Walter Hallstein

Walter Hallstein
Walter Hallstein, 1957

Walter Peter Hallstein (* 17. November 1901 in Mainz; † 29. März 1982 in Stuttgart) war ein deutscher Jurist und Politiker (CDU). Der vormalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt wurde 1958 der erste Vorsitzende der Europäischen Kommission.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit, Jugend und Kriegsjahre

In Mainz als Sohn eines protestantischen Regierungsbaurats geboren, besuchte Hallstein das humanistische Rabanus-Maurus-Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn, München und Berlin. 1925 wurde er an der Universität Berlin zunächst Assistent von Martin Wolff und im selben Jahr mit einer juristischen Dissertation über den „Lebensversicherungsvertrag im Versailler Vertrag“ promoviert. 1927 arbeitete er als Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. 1929 folgten die Habilitation mit einer Arbeit über das Aktienrecht und die Tätigkeit als Privatdozent an der Berliner Universität. Von 1930 bis 1941 war Hallstein ordentlicher Professor für Privat- und Gesellschaftsrecht an der Universität Rostock. Er war Mitglied des NS-Rechtswahrerbundes, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), des NS-Luftschutzbundes und des NS-Dozentenbundes.[2] 1941 war er Professor für Rechtsvergleichung an der Universität Frankfurt. Dort behandelte Hallstein die Gebiete der Rechtsvergleichung, des Gesellschafts- und des internationalen Wirtschaftsrechts.

1942 wurde er als Reserveoffizier (Leutnant) von der Wehrmacht eingezogen und diente im Artillerie-Regiment 1709 (unterstand der 709. Infanteriedivision) in Nordfrankreich. Im Juli 1944 kam er während der Kämpfe um Cherbourg schließlich in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft, wo er im Kriegsgefangenenlager Camp Como im US-Bundesstaat Mississippi an der Einrichtung einer Lageruniversität zur Weiterbildung mitwirkte.

Bereits im November 1945 kehrte er aus der Gefangenschaft zurück und setzte sich unverzüglich für die Wiedereröffnung der Frankfurter Universität ein. Hallstein wurde nicht nur am 1. Februar 1946 Dozent an der wiedereröffneten Hochschule, sondern im April 1946 auch deren erster freigewählter Nachkriegsrektor. Dieses Amt hatte er bis 1948 inne. Zudem war Hallstein Vorsitzender der Süddeutschen Rektorenkonferenz und Leiter des Gründungsausschusses der Hochschule für Politik in Frankfurt am Main. Einen Tag vor seinem Amtsantritt an der Frankfurter Universität lehnte er das Angebot Ludwig Erhards ab, einen leitenden Posten im bayerischen Wirtschaftsministerium zu übernehmen.

1948 erhielt Hallstein den Ruf auf eine Gastprofessur an der Georgetown University in Washington D.C.

Bundesrepublik Deutschland

Mit seiner Rückkehr nach Deutschland begann Hallstein sich intensiv für die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in internationale Organisationen und die westliche Staatengemeinschaft einzusetzen. Im Januar 1950 gründete er in Bad Soden eine Organisation, die gezielt auf die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die UNESCO hinarbeitete. Am 4. Juni desselben Jahres wurde in Paris erstmals über den westdeutschen UNESCO-Beitritt verhandelt. Bei der kontroversen Debatte, in der die Ostblock-Abgeordneten den Saal verließen, war Hallstein der Anführer der westdeutschen Delegation. Wenige Wochen später wurde Hallstein von Bundeskanzler Konrad Adenauer zum Leiter der bundesdeutschen Delegation bei der Pariser Konferenz für die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) berufen. Vor allem das Bundeswirtschaftsministerium kritisierte diese Entscheidung, da man Hallstein als Juristen nicht für kompetent für die wirtschaftspolitischen Verhandlungen hielt. Hallstein wurde dennoch zum engen Vertrauten Adenauers und gestaltete dessen Außenpolitik wesentlich mit. Am 28. August 1950 ernannte Adenauer Hallstein zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Hallstein war der einzige Inhaber dieser Funktion, obwohl ursprünglich zwei Staatssekretäre im Kanzleramt geplant gewesen waren.

Ende 1950 begannen Diskussionen über das im September von den Westmächten genehmigte Bundesaußenministerium. In dieser Zeit versuchte die FDP Hallstein zum Parteibeitritt zu bewegen, vermutlich mit dem Ziel, ihn dann zum Bundesaußenminister zu machen. Der Staatssekretär lehnte eine politische Bindung aber ab. Schließlich wurde er 1951 unter Adenauer, der selbst das Amt des Bundesaußenministers übernommen hatte, Staatssekretär des Auswärtigen Amts. Diese Funktion hatte er bis 1958 inne. Wegen seiner zahlreichen Aufgaben als Staatssekretär und Leiter von verschiedenen Verhandlungsdelegationen (neben der Vorbereitung der EGKS auch die der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft [EVG] und der Wiedergutmachung mit Israel) wurde Hallstein in dieser Zeit mehrfach kritisiert, weil er diese vielfältigen Aufgaben alleine nicht zufriedenstellend bewältigen könne.

Am 19. Oktober 1954 nahm Hallstein mit Bundeskanzler Adenauer (CDU) an der ersten deutsch-französischen Konferenz in Paris teil. Die Hallstein-Doktrin, die die Strategie der bundesdeutschen Außenpolitik in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren bestimmte, wurde zwar ab 1954 maßgeblich von Hallstein erarbeitet, aber am 23. September 1955 von Wilhelm Grewe, dem Leiter der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, formuliert. Hallstein selbst nahm 1955 an der Konferenz von Messina teil, die wichtige Weichen für die wirtschaftliche Integration der europäischen Länder stellte. Den Ende 1957 in Kraft getretenen EWG-Vertrag, der die Ergebnisse der Konferenz festschrieb, entwarf Hallstein maßgeblich mit. In Bonn begann sein Einfluss zu schwinden, vor allem auf Betreiben des neuen Bundesaußenministers Heinrich von Brentano. Brentano gelang es allerdings nicht, Hallstein auf den Posten des Botschafters in den USA „abzuschieben“.

Europa seit 1958

Rede bei der Verleihung des Robert-Schuman-Preises an Hallstein

Vielmehr wurde Hallstein am 7. Januar 1958 auf einer Außenministerkonferenz in Paris zum Präsidenten der ersten Kommission der entstandenen EWG gewählt. Noch im selben Jahr wurde er vor allem von britischer und skandinavischer Seite scharf kritisiert, weil er zu den entschiedensten Gegnern der letztlich gescheiterten Pläne für eine europäische Freihandelszone mit vielen Mitgliedern zählte und im Gegensatz dazu auf eine wirtschaftlich und politisch stark integrierte, dafür aber kleine Gruppe europäischer Staaten setzte. Ende 1959 veröffentlichte er den Hallstein-Plan, der einen stärkeren gemeinsamen Markt der EWG-Länder bei gleichzeitiger Liberalisierung des Außenhandels vorsah. In den folgenden Jahren kam es zu Verhandlungen über dieses Projekt, das Anfang 1962 nach zähen Diskussionen vor allem über die Agrarpolitik umgesetzt wurde.

1967 wurde Hallstein von Charles de Gaulle zum Rücktritt gedrängt (Politik des leeren Stuhls). Er war dann von 1968 bis 1974 Vorsitzender der Internationalen Europäischen Bewegung (EMI). Von 1969 bis 1972 war Hallstein als Abgeordneter des Wahlkreises Neuwied-Altenkirchen Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU). Die neue Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt interpretierte Hallstein als Wiederaufleben isolationistischer nationalstaatlicher Bestrebungen. Herbert Wehner (SPD) bezeichnete Hallstein daraufhin als „pensionierten Europäer“.

Hallstein verstarb am 29. März 1982 bei der befreundeten Familie Ritter in Stuttgart und wurde auf dem Waldfriedhof Stuttgart begraben.

Auszeichnungen (Auszug)

Wirkung

Alljährlich verleihen die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, die Stadt Frankfurt am Main und die Dresdner Bank AG den Walter-Hallstein-Preis an eine Persönlichkeit, die sich in besonderer Weise um die Europäische Integration verdient gemacht hat.

1997 wurde das Walter-Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin gegründet.

Literatur

Schriften

Literatur

Weblinks

 Commons: Walter Hallstein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Walter Hallstein (1901-1982) Leben und Wirken eines Europäers der ersten Stunde. In: Institut für Europäische Verfassungswissenschaften, FernUniversität in Hagen (Hrsg.): IEV Online. 1/2010.
  2. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 221.

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