstinenzgebot müssen alle Gläubigen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr folgen, dem Fastengebot dagegen alle Volljährigen bis zum Beginn des 60. Lebensjahres.

In der Fastenzeit entfällt in erster Linie nach alter kirchlicher Tradition Fleisch. Schon weil nicht jeder Mensch Vegetarismus als Verzicht empfindet, schlägt die Kirche für die österliche Bußzeit auch andere Formen der Askese und Buße vor. Viele Katholiken essen in der Zeit z. B. keine Süßigkeiten und entsagen Genussmitteln wie Kaffee, Tee oder Alkohol. Andere dagegen schränken alltägliche Gewohnheiten wie Fernsehen, Musik hören oder Computerspielen ein und meiden Kneipen- oder Diskobesuche. Auf diese Weise ist es möglich, den Verzicht individuell zu gestalten. Die Sonntage in der Fastenzeit sind (wie alle Sonntage) vom Fasten immer ausgenommen. Die Gläubigen werden in der Fastenzeit angehalten, das Gebet intensiver zu pflegen und vermehrt an Gottesdiensten und Andachten (etwa der Kreuzwegandacht) teilzunehmen. Ebenso sollen sie mehr Werke der Nächstenliebe verrichten und Almosen geben.

Die bewusste Einschränkung soll vor allem eine Schulung des Geistes bewirken. Fastenzeit ist eine Zeit der Buße und der Umkehr. Daher sollen Katholiken wenigstens jährlich während der österlichen Bußzeit das Bußsakrament empfangen. In den Gemeinden finden auch häufig besondere Bußgottesdienste statt, die jedoch den Empfang des Bußsakraments nicht ersetzen können.

In der Liturgie der Fastenzeit wird (auch an Sonntagen und Hochfesten) kein Halleluja gesungen. Auf das Gloria verzichtet man (außer an Hochfesten) immer. Ebenso werden der Einsatz der Orgel und der Blumenschmuck deutlich reduziert oder entfallen ganz. Ab dem 5. Sonntag der Fastenzeit („Passionssonntag“) bzw. regional erst ab Palmsonntag werden Standbilder und Kreuze durch violette Tücher verhüllt. Von Gründonnerstag bis zum Gloria der Messe in der Osternacht werden keine Glocken geläutet, sondern stattdessen Ratschen verwendet.

Fasten außerhalb der Fastenzeit

Vor den 1960er Jahren war der Verzicht auf Fleisch an allen Freitagen, auf die kein Hochfest fällt, für Katholiken verbindlich vorgeschrieben. Heute kann dieser Verzicht durch einen anderen Akt der Buße und des Verzichts ersetzt werden. Viele Katholiken, die eine engere Beziehung zu Gott aufbauen wollen, fasten aus persönlicher Frömmigkeit außer freitags zusätzlich noch mittwochs. Zusätzlich zu rein diätären Formen des Fastens kommen auch Fastennovenen als eine Mischform von Fasten und Gebet.

Fastenessen

Unter Fastenessen wird ein, vor allem in katholischen Pfarrgemeinden, Solidaritätsessen verstanden, das zum Ziel hat, die Gäste über die Situation und Projekte in der Dritten Welt zu informieren und für diese Projekte Spenden zu sammeln. Der solidarische Aspekt wird durch den Verzicht auf den klassischen Sonntagsbraten angesprochen. Stattdessen wird oft im Gemeindehaus ein einfacher Eintopf oder ein für Afrika, Lateinamerika oder Asien landestypisches Gericht verkauft oder gegen eine freiwillige Spende ausgegeben. Die Tradition des Fastenessen ist in vielen Pfarreien ein fester Bestandteil der Fastenzeit. Oft findet parallel ein Verkauf von Waren aus Eine-Welt-Läden statt.

Fastenzeiten in der östlich-orthodoxen Kirche

Grundsätzlich sollte nach der in der östlich-orthodoxen Kirche verbreiteten Ansicht jeder Gläubige seine Fastenregeln mit Gott, sich selbst und seinem Priester oder Beichtvater abklären. Fasten „auf eigene Faust“ wird nicht empfohlen, und das Beten sowie die striktestmögliche Enthaltung von den Sünden, nicht der Nahrungsverzicht, gelten als der wichtigere Teil des Fastens. Alles folgende ist also nur als Vorschlag zu verstehen, und wird zumindest in der heutigen Zeit nur noch von einer kleinen Minderheit von Gläubigen komplett eingehalten. Nur das Fasten in der Karwoche unmittelbar vor Ostern ist weiterhin verbreitet üblich.

Die östlich-orthodoxe Kirche kennt grundsätzlich drei Stufen des Fastens:

a) Strenges Fasten: ein streng veganes Fasten, bei dem außer Honig keinerlei tierische Produkte verzehrt werden, außerdem werden weder Öl noch Alkohol konsumiert.

b) Leichtes Fasten: Im Gegensatz zu a) sind Wein, Öl und Weichtiere erlaubt.

c) Fisch: Im Gegensatz zu b) ist zusätzlich noch Fisch erlaubt.

In Klöstern gibt es noch eine zusätzliche Form des Fastens, die Xerophagia, die sich durch kompletten Nahrungsverzicht bis zur neunten Stunde (15 Uhr) auszeichnet und danach nur Brot, Früchte und Wasser erlaubt. Diese Form ist für die Große Fastenzeit vor Ostern vorgesehen und wird von Laien bisweilen am „Reinen Montag“ (erster Fastentag) und am Karfreitag eingehalten.

Zu beachten ist, dass diese grundsätzlichen Fastenstufen von Kirche zu Kirche verschieden sein können (beispielsweise sind in der russischen Kirche Weichtiere schon bei der Stufe a) erlaubt) und auch vom Priester für jeden einzelnen Gläubigen an dessen Möglichkeiten angepasst werden können.

In der orthodoxen Kirche gibt es vier mehrtägige Fastenzeiten:

  • die Große Fastenzeit, die sieben Wochen vor Ostern beginnt und bis zum Freitag vor dem Lazarus-Samstag andauert (40 Tage strenges Fasten); davor liegt die Milchwoche, in der kein Fleisch mehr, aber ausgiebig Milch, Milchprodukte und Eier verzehrt werden und regional verschiedene karnevalistische Gebräuche gepflegt werden. An die große Fastenzeit schließt unmittelbar das Fasten des Lazarus-Samstages, des Palmsonntages und der Karwoche an.
  • die Apostel-Fastenzeit (leichtes Fasten) dauert vom ersten Sonntag nach Pfingsten bis zum Hochfest Peter und Paul am 29. Juni. (die Länge hängt vom Osterdatum ab; dieses Fasten fällt im Neuen Kalender in manchen Jahren auch komplett aus.)
  • die Mariä-Entschlafung-Fastenzeit (strenges Fasten) dauert vom 1. bis zum 14. August.
  • die Weihnachts-Fastenzeit, die dem westlichen Advent entspricht, dauert vom 15. November bis 24. Dezember (je nach Tradition verschiedene Fastenstufen).

Außerdem soll an jedem Mittwoch und Freitag gefastet werden (strenges Fasten), außer in den Wochen direkt nach Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Während der Fastenzeiten sollte sowohl die Anzahl der täglichen Mahlzeiten wie auch deren Gehalt eingeschränkt werden. An Samstagen und Sonntagen wird das Fasten jeweils um eine „Stufe“ gelockert.

Für orthodoxe Mönche gelten weitere Regeln; allgemein fasten sie zusätzlich an jedem Montag. Die weitere Ausgestaltung ist von Kloster zu Kloster verschieden, in den strengsten Klöstern kann ein einziges gekochtes Ei pro Jahr, am Ostersonntag, das maximal Erlaubte an tierischen Lebensmitteln sein.

Fastenordnung der „Großen Fastenzeit“

Wochen Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag
1. Vorfastenwoche Fastenfrei
2. Vorfastenwoche   Strenges Fasten   Strenges Fasten  
3. Vorfastenwoche Milchwoche/Tyrophagia/Masleniza
1. Fastenwoche Strenges Fasten oder Xerophagia (Reiner Montag) Strenges Fasten Leichtes Fasten
2. Fastenwoche Strenges Fasten Leichtes Fasten
3. Fastenwoche Strenges Fasten Leichtes Fasten
4. Fastenwoche Strenges Fasten Leichtes Fasten
5. Fastenwoche Strenges Fasten Leichtes Fasten
6. Fastenwoche Strenges Fasten Leichtes Fasten (Lazarus-Samstag) Fisch, Wein und Öl (Palmsonntag)
Große Woche (Karwoche) Strenges Fasten Strenges Fasten oder Xerophagia (Karfreitag) Strenges Fasten (Karsamstag) Fastenbrechen (Ostersonntag)

Fastenzeit in protestantischen Kirchen

Die Reformatoren stehen in der spätmittelalterlichen Tradition einer verinnerlichten Frömmigkeit: nicht die quantifizierbaren äußeren Akte, z. B. der Verzehr spezieller Fastenspeisen, seien wichtig, sondern die Gesinnung. In diesem Sinn äußert sich Luther:

„Ich will jetzt davon schweigen, dass manche so fasten, dass sie sich dennoch vollsaufen; dass manche so reichlich mit Fischen und anderen Speisen fasten, dass sie mit Fleisch, Eiern und Butter dem Fasten viel näher kämen … Wenn nun jemand fände, dass auf Fische hin sich mehr Mutwillen regte in seinem Fleisch als auf Eier und Fleisch hin, so soll er Fleisch und nicht Eier essen. Andererseits, wenn er fände, dass ihm vom Fasten der Kopf wüst und toll oder der Leib und der Magen verderbt würde …, so soll er das Fasten ganz gehen lassen und essen, schlafen, müßig gehen, so viel ihm zur Gesundheit nötig ist.“ (Sermon von den guten Werken) Deutlich wird aus diesem Zitat, dass Luther das Fasten als eine Art individuelles Trainingsprogramm versteht. Daher kann nicht das gleiche Verzichtsverhalten allen gleichermaßen empfohlen oder gar verordnet werden.

Zweck des Fastens ist nach den lutherischen Bekenntnisschriften „den alten Adam zu zähmen“[3]; das Fasten wird insbesondere zur Vorbereitung auf das Abendmahl empfohlen: „Fasten und leiblich sich bereiten ist wohl eine feine äußerliche Zucht“[4]. Jedoch wird die Festschreibung des Fastens in kirchenrechtlichen Kategorien durchweg abgelehnt und „Freiheit in äußerlichen Ceremonien“ gefordert, programmatisch z. B. in der Augsburgischen Konfession § 16 „Von Unterschied der Speis“[5], besonders S. 106: „Und wird also nicht das Fasten verworfen, sondern daß man einen notigen Dienst daraus auf bestimbte Tag und Speise, zu Verwirrung der Gewissen, gemacht hat.“

Im traditionellen Luthertum wurde (und wird z. T. bis heute) am Karfreitag bis zur Todesstunde Jesu (15 Uhr) strikt gefastet. Das Evangelische Gottesdienstbuch, das für die VELKD und die UEK (also für fast alle evangelischen Landeskirchen in Deutschland) verbindlich ist, sieht vor, dass ab Aschermittwoch „das Halleluja entfällt. Von Aschermittwoch bis Karsamstag entfällt auch das Ehre sei Gott in der Höhe (Ausnahme Gründonnerstag).“[6]

Am anderen Ende des protestantischen Spektrums, z. B. bei Pfingstlern oder Evangelikalen, aber auch bei vielen reformierten Christen werden geschichtlich gewachsene Traditionen wie die Fastenzeit eher skeptisch gesehen, manchmal provokativ durchbrochen (Züricher Wurstessen).

Wo in den evangelischen Kirchen die Fastenzeit neu entdeckt wird, geht es generell nicht um eine Rückkehr zu überlieferten Speisecodes, sondern um das Aufbrechen eigener Gewohnheiten, um dem Heiligen Geist Raum zu geben. Seit rund 25 Jahren verbinden evangelische Christen diese geistliche Praxis auch wieder mit einer körperlichen: dem Verzicht auf liebgewonnene Gewohnheiten wie gut essen, rauchen, Alkohol trinken oder fernsehen. Kennzeichen für diese Entwicklung ist die Fastenaktion 7 Wochen Ohne der Evangelischen Kirche. Inzwischen nehmen jedes Jahr viele Millionen Menschen an dieser Aktion teil, die sich 1983 aus einer Stammtischidee des Hamburger Pressepastors Hinrich Westphal entwickelte.

Als Passionszeit (evang.) bzw. Österliche Bußzeit (kath.) bezeichnet man im christlichen Kirchenjahr die Zeit zwischen Aschermittwoch und Karsamstag.

Martin Luther sprach sich gegen eine Fastenzeit aus, da er auch im Fasten die Gefahr sah, mit seinem Handeln Gott zu gefallen: „Kein Christ ist zu den Werken, die Gott nicht geboten hat, verpflichtet. Er darf also zu jeder Zeit jegliche Speise essen.“ Die evangelischen Christen stellten vielmehr die Erinnerung an die Leiden Christi ins Zentrum der Passionszeit. In dieser Tradition stehen die vielerorts stattfindenden Passionsandachten oder Passionsspiele.

Einzelnachweise

  1. Amtliche Grundordnung des Kirchenjahres und des neuen Römischen Generalkalenders Nr. 28.
  2. ebd. Nr. 20.
  3. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSLK), S. 302.
  4. BSLK, S. 521.
  5. BSLK, S. 100–109.
  6. BSLK, S. 292.

Literatur

  • Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (= BSLK), Göttingen 1992.
  • Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, Berlin 1999.
  • Peter Gerlitz, Hugo Mantel, Stuart George Hall, Joseph H. Crehan: Fasten/Fasttage I. Religionsgeschichtlich II. Judentum III. Biblisch und kirchenhistorisch, in: Theologische Realenzyklopädie 11 (1983), S. 41–59 (histor. Überblick).

Siehe auch

Weblinks


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