Geschichte der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Geschichte der Straßenbahnfahrzeuge in Deutschland

Während in den anderen großen westlichen Staaten Europas die meisten Straßenbahnnetze in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stillgelegt wurden, in Großbritannien außer in ein paar Seebädern, in Frankreich außer in Lille, Marseille und Saint-Étienne, in Italien außer in Mailand, Rom und Neapel, behielten die meisten bundesdeutschen Großstädte ihre Straßenbahn. In der DDR wurden nur wenige Straßenbahnenetze stillgelegt. Daher wurde in Deutschland der Fuhrpark einer großen Zahl von Straßenbahnbetrieben kontinuierlich weiterentwickelt.

Diese Galerie enthält bewusst nur eine recht knappe Auswahl, nicht mehr als erforderlich, um die zeitliche Entwicklung der Gestalt der Straßenbahnen zu verdeutlichen. Straßenbahnfahrzeuge fahren üblicherweise 30 Jahre lang im Liniendienst, einzelne 50 Jahre und länger. Daher sind einige Wagen nicht in der Lackierung ihrer Epoche abgebildet, sondern in einer späteren. Bei etlichen hat man auch den ursprünglichen Stromabnehmer durch einen technisch moderneren ersetzt. So erfolgte bei der Berliner Straßenbahn die Umstellung von Stangen- auf Scherenstromabnehmer erst ab 1948. Einholmstromabnehmer werden auf Straßenbahnen erst seit etwa 1980 verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Pferde- und Dampfantrieb

33 Jahre nach der ersten New Yorker Pferdetram und zehn Jahre nach der Eröffnung der Straßenbahn in Paris [1] ging in Berlin 1865 die erste Straßenbahn in Betrieb, in Hamburg 1866. Später wurden die meisten dieser Bahnen auf elektrischen Betrieb umgestellt und die Wagen als Beiwagen elektrischer Triebwagen weitergenutzt. Gerade in der Anfangszeit setzte man mancherorts Doppelstockwagen ein. Darunter auch welche mit gänzlich offenem Oberdeck, fachlich korrekt Decksitzwagen genannt. Wo lange Strecken oder ein hohes Fahrgastaufkommen zu bewältigen waren, wurden auf manchen Strecken auch kleine Dampflokomotiven eingesetzt, wegen Belästigung und Gefährdung (scheuende Pferde) von Anwohnern und anderen Verkehrsteilnehmern aber mit Ausreifung des elektrischen Antriebs zumeist ersetzt. Auch als der elektrische Antrieb eigentlich schon Standard war, wurden wegen der geringeren Investitionskosten noch vereinzelt Pferdebahnen neu in Betrieb genommen, so 1909 in Bad Salzuflen.

„Elektrische“ bis 1945

Siemens' erste elektrische Tram mit ihrer Stromversorgung über die Schienen hatte noch etwas sehr Demonstrations- und Versuchscharakter. Bei der FOTG von Frankfurt nach Offenbach wurde die zweipolige Schlitzrohrfahrleitung zusammen mit den Gleisen gebaut. Fortan hatte auch viele andere Straßenbahnen von Anfang an elektrischen Antrieb. Die Umrüstung alter Linien dauerte teilweise bis nach dem Ersten Weltkrieg. Die ersten elektrischen Straßenbahnen hatten offene Plattformen, wie schon die Pferdebahnen. Herstellerabhängig war die Bauart von Fahrleitung und Stromabnehmer: AEG und UEG verwendeten in der Regel Stangenstromabnehmer nach den Patenten von Frank Julian Sprague (Elektrische Ausrüstung durch UEG), Siemens dagegen Lyrastromabnehmer.

Die ersten Wagen mit geschlossenen Plattformen wurden um 1900 gebaut, die letzten mit offenen um 1910. Offene Plattformen wurden oft nachträglich verglast. Ab etwa 1910 erhielten die Fahrzeuge im Fahrgastraum elektrische Beleuchtung (vorher Petroleum).

Indem die Straßenbahn vom Luxus- zum Massenverkehrsmittel wurde, wurden immer längere Zweiachser gebaut, was die Schienen belastete, und immer mehr Beiwagen eingesetzt. Zwischen den Weltkriegen baute man versuchsweise auch Zweiachser mit Mitteleinstieg. In den zwanziger Jahren ersetzte man bei vielen Betrieben die Stangen- durch Scherenstromabnehmer, was einen Umbau der Fahrleitung erforderte. Ebenfalls in den 1920ern wurden die Fahrzeuge mit stärkeren Motoren ausgerüstet (ca. 2× 25kW statt vorher 2×15kW), auch gab es Prototypen von Dreiachsern.

Straßenbahnen mit Drehgestellen waren vor Mitte des 20. Jahrhunderts in deutschsprachigen Ländern wenig verbreitet, mit teilweise prominenten Ausnahmen.

Erste Jahre nach 1945

Vorkriegsfahrzeuge, modernisierte Fahrzeuge und "Aufbauwagen" nach dem Zweiten Weltkrieg:

Entwicklung in der BRD

1950er und 1960er

In der BRD setzte man seit Anfang der 1950er Jahre auf 4-achsige Großraumwagen (ab 1951) und seit Mitte des Jahrzehnts auf 6-achsige Gelenkwagen (ab 1956), in vielen Städten als Einrichtungswagen. Marktführer war DUEWAG. Stuttgart, Freiburg und Ulm setzten Wagen der Maschinenfabrik Esslingen ein , die baugleich auch in Rastatt produziert wurden. Die erste Generation der Bremer Gelenkwagen und die baugleichen Münchener P-Wagen wurden von Hansa Waggonbau in Bremen geliefert.

1970er

Nachdem DUEWAG schon seit 1958 der Düsseldorfer Rheinbahn dreiteilige Gelenkwagen mit 4 Drehgestellen (GT8) geliefert hatte, wurden ab etwa 1970 etliche Sechsachser durch Zwischensetzen eines weiteren Segmentes zu Achtachsern mit zwei Jakobsdrehgestellen verlängert. Mancherorts ermöglichte die Verlängerung, alte zweiachsige Beiwagen auszumustern, die bis dahin an die Gelenkwagen angehängt worden waren. In Düsseldorf und Köln fuhren Achtachser mit Großraum-Beiwagen. Die äußerlich kaum veränderten, modernisierten DUEWAG-Einheitswagen werden auch als Typ Mannheim bezeichnet. Für Freiburg wurden schon in den 1970ern Achtachser gebaut, deren beide innere Drehgestelle ganz unter dem Mittelsegment saßen. Die „Bremer“ Kurzgelenkwagen wurden von der Firma Wegmann & Co. in Kassel weiterentwickelt; die Steuerung der Knickung im Gelenk erfolgte nun nicht mehr über Gestänge, sondern hydraulisch.

1980er

In der BRD wurden in den 1980er Jahren die ersten Stadtbahnwagen entwickelt. Teils wurden bewährte Straßenbahntypen so verändert, dass sie auch für Hochbahnsteige geeignet waren, teils entstanden völlig neue Typen. Während man für Frankfurt und Hannover lange Gelenkwagen mit straßenbahnmäßiger Kurvengängigkeit baute, beschritt man bei der Stadtbahn Stuttgart den entgegengesetzten Weg, obwohl auch mehrere Stuttgarter Linien streckenweise als konventionelle Straßenbahn geführt sind. Die neuen Stuttgarter Doppeltriebwagen bestanden in ihren ersten Versionen für die Fahrgäste aus zwei vierachsigen Einzelwagen ohne Übergang, und ihre Drehgestelle sind deutlich weiter voneinander entfernt als bei klassischen Straßenbahn-Großraumwagen.

Entwicklung in der DDR

1950er und 1960er

In der DDR baute der VEB Waggonbau Gotha weiterhin überwiegend Zweiachser und daraus abgeleitete vierachsige Gelenkwagen mit an den Außensegmenten hängendem Mittelsegment, einer Bauweise, die in westlichen Ländern selten verwandt wurde. Die Produktion einheitlicher Wagen für alle Straßenbahnbetriebe der DDR übernahm der VEB Waggonbau Gotha 1952 von der Waggonfabrik Werdau, wo 1950 der LOWA ET50 entwickelt worden war, der in Gotha bis 1956 gebaut wurde, zuletzt gering verändert als ET54:

1970er und 1980er

In einigen Großstädten der DDR wurden ab 1967 vierachsige Großraumwagen des tschechoslowakischen Herstellers ČKD Tatra eingesetzt. In den 1980er Jahren wurde der Fuhrpark großer wie auch vieler kleinerer Straßenbahnbetriebe der DDR durch neue Tatra-Gelenkwagen mit zwei Drehgestellen (technisch dem „Bremer“ Typ entsprechend) modernisiert. LOWA ET50 und die letzten Vorkriegsbahnen wurden dafür ausgemustert.

1990er Jahre

In den 1990er Jahren wurden mit Hochdruck Niederflurzüge entwickelt. Teilweise machten sich erhebliche „Kinderkrankheiten“ bemerkbar, nachdem schon große Stückzahlen im Einsatz waren. Auch mancher ältere Gelenkwagen wurden nach 1990 mit einem Niederflursegment nachgebessert. Um Probleme mit der Niederflurtechnik zu vermeiden gibt es auch Neukonstruktionen, die nicht vollständig niederflurig sind, so bei dem für Köln entwickelten seit 1995 produzierten Typ Flexity Swift, dessen Achsverteilung mit vier Rädern fest unter einem kurzen Mittelsegment aus einem konventionellen Zürcher Gelenkwagentyp weiterentwickelt ist, dessen Mittelsegmant allerdings eine Außentür hat. Ein Vorreiter in der Entwicklung der Regiotram (s. u.) war und ist Karlsruhe.

Ab etwa 2000

Seit 2000 gelingt es zunehmend, die Kinderkrankheiten der Niederflurtechnik zu beheben. Der Marktführer Bombardier produziert seit 1999 8-achsige Dreiteiler statt der 6-achsigen mit Einzelachsen. Und als Nachfolgemodell der Adtranzbahnen entwickelte er den Typ Flexity Berlin. Besonders lange Niederflur-Gelenkzüge baut er für die Dresdner Verkehrsbetriebe. In einer Zeit, in der einerseits Niederflurtechnik schon beinahe Standard ist, andererseits die Bahnen als RegioTrams auch Eisenbahnstrecken befahren, müssen Straßenbahnfahrzeuge (zunehmend Stadtbahn-Fahrzeuge genannt) geradezu gegensätzliche Anforderungen erfüllen.

Innenräume

Wikilinks

Fußnoten

  1. Europas erste Straßenbahn war die Überlandstraßenbahn Montbrison–Montrond
  2. Typenreiner Leipziger »Pullmanzug«

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Geschichte der Straßenbahn in Berlin — Die Geschichte der Straßenbahn in Berlin beginnt 1865 mit der Eröffnung einer Pferdebahn vom Brandenburger Tor nach Charlottenburg. 1881 fuhr in Groß Lichterfelde (heute ein Ortsteil von Berlin) die erste elektrische Straßenbahn der Welt. Bis… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte der Kölner Straßenbahn — Dieser Artikel behandelt die Geschichte der Kölner Straßenbahn einschließlich der Vorortbahnen, der heutigen Stadtbahn Köln. Inhaltsverzeichnis 1 Pferdebahn 2 Pferde Omnibusse 3 Elektrische Bahn/Elektrifizierte Straßenbahn …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte der Straßenbahn Köln — Dieser Artikel behandelt die Geschichte der Kölner Straßenbahn, Vorläufer der Stadtbahn Köln. Plan Koeln und Deutz 1888 A. C. Greven mit Pferdebahn Ausschnitt. Inhaltsverzeichnis 1 Pferdebahn …   Deutsch Wikipedia

  • Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Fahrzeuge der Straßenbahn Frankfurt am Main/Baureihe A/B — Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 1.1 Baureihenbezeichnungen 1.2 Nummerierung 1.3 Allgemeine Umbauten 2 A und B, E 3 V …   Deutsch Wikipedia

  • Fahrzeuge der Straßenbahn Frankfurt am Main — Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 1.1 Baureihenbezeichnungen 1.2 Nummerierung 1.3 Allgemeine Umbauten …   Deutsch Wikipedia

  • Straßenbahn — in Innsbruck …   Deutsch Wikipedia

  • Depots der Straßenbahn Frankfurt am Main — Derzeit verfügt die Frankfurter Straßenbahn über zwei Betriebshöfe, zwei Wagenhallen sowie die Stadtbahnzentralwerkstatt. Inhaltsverzeichnis 1 Anlagen in Betrieb 1.1 Stadtbahnzentralwerkstatt 1.2 Betriebshöfe 1.2.1 …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Straßenbahnen in Europa — Diese Liste der Straßenbahnen in Europa beinhaltet die bestehenden (fett markiert) als auch die ehemaligen Straßenbahnbetriebe des Kontinents. Zusätzlich zu den Städten, in denen diese ansässig waren, werden, soweit möglich, zusätzliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Gelenkwagen (Straßenbahn) — Sechsachsiger Duewag Gelenktriebwagen …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”