- Bahnstrecke Wanne-Eickel–Hamburg
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Die Bahnstrecke Wanne-Eickel-Hamburg ist als kürzeste Eisenbahnverbindung zwischen dem Ruhrgebiet und der Metropolregion Hamburg eine der wichtigsten Eisenbahnstrecken in Nordwestdeutschland und verbindet die Städte Münster (Westfalen), Osnabrück und Bremen.
Sie wurde 1870 bis 1874 von der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft (CME) in Wanne-Eickel abzweigend von ihrer Stammstrecke (Köln-)Deutz–Minden als Teil der Hamburg-Venloer Bahn gebaut. Heute ist sie als Hauptstrecke durchgehend mindestens zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert, streckenweise lässt die Linienzugbeeinflussung Geschwindigkeiten bis 200 km/h zu.
Wegen der Tag und Nacht ständig rollenden Güter- und Personenzüge erhielt sie den Spitznamen „Rollbahn“.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Strecke wurde von der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft (CME) im Auftrag des preußischen Staates als östlicher Teil einer Verbindung zwischen Hamburg und Paris („Paris-Hamburger Bahn“) errichtet, deren westlicher Endpunkt im deutschen Eisenbahnnetz bei der niederländischen Stadt Venlo liegen sollte und daher unter dem Namen „Hamburg-Venloer Bahn“ bekannt wurde.
Um diese Verbindung an ihr bestehendes Streckennetz anzuschließen, rang die CME dem preußischen Staat das Zugeständnis ab, den an ihrer Stammstrecke Köln–Minden liegenden Bahnhof Wanne als Ausgangspunkt ihrer Strecke nach Hamburg zu wählen, um dann vom etwa 25 km nördlich davon gelegenen Haltern die Strecke nach Venlo zu bauen.
Am 1. Januar 1870 wurde der erste Streckenabschnitt Wanne–Münster eröffnet, am 1. September 1871 folgte die Verlängerung nach Osnabrück. Ab dem 1. Dezember 1872 verband die Eisenbahn über die Elbe hinweg das in der preußischen Provinz Hannover liegende Harburg mit dem Venloer Bahnhof in Hamburg, der offiziell ab 1892 Hannoverscher Bahnhof hieß.
Nachdem am 15. Mai 1873 der Abschnitt von Osnabrück bis Hemelingen und am 16. August bis Bremen fertig gestellt war, wurde die Strecke mit der Eröffnung des fehlenden Teilstücks zwischen Bremen und Harburg am 1. Juni 1874 vollendet. 1879 wurde sie verstaatlicht.
Die CME errichtete in Bremen zunächst einen Güterbahnhof an der Position der heutigen Stadthalle, genannt Hamburger Bahnhof. Dieser wurde provisorisch auch für den Personenverkehr genutzt, als der bisherige Personenbahnhof von Bremen nicht mehr aufnahmefähig war. Nachdem der neue Bremer Hauptbahnhof 1891 fertiggestellt worden war, wurde die Strecke dorthin verlegt und der alte Bahnhof abgebrochen. Die Richtung Hamburg führende Trasse wurde später von der Kleinbahn Bremen–Tarmstedt weiterhin verwendet und ist noch heute als Grünzug zwischen Fürther Straße und Innsbrucker Straße zu erkennen.
Am 29. September 1907 wurde das Ende der Strecke in Hamburg vom Hannoverschen Bahnhof zum bereits am 6. Dezember 1906 eröffneten neuen Hauptbahnhof verschwenkt und neben dem alten Endbahnhof auf der neuen Trasse der Haltepunkt Oberhafen eingerichtet. Bis 1908 erhielten der Abschnitt Wanne–Osnabrück und bald darauf auch der Rest der Strecke ein zweites Gleis.
Auffällig sind die Turmbahnhöfe in Osnabrück (Kreuzung mit Hannoverscher Westbahn) und Dülmen (Kreuzung mit Bahnstrecke Dortmund–Enschede).
Geplanter viergleisiger Ausbau
Nach dem Ersten Weltkrieg plante die Deutsche Reichsbahn, die Strecke Münster–Osnabrück viergleisig auszubauen. Der Erwerb des Grund und Bodens war im Wesentlichen schon abgeschlossen. Auch war schon mit den ersten Arbeiten begonnen, unter anderem mit dem Bau einer zweiten Tunnelröhre für den Lengericher (West-)Tunnel. Der alte Tunnel sollte laut Planung weiter in Betrieb bleiben.
Die Weltwirtschaftskrise, die Anfang der 1930er-Jahre das Land lähmte, brachte das Projekt dann zum Erliegen. Da der neue Lengericher Tunnel fertig war, wurde dieser wegen der besseren Linienführung an die vorhandene Trasse angeschlossen und in Betrieb genommen. Der alte Lengericher Tunnel stand bis zum Zweiten Weltkrieg nutzlos herum, er war dann eine Zeit lang eine unterirdische Waffenfabrik. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der alte Lengericher Tunnel zivil genutzt, unter anderen auch als Schießstand eines Waffenhändlers.
Vom viergleisigen Ausbau sind direkt nördlich des Tunnels bis etwa zur Ortschaft Hasbergen noch bereits verbreiterte Bahndämme und Wegüberführungen sichtbar. Dort war der Ausbau der Strecke schon relativ weit fortgeschritten.
Ausbau im 20. Jahrhundert
In den 1960er-Jahren wurde die Strecke elektrifiziert.
Für die Hamburger S-Bahn wurde 1983 zwischen den Bahnhöfen Hamburg-Harburg und Hamburg Hbf eine eigene Strecke (für die Linien S3 und S31) eröffnet, die zwischen Süder- und Norderelbe parallel zur Fernverkehrsstrecke verläuft. Deren Haltepunkte in Hamburg-Wilhelmsburg und Hamburg-Veddel wurden daraufhin aufgegeben.
Ausbau zur Schnellfahrstrecke
Der erste Bundesverkehrswegeplan (1973) führte die Ausbaustrecke Hamburg–Osnabrück–Dortmund als eines von acht geplanten Ausbauvorhaben im Bereich der Schienenwege[2]. Als Ausbaustrecke Hamburg–Münster war es auch in dessen Fortschreibung, dem Koordinierten Investitionsprogramm für die Bundesverkehrswege von 1977[3] sowie dem Bundesverkehrswegeplan 1980[4] enthalten. Für den Ausbau der Strecke Hamburg–Bremen–Münster sah der Bundesverkehrswegeplan 1978 dabei Investitionen von 613 Millionen DM (Preisstand: 1978) vor.[5]
Weite Teile der Strecke zwischen Hamburg, Bremen und Münster wurden ab 1978 als Schnellfahrstrecke für Fahrgeschwindigkeiten von 200 km/h in Betrieb genommen. Im Abschnitt zwischen Hamburg und Bremen ging zwischen 1978 und 1984 das Teilstück zwischen Sprötze und Lauenbrück (20,1 km) für Schnellfahrten in Betrieb, 1982 der Abschnitt zwischen Lauenbrück und Scheeßel, zwischen 1983/84 und 1986 folgte der Abschnitt zwischen Scheeßel und Utbremen (40,1 km, die letzten 9,7 km folgen 1990). Im Teilstück zwischen Bremen und Münster wurde der Abschnitt zwischen Dreye und Kirchweyhe (4,0 km) im Jahr 1983 für Schnellfahrten in Betrieb genommen, 1984/85 folgte der Großteil (67,3 km) des Abschnitts zwischen Bramstedt und Bohmte, der Rest (3,2 km) 1986.[6]
In 195 Einzelmaßnahmen zum Ausbau des 287 km langen Abschnitts zwischen Münster und Hamburg wurden 550 Millionen D-Mark (Preisstand: etwa 1991) investiert. Darin eingeschlossen ist der Neubau des dritten Gleises im Abschnitt zwischen Bremen und Hamburg.[7]
Dreigleisiger Ausbau
Im Juni 1986 ging ein drittes Gleis zwischen Buchholz (Abzweig zum Rangierbahnhof Maschen) und Rotenburg in Betrieb,[8] um Güter- und Personenverkehr besser nebeneinander abwickeln zu können. Eigentlich sollten im Anschluss daran die Bahnstrecke Verden–Rotenburg und die Bahnstrecke Nienburg–Minden zweigleisig ausgebaut werden, um so Güterverkehr von der Teilstrecke Ruhrgebiet-Bremen auf die viergleisige Strecke Hamm-Minden umzuleiten. Diese Pläne sind jedoch bis auf Weiteres hinten angestellt.
Der Bundesverkehrsminister hatte den dreigleisigen Ausbau im Juni 1980 genehmigt. Die Bauarbeiten begannen unmittelbar im Anschluss. Bis Herbst 1981 waren rund drei Viertel des rund 40 km langen Ausbauabschnitts planfestgestellt. Einschließlich Linienverbesserungen zwischen Buchholz und Tostedt lagen die geplanten Investitionskosten bei rund 200 Millionen DM.[9]
Güterumgehung Bremen und Mahndorfer Kurve
Als die Hamburg-Venloer Bahn gebaut wurde, war die Hansestadt Bremen (ebenso wie Hamburg) noch nicht Mitglied im Deutschen Zollverein, diesem trat sie erst 1888 bei.
Um Waren aus dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet ohne Verlassen des deutschen Zollgebietes bis nach Harburg befördern zu können, wurde eine vertragsgemäß nur dem Güterverkehr dienende Strecke geradlinig östlich an Bremen vorbei gebaut, die zudem eine deutliche Verkürzung der Fahrzeit brachte, da sie fast 13 km kürzer als die Hauptstrecke ist, die als Schleife durch Bremer Staatsgebiet geführt war.
Die Abkürzung wurde einige Jahre vom Luxuszug Metropolitan befahren, um eine geringstmögliche Reisezeit vom Ruhrgebiet nach Hamburg zu erreichen. Als Nachfolger benutzt derzeit ein ICE-Sprinter-Zugpaar unter der Umfahrung von Bremen Hbf die Strecke.
Ab Frühjahr/ Sommer 2011 hat die Locomore Eisenbahngesellschaft Trassenbenutzung bestellt für den HKX Hamburg-Köln-Express mit dem Halt in Sagehorn für die Bremer Fahrgäste. Ursprünglich war der Start für August 2010 geplant.
Von der Güterverbindungsstrecke Sagehorn–Dreye war im Zuge des S-Bahn-Konzepts für Bremen eine Verbindung auf die Bahnstrecke Wunstorf–Bremen geplant, was eine durchgehende S-Bahn-Linie von Nordenham nach Rotenburg (Wümme) ermöglicht hätte. Das Projekt ist an den hohen Kosten gescheitert. An der Kreuzung war auch an einen IC-Kreuzungsbahnhof Bremen-Mahndorf gedacht worden.
Verbindungen
Die Bahnstrecke ist das Rückgrat des Schienenpersonenfernverkehrs zwischen dem Ruhrgebiet und Hamburg mit mindestens einem Intercity-Zugpaar pro Stunde. Die meisten dieser Züge fahren aber nur von Münster bis Hamburg über die historische Trasse (Kursbuch-Strecken 120 Hamburg–Bremen und 385 Bremen–Münster). Zwischen Dortmund und Münster hingegen benutzen sie zunächst die Bahnstrecke Dortmund–Enschede und dann die eingleisige Bahnstrecke Preußen–Münster. Zusätzliche Fernzüge fahren daher meist einen Umweg über die Bahnstrecke Dortmund–Hamm bzw. Bahnstrecke Hamm–Münster. ICE-Sprinter (und auch der ehemalige Metropolitan) werden zum Zwecke der Zeitersparnis an Bremen vorbei über die Gütertrasse direkt nach Hamburg geleitet.
Aber auch der südliche Streckenabschnitt Münster–Wanne-Eickel (Kursbuch-Strecke 425) wird regelmäßig vom Schienenpersonenfernverkehr genutzt, insbesondere von der zweistündigen IC-Linie von Norddeich Mole über Münster, Wanne-Eickel, Duisburg, Köln, Koblenz nach Luxemburg.
In den Ballungsräumen Rhein-Ruhr, Bremen und Hamburg führen darüber hinaus auch Linien des Regionalverkehrs über diese Strecke. Ein kurzes Stück zwischen den Bahnhöfen Recklinghausen Süd und Recklinghausen Hbf benutzen auch einzelne Züge der S-Bahn Rhein-Ruhr (Linie S2) die Strecke.
Siehe auch
Literatur
- Deutsche Reichsbahn, Horst-Werner Dumjahn: Die deutschen Eisenbahnen in ihrer Entwicklung 1835–1935. Reichsdruckerei, Berlin 1935, Nachdruck mit Vorwort von Horst-Werner Dumjahn: Dumjahn Verlag, Mainz 1984, ISBN 3-921426-29-4
- Detlev Höhn: Am Knick der Rollbahn. Eisenbahnen in Lengerich. In: Eisenbahn-Geschichte Nr. 30, S. 4–13. ISSN 1611-6283
Weblinks
NRWbahnarchiv von André Joost:
- Beschreibung der Strecke 2200: Wanne-Eickel ↔ Hamburg (nur NRW-Teil)
- Beschreibung der Verbindungsstrecke 2207: Baukau (Abzw) ↔ Crange (Abzw)
- Beschreibung der Verbindungsstrecke 2221: Recklinghausen Süd ↔ Herne
weitere Belege:
- Bilder der Tunnelportale auf www.eisenbahntunnel-portal.de von Lothar Brill
- osnabahn.de Informationen zur Eisenbahn in und um Osnabrück
Einzelnachweise
- ↑ Eisenbahnatlas Deutschland 2007/2008. 6 Auflage. Schweers+Wall, Aachen 2007, ISBN 978-3-89494-136-9.
- ↑ Rüdiger Block: Auf neuen Wegen. Die Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. In: Eisenbahn-Kurier Special: Hochgeschwindigkeitsverkehr. Nr. 21, 1991, ohne ISSN, S. 30–35.
- ↑ Wilhelm Linkerhägner: Neu- und Ausbaustrecken der Deutschen Bundesbahn. In: Jahrbuch des Eisenbahnwesens, 1977, S. 78–85
- ↑ Christian Woelker: Bundesverkehrswegeplan '80: Die Schiene holt auf. In: Wolfgang Vaerst, Peter Koch (Hrsg.): Jahrbuch des Eisenbahnwesens, Bd. 31, Hestra-Verlag, Darmstadt 1980, S. 30–36, ISBN 3-7771-0160-5, ISSN 0075-2479
- ↑ Alfred Schalnat, Gerd Ewert: Ausbaustrecke Hamburg–Bremen–Münster; dreigleisiger Ausbau Buchholz–Rotenburg. In: Die Bundesbahn. Jg. 57, Nr. 10, 1977, S. 817–821, ISSN 0007-5876.
- ↑ Rüdiger Block: ICE-Rennbahn: Die Neubaustrecken. In: Eisenbahn-Kurier Special: Hochgeschwindigkeitsverkehr. Nr. 21, 1991, ohne ISSN, S. 36–45.
- ↑ Horst J. Obermayer: Die Ausbaustrecken der Deutschen Bundesbahn. In: Herrmann Merker (Hrsg.): ICE – InterCityExpress am Start. Hermann Merker Verlag, Fürstenfeldbruck 1991, ISBN 3-922404-17-0, S. 69–71.
- ↑ Gunther Ellwanger: Neubaustrecken und Schnellverkehr der Deutschen Bundesbahn. Chronologie. In: Knut Reimers, Wilhelm Linkerhägner (Hrsg.): Wege in die Zukunft. Neubau- und Ausbaustrecken der DB. Hestra Verlag Darmstadt, 1987, ISBN 3-7771-0200-8, S. 245–250
- ↑ Jürgen Grübmeier, Georg Fischer: Die Ausbaustrecken der Deutschen Bundesbahn. In: Die Bundesbahn. Jg. 57, Nr. 10, 1981, S. 781–788, ISSN 0007-5876.
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