Leo Schwering

Leo Schwering

Dr. Leo Schwering (* 16. März 1883 in Coesfeld; † 7. Mai 1971 in Köln) war Historiker, Philologe, Gymnasiallehrer, preußischer Landtagsabgeordneter und Mitgründer der CDU.

Inhaltsverzeichnis

Parteiarbeit

Schwering nahm an einem Gewerkschaftskongress in Essen 1920 teil, auf dem Adam Stegerwald zur Gründung einer interkonfessionellen Partei aufrief. Von 1921 bis 1932 war er preußischer Landtagsabgeordneter für das katholische Zentrum. Im Reichstagswahlkampf hatte er bei öffentlichen Reden die Parole „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“ verwendet. Später war er als Bibliotheksdirektor tätig.

1934 wurde er von den Nazis zwangsweise pensioniert. In dieser Zeit stellte er den Kontakt zwischen den Gesprächskreisen im Ketteler- und Kolpinghaus in Köln her. Am 15. August 1944 wurde Schwering zusammen mit Theodor Babilon und dem Kölner Lokalpräses des Kolpingwerkes, Heinrich Richter, von der Gestapo verhaftet, fünf Tage in den berüchtigten Kellern des EL-DE-Hauses verhört und im Polizeihilfsgefängnis Köln-Deutz (auf dem Gelände des sog. Messelagers) eingesperrt.

Am 17. Juni 1945 traf er sich in der Breite Str. 18 im Kölner Kolpinghaus unter nahezu konspirativen Umständen mit ehemaligen Zentrumsmitgliedern, die unter dem Namen Christlich-Demokratische Volkspartei (CDVP) eine überkonfessionelle Volkspartei neuen Typs gründen wollen. Dieser Partei sollten alle Kräfte angehören, die auf dem Boden der christlichen Weltanschauung stehen, gleichgültig welcher christlichen Religionsgemeinschaft sie angehören. Zu den Versammelten zählten neben Schwering der ehemalige Präsident des Preußischen Landtags Josef Baumhoff, der Rechtsanwalt, Redakteur und frühere Landtagsabgeordneter der Demokratischen Partei Dr. Fritz Fuchs, Berufsschuldirektorin Dr. Mathilde Gescher, Stadtdechant Robert Grosche, Elektromeister Bernhard Günther, Jugendpflegerin Sibille Hartmann, Clemens Hastrich, Gewerkschaftssekretär Josef Hellmich, Schriftleiter Dr. Josef Hofmann, Handwerksmeister Alfred Keller, Josef Kuner, Bankier Dr. Robert Pferdmenges, Hans Pimperz, Bruno Potthast, Genossenschaftsleiter Peter Schlack, Syndikus Dr. Schlochauer, Leos Bruder Ernst Schwering, die Sekretärin des Zeitungsverlgers Kurt Neven DuMont, Erika Voigt, Dr. Wilhelm Warsch, Franz Wiegert und Schriftleiter Dr. Karl Zimmermann. Zu den Unterzeichnern gehörte neben Schwering auch Dr. Theodor Scharmitzel und Peter Josef Schaeven. Sie richteten an die Alliierte Militärregierung die Bitte um Erteilung der Genehmigung zur Gründung einer Christlich-Demokratischen Partei. Die Parteigründer hatten aus ihrer Erfahrung mit der Rivalität christlich-konfessioneller Parteien, die dem Nationalsozialismus die Machtübernahme erleichterten, die Schlussfolgerung gezogen: „Nie wieder Zentrum“. Schwering wurde zum Vorsitzenden der Programmkommission gewählt.

Im Juli 1945 verabschiedete die aus der katholischen Arbeiterbewegung und den Zentrumstraditionen gespeiste neue Partei die „Kölner Leitsätze“ als vorläufiges Programm nach mehrwöchigen Beratungen im Dominikanerkloster Walberberg bei Brühl, an denen der Dominikanerprovinzial Laurentius Siemer und der Professor für Sozialethik Pater Eberhard Welty, aber auch der evangelische Superintendent Hans Encke teilnahmen. In ihren Leitsätzen forderten sie die Anerkennung der Würde des Menschen, die von den Nazis verachtet worden war, den Schutz der Familie, die Wiederherstellung des Rechtsstaates, der Meinungs- und Vereinsfreiheit, der religiösen Gewissensfreiheit. Neben der Bekenntnisschule wurde auch die christliche Gemeinschaftsschule mit konfessionellem Religionsunterricht anerkannt. „Wir vertreten einen christlichen Sozialismus, der nichts gemein hat mit falschen kollektivistischen Zielsetzungen“ lautete ein Gedanke, ein anderer: „Durch gerechten Güterausgleich und soziale Lohngestaltung soll es den Nichtbesitzenden ermöglicht werden, zu Eigentum zu kommen.“ „Das Recht auf Eigentum ist zu verbürgen, aber wo das Gemeinwohl es fordert, soll Gemeineigentum geschaffen werden. Die Vorherrschaft des Großkapitals, der privaten Monopole und Konzerne wird gebrochen. Klein- und Mittelbetriebe, Handwerk und Bauernstand, Gewerkschaften und Genossenschaften sind zu fördern.“ „Die Lohn- und Arbeitsbedingungen werden tariflich geregelt. Der erwachsene arbeitende Mensch hat Anspruch auf einen Lohn, der ihm die Gründung und Erhaltung einer Familie ermöglicht. Die Leistungen der Sozialversicherung bleiben erhalten. Der Aufbau der Gewerkschaften und der sonstigen Berufsvertretungen ist zu sichern.“ Der Gedanke des Sozialismus war keine Tarnung oder Kniefall vor dem neuen Zeitgeist, sondern die ersten Beteiligten kamen überwiegend aus dem Widerstand christlicher Gewerkschafter.

Am 19. August 1945 wurde die Kölner Christlich-Demokratische Partei (CDP) offiziell und ohne Mitwirkung Konrad Adenauers (entgegen von ihm geförderter Gerüchte) gegründet. Schon im April 1945 hatte Schwering Adenauer in Rhöndorf besucht, um ihn zur Teilnahme an der Parteigründung zu überreden. Doch Adenauer hielt die Veranstaltung für nicht aussichtsreich, weil er die Protagonisten für politische Leichtgewichte hielt. Umgekehrt hielt auch Schwering von Adenauer nicht viel: „Mir ist der gefühlskalte und berechnende Mann, der nach meiner Meinung nur seinen Ehrgeiz befriedigt, nie sympathisch gewesen und so lasse ich ihn genauso liegen wie er mich.“ Am 2. September 1945 wurde im Kölner Kolpinghaus sogar ein rheinischer und ein westfälischer Landesverband aus der Taufe gehoben. Leo Schwering wurde zum Vorsitzenden des rheinischen Landesverbandes gewählt, der den in Berlin geprägten Namen CDU erst im Dezember übernahm. Adenauer wurde in Abwesenheit in den siebenköpfigen Parteirat gewählt.

Adenauer, der von der britischen Militärregierung im Oktober 1945 wegen fortgesetzter politischer Intrigen und mangelndem Engagement für den Wiederaufbau aus dem Amt des Kölner Oberbürgermeisters entlassen worden war und dadurch über Zeit verfügte, ließ sich am 23. Januar 1946 in Herford zum Vorsitzenden der neuen Partei in der britischen Zone wählen, um Schwering am 5. Februar auf einer Vorstandssitzung der rheinischen CDU mit Hilfe des Gewerkschaftsflügels um Karl Arnold und protestantischer Vorstandsmitglieder aus dem Amt des rheinischen Vorsitzenden in einer Kampfabstimmung zu verdrängen.

Bis zum Ahlener Programm, am 3. Februar 1947 für die CDU der britischen Zone verabschiedet, erreichte Schwering mit Arnold und Jakob Kaiser, die Formel vom „christlichen Sozialismus“ zu verankern. Es verlangt das Ende des „kapitalistischen Gewinn- und Machtstrebens” und fordert die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien. Karl Arnold erhob als nordrhein-westfälische Ministerpräsident das Parteiprogramm zur offiziellen Regierungspolitik und ließ seine zentralen Forderungen im Düsseldorfer Landtag beraten. Nach 1947 gelang es Adenauer, Kapitalismuskritik und Forderungen nach Vergesellschaftung und einem christlichen Sozialismus zu tilgen. Schwering, von 1946 bis 1958 Landtagsabgeordneter, zog sich enttäuscht aus der Tagespolitik zurück und diente seiner Partei noch als Historiograph. Die von Johannes Albers, Schwering, Kaiser und anderen formierten CDU-Sozialausschüsse erreichten im Zusammenwirken mit anderen politischen Kräften immerhin noch die Festschreibung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums in Art. 14 des Grundgesetzes, die Tarifautonomie, die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes und „ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer an den grundlegenden Fragen der wirtschaftlichen Planung und sozialen Gestaltung” in der Montanindustrie.

Abgeordneter

Schwering gehörte 1921 bis 1932 dem Landtag von Preußen an.

Er war vom 19. Dezember 1946 bis zum 12. Juli 1958 Mitglied im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

Werke

  • Leo Schwering: Die Auswanderung protestantischer Kaufleute aus Köln nach Mülheim a.Rh. i.J. 1714.

Bonn Phil. Diss. Buchdruckerei Lintz, Trier 1907, Abgedruckt in: Westdeutsche Zeitschrift (Trier). Band 26, 1907, S. 194–250

  • Leo Schwering: Die religiöse und wirtschaftliche Entwicklung des Protestantismus in Köln während des 17. Jahrhunderts. Ein Versuch. In: Abhandlungen des Historischen Vereins vom Niederrhein. Band 85, 1908
  • Leo Schwering: Die Entstehung der CDU. Köln 1946
  • Leo Schwering: Vorgeschichte und Entstehung der CDU. Köln 1952
  • Leo Schwering: Grenzfragen 1949–52
  • Leo Schwering: Frühgeschichte der Christlich-Demokratischen Union. Recklinghausen 1963
  • Leo Schwering: Weltweite Wirkung. P. Welty. Mann des Widerstandes, Baumeister neuer Zeit. In: Echo der Zeit. 13. Juni 1965, S. 8
  • Leo Schwering: Autobiographisches 1883–1968
  • Leo Schwering: Auf der Suche nach dem neuen Kurs. Zur Erinnerung an die Gründung der CDU im Rheinland vor 25 Jahren. Köln 1970
  • Leo Schwering: In den Klauen der Gestapo. Köln 1988

Weblinks


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