Bremer Bürgerschaft

Bremer Bürgerschaft
Der 1966 eingeweihte Neubau der Bremischen Bürgerschaft

Die Bremische Bürgerschaft ist das Landesparlament der Freien Hansestadt Bremen. Von den 83 gewählten Abgeordneten werden 68 in der Stadt Bremen und 15 in der Stadt Bremerhaven gewählt. Sie tagt im Haus der Bürgerschaft am Marktplatz. Derzeitiger Präsident der Bürgerschaft ist seit dem 7. Juli 1999 Christian Weber. Die stadtbremischen Abgeordneten bilden zugleich die Stadtbürgerschaft, die kommunale Volksvertretung der Stadtgemeinde Bremen. Bremerhaven hat eine eigene Stadtverordnetenversammlung.

Direkter Vorläufer der Bremischen Bürgerschaft war die Ernannte Bremische Bürgerschaft, ein nach dem Zweitem Weltkrieg eingesetztes Gremium zur Kontrolle des Bremer Senats, das von April bis November 1946 tagte. Die Tradition der Bremischen Bürgerschaft reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Bürgerschaft

Mittelalter bis 1848/49

Im Mittelalter wurde nach dem gebräuchlichen Stadtrecht und den Statuten von 1433 der Stadtrat gewählt. Die Vertreter der Bürger – die Meenheit – wurde in den Kirchspielen organisiert. Die Elterleute in Bremen (Olderlude) waren die Sprecher oder Vorsteher der Kaufleute, die den Rath berieten.

Nach dem Aufstand der 104 Männer konnte durch die „Neue Eintracht“ von 1534 sich der Einfluss der Zünfte und damit der Handwerker im Bürgerconvent – getrennt nach den vier Kirchspielen – etwas verstärken.

Nach der Franzosenzeit wurden 1816 zum Bürgerconvent neue Regelungen erlassen. Dieser nahm in monatlich tagenden Plenarsitzungen auch beratend an Gesetzgebungs- und Haushaltsverfahren teil. Gesetze wurden nur dann gültig, wenn der Rat und der Convent zustimmten. Der Convent teilte seine Beschlüsse durch den Syndicus der Elterleute dem Rat der Stadt mit. Im Convent waren die Elterleute des Kaufmanns, die Bauherren und Diakone der Kirchspiele, die Vertreter der wichtigen Zünfte und die Inhaber des Großen Bürgerrechts aus der Alt- und der Neustadt. Von 300 bis 600 durch den Rat bzw. dem Senat eingeladenen Vertretern nahmen nur ca. 60 bis 70 am Convent teil. Die Elterleute des Kaufmanns hatten im Convent praktisch immer den entscheidenen Einfluss. Für einzelne Fragen wurden Deputationen eingesetzt, in denen Ratsherren und Conventsmitglieder wirkten.

Nach 1848

Nach der Revolutionen von 1848/49 bestand nach der Landesverfassung eine am 29. März 1849 gewählte Bürgerschaft. Erster Präsident dieser Bürgerschaft war bis zum Oktober 1949 Christian Friedrich Feldmann (1813-1883). Diese demokratische Bürgerschaft wurde aber bereits im März 1852 durch den Senat ohne Rechtsgrundlage aufgelöst.

Der Senat erließ eine neue Wahlordnung für eine Bürgerschaft, die 150 Abgeordnete haben sollte und die für 6 Jahre gewählt wurde. Gewählt wurde in 8 Klassen: Wähler mit akademischer Vorbildung, Kaufleute mit Handelskammerwahlrecht, Gewerbetreibende mit Gewerbekammerwahlrecht, übrige Wähler gestaffelt nach Einkommen, Wähler aus Vegesack, Wähler aus Bremerhaven, Wähler mit Landwirtschaftskammerwahlrecht und Wähler aus dem übrigen Landgebiet (Siehe dazu die Tabelle in Geschichte der Stadt Bremen). Dieses Klassenwahlrecht galt bis 1918. Die Mehrheit der Bevölkerung war stark unterrepräsentiert. Die Abgeordneten waren nicht durch Parteien vertreten. Nur die wenigen Vertreter der SPD traten ab dem Ende des 19. Jahrhunderts als Fraktion auf.

Nach 1919

Eine Bremer Nationalversammlung von 1919 beschloss 1920 eine neue Verfassung. Die Bürgerschaft - wählbar von allen Frauen und Männern über 20 Lebensjahre - hatte nun 120 Mitglieder (Landtag). Die Abgeordneten erhielten nur Aufwandsentschädigungen. Der Bürgerschaftspräsident leitete die Sitzungen. Es wurden Deputationen aus Vertretern des Senats und der Bürgerschaft gebildet.

Nach 1945

1946 gab es kurzfristig eine von der amerikanischen Militärregierung ernannte Bürgerschaft mit 60 Mitgliedern. Die erste gewählte Bürgerschaft vom 13. Oktober 1946 hatte 80 Mitglieder aus der Stadt Bremen. Am 13. Februar 1947 kamen noch 20 Abgeordnete aus Bremerhaven hinzu. Bis 2003 hielt sich die Zahl der Landtagsabgeordneten auf 100 bis sie auf Grund eines Gesetzes auf 83 reduziert wurde, davon 68 aus Bremen und 15 aus Bremerhaven.

Wahl

Die Bremische Bürgerschaft wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl alle vier Jahre in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. Das Wahlgebiet ist in den Wahlbereich Bremen und in den Wahlbereich Bremerhaven unterteilt und es besteht eine für beide Bereiche getrennt anzuwendende 5-%-Sperrklausel.

Das Verhältnis der Wahlgebiete zueinander war Jahrzehnte lang unverändert – 80 Abgeordnete aus Bremen, 20 aus Bremerhaven –, bis 2003 die Anzahl der Abgeordneten von insgesamt 100 auf 83 verringert wurde. In der folgenden Wahlperiode stellte Bremen 67 Abgeordnete (80,7 %), Bremerhaven 16 Abgeordnete (19,3 %). Seit 2007 beläuft sich das Verhältnis auf 68:15 (81,9 % : 18,1 %). Damit wird ansatzweise die Entwicklung der wahlberechtigten Bevölkerung in den Städten nachvollzogen, deren Verhältnis sich seit 1947 kontinuierlich von 79,4 : 20,6 auf 82,1 : 17,9 geändert hat.

Wahlbereich Bremen

Die im Wahlbereich Bremen gewählten Abgeordneten sind gleichzeitig Mitglieder der Stadtbürgerschaft der Stadt Bremen. Die Stadtbürgerschaft ist das Kommunalparlament der Stadt Bremen. Von 2003 bis 2007 waren nur 66 Landtagsabgeordnete Mitglieder der Stadtbürgerschaft, weil bei der Zusammensetzung der Stadtbürgerschaft auch die Stimmen der Bürger der Europäischen Union herangezogen werden. Diese haben zu einem höheren Anteil die Grünen gewählt. Da diese Stimmen bei der Wahl zur Bürgerschaft (Landtag) nicht berücksichtigt werden dürfen und die Zahl der Bürgerschaftsmitglieder nicht erhöht werden darf, ist eine Abgeordnete der Grünen nur in der Stadtbürgerschaft vertreten. Dafür sitzt ein Abgeordneter der SPD nur im Landtag und nicht zugleich auch in der Stadtbürgerschaft.

Wahlbereich Bremerhaven

Im Wahlbereich Bremerhaven werden die restlichen 15 Abgeordneten der Bürgerschaft gewählt. In einer zusätzlichen Wahl bestimmen die Wahlberechtigten in Bremerhaven die 48 Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven. Die Stadtverordnetenversammlung ist Kommunalparlament der Stadt Bremerhaven.

Wahl der Stadtteilbeiräte

In der Stadtgemeinde Bremen werden zur Wahrnehmung der Stadtteilangelegenheiten in 22 Orts- und Stadtteilen Beiräte gewählt. Die Beiräte in Bremen sind ein Verwaltungsorgan und fungieren mit eigenen Globalmitteln. Hintergrund der Beiräte ist, dass die kommunale Vertretung, die Stadtbürgerschaft, aus den stadtbremischen Abgeordneten des Landesparlaments besteht. Die Beiratswahlen finden seit 1991 parallel zu den Bürgerschaftswahlen statt. Die jüngsten wurden am 13. Mai 2007 abgehalten. Erstmals durften auch 16- und 17-jährige Bremerinnen und Bremer aus Deutschland oder anderen Ländern der Europäischen Union an diesen Wahlen teilnehmen

Wahlberechtigung

Jeder Bürger Bremens, der 18 Jahre alt ist, seit drei Monaten seinen festen Wohnsitz in Bremen und am Wahltag die deutsche Staatsangehörigkeit hat, besitzt die aktive und passive Wahlberechtigung zur Bürgerschaft. Für Bürger der Mitgliedsstaaten der EU gilt das Kommunalwahlrecht. An den Stadtteilbeiratswahlen dürfen bei der Wahl im Mai 2007 erstmals auch Jugendliche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr teilnehmen.

Wahlergebnisse

Wahlergebnisse von 1919 bis 1933

Anzahl der 200 Abgeordneten der Bremischen Nationalversammlung nach Parteien:

  • 1919: SPD 67, DDP 39, USPD 38, Landeswahlverband (DVP und DNVP) 29, KPD 15, Wirtschaftliche Verbände 12

Anzahl der 120 Abgeordneten der Bürgerschaft nach Parteien:

  • 1920: USPD 37, DVP 25, SPD 22, DDP 18, DNVP 7, Wirtschaftliche Verbände 6, KPD 5
  • 1921: DVP 30, SPD 28, USPD 23, DDP 21, DNVP 7, KPD 6, Wirtschaftliche Verbände 5
  • 1923: SPD 36, DVP 26, KPD 18, DDP 16, DNVP 12, Liste Deutschvölkische Freiheitspartei und NSDAP 7, Wirtschaftliche Verbände 5
  • 1924: SPD 46, DVP 19, DDP 14, DNVP 10, KPD 9, Hausbesitzer 8, Nationalsozialistische Freiheitsbewegung 4, DVP und DNVP Bremerhaven 4, Deutsche Zentrumspartei 2, Bodenreformer 1, Landeswahlverband Bremen-Landgebiet 2, Bürgerliche Vereinigung Vegesack 1
  • 1927: SPD 50, Liste DVP-DNVP-National-Sozialistische Freiheitsbewegung, Wirtschaftliche Vereinigung 35, DDP 12, KPD 10, Hausbesitzer 10, Zentrum 2, Heim und Scholle (Bodenreformer) 1
  • 1930: SPD 40, NSDAP 32, DVP 15, KPD 12, DNVP 6, Hausbesitzer 5, Staatspartei (ex DDP) 5, Zentrum 2, Reichspartei (Wirtschaftspartei) 2, Konservative Volkspartei 1
  • 1933 (96 Abg.): SPD 32, NSDAP 32, Kampffront Schwarz-Weiß-Rot (ex DNVP) 13, KPD 12, DVP 6, Zentrum 1

Wahlergebnisse ab 1946

Überblick: siehe Wahlergebnisse und Senate in Bremen

Aktuelle Wahlergebnisse

Bei der Wahl vom 13. Mai 2007 wurde die SPD stärkste Partei. Die große Koalition wurde beendet. Die Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen bilden eine Rot-Grüne Koalition.

Stimmverteilung

SPD 36,8 %
CDU 25,7 %
GRÜNE     16,4 %
Die Linke 8,4 %
FDP 6,0 %
DVU 2,8 %
Konservative 1,6 %
Übrige 2,3 %

Sitzverteilung der Bürgerschaft des Landes Bremen

SPD 32 Sitze
CDU 23 Sitze
GRÜNE 14 Sitze
LINKE 7 Sitze
FDP 5 Sitze
BIW 1 Sitz
Parteilos 1 Sitz[1]

Sitzverteilung der Bremischen Stadtbürgerschaft

SPD 27 Sitze
CDU 18 Sitze
GRÜNE 13 Sitze
LINKE 6 Sitze
FDP 4 Sitze

Der Präsident

Die Befugnisse und Aufgaben des Präsidenten der Bürgerschaft sind in Artikel 92 der Verfassung der Freien Hansestadt Bremen festgelegt:

Der Präsident der Bürgerschaft eröffnet, leitet und schließt die Beratungen. Ihm liegt die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sowohl in der Versammlung selbst als auch unter den Zuhörern ob. Wird die Ruhe durch die Zuhörer gestört, so kann er ihre Entfernung veranlassen. Der Präsident der Bürgerschaft verfügt über die Einnahmen und Ausgaben der Bürgerschaft nach Maßgabe des Haushaltes und vertritt die Freie Hansestadt Bremen in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten der Bürgerschaft. Der Vorstand der Bürgerschaft ist Dienstvorgesetzter aller im Dienste der bremischen Bürgerschaft stehenden Personen, er stellt sie ein und entlässt sie. Dabei hat er den Stellenplan zu beachten.

Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft seit 1946:

1946 bis 1966     August Hagedorn (SPD)
1966 bis 1971 Hermann Engel (SPD)
1971 bis 1995 Dr. Dieter Klink (SPD)
1995 bis 1999 Reinhard Metz (CDU)
seit 1999 Christian Weber (SPD)

Das Gebäude

Das Haus der Bürgerschaft wurde 1965/66 nach Plänen des Architekten Wassili Luckhardt gebaut.

Besonderheiten

Bei den Bürgerschaftswahlen für das Land Bremen werden die Stadt Bremen und die Stadt Bremerhaven als zwei getrennte Wahlbereiche behandelt. Für den Einzug in die Bürgerschaft genügt das Überspringen der 5-Prozent-Hürde in einer der beiden Städte. So gelang es der DVU in das Landesparlament einzuziehen, weil sie in Bremerhaven 5,4 % der Stimmen erhielt, landesweit jedoch nur 2,75 %.

Kleine Parteien und Wählervereinigungen waren häufig in der Bremischen Bürgerschaft vertreten. So errang die Partei Arbeit für Bremen und Bremerhaven e.V. (AfB) 1995 auf Anhieb 10,7 %. Die Bremer Grüne Liste war 1979 die erste grüne Partei, die in einen deutschen Landtag einzog. Der Partei Die Linke gelang 2007 in Bremen erstmals der Einzug in ein Landesparlament in den alten Bundesländern. Aufgrund einer Wiederholungwahl im Wahlbereich Bremerhaven am 6. Juli 2008 konnte auch die Wählervereinigung Bürger in Wut mit einem Abgeordneten nachträglich in die Bremische Bürgerschaft einziehen.

Weblinks

Fußnoten

  1. Siegfried Tittmann hat im Juli 2007 die DVU, über deren Liste er in die Bremische Bürgerschaft gewählt wurde, verlassen.

53.0752777777788.80777777777787Koordinaten: 53° 4′ 31″ N, 8° 48′ 28″ O


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