Flutberg

Flutberg
Die Bay of Fundy bei Hoch- und bei Niedrigwasser

Unter den Gezeiten oder der Tide (niederdeutsch tiet = Zeit) versteht man den durch die Gravitation des Mondes und der Sonne verursachten Zyklus von Ebbe und Flut auf den großen Gewässern der Erde.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Allgemein treten Gezeitenkräfte an ausgedehnten Körpern auf, die einer Anziehungskraft unterliegen. Insbesondere üben Sonne und Mond Gezeitenkräfte auf die Erde aus.

Aufgrund der Abnahme der Anziehungskräfte von Mond und Sonne mit steigender Entfernung werden die diesen Himmelskörpern zugewandten Teile der Erde stärker angezogen als die abgewandten. Dadurch treten auf beiden Seiten der Erdoberfläche nach außen ("oben") gerichtete Gezeitenkräfte auf.

Die in den irdischen Ozeanbecken befindlichen Wassermassen werden durch den periodischen Richtungswechsel der Gezeitenkräfte in Schwingungen versetzt. Die dadurch angeregten Wellen führen zum zeitlichen Auf und Ab des Wasserstandes, das an den Küsten als Ebbe und Flut in Erscheinung tritt. Weil der Mond täglich etwa 50 Minuten später als am Vortag an einem bestimmten Ort steht, wirkt er mit einer Periode von knapp 25 Stunden auf die Erde. Da die Gezeitenkräfte auf zwei Seiten an der Erde angreifen, beträgt ihre Periode durchschnittlich 12 h 25 min. Auch die Sonne hat eine Gezeitenwirkung auf die Erde. Sie beträgt nur etwa 40 Prozent der des Mondes. Die Überlagerung der Gezeitenkräfte beider Himmelskörper führt dazu, dass die Periode der Gezeiten erheblich um ihren Mittelwert schwankt. Darüber hinaus wird der tatsächliche Wasserstand vom Wetter beeinflusst (Sturmflut).

Die durch die Gezeitenkräfte von Mond und Sonne verursachte Wasserstandsänderung variiert je nach Stellung der Himmelskörper. Stehen Sonne, Mond und Erde annähernd auf einer Geraden wie bei Neumond, so addieren sich die Anziehungswirkungen, und es kommt zu einer (höheren) Springtide. Stehen Sonne, Mond und Erde in einem rechten Winkel zueinander wie bei Halbmond, so wird die Gezeitenwirkung des Mondes durch die der Sonne abgeschwächt, und es kommt zur niedrigeren Nipptide.

Ebbe und Flut

Flut ist der Zeitraum ansteigenden Wassers, also „auflaufendes Wasser“. Ebbe ist andererseits der Zeitraum des Sinkens des Wasserspiegels, „ablaufendes Wasser“. Den jeweils anschließenden Zeitpunkt des höchsten beziehungsweise niedrigsten Wasserstandes bezeichnet man mit Hoch- beziehungsweise Niedrigwasser (HW, NW). Der Wasserstand zu diesen Zeiten wird Hochwasserhöhe (HWH) bzw. Niedrigwasserhöhe (NWH) genannt. Aufeinander folgende HW oder NW fallen im Allgemeinen nicht gleich hoch aus, da die Stärke der Gezeitenkräfte von der genauen Stellung von Mond und Sonne abhängt.

Die Höhendifferenz zwischen NWH und der folgenden HWH wird als Tidenstieg bezeichnet, zwischen HWH und folgender NWH entsprechend als Tidenfall. Den Mittelwert aus Tidenstieg und Tidenfall bezeichnet man als Tidenhub. Der zeitliche Verlauf des Wasserstandes zwischen Niedrigwasser, Hochwasser und darauf folgendem Niedrigwasser ergibt die Tidenkurve. Die gezeitenbedingte Höhe des Wasserstandes gegen das örtliche Seekartennull (meist LAT) bezeichnet man als Höhe der Gezeit.

Diese Phasen der Gezeiten haben erhebliche Bedeutung für die Schifffahrt im Hinblick auf Strömung und Wassertiefe. So kommt es bedingt durch den Wechsel des Wasserstandes insbesondere im küstennahen Bereich zu mehr oder weniger starken Ausgleichsströmungen, sogenannten Gezeitenströmen. Den Zeitpunkt der Strömungsumkehr zwischen auflaufendem und ablaufendem Wasser und umgekehrt nennt man den Kenterpunkt der Tide oder Stillwasser. Läuft die Tide durch eine Flussmündung das Landesinnere, spricht man von Gezeitenwelle.

Historische Entwicklung der Gezeitentheorien

Bereits die griechischen Naturphilosophen (u. a. Aristoteles) entwickelten Theorien zur Erklärung der Gezeiten. Damals erklärte man Ebbe und Flut mit einer Anziehungskraft zwischen dem Wasser der Meere und dem Mond.

Im 14. Jahrhundert veröffentlicht Jacopo Dondi (dall'Orologio) De fluxu et refluxu maris, wohl angeregt durch griechisch-byzantinische Quellen, editiert 1912 von P.Revelli. Jacopo ist Vater des Giovanni de Dondi (dall'Orologio).

Im 16. Jahrhundert erklärte Andrea Cesalpino die Gezeiten in seinem Werk Quaestiones Peripatetica (1571) mit der Erdbewegung - ähnlich der Bewegung von Wasser in einem bewegten Eimer.

1590 stellte Simon Stevin die Theorie auf, dass die Gezeiten durch die Anziehung des Mondes zu erklären seien.

Johannes Kepler versuchte die Gezeiten anhand der Planetenbewegungen zu erklären.

René Descartes postulierte eine Theorie auf Basis einer Reibung des „Äthers“ zwischen Erde und Mond. Diese Theorie wurde allerdings schnell widerlegt.

Galileo Galilei entwickelte eine kinematische Gezeitentheorie und führte die Gezeiten als Beweis für die Erdrotation an. Seiner Theorie zufolge bewegt sich die von der Sonne angestrahlte Seite der Erde langsamer als die Nachtseite, wodurch sich die Gezeiten aufgrund der unterschiedlichen Beschleunigungen ergeben sollen.

Isaac Newton zeigte als erster, dass nicht die Zentrifugalkraft, sondern die Anziehungskräfte der Massen von Mond und Sonne für Ebbe und Flut ursächlich sind. In seinem im Jahre 1687 erschienenen Werk Mathematische Prinzipien der Naturlehre postulierte er ein Gravitationssystem von Erde und Mond, das um einen Gravitationsmittelpunkt, den gemeinsamen Schwerpunkt (Baryzentrum) rotiert.

Weitere Theorien:

  • Dynamische Theorie unter Einbeziehung der Corioliskraft (Sydney Hough)
  • Theorie auf Basis einfach geformter Becken mit gleichförmiger Tiefe (George Biddell Airy 1842)

Physikalische Erläuterung

Revolution ohne Rotation: Abb. a
Revolution ohne Rotation: Abb. b
Revolution ohne Rotation: Abb. c
Gezeitenkräfte während 2 Tagen: Abb. d

Anziehungskräfte

Wegen der Ausdehnung der Erde wirkt nicht auf jeden Punkt ihrer Oberfläche die gleiche Anziehungskraft des Mondes. Aufgrund der Abnahme der Anziehungskraft mit steigender Entfernung werden die dem Mond zugewandten Teile der Erdoberfläche von ihm überdurchschnittlich stark angezogen, die ihm abgewandten, entfernter liegenden, hingegen relativ schwächer. Dadurch treten auf beiden Seiten der Erdoberfläche nach außen ("oben") gerichtete Kräfte auf. Die Differenz dieser beiden Kräfte, die Gezeitenkraft, wirkt auf die Erde elongierend, versucht also, sie entlang der Verbindungslinie Erde-Mond auseinander zu ziehen.

Fliehkräfte

Die Fliehkräfte der Erdbewegung um den Schwerpunkt Erde-Mond wirken an allen Orten der Erde gleich. Zur Veranschaulichung nimmt man zunächst an, die Erde würde gar nicht selbst rotieren sondern sich lediglich um den Schwerpunkt Erde-Mond bewegen (Abb. a). Das ist sinnvoll, da Bewegungen um die eigene Achse nur radialsymmetrische Fliehkräfte erzeugen, die nicht zu den Gezeitenkräften gehören. Zur Unterscheidung von der normalen Rotation wird diese Bahnbewegung auch als Umlauf oder Revolution bezeichnet.

Alle Orte auf und in der Erde bewegen sich nun parallel und beschreiben im Monatsrhythmus die gleiche Bahn (Abb. b). Sie erfahren daher auch dieselben Fliehkräfte, die parallel gerichtet sind und vom Mond fort weisen (Abb. c).

Zusammenwirken von Gravitation und Fliehkraft

Den zum Mondzentrum gerichteten Anziehungskräften wirkt überall in gleicher Weise (Richtung und Stärke) die Fliehkraft entgegen. Beide Kräfte sind von ähnlicher Größe. Ihre Differenz, die Gezeitenkraft, ist erheblich kleiner. So sehr, dass sie in der Grafik rechts (Abb. d) zehnfach überlängert dargestellt wurde.

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Entstehung der Gezeiten

Schematische Darstellung der Gezeitenkräfte und Flutberge
Feld der Gezeitenkräfte
Bahn eines Punktes auf der Erdoberfläche in einem Monat

Der Schwerpunkt des Systems, um den Mond und Erde kreisen, liegt innerhalb der Erde. Jeder Punkt der Erdoberfläche ist einer gleichgroßen Fliehkraft unterworfen, die parallel zur Verbindungslinie Erdmittelpunkt-Mondmittelpunkt vom Mond weg (also unter Umständen in die Erde hinein) gerichtet ist. Zumeist leicht schräg, aber prinzipiell entgegengesetzt dazu wirkt die Anziehungskraft des Mondes, auf der mondzugewandten Seite stärker als auf der mondferneren Seite. Die Summe beider Kräfte ist die resultierende gezeitenbildende Kraft.

Mond und Erde bilden ein System mit einem gemeinsamen Schwerpunkt, dem Erde-Mond-Schwerpunkt. Sowohl Mond als auch Erde kreisen beide um diesen Systemschwerpunkt, welcher auch Baryzentrum genannt wird. Da die Masse der Erde 81-mal so groß ist wie die des Mondes, befindet sich dieser Schwerpunkt noch im Inneren der Erde. Er ist 4740 km vom Erdmittelpunkt entfernt (der Radius der Erde beträgt rund 6371 km).

Die Erde führt die Bewegung um den Systemschwerpunkt als starres Ganzes aus. Durch diese kreisförmige Bewegung wird also eine identische Beschleunigung (und Fliehkräfte) in jedem einzelnen Punkt der Erde erzeugt. Das Gravitationsfeld des Mondes erzeugt für jeden dieser Punkte eine nahezu entgegengesetzte Beschleunigung. Im Mittel über die gesamte Erde heben sich beide Beschleunigungen auf. Durch dieses Gleichgewicht laufen Mond und Erde auf stabilen Bahnen. Das Mond-Gravitationsfeld übt allerdings nicht auf jeden Punkt der Erde die gleiche Beschleunigung aus. Auf der mondnahen Seite der Erde ist das Gravitationsfeld etwas stärker als die in die Erde gewandte Fliehkraft, und es bildet sich der erste Flutberg. Auf der mondfernen Seite ist die vom Mond abgewandte Fliehkraft stärker als die Mondgravitation, und es bildet sich der zweite Flutberg.

Es ist intuitiv nicht einzusehen, dass die Fliehkraft durch die Erdbewegung um den Systemschwerpunkt an jedem Punkt der Erde identisch sein soll. Aus eigener Erfahrung weiß jeder, dass die Fliehkraft mit steigender Geschwindigkeit oder steigendem Radius zunimmt. Betrachten wir nun also alle auftretenden Kräfte im bewegten Erde-Mond System (Schätzwerte):

  • Schwerkraft der Erde, Beschleunigung 9806,65 mm/s²
  • Rotation der Erde um den Erdmittelpunkt, Beschleunigung 33,9 mm/s²
  • Revolution der Erde um den Systemschwerpunkt, Beschleunigung 0,0332 mm/s²
  • Mondgravitation, Beschleunigung von 0,0321 bis 0,0343 mm/s²

Addiert man all diese Kräfte unter Berücksichtigung der Richtung, in die sie wirken (vektoriell), erhält man für jeden Punkt der Erde einen Beschleunigungswert und damit die Gezeitenkräfte. Beschleunigungen treten immer dann auf, wenn der Bewegungszustand eines Objektes geändert wird. Das bedeutet, das Objekt muss die Geschwindigkeit oder die Bewegungsrichtung ändern. Durch die Trägheit übt jede beschleunigte Masse eine der Beschleunigung entgegengesetzte Kraft aus. Wollen wir also die Fliehkraft untersuchen, müssen wir nur alle Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen berücksichtigen. Fasst man die Geschwindigkeit und die Bewegungsrichtung zu einem Vektor zusammen, kann man beide Aspekte in einem Rechenschritt erfassen. Das Problem reduziert sich somit auf die Addition von Vektoren. Es ist dabei egal, in welcher Reihenfolge wir addieren, das Ergebnis bleibt gleich.

Fangen wir also an mit der Revolution der Erde um den Systemschwerpunkt. Diese dauert etwa so lange wie die Umlaufzeit des Mondes um die Erde. Die Erde bewegt sich dabei als Ganzes. Der Mittelpunkt der Erde bewegt sich auf einer Kreisbahn um den Systemschwerpunkt als Zentrum. Alle anderen Punkte bewegen sich mit dem Erdmittelpunkt, denn sie sind fest mit ihm verbunden. Jeder Punkt bewegt sich deswegen auf einer Kreisbahn mit dem gleichen Radius, aber um je ein eigenes Zentrum. Dieses Zentrum ist zum Systemschwerpunkt jeweils um die gleiche Strecke verschoben wie der Punkt selbst vom Erdmittelpunkt. Achtung: Die Erde und jeder ihrer Punkte rotiert bei dieser Betrachtung nicht, auch nicht um den Erdmittelpunkt! Ihre Ausrichtung im Raum ist fest und sie wird sozusagen an einer Kreisbahn entlanggeschoben. Probieren Sie das am besten mit einem Bierdeckel auf dem Tisch, ohne das Handgelenk dabei zu drehen. Die erzeugte Fliehkraft ist in jedem Punkt der Erde gleich groß, denn Geschwindigkeit und Radius sind für jeden Punkt identisch. Die Richtung der Fliehkraft ist in allen Punkten parallel. Im Erdmittelpunkt zeigt sie vom Systemschwerpunkt weg. Der Wert beträgt überall etwa 0,0332 mm/s².

Weit entfernt auf der gegenüberliegenden Seite des Systemschwerpunktes befindet sich der Mond und seine Masse erzeugt sein Gravitationsfeld. Lässt man einen Gegenstand in einem Gravitationsfeld fallen, beschleunigt er in Richtung des Gravitationszentrums. Für jeden Punkt eines Gravitationsfeldes kann man also einen Beschleunigungsvektor angeben. Wir wählen uns drei Punkte auf der Erdoberfläche relativ zum Mond:

  • (A) nächster Punkt (mondnah)
  • (B) fernster Punkt (mondfern)
  • (C) Zwischenpunkt

Alle drei Punkte liegen auf demselben Breitengrad. Der Zwischenpunkt liegt auf der Erdoberfläche, in der Mitte zwischen mondnahem und mondfernem Punkt. Am mondnahen Punkt erzeugt das Gravitationsfeld eine Beschleunigung von etwa 0,0343 mm/s². Das ist etwas mehr als die bis jetzt berechnete Fliehkraft. Die Beschleunigung ist gen Mond gerichtet, also entgegengesetzt der Fliehkraft. Wir müssen also einfach beide Werte subtrahieren. Die Differenz von 0,0011 mm/s² entspricht einer winzigkleinen Beschleunigung in Richtung Mond. Auf der anderen Seite der Erde beträgt die Mondgravitation nur etwa 0,0321 mm/s². Die Richtungen bleiben gleich, wir subtrahieren also wieder und erhalten -0,0011 mm/s². Diesmal ist also die Fliehkraft stärker und die resultierende Beschleunigung zeigt vom Mond weg. Im Zwischenpunkt können wir nicht einfach die Beträge subtrahieren, denn Fliehkraft und Gravitation zeigen nicht in die gleiche Richtung. Deswegen lautet das Ergebnis auch nicht null, sondern es ergibt sich eine winzige Beschleunigungskomponente in Richtung Erdinneres.

Addieren wir nun die Gravitation der Erde von 9806,65 mm/s². Das ist ein sehr hoher Wert, verglichen mit den bis jetzt berechneten Beschleunigungen. Allerdings ist er für jeden Punkt der Erdoberfläche identisch und zeigt immer genau zum Erdmittelpunkt. Die Erdgravitation trägt also nicht zur Erklärung unterschiedlicher Beschleunigungen bei.

Addieren wir nun die Fliehkraft der Rotation der Erde um ihre Achse. Sie wirkt der Erdgravitation in jedem Punkt entgegen, da sie im Gegensatz zu dieser nach außen gerichtet ist. Allerdings ist sie viel schwächer. Sie ist entlang der Breitengrade gleich groß und kann auch nicht dazu beitragen, unterschiedliche Beschleunigungen zu erzeugen.

Somit erklären sich die Gezeiten allein durch die Differenz von inhomogenem Mondgravitationsfeld und konstanter Fliehkraft durch Revolution um den Systemschwerpunkt.

Intuition gegen Mathematik

Warum widerspricht das so sehr unserer Intuition? Es gibt auch folgende Sichtweise: Rotation und Revolution der Erde haben die gleiche Drehrichtung. Auf der mondnahen Seite subtrahieren sich also ihre Geschwindigkeiten. Auf der mondfernen Seite addieren sie sich. In Wirklichkeit bewegen wir uns auf einem mondnahem Punkt viel langsamer durch den Raum als auf der mondfernen Seite. Die Differenz beträgt etwa 25 Meter pro Sekunde. Hinzu kommt, dass die wahre Bahn durch den Raum keineswegs kreisförmig ist, sondern eher einer langgezogenen Spirale entspricht. Trotzdem entstehen diese Werte lediglich durch Addition zweier Rotationen, die man in beliebiger Reihenfolge einzeln analysieren kann. Das ergibt sich daraus, dass man letztendlich nur Geschwindigkeitsvektoren addiert. Ein Punkt auf dieser Bahn unterliegt in der Tat unterschiedlich starken Beschleunigungen. Das ergibt sich dadurch, dass der Winkel zwischen den Fliehkräften aus Rotation und aus Revolution sich für jeden Punkt der Erdoberfläche jede Sekunde ändert. Das spielt aber keine Rolle, denn das Gravitationsfeld des Mondes addiert sich mit der Fliehkraft durch Revolution stets zu null, bis auf die winzigen gezeitenbildenden Abweichungen. Übrig bleibt dann nur noch die relativ starke Fliehkraft der Rotation um den Mittelpunkt, die aber an allen Punkten entlang eines Breitengrades gleich stark ist. Diese Rechenreihenfolge ist zwar intuitiver, aber auch komplizierter, und führt letztendlich doch zum gleichen Ergebnis wie der mathematisch einfachere Weg.

Die Gezeitenkräfte ziehen die Erde gewissermaßen in die Länge und führen an den Enden zu jeweils einem Flutberg, wobei sich der Erddurchmesser im Bereich zwischen diesen Flutbergen entsprechend verringert. Bei einer vollständig mit Ozean bedeckten Erde ergäbe sich eine Höhenvariation von knapp 50 cm. Die Mondgravitation nimmt mit der Entfernung zum Mond quadratisch ab. Dadurch ist die Kräftedifferenz auf der mondnahen Seite höher als auf der mondfernen. Deswegen ist der Flutberg der mondnahen Seite etwa 7 Prozent höher. Die zugehörige Flut wird auch Zenitflut genannt.

Ebbe und Flut

Da die Erde sich innerhalb 24 Stunden einmal um sich selbst dreht und damit unter den beiden Flutbergen hindurch, gibt es zweimal täglich Flut und Ebbe. Zwischen zwei Tidehochwässern vergehen jedoch nicht 12 Stunden, sondern etwa 12 Stunden 25 Minuten, da der Mond auf seiner Bahn um die Erde täglich ein Stück weiterrückt, sodass er seine scheinbare Bahn am Himmel im Mittel 50 Minuten später durchläuft. Aufgrund der Küstenmorphologie (siehe unten), der Neigung der Erdachse und der elliptischen Bahn des Mondes um die Erde treten zusätzlich Variationen in den Abständen aufeinander folgender Hoch- und Tiefwasserstände auf. Im freien Ozean, wie beispielsweise bei den Azoren, beträgt diese Variation etwa eine Stunde. In Flussmündungen sind die Variationen größer, in Hamburg beispielsweise bis über zwei Stunden. Infolge Bildung von Knoten (siehe unten) können sie aber auch niedriger ausfallen. So beträgt diese Variation beispielsweise in Wilhelmshaven rund 40 Minuten.

Die Gezeitenkraft des Mondes in den Ozeanen entspricht etwa 0,0000001 (10-7) der Kraft, welche die Erde durch ihre Gravitation auf das Wasser in den Ozeanen ausübt. Der Mond allein kann also den Wasserspiegel nur geringfügig anheben. Das Wasser verliert in den Gebieten, in denen die Gezeitenkraft wirkt, an Gewicht. Der Gewichtsverlust (nicht Massenverlust) durch die Anziehungskraft des Mondes entspricht dort etwa dem Gewicht von 0,1 Mikrogramm pro Kilogramm. Dieser Gewichtsverlust bewirkt in den Gebieten der Gezeitenkraft eine Druckminderung im Wasser der Ozeane, sodass eine Wasserströmung ausgelöst wird. Die Wasserströmung führt zu einer Materialverschiebung in den Ozeanen, in die Tidenberge hinein. Im (nicht realen) statischen Fall, also bei einer nicht rotierenden Erde, würde dieser Prozess solange fortgesetzt werden, bis die Oberfläche des Ozeans eine Äquipotentialfläche im kombinierten Gravitationsfeld von Erde und Mond angenommen hat. Diese Äquipotentialfläche liegt im Maximum etwa 60 Zentimeter höher als die ungestörte Oberfläche der Ozeane. Real wird dieser statische Zustand wegen der Erdrotation nicht erreicht, beziehungsweise von den auftretenden Strömungs- und Wellenprozessen überlagert. Die Gezeitenkraft ist aber die Anregung des gesamten Vorgangs.

Moderne Gezeitentheorie

Allein mit der Gravitationstheorie lassen sich die Gezeiten allerdings nicht hinreichend erklären. Der triviale Ansatz auf Basis der Gravitation und der Erddrehung stimmt zwar an vielen Orten mit der Realität überein und ermöglicht dort nahezu korrekte Vorhersagen. Dennoch gibt es viele Regionen, an denen die Realität völlig anders aussieht. Der Theorie, dass sich die Erde unter zwei Flutbergen hindurchdreht, stehen buchstäblich die Kontinente im Weg. Eine Gezeitenflutwelle, die beispielsweise auf die Ostküsten Amerikas trifft, kann nicht einfach unter dem Kontinent durchtauchen, oder am Rand vorbeiströmen (dies würde zu gewaltigen Strömungen führen). So eine Welle wird am Ufer reflektiert, und läuft so der nächsten Flutwelle entgegen.

Moderne Gezeitentheorien basieren auf dem Ansatz von George Biddell Airy, der von Henri Poincaré, Joseph Proudman und Arthur Doodson weiterentwickelt worden ist. Dieser hydrodynamisch-empirischen Theorie zufolge entstehen die Gezeiten dadurch, dass verschiedene Tidenwellen in den Meeresbecken zwischen den kontinentalen Landmassen umherschwappen und durch die Gravitationsenergie der Erde/Sonne-Zyklen angeregt werden. Ein großer Tidenhub entsteht überall dort, wo die Topographie eine Resonanz zwischen diesen Zyklen und den bewegten Wassermassen zulässt.

Bis zum heutigen Tage ist es nicht möglich, die Gezeiten für jeden Ort der Erde allein aus theoretischen Erkenntnissen vorauszuberechnen. Insbesondere müsste zunächst der Meeresboden exakt vermessen werden, und daraus (mit derzeit noch nicht erreichbarer Rechenleistung) Modelle auf Basis historischer Messwerte errechnet werden.

Weitere Effekte der Gezeitenkräfte

Da ein Teil des Erdkerns flüssig und Erdmantel und -kruste elastisch sind, führen die Gezeitenkräfte auch zu einer Verformung der Erdoberfläche. Die Gezeitenkräfte wirken auf das gesamte Volumen der Erde ein. Genau wie in den Ozeanen kommt es im flüssigen Material des Erdinneren zu Druckschwankungen, die im gesamten flüssigen Volumen des Erdinneren auftreten. Die Gezeitenkraft wird mit zunehmender Tiefe immer schwächer, der Druckunterschied zu den Regionen ohne Gezeitenkraft nimmt jedoch mit der Tiefe zu. Die Druckänderungen erfolgen mit der Periode der Gezeitenkraft. Wie in jeder Flüssigkeit, so werden durch diese Druckschwankungen im Erdinneren Materialströmungen ausgelöst. Da es sich dabei um die Strömung einer leitenden Flüssigkeit im Magnetfeld der Erde handelt, sind Effekte aus der Magnetohydrodynamik (MHD) zu erwarten. Das gilt auch für das Wasser der Ozeane, wo die Strömungen der Gezeiten offensichtlich sind. Schwankungen im Magnetfeld der Erde sind abhängig von Mond- und Sonnenstand, und können zum Teil mit diesem magnetohydrodynamischen Effekt erklärt werden.

Die Verformung der Erdoberfläche erfolgt mit einer Verzögerung von etwa zwei Stunden, aber immerhin mit einer Vertikalbewegung von 20 bis 30 (im Äquatorbereich sogar 50) Zentimetern.

Die Meere können den Gezeitenkräften leichter folgen, insbesondere auch ihren horizontalen Komponenten, die vor und hinter den Flutbergen auftreten. Ebbe und Flut stellen zum Teil die Differenz zwischen den Bewegungen der Meere und der Erdkruste dar, und sind zum anderen Teil eine Folge der komplexen (von der Geographie abhängigen) Strömungs- und Wellenvorgänge in den Weltmeeren, die durch die Gezeitenkraft angeregt werden.

Die Verformung der Erde durch die Gezeitenkräfte betrifft das gesamte Volumen der Erde, und nicht, wie oft angenommen, nur die Ozeane. Die Gezeiten regen im Erdinneren kontinuierlich eine stehende seismologische Welle an, die mit Seismografen gemessen werden kann, sofern diese für die Messung langperiodischer Signale ausgelegt sind. Dies wird unter Anderem in der Erdspektroskopie untersucht. Das Phänomen ist an den Küsten der Ozeane besonders eindrucksvoll sichtbar, zum Teil deswegen, weil es dort durch Strömungen erheblich verstärkt wird.

Die Verformung der Erde durch die Gezeitenkraft ist weitaus geringer als die Erdabplattung von 21 km als Folge der Erdrotation, die jedoch nicht auffällt, da sie statisch ist und die träge Erdkruste ausreichend Zeit hatte, sich der riesigen Änderung der Äquipotentialfläche anzupassen.

Küstenphänomene

In Küstennähe sind die Gezeiten erheblich durch die geometrische Form der Küsten beeinflusst. Das betrifft sowohl den Tidenhub als auch den Zeitpunkt des Eintretens von Ebbe und Flut. So ist der Tidenhub an den Küsten der Weltmeere oft größer als auf offener See. Das gilt insbesondere für trichterförmige Küstenverläufe. Das Meer schwappt bei Flut gewissermaßen an die Küste. So beträgt der Tidenhub in der westlichen Ostsee nur etwa 30 Zentimeter, an der deutschen Nordseeküste etwa ein bis zwei Meter. In der Nordsee schwappen Ebbe und Flut in einer Kreiswelle durch ihr komplettes Becken. In Ästuaren (Mündungen) der tidebeeinflussten Flüsse, zum Beispiel Elbe und Weser, beträgt der Tidenhub aufgrund der Trichterwirkung in diesen auch Tidefluss genannten Abschnitten bis über vier Meter. Noch höher ist der Tidenhub beispielsweise bei St. Malo in Frankreich oder in der Severn-Mündung zwischen Wales und England. Er kann dort über acht Meter erreichen. In der Bay of Fundy treten die weltweit höchsten Gezeiten mit 14 bis 21 Metern auf.

Die Zunahme der Höhe der Flutwelle an den Küsten erfolgt in etwa nach dem gleichen Prinzip wie bei einem Tsunami. Die Geschwindigkeit der Flutwelle verringert sich in flachem Wasser, wobei sich die Höhe der Welle vergrößert. Im Gegensatz zum Tsunami ist die Gezeitenwelle aber keine reine Oberflächenwelle, sondern enthält einen Anteil, der durch die Gezeitenkraft stets neu angeregt wird.

Die durch die Tide auf hoher See an den Küsten angeregten Meeresschwingungen können auch zu Schwingungsknoten führen, an denen gar kein Tidenhub auftritt (Amphidromie). Ebbe und Flut rotieren gewissermaßen um solche Knoten herum. Herrscht auf der einen Seite Ebbe, so herrscht auf der gegenüberliegenden Seite Flut. Dieses Phänomen findet man vor allem in Nebenmeeren, wie der Nordsee, die zwei solcher Knoten aufweist (siehe z. B. letztes Bild in [1]). Herausragend ist hierbei vor allem die Tideresonanz der Bay of Fundy.

Durch die Gezeiten werden insbesondere in Küstennähe erhebliche Energiemengen umgesetzt. Dabei kann die kinetische Energie der Strömungen oder auch die potentielle Energie mittels eines Gezeitenkraftwerks genutzt werden.

Rückwirkungen auf Erde und Mond (Gezeitenreibung)

Die Tide wirkt auch wieder auf den Hauptverursacher, den Mond, zurück. Da die Flutberge aufgrund von Erdrotation und Massenträgheit bezüglich der Verbindungslinie zwischen Erd- und Mondmittelpunkt etwas in Richtung dieser Rotationsbewegung verschoben sind, ist die Anziehungskraft der beteiligten Massen auf den Mond nicht exakt zum Erdmittelpunkt hin gerichtet (Da die Erde schneller rotiert als der Mond die Erde umkreist, und wegen der Trägheit der Strömungen, laufen die Flutberge immer „vor dem Mond“). Durch die größere Masse der Zenitflut und ihren geringeren Abstand zum Mond ergibt sich dabei eine Kraft auf den Mond, die eine kleine Komponente in dessen Flugrichtung aufweist, sodass dem Mond permanent Energie und Drehimpuls zugeführt wird. Der Verlust an Rotationsenergie der Erde ist nicht auf die Übertragung von Energie auf den Mond beschränkt. Es treten zusätzlich Reibungsverluste wegen der Strömungen auf und in der Erde, und magnetohydrodynamische Verluste auf (siehe Magnetohydrodynamik, MHD). Die oben erwähnten Gezeitenkraftwerke würden zu diesem Energieverlust beitragen.

In einer genaueren Analyse müssen Energie und Drehimpuls in diesem Prozess separat bilanziert werden, da es für beide Größen in der Physik jeweils einen Erhaltungssatz gibt. Die folgenden Erläuterungen gehen zwecks besserer Verständlichkeit von einem isolierten Erde-Mond-System aus. Das ist kein vollständiges Modell, da es Planeten und die Sonne gibt, die dieses System stören (Bahnstörung) und ihrerseits Gezeitenkräfte ausüben.

Energieerhaltung: Die Erde verliert Rotationsenergie durch die Abbremsung infolge der Tiden. Diese Energie findet sich in der Rotationsenergie des Mondes, einer Erwärmung (Wärmeenergie) der Erde durch Reibung, den Strömungen im Erdinneren (kinetische Energie) und den durch einen MHD-Prozess ausgelösten Veränderungen im Magnetfeld der Erde wieder (genauer: elektromagnetisches Feld).

Drehimpulserhaltung: Der Drehimpulsverlust bei der Abbremsung der Erdrotation wird auf den Drehimpuls des Mondes in seinem Orbit um die Erde, auf den Drehimpuls von Strömungen im Erdinneren, und auf das Erdmagnetfeld der Erde übertragen.

Durch die Abbremsung der Erde und die Übertragung von Drehimpuls und Rotationsenergie auf den Mond vergrößert sich der Abstand zwischen Erde und Mond jährlich um etwa 4 cm. Die Gegenkraft auf die Flutberge führt zu einem Drehmoment, das die Erdrotation bremst. Dadurch verlängern sich die Tage jedes Jahr um etwa 16 Mikrosekunden. Vor 500 Millionen Jahren dauerte ein Erdentag nur etwa 21 Stunden.

Diese Darstellungen illustrieren die physikalischen Prozesse bei der Abbremsung der Erdrotation (Die Überlegungen gelten umgekehrt genauso für den Einfluss der Gezeitenkraft der Erde auf den Mond.).

Mond erzeugt Tide und bremst Erdrotation
Tide laufen vor dem Mond, ziehen ihn
Mond fliegt weg und Erdrotation gebremst
Erde mit Kontinenten stört Tide
Wo steckt der Drehimpuls?
Innere Strömungen und EM Feld der Erde als Zwischenspeicher

Der Mond erzeugt Tide (Gezeitenberge) auf der dem Mond zugewandten und abgewandten Seite der Erde. Diese Tide entstehen dadurch, dass sich im gesamten Körper der Erde (natürlich auch in den Ozeanen) Druckunterschiede bilden, die Materialströmungen und Verformungen auslösen. Die mit diesem Prozess verbundenen Reibungsverluste entziehen der Erdrotation Energie (Bild 1).

Da sich die Erde dreht, wandern die Tide um die Erde herum. Die Erde dreht sich schneller, als der Mond umläuft. Wegen der Trägheit des Materials in den Tiden laufen sie "vor dem Mond". Deswegen enthält die Anziehung der Erde auf den Mond eine Komponente, die den Mond in seiner Bahnrichtung vorwärts zieht (Bild 2).

Die Drehung der Erde wird durch die umgekehrte Anziehung des Mondes auf die Tide verlangsamt. Ein Körper in einer Umlaufbahn, der vorwärts beschleunigt wird wie der Mond, steigt in eine höhere Umlaufbahn auf und gewinnt an Energie. Dieser Prozess entzieht der Erde wieder Rotationsenergie (Bild 3).

Energieerhaltung: Ein Teil des Verlustes an Rotationsenergie der Erde geht also durch Reibung (als Wärmeenergie) verloren, der andere Teil wird auf den Mond übertragen. Der Reibungsverlust hängt dabei von verschiedenen Eigenschaften des Materials in der Erde ab, die auf den Mond übertragene Energie wird ausschließlich durch die geometrische Massenverteilung bestimmt. Diese ist unter anderem abhängig von der Geografie der Erde, wie etwa den Kontinenten, da sie die Ausbildung der Tide stören (Bild 4).

Drehimpulserhaltung: Der Verlust an Eigendrehimpuls der Erde muss dem Gewinn an Bahndrehimpuls des Mondes entsprechen, plus einem Drehimpuls, der "irgendwo in der Erde" auftritt (genau genommen ändert sich der Bahndrehimpuls der Erde bei der Drehung um den Erde-Mond Schwerpunkt auch ein wenig). Der auf den Mond übertragene Drehimpuls hängt über die transferierte Energie nur von der geometrischen Massenverteilung auf der Erde ab. Der Verlust an Eigendrehimpuls der Erde wird dagegen durch den Verlust ihrer Rotationsenergie bestimmt, die auch von der inneren Reibung der Erde abhängig ist. Es gibt im Allgemeinen eine Differenz zwischen dem Verlust an Eigendrehimpuls der Erde und dem Gewinn an Bahndrehimpuls des Mondes. Dieser Drehimpuls muss irgendwo im System wieder auftauchen (Bild 5). Etwas locker gesagt: Was der Mond macht, hängt vom Äußeren der Erde ab. Der kann nicht ihre inneren Eigenschaften sehen, welche die Reibungsverluste bestimmen. Daraus ergeben sich Differenzen, die erklärt werden müssen.

Auf der Erde gibt es einen Mechanismus, der einen Drehimpuls (und damit verbundene Energie) zwischenspeichern kann. "Zwischenspeicherung" deswegen, weil dieser Drehimpuls nur über Verformungen der geometrischen Massenverteilung auf der Erde als Bahndrehimpuls an den Mond übertragen werden kann. Ein Kandidat für diesen Mechanismus ist eine Kombination aus dem elektromagnetischen Feld und inneren Materialströmungen der Erde. Die Kombination aus elektromagnetischem Feld und Strömungen einer leitenden Flüssigkeit ist ein magnetohydrodynamisches System (MHD-System, Bild 6). Je nachdem, wie viel Rotationsenergie durch Reibung in der Erde verloren geht, und wie viel Drehimpuls über Verformungen der Erde an den Mond abgegeben wird, kommt es zu Schwankungen im Magnetfeld der Erde.

Die Gezeiten haben über den oben beschriebenen Mechanismus Einfluss auf die Erdrotation. Dabei ist wichtig, dass der Drehimpuls ein Vektor ist, der einen Betrag und eine Richtung hat. Die Übertragung von Eigendrehimpuls der Erde auf Bahndrehimpuls des Mondes verursacht auch eine Veränderung von Drehachsen. Der International Earth Rotation and Reference Systems Service (IERS), die unter anderem das Setzen von Schaltsekunden empfiehlt, ist die internationale Koordinierungsinstitution in Fragen der Erdrotation. Bisher wurde die Tagesdauer jeweils nur um Schaltsekunden verlängert, nie verkürzt. Die Tiden haben einen Anteil an der Ursache.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen den Gezeiten und anderen bekannten oder vermuteten Phänomenen ist nicht gesichert oder nicht richtig verstanden. Dazu zählen unter Anderem (Stand September 2005): Messungen, die auf eine schnellere Rotation des Erdkerns relativ zum Erdmantel hinweisen (Abbremsung des Erdmantels durch eine stärkere Gezeitenbremsung), Schwankungen und Umpolungen des Erdmagnetfeldes (Schwankungen im Magnetfeld der Erde sind von Sonnen- und Mondstand abhängig), Einflüsse des Mondes auf die Stellung der Drehachse bei der Eigen-Rotation der Erde, und ein Zusammenhang mit Erdbeben. Letztlich ist bedingt durch erwähnte Veränderungen im Druck und Gewicht der Masse und die dadurch entstehenden gewaltigen Materialströme im flüssigen Erdkern auch ein Einfluss auf vulkanische Aktivitäten anzunehmen.

Tatsächlich gemessen wurden kontinuierliche Schwingungen (stehende Welle) als seismologische Wellen der Erde, die durch die Tide angeregt werden (siehe Erdspektroskopie).

Gezeitenwirkung bei anderen Himmelskörpern

Der Komet Shoemaker-Levy 9 wurde bei Annäherung an den Jupiter durch dessen Gezeitenwirkung in mehrere Teile zerrissen, die getrennt einschlugen.

Die Gezeitenwirkung des Jupiters verhindert auch, dass sich der Asteroidengürtel zu einem Planeten zusammenballt. Wenn zum Beispiel zwei Asteroiden Jupiter passieren, zieht dieser den ihm näher gelegenen stärker an als den entfernteren. Die Distanz zwischen den Asteroiden vergrößert sich.

Begriffe

deutsch Abk. Englisch Abbr. Bedeutung
Seekartennull SKN Chart Datum CD Grundlage für amtliche Definition der Basislinie
Nullebene für die Messung von Wassertiefen
bezogen auf MSpNW oder LAT
Mittleres Springhochwasser MSpHW Mean Higher High Water MHHW Durchfahrtshöhe unter Brücken
Mittleres Hochwasser MHW Mean High Water MHW Definition der Küstenlinie
Mittlerer Wasserstand MW Mean Sea Level MSL Seekartennull, Nullebene für Wassertiefen in gezeitenfreien Gewässern
Mittleres Niedrigwasser MNW Mean Low Water MLW
Mittleres Springniedrigwasser MSpNW Mean Lower Low Water MLLW Nullebene für Wassertiefen (lt. IHO veraltet)
niedrigst möglicher Gezeitenwasserstand NGzW Lowest Astronomical Tide LAT Seekartennull, Nullebene für Wassertiefen in Gezeitengewässern

Siehe auch

Literatur

  • Werner Kumm: Gezeitenkunde. 2. Auflage. Delius Klasing Verlag., Bielefeld 1996, ISBN 3-87412-141-0.
  • John M. Dow: Ocean tides and tectonic plate motions from Lageos. Beck, München 1988, ISBN 3-7696-9392-2
  • Bruce B. Parker: Tidal hydrodynamics. Wiley, New York 1991, ISBN 0-471-51498-5
  • Paul Melchior: The tides of the planet earth. Pergamon Press, Oxford 1978, ISBN 0-08-022047-9
  • David E. Cartwright: Tides - a scientific history. Cambridge Univ. Press, Cambridge 1999, ISBN 0-521-62145-3

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