- Rechtsextremismus in Österreich
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Der Rechtsextremismus gilt in Österreich nicht als verfassungsfeindliche oder strafrechtlich zu verfolgende Position. Er stellt für den Verfassungsschutz nur ein für die Prävention interessantes Vorfeld des durch das Verbotsgesetz 1947 verbotenen Neonazismus dar.[1] Rechtsextremismus hat in Österreich aus Sicht des Staates eine andere Bedeutung als in Deutschland, da es das vor Extremismus zu schützende Konzept der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht gibt.
Laut Auskunft des Bundesministeriums für Inneres geht von der rechtsextremen Szene keine Gefahr für die Demokratie aus. Im europäischen Vergleich bewege sich der Rechtsextremismus auf niedrigem Niveau. Seit 2004 lässt sich jedoch ein verstärktes Zusammenrücken innerhalb der Szene erkennen. Als Sammelbecken gilt die Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) mit ihrer Jugendorganisation Bund freier Jugend (BfJ). Die rechtsextreme Skinheadszene zeichnet ein hohes Gewaltpotential aus. Es gibt Überschneidungen mit der gewaltbereiten Hooliganszene. In der Neonaziszene lässt sich ein Nachwuchsmangel erkennen, der existenzgefährdend für einige rechtsextreme Gruppierungen ist.[2]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Österreich zwar auf Grund der Moskauer Deklaration aus dem Jahr 1943 als „das erste freie Land, das der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer“ gefallen war[3], angesehen, dennoch wurden hier, wie in Deutschland, von den Alliierten Maßnahmen der Entnazifizierung durchgeführt. 537.632 Personen waren als Mitglieder der NSDAP, der SS oder anderer Organisationen des nationalsozialistischen Regimes registriert.[4] Auf Basis des Verbotsgesetzes wurden von Volksgerichten bis 1955 23.477 Urteile gefällt, davon 13.607 Schuldsprüche.[5]
Trotz der Bemühungen um politische und administrative Entnazifizierung blieb eine ideologische Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der Rolle Österreichs zwischen 1938 und 1945 jedoch weitgehend aus. Bereits in den Entwicklungen kurz nach Kriegsende fand der österreichische Rechtsextremismus damit seine Wurzeln. In der Illegalität gründeten sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges neonazistische Organisationen: 1947 wurde der Grazer Kaufmann Theodor Soucek und zwei weitere Personen verhaftet, zum Tode verurteilt und später begnadigt. Sie organisierten die Werwolf-Bewegung, die Hitlers Befehl gemäß nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ in den Untergrund gehen und von dort aus weiterkämpfen wollte. Allerdings wurden im Zug der politischen und sozialen Reintegration nationalsozialistische Richter, Staatsanwälte und Offiziere in die österreichische Judikative und Exekutive aufgenommen. Auch an den Universitäten und Hochschulen gab es trotz Entnazifizierungsmaßnahmen zum Teil rechtsextreme Tendenzen. Besonders deutlich wurde dies in der Borodajkewycz-Affäre. In dessen Folge kam es auf einer Demonstration zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, in dessen Folge Ernst Kirchweger durch ein Mitglied des Ring Freiheitlicher Studenten, starb. Dies war der erste Todesfall der politischen Auseinandersetzung in der Zweiten Republik.
Gleichzeitig begannen die beiden Volksparteien ÖVP und SPÖ Sympathisanten und Funktionsträger des NS-Regimes in Österreich zu umwerben. Im Februar 1949 wurde der „Verband der Unabhängigen“ (VdU) gegründet, womit ehemaligen Nationalsozialisten, Deutschnationalen aber auch Rechtsliberalen ein Sprachrohr ihrer politischen Ziele und Interessen zur Verfügung stand und vor allem NSDAP-Mitglieder, Heimatvertriebene und Heimkehrer – also Wehrmachtssoldaten oder politisch Verfolgte – angesprochen werden sollten. Der VdU wies eine klar faschistische Attitüde auf, sodass dessen Parteiblätter mehrmals auf Grund von Verstößen gegen die Verfassung beschlagnahmt wurden. Von demokratischen Parteien umworben und in Gestalt des VdU mit legaler Einflussmöglichkeit ausgestattet, konnten österreichische Rechtsextremisten deutschnationaler Prägung wieder öffentlich aktiv werden und Organisationen wie z. B. diverse Soldatenbünde und Kameradschaftsverbände gründen. Dazu gehören der Österreichische Kameradschaftsbund, Österreichische Turnerbund, sowie der Kärntner Heimatdienst. Diesen wird die Verbreitung rechtsextremes Gedankengut vorgeworfen.[6] Als der VdU auf Grund parteiinterner Spannungen zerbrach, ging daraus 1956 die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hervor, die sich in der Folge deutlich rechts der anderen Parteien positionierte, sich hinter ehemalige NSDAP- und SS-Angehörige stellte und gegen Einwanderung polemisierte. Bis zur Gründung der Nationaldemokratischen Partei (NDP) 1966/67 wurde die FPÖ auch von der extremen Rechten wie Norbert Burger und vielen Südtirol-Aktivisten als parlamentarische Vertretung der rechtsextremen Bewegung in Österreich angesehen. Burger war an der Gründung des „Befreiungsausschuss Südtirol“ beteiligt, der mit terroristischen Aktionen, den Anschluss Südtirols an Österreich durchsetzen wollte. Da die NDP jedoch niemals nennenswerte Erfolge verbuchte und von manchen rechtsextremen Kräften wegen Opportunismus kritisiert wurde, folgte Anfang der 1970er Jahre die Gründung der „Aktion Neue Rechte“ (ANR). Bei der Bundespräsidentenwahl 1980 trat Burger als Kandidat an und erreichte 140.000 Stimmen (3,2 %). Seine Wahlkundgebungen wurden von Antifaschisten gestört, was zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit seinen Anhängern führte.
Die SPÖ-Minderheitsregierung des Jahres 1970 unter Bruno Kreisky umfasste Personen, die durch ihre NS-Vergangenheit belastet waren. Dazu gehörten das frühere SS-Mitglied Hans Öllinger. Oskar Weihs, Bautenminister Josef Moser sowie Verkehrsminister Erwin Frühbauer waren NSDAP-Mitglieder, Innenminister Otto Rösch hatte der SA angehört. Die ausländische Öffentlichkeit reagierte auf diese Regierungsmitglieder empfindlich.[7] Kreisky löste mit seiner Inschutznahme von Friedrich Peter, ein ehemaliges Mitglied einer Mordbrigade der Waffen-SS und damaliger FPÖ-Obmann, gegenüber Simon Wiesenthal, die „Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre“ aus.
1986 erschütterte die „Waldheim-Affäre“ Österreich. Ebenfalls im Jahr 1986 gründete der Wiener Rechtsextremist und Revisionist Gottfried Küssel die Volkstreue Außerparlamentarische Opposition (VAPO), die im Zuge der Briefbombenaffäre Anfang/Mitte der 1990er von der Polizei zerschlagen wurde.
Die Freiheitliche Partei Österreichs unter Jörg Haider
Anfang der 1980er Jahre versuchte Parteiobmann Norbert Steger die FPÖ als liberale Partei mehr zur Mitte des politischen Spektrums auszurichten, scheiterte jedoch damit und wurde 1986 von Jörg Haider abgelöst. Unter dessen Führung trat die FPÖ einerseits gegen die „Altparteien“ (SPÖ und ÖVP) auf, versuchte sich als Bewegung abseits des politischen Establishments darzustellen und sprach sich dezidiert gegen Zuwanderung und „Multikulti“ aus. Haider wurde vorgeworfen antisemitische und fremdenfeindliche Vorurteile zu mobilisieren. Die rechtsextreme AFP unterhielt gute Beziehungen zu Haider und der FPÖ und verzichtete auf einen eigenen Wahlantritt zugunsten der FPÖ.[8]
Unter Haiders Führung verfolgte die FPÖ einen wegen seiner polarisierendenen Rhetorik kritisierten rechtspopulistischen Kurs. Trotzdem gelang es der Partei, sowohl die nationalen Wähler als auch die mit der großen Koalition unzufriedenen Protestwähler anzusprechen, starke Stimmengewinne zu erzielen und bei der Nationalratswahl 1999 schließlich zweitstärkste Partei mit über 25 Prozent zu werden.[9]
2000 ging die FPÖ eine Koalitionsregierung mit der ÖVP ein. Dies führte international zu erheblichen Protesten bis hin zu diplomatischen Sanktionen durch die Europäische Union. Im Weisenbericht aus dem Jahr 2000 wird die FPÖ als „rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise“ beschrieben.[10] Nach der Regierungsbeteiligung nahmen offen rechtsextreme Tendenzen in der FPÖ ab. Einzelne Mitglieder machten weiterhin mit rechtsextremen Aussagen auf sich aufmerksam und sorgten immer wieder für Empörung. So beispielsweise die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Helene Partik-Pablé, Heinz-Christian Strache, Ernest Windholz, der damalige FPÖ-Landesvorsitzende Niederösterreichs, sowie der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler.
Weitere rechtsextreme Bewegungen und Ereignisse
Daneben existieren in Österreich aktionistische rechtsextreme Gruppen, so zum Beispiel die Wehrsportgruppe Trenck, die Waffen- und Sprengstofflager anlegte. Außerdem gibt es in Österreich Übergriffe von Einzeltätern und gewalttätigen Kleingruppen, die Ausländer – oder Menschen, die sie dafür halten – tätlich angreifen. Wiederholt kam es zu Schändungen jüdischer Friedhöfe und immer wieder werden Nazi-Parolen an Wände geschmiert. In den 1990er Jahren erfolgte eine Serie verheerender Anschläge mit Briefbomben gegen Menschen, die als Vertreter einer liberalen und ausländerfreundlichen Politik angesehen wurden, darunter Helmut Zilk und Arabella Kiesbauer. Einem Anschlag am 4. Februar 1995 mit Rohrbomben und Sprengfallen fielen in Oberwart vier Roma zum Opfer. Als Täter wurden zunächst organisierte Neonazi-Gruppen verdächtigt. Im Laufe der Untersuchungen wurden einige Waffendepots ausgehoben. In diesem Zusammenhang wollten ÖVP und SPÖ zu einem harten Vorgehen gegen die österreichischen Rechtsradikalen übergehen. Die Anschläge stellten sich jedoch als Taten des rechtsradikalen Einzeltäters Franz Fuchs heraus.
Im Dezember 1997 verbreitete Engelwerk-Mitglied Robert Prantner in der Zeitung Zur Zeit von Andreas Mölzer die antisemitische Ritualmordlegende um Anderl von Rinn und verlangte von der „Weltjudenheit“ eine Entschuldigung für weitere von ihm ohne Beweis behauptete „Ritualmorde“, ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden.
Siehe auch
Portal:Rechtsextremismus – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Rechtsextremismus
Einzelnachweise
- ↑ Heribert Schiedel: Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft. Edition Steinbauer, Wien 2007, S. 172.
- ↑ Bundesministerium für Inneres/Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (Hrsg.): [1]. (PDF, 1,25 MB), S. 39ff.
- ↑ Moskauer Deklaration, Übersetzung Alfred Klahr Gesellschaft
- ↑ Ralf Hanselle: Zwei Herzen im Dreivierteltakt. Im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig untersucht eine Ausstellung die deutsch-österreichische Nachbarschaft. In: Das Parlament, 23–24/2006.
- ↑ Verfahren vor österreichischen Volksgerichten: Schätzungen und erstmals detaillierte Zahlen für Wien. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes; zuletzt abgerufen am 2. Juli 2008.
- ↑ Boris Jezek: Zur Geschichte des Rechtsextremismus in Österreich. In: Inprekorr Nr. 341/2000, 8. Februar 2000.
- ↑ Christa Zöchling: Kreiskys Coup. In: profil 46/2006, 13. November 2006, S. 26.
- ↑ Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP). In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes; zuletzt abgerufen am 2. Juli 2008.
- ↑ Fritz Plasser, Peter A. Ulram, Franz Sommer: Analyse der Nationalratswahl 1999. Muster, Trends und Entscheidungsmotive. Forschungsbericht des Zentrums für Angewandte Politikforschung (ZAP), Wien, 4. Oktober 1999 (PDF, 116 KB).
- ↑ Bericht von Martti Ahtisaari, Jochen Frowein, Marcelino Oreja; angenommen am 8. September 2000 in Paris (deutschen Übersetzung, PDF, 126 KB).
Literatur
- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Rechtsextremismus in Österreich nach 1945. 5. Auflage, Wien 1981, ISBN 3-215-45796-0 (formal falsche ISBN) (Inhalt, PDF, 134 KB).
- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. 2. Auflage. Deuticke, Wien 1996, ISBN 3-216-30099-4.
- Wolfgang Neugebauer: Strukturen rechtsextremer Organisationen und deren Bereitschaft zur Gewalt (1). In: Helmut Reinalter, Franko Petri, Rüdiger Kaufmann (Hrsg.): Das Weltbild des Rechtsextremismus. Die Strukturen der Entsolidarisierung. Studien-Verlag, Innsbruck u. a. 1998, ISBN 3-7065-1258-0, S. 51–61.
Weblinks
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