- Konsumverein
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Die Konsumgenossenschaft, ist eine besondere Form der Genossenschaft im Einzelhandel, die in erster Linie Nahrungs- und Genussmittel sowie verwandte Waren des täglichen Bedarfs beschafft und verkauft. In der Vergangenheit wurde sie auch als Verbrauchergenossenschaft oder als Konsumverein bezeichnet. Sie wurde ursprünglich auf Initiative von Verbrauchern oder Gewerkvereinen gegründet oder von Sozialreformern aus bürgerlichen Kreisen, die die Lebenshaltung durch billigere Warenversorgung zu verbessern trachteten. Teilweise haben Konsumgenossenschaften ihr Tätigkeitsfeld auch auf die Produktion ausgedehnt oder die sogenannte Eigenproduktion Zentral-Gesellschaften übertragen. Besondere Bedeutung erlangten die Konsumgenossenschaften in Großbritannien (ihrem Mutterland), in Skandinavien (vor allem in Schweden), in Japan, der Schweiz in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
19. Jahrhundert
Die Konsumgenossenschaften sind ein Kind der Industrialisierung, überall in Europa. Im 19. Jahrhundert bildeten sich industrielle und gewerbliche Schwerpunkte heraus. Die Arbeitskräfte wurden von weit her angezogen. Sie waren zwar der Not auf dem Lande entgangen, fanden sich aber wieder in engen und schlecht ausgestatteten Wohnungen und in Arbeitsverhältnissen, in denen sie weitgehend rechtlos waren. Ihren Bedarf an Lebensmitteln deckten sie bei Krämern, bei denen sie mangels Zahlungsmitteln oft anschreiben ließen und damit auch von diesen abhängig wurden. Die Krämer, auch Heringsbändiger genannt, waren bekannt dafür, dass sie nicht ordentlich wogen und dass die von ihnen verkauften Lebensmittel nicht selten gestreckt oder verdorben waren. Gips wurde dem Mehl beigefügt, gemahlener Kaffee mit Sand gestreckt, alter Fisch unter Zuhilfenahme von Rindsblut als frisch verkauft, Nudeln bekamen ihre gelbe Farbe durch Urin, und Schokolade wurde mit Hammel- oder Kalbsfett hergestellt.
Zu der bedrückenden Abhängigkeit am Arbeitsplatz ohne Tarif und ohne Kündigungsschutz, in der Wohnung ohne Mieterschutz kam die ebenso drückend empfundene Abhängigkeit vom Krämer, die das Leben nur schwer erträglich machte.
Deshalb taten sich schon früh Arbeiter und Handwerker zusammen, um ihre Versorgungslage zu verbessern, gründeten Vereine, Assoziationen und Genossenschaften. Die berühmteste in der Geschichte der Konsumgenossenschaften ist die der Rochdale Society of Equitable Pioneers, der Rochdaler Genossenschaft der redlichen Pioniere. Am Abend der Wintersonnenwende am 21. Dezember 1844 eröffneten 28 Gründungsmitglieder, größtenteils Flanell-Weber in Rochdale, Manchester ihren Laden. Sie formulierten Grundprinzipien, die weltweit zur Leitlinie der Konsumgenossenschaftsbewegung wurden:
- Gleiches Stimmrecht: Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Einzahlung.
- Jedermann kann der Genossenschaft jederzeit zu den gleichen Bedingungen beitreten wie die bisherigen Mitglieder.
- Rückvergütung: Je mehr ein Mitglied bei der Genossenschaft kauft, um so größer soll seine Beteiligung am Überschuss sein.
- Verkauf nur gegen Barzahlung.
- Lieferung unverfälschter Ware mit vollem Gewicht.
- Politische und religiöse Neutralität.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und bis kurz nach der Jahrhundertwende kam es nach dem Vorbild der erfolgreichen britischen Konsumgenossenschaften zu einer wahren Gründungswelle an Konsumgenossenschaften, vornehmlich in den industrialisierten Staaten Europas und im Zusammenhang mit der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung. Es gab aber auch zahlreiche Gründungen über Initiative von Mäzenen, etwa von wohlmeinenden Unternehmern, die eine billigere Versorgung ihrer Arbeiter erstrebten und von George Jacob Holyoakes Buch über die Rochdaler Pioniere beeindruckt waren. Um 1900 stand deshalb die politische Neutralität nach Rochdaler Vorbild im Streit. "Bürgerliche" Konsumvereine (etwa die Großgenossenschaft Erster Wiener Consum-Verein) betonten die Rochdale-Neutralität, andererseits wurde das belgische Modell stark politisierter Genossenschaften nach Art des "Vooruit (Gent)". heftig diskutiert. Die Konsumgenossenschaft galt um 1900 jedenfalls als aussichtsreiche Unternehmensform der Zukunft: der französische Ökonom Charles Gide entfaltete 1889 die Vision einer kommenden "Kooperativen Republik", und auch Werner Sombart sah die Konsumgenossenschaften als mögliches Instrument einer friedlichen Sozialisierung der Wirtschaft.
20. Jahrhundert
Mit der schon 1863 gegründeten britischen Co-operative Wholesale Society (C.W.S.), der 1894 gegründeten deutschen Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine und des aus 1899 datierenden Kooperativa Förbundet bildeten sich in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts die für etliche Jahrzehnte gültigen Strukturen des konsumgenossenschaftlichen Verbunds mit ihren Waren- und Wirtschaftszentralen heraus, mit Großeinkaufsgesellschaften als „Töchtern vieler Mütter“ (d.h. der Primärgenossenschaften), die selbst wieder einen Konzern an Fabriken der Eigenproduktion und anderer zentraler Serviceleistungen dirigierten (so die SOK 1904 in Finnland, die GöC 1905 in Österreich etc). Im Ersten Weltkrieg bewährten sich die Konsumgenossenschaften als redliche Verteiler knapper Waren und erlebten auch danach einen weiteren Aufschwung (soweit sie nicht, wie in Mitteleuropa, politischen Restriktionen unterlagen).
Auch nach 1945 zählten die Konsumgenossenschaften zunächst zu den dynamischsten Mitbewerbern im Einzelhandel und gehörten zumeist zu den Pionieren der Selbstbedienung. In Japan kam es sogar zu einer neuen Gründungswelle mit stark ökologischer Ausrichtung und neuartigen Vertriebsmethoden. Ab den 1970er Jahren zeigten sich aber massive Schwierigkeiten, die etwa in den Niederlanden schon zu Anfang der Dekade zum faktischen Verschwinden der Konsumgenossenschaften führten. In der Phase der Entideologisierung war die ideelle Motivation von Mitarbeitern und Mitgliedern vielfach verloren gegangen, es zeigten sich bei zunehmendem Wettbewerbsdruck organisatorische Schwächen und Erstarrungstendenzen. 1973 musste bereits COOP Nederland an den privaten Sektor verkauft werden, ein Ereignis, das in der internationalen Konsumgenossenschaftsbewegung zurecht als Warnsignal aufgefasst wurde.Ihren Höhepunkt erreichte diese Krise im Jahrzehnt 1985 bis 1995 mit dem Zusammenbruch der französischen Konsumgenossenschaftsgruppe um die SGCC, der Krise der deutschen Coop AG und dem Untergang des Konsum Österreich (1995). Große Probleme hatte der Sektor damals auch in Belgien, Finnland, Island, und sogar im konsumgenossenschaftlichen Musterland Schweden. Diese internationale Strukturkrise der Konsumgenossenschaften hatte zum Teil mit den Verfehlungen von Einzelpersonen zu tun, zum Teil mit veralteten Unternehmensstrukturen, die in der Folge an jene der Mitbewerber angepasst werden mussten. Weitgehend unberührt blieben von dieser Krise die auf dem etwas isolierten Schweizer Markt agierenden Genossenschaftsgruppen Coop (Schweiz) und Migros
Die Entwicklung in Deutschland
Auch in Deutschland wurden während der Industrialisierungsperiode im 19. Jahrhundert zahlreiche Konsumgenossenschaften gegründet, mit einem deutlichen Schwerpunkt in Sachsen und Baden-Württemberg, wo die Arbeiterorganisationen schon früh eine bedeutende Rolle spielten. 1850 schufen in Eilenburg Handwerker und Arbeiter die „Lebensmittelassoziation“, die erste richtige Konsumgenossenschaft in Deutschland, deren Tradition vom „Konsum Sachsen-Nord“ weitergeführt wird.
Von Anfang an wurden die Konsumgenossenschaften vom Obrigkeitsstaat misstrauisch beobachtet. So kam die Merseburger Bezirksregierung 1851 hinsichtlich der Konsumvereine, wie sie auch genannt wurden, zu dem Schluss: „Soweit sich jedoch der Verdacht geltend macht, dass durch diese Unternehmen soziale, dem gemeinen Wesen nachteilige Bestrebungen unter gewissen Klassen der Bevölkerung gefördert werden, ist es Aufgabe der Polizeibehörde, den Verein in seinem geschäftlichen und außergeschäftlichen Verhalten zu überwachen und gegen Überschreitungen der statutarischen Vereinszwecke einzuschreiten.“
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben Hermann Schulze-Delitzsch, Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Eduard Pfeiffer die Gründung von Handwerker- und landwirtschaftlichen Genossenschaften sowie Konsumgenossenschaften. Die Aktivität der beiden Erstgenannten führte dazu, dass bereits 1867 ein preußisches Genossenschaftsgesetz erlassen wurde. Am 1. Mai 1889 wurde dann das „Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften“ erlassen, das, wenn auch mit zahlreichen Änderungen, bis heute in Kraft ist. Paragraph 1 des Genossenschaftsgesetzes definiert die Genossenschaften als
„Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken.“
Das Besondere der Genossenschaft ist, dass man ihr, wie bei einem Verein, grundsätzlich jederzeit beitreten kann und dass man die Mitgliedschaft auch wieder kündigen kann und dann das eingezahlte Geld – wenn es nicht durch Verluste aufgezehrt ist – wieder ausgezahlt bekommt. Die Genossenschaft ist also ein wirtschaftlicher Verein, der darauf angelegt ist, möglichst viele Menschen mit gleichen Bedürfnissen zusammenzubringen. Im Unterschied zur Aktiengesellschaft ist es nicht die Gewinnmaximierung Sinn der Genossenschaft. Vielmehr geht es um den konkreten Nutzen für die Genossenschaftsmitglieder vor allem beim Einkauf.
Der Erfolg der Konsumgenossenschaften führte zu Gegenreaktionen der kleinen Einzelhändler. Sie übten Druck auf die Großhändler und die Fabrikanten aus, damit diese nicht auch an die Konsumgenossenschaften lieferten. Es kam zu regelrechten Boykottkampagnen, weshalb die Konsumgenossenschaften sich schließlich 1894 eine eigene Großhandelsorganisation schufen, die Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine mbH mit Sitz in Hamburg. Die GEG, wie sie abgekürzt genannt wurde, entwickelte sich zu einem ausgesprochen erfolgreichen Geschäft. Sie beschränkte sich nicht auf die Großhandelsfunktion, sondern begann ab 1910 mit der Einrichtung von Eigenproduktionsbetrieben, zunächst mit einer neu gebauten Seifenfabrik in Riesa in Sachsen. Die GEG sprang auch ein, wenn Produktionsgenossenschaften der Arbeiter in wirtschaftliche Schwierigkeiten kamen, wie die Produktionsgenossenschaft der Tabakarbeiter, deren drei Werke in Hamburg, Sachsen und Baden mit über 800 Beschäftigten sie ebenfalls 1910 übernahm. Solche Produktionsgenossenschaften waren oft gegründet worden, wenn nach längeren Streiks Arbeiter nicht wieder angestellt worden waren und sie deshalb genötigt waren, die Produktion in die eigenen Hände zu nehmen. Viele dieser Produktionsgenossenschaften hielten sich nicht sehr lange, und es war ein glücklicher Umstand, dass die GEG als Abnehmer und gegebenenfalls Übernehmer zur Verfügung stand.
Der Reichsverband deutscher Konsumvereine e. V. in Köln ging 1913 aus dem 1909 gegründeten Verband westdeutscher Konsumvereine e. V. hervor. Er war der Spitzenverband der auf der christlich-gewerkschaftlichen Tradition beruhenden Konsumgenossenschaften.[1] Er repräsentierte die sogenannte schwarze Konsumgenossenschaftsbewegung der Kölner Richtung, im Gegensatz zur roten, der Hamburger Richtung.
Die Waren- und Wirtschaftszentrale dieses Verbandes war die „Gepag“ , Großeinkaufs- und Produktions-Aktiengesellschaft deutscher Konsumvereine. Die Gepag war 1923 aus der 1912 gegründeten Groß-Einkaufs-Zentrale deutscher Konsumvereine (GEZ) hervorgegangen. Sie war bis zur Gleichschaltung 1933 die Waren- und Wirtschaftsfzentrale der auf christlich-gewerkschaftlichen Tradition beruhenden Konsumgenossenschaften. Sie war das Gegenstück zur roten Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine GmbH, der Hamburger Richtung.
Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert
In der Zeit bis 1933 legte bauten die GEG und die Gepag mit fast 60 Produktionsbetrieben eine leistungsfähige Eigenproduktion auf, darunter Fleischfabriken, Teigwarenfabrikation, eine Fischwarenfabrik, eine Kakao- und Schokoladenfabrik, eine Gemüse- und Obstkonservenfabrik, eine Käserei und eine Senffabrik. Produziert wurden aber auch Kleider, Zündhölzer, Möbel und Bürsten und noch vieles andere mehr. Die GEG wurde in den 1920er Jahren zum größten deutschen Lebensmittelhandels- und Produktionsunternehmen mit über 8.000 Beschäftigten.
Eine wichtige Zeit der Gründung von Konsumgenossenschaften liegt in den Jahren um die Jahrhundertwende, nachdem das Sozialistengesetz endgültig gefallen war. Dies war auch eine Zeit des schnellen Wachstums der Mitgliederzahlen bei den Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei. So ist die Hamburger PRO oder, wie sie damals hieß, der Konsum-, Bau- und Sparverein "Produktion" 1899 auf Beschluss des Hamburger Gewerkschaftskartells gegründet worden. Im selben Jahr erfolgte die Gründung der „Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend“, die später zu einer der größten Konsumgenossenschaft in Deutschland wurde. Ebenfalls 1899 wurde die Konsumgenossenschaft Kiel und Umgegend eGmbH gegründet, eine der Vorläufergenossenschaften der coop eG, die heute die mit großem Abstand umsatzstärkste deutsche Konsumgenossenschaft ist und sich inzwischen weit über ihr Stammland ausgebreitet hat.
Die Nähe zu den Gewerkschaften und zur Sozialdemokratie hat die Konsumgenossenschaften „Hamburger Richtung“, wie sie genannt wurden, immer gekennzeichnet. Hamburger Richtung deshalb, weil sie im 1903 gegründeten Zentralverband deutscher Konsumvereine e. V. mit seinem Sitz in Hamburg organisiert waren und von der Hamburger GEG beliefert wurden. Daneben gab es noch die Kölner Richtung, die christlich orientierten Konsumgenossenschaften aus dem Kolping-Umfeld.
Die „Hamburger“ Konsumgenossenschaften boten Mitgliedern der Gewerkschaften häufig eine Arbeitsmöglichkeit, wenn sie aufgrund ihrer gewerkschaftlichen oder politischen Aktivitäten missliebig geworden waren und auf die schwarzen Listen der Unternehmerverbände geraten waren und deshalb in ihrem jeweiligen Beruf oft im gesamten Reich keine Arbeit mehr fanden. Ein Beispiel dafür ist der spätere Hamburger Bürgermeister Max Brauer, der sich als gelernter Glasbläser für die Glasarbeitergewerkschaft engagiert hatte, auf die schwarze Liste geriet und in seinem erlernten Beruf nicht mehr arbeiten durfte. Dafür wurde er angestellt bei der PRO, die ihm andererseits so viel Spielraum für seine politischen Aktivitäten gab, dass er schließlich zum Oberbürgermeister im damals noch (preußisch) holsteinischen Altona gewählt werden konnte.
Das Verhältnis zwischen Konsumgenossenschaften und preußischem Obrigkeitsstaat änderte sich grundlegend während des Ersten Weltkrieges, als Sozialdemokratie und Gewerkschaften eine Politik des „Burgfriedens“ verfolgten. Einerseits bewährten sich die Konsumgenossenschaften in dieser Zeit der wachsenden Lebensmittelknappheit und des Hungers als getreue Anwälte ihrer Mitglieder, indem sie die zugeteilten Lebensmittel sorgfältig und gerecht verteilten und keine Schwarzmarktgeschäfte trieben, andererseits stellten sie ihre Produktionskapazitäten zur Verfügung, um Nahrungsmittel für die Front zu produzieren, wie dies beispielsweise die Hamburger PRO im großen Umfang tat. Bemerkenswert ist, dass die PRO dabei so viel Geld verdiente, dass sie beschloss, diesen zusätzlichen Gewinn nicht an die Mitglieder auszuschütten, sondern statt dessen ein Kindererholungsheim in Haffkrug an der Ostsee zu errichten. Dieses Heim existiert noch heute, jetzt als Seniorenerholungsheim der PRO-Stiftung. Ebenfalls besteht noch die Seniorenwohnanlage der Pro-Stiftung in Hamburg-Rissen. Vorstandsvorsitzender der PRO Stiftung (Hamburg und Haffkrug) ist Hans-Rainer Holst, ehemaliger coop-Manager.[2]
Frühere Namen wie etwa „Konsum-, Bau- und Spar-Verein Produktion eGmbH“ deuten bereits darauf hin, dass die Konsumgenossenschaften ursprünglich keineswegs auf den Lebensmittelhandel beschränkt waren. Vielfach bauten sie für ihre Mitglieder gleichzeitig Wohnungen und dienten andererseits als Sparkasse, wie das beispielsweise bei den italienischen Konsumgenossenschaften noch heute der Fall ist. Den Spareinrichtungen kam wirtschaftlich besondere Bedeutung zu, weil sie den Genossenschaften ermöglichten, sich finanzielle Mittel viel günstiger als bei den Banken zu beschaffen.
Anders als heute waren die Konsumgenossenschaften gesetzlich darauf beschränkt, ausschließlich an ihre Mitglieder zu verkaufen. Dazu gehörte das schon von den Rochdaler Pionieren eingeführte Prinzip der Rückvergütung. Mit den bekannten Umsatzmarken wurde der Umsatz jedes Mitglieds dokumentiert und entsprechend dem Überschuss des jeweiligen Jahres wurde eine Rückvergütung gezahlt. Es gab Genossenschaften, deren Rückvergütungssatz manchmal bei 10 Prozent lag, was natürlich zu einer erheblichen Bindung der Mitglieder an ihre Genossenschaft führte.
Von 1933 bis 1945
Den Nationalsozialisten waren die Konsumgenossenschaften von Anfang an ein Dorn im Auge. In ihrer Propaganda bekämpften sie diese gleichzeitig mit den oft in jüdischer Hand liegenden Warenhäusern. 1932/1933 wurden durch Nationalsozialisten zahlreiche Schaufensterscheiben von Konsumläden zerstört, Läden beschmiert und in Einzelfällen auch in Brand gesteckt. Nach der Machtergreifung wurde das Zerstörungswerk gegen die Konsumgenossenschaften gezielt weiterverfolgt. Zunächst wurde mit dem Rabattgesetz von 1933 die Rückvergütung auf 3 Prozent begrenzt und damit das Interesse an der Mitgliedschaft in der Konsumgenossenschaft entscheidend beschnitten. Dann wurde den Konsumgenossenschaften verboten, Spareinlagen anzunehmen, was zu einem erheblichen Verlust an liquiden Mitteln führte und zahlreiche Konsumgenossenschaften an den Rand des Ruins brachte. Im Mai 1933 wurden die Konsumgenossenschaften und ihre Zentralorganisationen gleichgeschaltet. Schließlich erzwang die NSDAP die Liquidation aller Genossenschaften, denen es wirtschaftlich nicht mehr gut ging, so beispielsweise der Konsumgenossenschaften in Berlin, Kiel, Lübeck und Hannover.
Im Mai 1933 wurden die Konsumgenossenschaften und ihre zentralen Organisationen gleichgeschaltet. Die GEG wurde am 14. August 1933 von Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine m.b.H. umfirmiert in Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH (GEG). Hier wurden nun die genossenschaftlichen Zentralorganisationen zusammengefasst: der Zentralverband deutscher Konsumvereine e.V und die Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine mbH. sowie die Verlagsgesellschaft deutscher Konsumvereine mbH (alle in Hamburg), und der Reichsverband deutscher Konsumvereine e. V. und die „Gepag“, Großeinkaufs- und Produktions-Aktiengesellschaft deutscher Konsumvereine, beide mit Sitz Köln. Nach dem Erlass des Gesetzes vom 31. Mai 1935 für den Reichsbund (GEG) wurde die Unternehmensstruktur wieder umorganisiert. Die Firma wurde abermals geändert, in Deutsche Großeinkaufs-Gesellschaft mbH (Deugro). Damit war im Firmennamen kein Hinweis mehr auf die genossenschaftliche Herkunft.
In Hamburg wurde die gut fundierte Konsumgenossenschaft "Produktion", deren Verkaufsstellen in eigenen Wohnblocks eingerichtet waren, gleichgeschaltet und firmierte unter "Niederelbische Verbrauchergenossenschaft" .
Zum 1. April 1941 wurden die verbliebenen konsumgesnossenschaftlichen Einrichtungen und ihre Zentralorganisationen in die Deutsche Arbeitsfront eingegliedert unter eine Holding, die als Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront (GW) firmierte.
Die Entwicklung seit 1945
Nach Kriegsende fanden sich überall die Konsumgenossenschafter zusammen und bemühten sich darum, trotz der Trümmer die Genossenschaften wieder zu gründen und das verlorene Vermögen, soweit es noch existierte, zurück zu bekommen. Die vier Besatzungsmächte gingen ganz unterschiedliche Wege. In der sowjetischen Besatzungszone wurden die rechtlichen Grundlagen für die Neugründung von Konsumgenossenschaften bereits durch den Befehl Nr. 176 der sowjetischen Militäradministration vom 18. Dezember 1945 wiederhergestellt. Ende 1945 existierten bereits 5.380 Verkaufsstellen. Ende 1947 zählten die Konsumgenossenschaften in der sowjetischen Besatzungszone bereits 1,8 Millionen Mitglieder. 17 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes erreichten die Konsumgenossenschaften 1950.
In der britischen Besatzungszone wurde schon 1945 der frühere GEG-Geschäftsführer Henry Everling zum Generaldirektor des „GEG Komplexes“ ernannt, wie das Gemeinschaftswerk der deutschen Arbeitsfront nun bezeichnet wurde. Die Briten förderten wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen den Aufbau von unten, was zur Gründung zahlreicher kleiner Konsumgenossenschaften führte, während die Amerikaner und Franzosen in ihren Zonen an die Strukturen des „Gemeinschaftswerkes“ und der dazugehörenden „Versorgungsringe“ anknüpften. Große Anstrengungen wurden von den Genossenschaftern unternommen, um das frühere Vermögen zurück zu bekommen, aber viel war verloren und konnte auch nicht wiedererlangt werden. Mit dramatischen Aktionen von Hamburger Genossenschaftern wurde unmittelbar nach Kriegsende der von der alten Arbeitsfront-Riege eingefädelte Verkauf des ehemals konsumgenossenschaftlichen Vermögens an Reemtsma verhindert. Die schnelle Aufbauarbeit führte dazu, dass 1948 in den drei Westzonen immerhin wieder 250 Konsumgenossenschaften mit 750.000 Mitgliedern und 5.700 Verteilungsstellen existierten.
Die Konsumgenossenschaften knüpften an die alte Tugend an, Vorreiter bei der Modernisierung zu sein. Und so eröffnete die Hamburger "Produktion" (später kurz "Pro") 1949 den ersten Selbstbedienungsladen in Deutschland. Vorbild dafür waren die schwedischen Konsumgenossenschaften. Der erste Selbstbedienungsladen in Ostdeutschland wurde 1952 vom Konsum Groß-Berlin eGmbH in Treptow eröffnet.
Anfang der 1960er Jahre erreichten die Konsumgenossenschaften in der alten Bundesrepublik ihren Höchststand, mit 2,6 Millionen Mitgliedern, 79.000 Beschäftigten und fast 10.000 Läden.
Die Bedeutung des Konsum in der DDR war erheblich größer. Dort gab es zur gleichen Zeit 3,8 Millionen Mitglieder, und der Konsum wickelte über 30 Prozent des Einzelhandels ab.
Mit dem Vordringen der Discounter und der großen Einzelhandelsfilialisten änderte sich das Klima in der alten Bundesrepublik für die Konsumgenossenschaften grundlegend. Immer mehr Genossenschaften in ganz Europa kamen in wirtschaftliche Bedrängnis. Der Produktivitätsvorsprung des Konsum wurde eingeholt und überholt. Es begann eine große Modernisierungsdebatte, die in den 1960er Jahren mit der Einführung der Marke „co op“ zu einer optischen Modernisierung führte. Mit der Einrichtung der ersten plaza-Märkte wurde auf das Vordringen der Großflächenangebote geantwortet.
Gleichzeitig fand eine Diskussion um die Frage der richtigen Rechtsform statt, die damit endete, dass von vielen führenden Konsumgenossenschaftlern die Aktiengesellschaft für die bessere Rechtsform als die der Genossenschaft gehalten wurde. Als erste Konsumgenossenschaft wandelte sich die saarländische Asko 1972 in eine AG, ihr sollten noch viele folgen, unter anderem auch die Hamburger PRO. Es zeigte sich jedoch, dass der Rechtsformwechsel aus kranken Genossenschaften keine gesunden Aktiengesellschaften machte, so dass eine immer schnellere Fusionsbewegung einsetzte, die schließlich dazu führte, dass der weitaus größte Teil des ehemals konsumgenossenschaftlichen Handels schließlich in der Frankfurter co op AG versammelt war.
An der co op AG war die gewerkschaftliche BGAG maßgeblich beteiligt. Mit den alten genossenschaftlichen Grundsätzen hatte die co op AG nichts mehr zu tun. Sie geriet immer mehr in wirtschaftliche Bedrängnis, auch bedingt durch kriminelle Machenschaften von Managementangehörigen um den Vorstandsvorsitzenden Bernd Otto. Um einen Konkurs abzuwenden, wurde 1989 ein Vergleich mit den 143 Gläubiger-Banken geschlossen, der faktisch das Ende der co op AG bedeutete. Ihre Reste gingen als Deutsche SB-Kauf AG an den Metro-Konzern.
Dieser Wandlungsprozess zur Aktiengesellschaft geschah in einer Weise, dass sich die ehemaligen Mitglieder der Konsumgenossenschaft (vor allem der Hamburger PRO) hinsichtlich ihrer Anteile gleichsam als kalt enteignet ansehen konnten. Parallel zu den Schwierigkeiten in Deutschland gab es auch massive Krisen bei den Konsumgenossenschaften anderer Industriestaaten, etwa Belgiens, Frankreichs, Finnlands, Islands, und sogar im konsumgenossenschaftlichen Musterland Schweden. Vielfach kam es auch hier zu Insolvenzen und zum weitgehenden Verschwinden vom Markt (so im Falle des "Konsum Österreich" im Jahre 1995). Man kann deshalb wohl ab etwa 1975 von einer internationalen Strukturkrise der Konsumgenossenschaften sprechen, die nicht bloß mit den Verfehlungen von Einzelpersonen zu tun hatte.
Nicht alle Konsumgenossenschaften sind dem Weg der deutschen co op in die AG gefolgt. Genossenschaft geblieben sind etliche kleine und kleinste Konsumgenossenschaften, aber auch die damals besonders ertragsstarken Genossenschaften KG Dortmund-Kassel eG und coop eG. Dortmund-Kassel hatte zeitweilig über 500.000 Mitglieder. Sie ist unter anderem wegen der vernachlässigten Modernisierung des Ladennetzes in den neunziger Jahren in wirtschaftliche Schieflage geraten und befindet sich zur Zeit in Liquidation. Übrig geblieben von den größeren Konsumgenossenschaften ist in Westdeutschland einzig die coop eG, ehemals coop Schleswig-Holstein eG. Heute ist die Genossenschaft nicht mehr nur in Schleswig-Holstein tätig, sondern in insgesamt sieben Bundesländern (neben Schleswig-Holstein auch in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern).
Die coop eG hat seit ihrer Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg bis 2005 keinen Verlust gemacht. Auf der Rangliste der deutschen Lebensmittelhandelsunternehmen steht sie auf Platz 18, macht 1,35 Milliarden Euro Umsatz, hat ca. 38.000 Mitglieder und über 8.000 Beschäftigte.
In Ostdeutschland gerieten viele Konsumgenossenschaften nach der Wende in starke wirtschaftliche Schwierigkeiten, die zu zahlreichen Betriebsschließungen und auch Insolvenzverfahren führten. Allerdings gelang es etlichen Genossenschaften, Anschluss an die neuen Bedingungen im Handel zu finden und ihre Unternehmen zu sichern. Erfolgreich arbeiten zum Beispiel die Konsumgenossenschaften in Dresden, Sachsen-Nord (Eilenburg), in Berlin (wieder) oder in Seehausen. Aus dem früheren Verband der Konsumgenossenschaften der DDR wurde die Konsumverband eG, die heute noch Eigentümer der von der GEG gegründeten Bürstenfabrik in Stützengrün ist. 2001 wurde vom Konsum-Prüfverband e. V. und dem ZdK ein gesamtdeutscher Prüfungsverband für die Konsumgenossenschaften geschaffen, der gleichzeitig die Funktion des genossenschaftlichen Spitzenverbandes für die Interessenvertretung gegenüber Regierungen, Behörden und anderen Genossenschaftsverbänden wahrnimmt.
Zum Konsum gehören heute nicht mehr nur Waren, sondern immer mehr auch Dienstleistungen, so dass vor allem Dienstleistungsgenossenschaften zum Kreis der Konsumgenossenschaften zählen. Beispielsweise gibt es in Hamburg und Bremen jeweils eine Genossenschaft von Behinderten, in denen sich diese ihre Betreuung selbst organisieren und damit ein großes Stück Menschenwürde erhalten. Ebenso sind die Tageszeitungen die tageszeitung(TAZ) und junge Welt (jW) heute im Besitz von Genossenschaften. Im Sinne der genossenschaftlichen Sicherung der Lebensmittelqualität wurden Genossenschaften für den Vertrieb ökologischer Nahrungsmittel gegründet sowie in kleinen und mittelgroßen Ortschaften, aus denen gewinnorientierte Anbieter sich aufgrund zu geringer Margen zurückgezogen hatten. Freie Schulen werden in der Rechtsform der Genossenschaft geführt, und eine der jüngsten Konsumgenossenschaften ist schließlich die im Jahre 2000 gegründete Greenpeace energy eG, die mit Ökostrom handelt.
Einzelnachweise
- ↑ Martin Broszat, Hermann Weber: SBZ- Handbuch, Universität Mannheim. Arbeitsbereich Geschichte und Politik der DDR., Institut für Zeitgeschichte, Verlag: Oldenbourg; 2. Auflage 1993, 1106 Seiten, ISBN 3-486-55262-7, Seite 767
- ↑ http://www.zeit.de/1989/50/Manager-im-Zwielicht
Literatur
- Fritz Klein: Unter konsumgenossenschaftlicher Flagge, erschienen in: Verbrauchergenossenschaftliche Bücherei, Nr. 12, Herausgegeben vom Reichsverband deutscher Konsumvereine. Verlag: "Gepag", Großeinkaufs- und Produktions-Aktiengesellschaft deutscher Konsumvereine, Köln 1927, 127 Seiten
- Heinrich Lersch: Die Pioniere von Eilenburg. Berlin 1934/1936
- Otto Ruhmer: Entstehungsgeschichte des deutschen Genossenschaftswesens. Hamburg 1937
- Erwin Hasselmann: Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften. Frankfurt a. M. 1971.
- Michael Prinz: Brot und Dividende. Konsumvereine in Deutschland und England vor 1914. Göttingen 1996.
- Uwe Spiekermann: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des Einzelhandels in Deutschland 1850-1914. München 1999, S. 238-277, 446-463.
- Gernod Schneider: Wirtschaftswunder DDR. 2. Aufl. 1990, Bund-Verlag GmbH, Köln
- Johann Brazda, Robert Schediwy (Hrsg): Consumer Cooperatives in a Changing World (2 Bände). Internationaler Genossenschaftsbund, Genf 1989
- Johnston Birchall:The International Co-operative Movement, Manchester University Press, 1997
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