- Kopfbahnhof
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Ein Kopfbahnhof – umgangssprachlich auch Sackbahnhof genannt – ist ein Bahnhof, in den alle Züge nur in und aus einer Richtung aus- und einfahren können, weil die Gleise im Bahnhof enden.
Ein wegen der topografischen Verhältnisse einer Gebirgsbahn angelegter Kopfbahnhof, der gleichzeitig von der Streckenführung her die Aufgabe einer Spitzkehre übernimmt, wird auch Spitzkehrenbahnhof genannt.
Bei Kopfbahnhöfen ist das Empfangsgebäude meist quer zu den Prellböcken angelegt oder aber die Gleise werden von diesem U-förmig eingehaust. War hingegen eine Verlängerung geplant oder wurde ein Bahnhof erst in Folge einer Strecken-Stilllegung zu einem Kopfbahnhof, so steht es in der Regel – wie beim Durchgangsbahnhof – parallel zu den Gleisen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die meisten Kopfbahnhöfe entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts am damaligen Stadtrand größerer Städte als Endpunkte von Eisenbahnstrecken. Diese Bauform ermöglichte es, Bahnhöfe relativ nah an das Stadtzentrum heranzuführen und die Bedeutung der Stadt als Verkehrsziel hervorzuheben. Im 20. Jahrhundert kamen viele Kopfbahnhöfe als Endpunkte von Stichstrecken hinzu, meist Nebenbahnen. Zahlreiche Kopfbahnhöfe findet man auch am Ufer eines Meeres oder größeren Sees, oft in Form eines Hafenbahnhofs mit direkter Übergangsmöglichkeit zur Schifffahrt.
Da bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund der mitgeführten begrenzten Brennstoffvorräte und Betriebszeiten von Dampflokomotiven diese sowieso öfter gewechselt werden mussten, fielen die betrieblichen Nachteile eines Kopfbahnhofs zunächst nicht ins Gewicht. Hinzu kam, dass die Bahnstrecken, die in einem Kopfbahnhof endeten, oft von verschiedenen Eisenbahngesellschaften betrieben wurden, was ebenfalls den Wechsel der Zugmaschine erforderlich machte. Ein Kopfbahnhof galt im 19. Jahrhundert als die – für Reisende – angenehmste Form des Bahnhofs, sofern die Bahngesellschaften nicht verschiedene Kopfbahnhöfe an unterschiedlichen Stellen der Stadt betrieben, wie heute beispielsweise noch in Paris und Budapest.
Nach der Anlage eines Kopfbahnhofs war es später dann oft nicht mehr möglich, diese durch Aufbrechen der Bahnhöfe an der Stirnseite zu Durchgangsbahnhöfen umzugestalten. Beispiele sind die zahlreichen, teilweise immer noch nicht verbundenen Kopfbahnhöfe in Paris, Wien, London oder Moskau. In Berlin wurde dieses Problem 1882 mit der Berliner Stadtbahn teilweise überwunden, die als Hochbahn über ein System von Viadukten den Fern- und S-Bahn-Verkehr mitten durch die Metropole leitet.
Häufig sind Mischformen anzutreffen, wie beispielsweise der Hauptbahnhof Dresden. Er besitzt neben neun Durchgangsgleisen auch sieben Stumpfgleise in Mittellage. Ursächlich hierfür: nördlich von Dresden ist der Zugverkehr deutlich dichter als südlich der Stadt. Viele Durchgangsbahnhöfe besitzen zusätzliche Stumpfgleise an der Stirnseite des Empfangsgebäudes, manchmal auch Flügelbahnhof genannt. Meist verfügen diese über etwas kürzere Bahnsteige und dienen dem Regionalverkehr.
Mit der Einführung von elektrischer Traktion und Diesellokomotiven erwiesen sich Kopfbahnhöfe zunehmend als ungünstig, da ein Zug die Lokomotive nicht mehr so oft wechseln musste. Um die Nachteile des Kopfbahnhofs zu minimieren, wurden die Kopfbahnhöfe von Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg-Altona und München im Rahmen des S-Bahn-Baus in den 1970er-Jahren durch Untertunnelung ausschließlich für den S-Bahn-Betrieb zu Durchgangsbahnhöfen erweitert. In Leipzig wird bis 2011 ebenfalls ein S-Bahn-Tunnel mit unterirdischer Station gebaut, der zudem von Regional- und Fernverkehrszügen befahren werden kann. Der Kopfbahnhof Zürich Hauptbahnhof wurde anlässlich des S-Bahn-Baus 1991 durch einen vier Gleise umfassenden Tiefbahnhof erweitert, ein zusätzlicher Durchgangsbahnhof[1] für den Fernverkehr ist momentan im Bau (Fertigstellung circa 2013). Das Projekt Stuttgart 21 sieht vor, den Stuttgarter Hauptbahnhof bis zum Jahr 2019 zum Durchgangsbahnhof im Zusammenhang mit der Neu- und Ausbaustrecke Stuttgart–Augsburg umzubauen.
In den letzten Jahrzehnten sind mit der weitgehenden Umstellung des Fahrzeugparks auf Wendezüge und Triebwagenzüge die betrieblichen Nachteile reduziert worden. Beim Richtungswechsel bleiben die Zugkompositionen gekuppelt, da sowohl Lok als auch Steuerwagen an der Zugspitze fahren können. Der Zeitbedarf für den Richtungswechsel kann auf die ohnehin benötigte Haltezeit für den Fahrgastwechsel gesenkt werden, und die personalintensiven Kuppelmanöver sind heutzutage nicht nur in Kopfbahnhöfen selten geworden.
Vergleich mit Durchgangsbahnhof
Vorteile
Kopfbahnhöfe können bei Neuanlagen bauformbedingt in der Regel einfacher an ein vorhandenes Stadtzentrum herangeführt werden und ermöglichen die Ausrichtung der Gleisachsenenden zum Zentrum. Bei einem Durchgangsbahnhof müsste bei gleicher Ausrichtung eine Schneise oder ein Tunnel durch den Stadtkern geschlagen werden. In der Praxis sind jedoch sowohl Durchgangs- als auch Kopfbahnhöfe meist vor langer Zeit neben den damaligen Ortskern gebaut worden und inzwischen ins Zentrum gewachsen. Das Umsteigen ist über den Querbahnsteig an den Gleisenden ohne Überwindung von Höhenunterschieden barrierefrei möglich.
Im Stadtraum wird nur auf einer Seite des Bahnhofs der Platz für die Zufahrtsgleise benötigt, allerdings dann meist mit einem umfangreicheren Gleisvorfeld als bei einem vergleichbaren Durchgangsbahnhof. Auch die Trennung des Stadtraums, die durch die Gleisanlage verursacht wird, wirkt sich eher auf den innerstädtischen Querverkehr nicht aber auf den Verkehr ins Zentrum aus, denn es werden in der Regel weniger Ausfallachsen zerschnitten.
Nachteile
Aus betrieblicher Sicht weisen Kopfbahnhöfe gegenüber Durchgangsbahnhöfen Nachteile auf. Wenn der erforderliche Fahrtrichtungswechsel bei durchgehenden Zügen mehr Zeit kostet als das Aus- und Einsteigen der Reisenden, verringert dies die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit.
Hinzu kommt, dass ein Kopfbahnhof für die gleiche Zahl der Zugbewegungen mehr Gleise und damit eine größere Grundfläche benötigt als ein Durchgangsbahnhof gleicher Kapazität. Ein einfahrender Zug muss seine Geschwindigkeit in Bahnhofsnähe herabsetzen und kann nur langsam einfahren um die Gefahr, auf den Prellbock aufzufahren, zu minimieren.
Ein weiterer Nachteil sind die im Vergleich zu anderen Bahnhofstypen langen Wege beim Umsteigen von einem Bahnsteig zum anderen, wenn (wie beispielsweise im Münchener Hauptbahnhof oder im Bahnhof Hamburg-Altona) die Bahnsteige nur über den Querbahnsteig verbunden sind (bei einigen Kopfbahnhöfen wie Stuttgart oder Frankfurt verkürzen Tunnel unter oder Brücken über den Gleisen die Wege).
Ein weiterer Nachteil ist städtebaulicher Natur: Die notwendigen umfangreichen und stadtumfassenden Gleisanlagen stehen einem städtischen Wachstum mit der Zeit im Wege.[2]
Gewichtung
Nach Einführung von Steuerwagen und Triebzügen im Nah- und Fernverkehr dauert die Wendezeit eines Zuges theoretisch nur noch so lange, wie der Lokführer zum Wechseln der Führerstände benötigt. Bei rege frequentierten Bahnhöfen – und das sind die meisten Kopfbahnhöfe – dauert der Fahrgastwechsel länger als diese Zeit, die der Lokführer für die erneute Betriebsbereitschaft benötigt. Meistens übernimmt in Kopfbahnhöfen ein anderer Lokführer den Zug, der bei dessen Einfahrt schon an der „richtigen“ Stelle steht. Im Schweizer SBB-Netz verkehren Personenzüge fast nur noch als Triebzüge oder mit Steuerwagen. Damit sind die Nachteile des Fahrtrichtungswechsels heute nicht mehr so erheblich.
Betriebliche Funktion
Vor dem Ausfahren aus einem Kopfbahnhof muss „Kopf gemacht“, das heißt der Zug gewendet werden. Bei einem herkömmlichen Zug ohne Steuerwagen sind dafür Kuppelmanöver nötig.
Meist wird die Lokomotive, die den Zug in den Bahnhof gezogen hat, ab- und am anderen Ende des Zuges eine neue Lokomotive angekuppelt. Nach der Abfahrt des Zuges fährt die erste Lokomotive allein aus der Bahnhofshalle ins Bahnbetriebswerk oder wird vor einen anderen Zug gespannt. Bei schweren Zügen wurde auch die Möglichkeit genutzt, mit der bisherigen Zuglok bei der Ausfahrt den Zug zusätzlich anzuschieben.
Alternativ kann die Lokomotive abgekuppelt werden, den Zug umfahren und am anderen Ende des Zuges angekuppelt werden. Dazu muss am Gleisende eine entsprechende Weiche eingebaut und ein freies Rangiergleis neben dem Bahnsteiggleis (Lokverkehrsgleis) vorhanden sein (z.B. in Chemnitz Hauptbahnhof zwischen den Gleisen 2 und 3). In der Frühzeit der Eisenbahn gab es dafür Drehscheiben am Gleisende des Kopfbahnhofs, mit denen die Lok zugleich gewendet werden konnte. Oder der Zug muss von einer Rangierlokomotive ins Vorfeld gezogen werden, sodass die Lokomotive auf ein anderes Gleis wechseln, die Rangierlok den Zug wieder an den Bahnsteig fahren, abkuppeln und sich entfernen kann, sodass die Zuglok nach erneutem Gleiswechsel auf der anderen Seite des Zuges ankuppeln kann. Alle diese Rangiermanöver erfordern einen hohen Personal- und Zeitaufwand.
Neben Personenbahnhöfen können auch andere Bahnhofsarten in Kopfform angelegt sein. Dies trifft zum Beispiel für manche Rangierbahnhöfe (besonders in Italien), Güterbahnhöfe, Abstellbahnhöfe oder Werks- beziehungsweise Hafenbahnhöfe zu.
Besondere Kopfbahnhöfe
Deutschland
Die größten Kopfbahnhöfe Deutschlands befinden sich in Leipzig, Frankfurt am Main, München und Stuttgart. Jedoch existieren an diesen Bahnhöfen, mit Ausnahme von Leipzig, durchgehende S-Bahn-Gleise. Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll durch einen Durchgangsbahnhof ersetzt werden (siehe Stuttgart 21). Diesbezügliche Projekte in Frankfurt und München wurden fallengelassen. Der älteste erhaltene deutsche Kopfbahnhof ist der Bayerische Bahnhof in Leipzig, der 1842 in Betrieb genommen wurde. Seit 2001 bis voraussichtlich 2013 ist er allerdings wegen der Bauarbeiten am Leipziger City-Tunnel außer Betrieb und soll danach als Durchgangsbahnhof wiedereröffnet werden.
Schweiz
Der größte Kopfbahnhof in der Schweiz ist der Zürcher Hauptbahnhof. Wie in den großen deutschen Kopfbahnhöfen existiert auch hier eine durchgängige unterirdische Strecke. Eine zweite Durchmesserlinie ist aktuell im Bau. Andere bedeutende Kopfbahnhöfe sind der in Luzern und jener am Flughafen Genf (nur unechter Kopfbahnhof, da wie einem Durchgangsbahnhof angelegt). Vom Verkehrsaufkommen her weniger bedeutend sind die Bahnhöfe Locarno und Einsiedeln. Etliche Bahnhöfe welche aus mehren Bahnhofsteilen bestehen ist einer dieser Teile als Kopfbahnhof ausgebildet, dies ist in den Bahnhöfen Romanshorn, Langenthal und Thun der Fall.
Von der Bauweise her ist der Bahnhof Basel SBB ein Durchgangsbahnhof, jedoch wird er nur für die wenigen Züge in Richtung Mulhouse/Strasbourg als solcher benutzt.
Österreich
Die großen Wiener Bahnhöfe West- und Franz-Josefs-Bahnhof sind Kopfbahnhöfe. Der dritte große Wiener Bahnhof war bis Dezember 2009 der Wiener Südbahnhof (3. Südbahnhof) als doppelter Kopfbahnhof für die Südbahn und die im rechten Winkel abgehende Ostbahn. Verblieben, nach Zurückziehung der Bahnsteige weg vom bisherigen Südbahnhof und Errichtung eines provisorischen Bahnhofs (4. Südbahnhof) für die Ostbahn, ist der Kopfbahnhof Wien Südbahnhof (Ostbahn). Die Funktion des Südbahnhofs für die Südbahn hat provisorisch der Durchgangsbahnhof Wien Meidling übernommen.
Mit Fertigstellung des im Bau befindlichen Durchgangsbahnhofes Wien Hauptbahnhof wird der ehemalige Wiener Süd- und Ostbahnhof ersetzt und der Fernverkehr der Westbahn zum Hauptbahnhof geleitet werden. Der Westbahnhof bleibt zwar Kopfbahnhof, verliert dann jedoch seine Funktion als Fernbahnhof und wird nach ÖBB-Planung zum reinen Regionalbahnhof.
Ein weiterer besonderer Kopfbahnhof ist der Mittelteil des Salzburger Hauptbahnhofes, der als Inselbahnhof und gleichzeitig doppelter Kopfbahnhof einen Teil des innerösterreichischen Bahnverkehrs und in Funktion eines Grenzbahnhofs den Bahnverkehr nach Bayern abtrennt. Seit November 2008 befindet sich der Salzburger Hauptbahnhof im Rahmen der ÖBB-Bahnhofsoffensive im Umbau, der bis 2014 abgeschlossen sein soll. Mit diesem Umbau wird der Inselbahnhof mit seinen beiden Kopfbahnhöfen entfernt und der Bahnhof zum reinen Durchgangsbahnhof.
Siehe auch
- Liste von Kopfbahnhöfen (führt solche Kopfbahnhöfe auf, in denen mindestens zwei Strecken zusammentreffen)
- Keilbahnhof, Reiterbahnhof, Tunnelbahnhof, Turmbahnhof
Weblinks
- Bahnhöfe bei Zeno.org. Artikel aus: Viktor von Röll (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, 2. Aufl. 1912–1923, Bd. 1, S. 383 ff.
Einzelnachweise
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