- Michael Ballhaus
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Michael Ballhaus (* 5. August 1935 in Berlin) ist ein deutscher Kameramann, einer der bedeutendsten des deutschen und internationalen Films.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Seine Eltern waren die Theaterschauspieler Oskar Ballhaus und Lena Hutter, Mitbegründerin und bis zu ihrem Tod Prinzipalin des nach seinem heutigen Spielort genannten Fränkischen Theaters Schloss Maßbach, durch die er über das Theater zum Film kam. Als Kind lebte er in Coburg, wo seine Eltern den Coburger Kulturkreis gründeten. Seine Jugend verbrachte er im unterfränkischen Wetzhausen, wo die Eltern im Jahr 1948 ein erstes festes Domizil für ihr Privattheater gefunden hatten.
Ballhaus durfte 1955 die Dreharbeiten des Films Lola Montez aus der Nähe beobachten. Regisseur dieses Films war der Freund der Familie, Max Ophüls,[1] Kameramann der Franzose Christian Matras. Dieses Erlebnis führte ihn zum Entschluss, selber Kameramann zu werden. Nach einer zweijährigen Fotografenausbildung begann Ballhaus beim Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden eine Kamerassistenz. Eine Ausbildung zum Kameramann gab es zu der Zeit nicht. Bereits ab 1960 arbeitete er dann als Kameramann fürs Fernsehen, zunächst vor allem für den Südwestfunk. Sein erster Film dort entstand für den Regisseur Peter Lilienthal. Bis 1966 war er beim SWF Chefkameramann. 1968 drehte er seinen ersten Kinofilm: die Komödie Mehrmals täglich mit Dieter Hallervorden.
Durch die Mitarbeit an einigen Low-Budget Produktionen Ende der 1960er Jahre traf er auf Rainer Werner Fassbinder. Mit ihm allein drehte er dann siebzehn Filme, die ihn über Deutschland hinaus in der Filmszene bekannt machten und ihm die Türen auch in Hollywood öffneten. Über die Arbeit an zahlreichen Independent-Produktionen in den USA wurden auch renommierte Regisseure auf ihn aufmerksam. Seit dem Film Die Zeit nach Mitternacht 1985 war er der Kameramann von Martin Scorsese. Insgesamt hat Michael Ballhaus die Bildregie für über 80 Kinofilme geführt. Er arbeitete unter vielen anderen auch mit Mike Nichols, Volker Schlöndorff, Wolfgang Petersen, Francis Ford Coppola, Jeanine Meerapfel und Peter Stein zusammen. Seine effiziente, gleichzeitig gestalterische Arbeitsweise macht ihn nicht nur bei Regie-Neulingen zu einem begehrten Chefkameramann. 1987 erhielt er für seine Arbeit an Nachrichtenfieber seine erste Oscar-Nominierung. Zwei Jahre später wurde er für Die fabelhaften Baker Boys ein weiteres Mal nominiert. Michael Ballhaus erhielt 2007 als erster Deutscher den begehrten Preis für sein Lebenswerk von der American Society of Cinematographers (US-amerikanischer Verband der Kameraleute).
In der US-amerikanischen Filmproduktion wird die Berufsbezeichnung Kameramann mit dem Begriff Director of Photography abgedeckt, der indes auch im tatsächlichen Verantwortungsumfang breiter angelegt ist (vergleichbar mit der im deutschen Vorkriegsfilm üblichen Bezeichnung Photographischer Leiter, heute wird manchmal die Bezeichnung Bildgestalter verwendet). Dort sind erfahrene Kameraleute wie Michael Ballhaus auch künstlerisch mit einem eigenen Team als Regisseur für alle Kamera- und Lichteffekte im Film verantwortlich. Der eigentliche Filmregisseur ist dort entsprechend auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen, zugleich von der direkten Entscheidungsfindung in Fragen der Ausleuchtung und Bildausschnittfestlegung entlastet.
Als regelmäßiger Gast der Berlinale und als Dozent auf dem Berlinale Talent Campus und der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin gibt Ballhaus mittlerweile seine Erfahrungen jungen Kameraleuten weiter. Seit 1999 ist er Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg.
Am Rande der Berlinale im Februar 2007 verkündete Michael Ballhaus seinen Rückzug aus Hollywood. In Zukunft will er vor allem Filme produzieren und unterrichten. Im gleichen Jahr rief er auch das Ballhaus-Projekt ins Leben, eine Initiative zum Klimaschutz, die zum sparsamen Umgang mit Energie aufruft. Noch heute unterhält Ballhaus Wohnungen in Berlin, New York und im Fränkischen, wo er heranwuchs.
Ab dem Wintersemester 2009 übernahm Ballhaus an der Hamburg Media School die Fachbereichsleitung Kamera für den Master-Studiengang in Zusammenarbeit mit Achim Poulheim.[2] Seit dem Wintersemester 2010/2011 ist er Abteilungsleiter an der Hochschule für Fernsehen und Film München der Abteilung Kamera.
Familie
Aus der 1960 geschlossenen Ehe mit der Schauspielerin und Filmaustatterin Helga Ballhaus gingen die beiden Söhne Sebastian und Florian (Kamera bei Flightplan und Der Teufel trägt Prada) hervor, mit denen er eng zusammenarbeitet. Seine Frau verstarb am 28. September 2006 in Los Angeles. In der Rückschau auf sein Leben verweist Ballhaus auch immer auf die enge vertrauensvolle berufliche und keineswegs nur private Rolle seiner Ehefrau, mit der er über viele Jahrzehnte ein Laufbahn-Team bildet. Aus der gleichen Branche kommend, schon zu Zeiten der Fassbinder-Filme als Ausstatterin am Drehort im Produktionsprozess beteiligt, hatte sie nach seinen Aussagen (zum Beispiel WDR5-Redezeit April 2006) großen Anteil an seinem Berufserfolg.
Filmografie (Auswahl)
- 1960: Die Kassette – Regie: Rudolf Noelte Fernsehspiel
- 1960: Die Nachbarskinder – Regie: Peter Lilienthal, Fernsehspiel
- 1965: Der große Wildenberg – Regie: Herbert Vesely
- 1965: Abschied – Regie: Peter Lilienthal
- 1966: Große Liebe – Regie: Johannes Schaaf
- 1967: Ganze Tage in den Bäumen – Regie: Tom Toelle
- 1968: Mehrmals täglich – Regie: Ralf Gregan
- 1969: Deine Zärtlichkeiten – Regie: Peter Schamoni
- 1969: Darf ich Sie zur Mutter machen? (auch als Darsteller) – Regie: Ralf Gregan
- 1970: Whity – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1970: Warnung vor einer heiligen Nutte – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1970: Fassbinder produziert Film No. 8 (Dokumentation) – Regie: Michael Ballhaus und Dieter Berner
- 1972: Die bitteren Tränen der Petra von Kant – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1973: Tschetan, der Indianerjunge – Regie: Hark Bohm
- 1973: Tote brauchen keine Wohnung – Regie: Wolfgang Staudte aus der Fernsehserie Tatort
- 1973: Welt am Draht – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1973: Martha – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1974: Made in Germany und USA – Regie: Rudolf Thome
- 1974: Faustrecht der Freiheit – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1975: Das Amulett des Todes – Regie: Ralf Gregan
- 1975: Mutter Küsters Fahrt zum Himmel – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1975: Ich will doch nur, daß ihr mich liebt – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1976: Sommergäste – Regie: Peter Stein
- 1976: Satansbraten – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1976: Chinesisches Roulette – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1977: Frauen in New York – Regie: Rainer Werner Fassbinder (Theater-Produktion)
- 1978: Despair – Eine Reise ins Licht – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1979: Die Ehe der Maria Braun – Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1979: Der Aufstand – Regie: Peter Lilienthal
- 1979: Alpensaga - Der deutsche Frühling. – Regie: Dieter Berner
- 1979: Die erste Polka – Regie: Klaus Emmerich
- 1980: Looping – Regie: Walter Bockmayer, Rolf Bührmann
- 1980: Groß und klein, nach der Inszenierung des Theaterstücks von Peter Stein
- 1982: Der Zauberberg – Regie: Hans W. Geißendörfer
- 1982: Baby it's you – Regie: John Sayles
- 1983: Heller Wahn – Regie: Margarethe von Trotta
- 1983: Das Autogramm – Regie: Peter Lilienthal
- 1984: Ediths Tagebuch – Regie: Hans W. Geißendörfer
- 1985: Die Zeit nach Mitternacht – Regie: Martin Scorsese
- 1985: Tod eines Handlungsreisenden – Regie: Volker Schlöndorff
- 1986: Unter dem Kirschmond – Regie: Prince
- 1986: Die Farbe des Geldes – Regie: Martin Scorsese
- 1987: Die Glasmenagerie – Regie: Paul Newman
- 1987: Nachrichtenfieber – Broadcast News – Regie: James L. Brooks
- 1988: Baja Oklahoma – Regie: Bobby Roth
- 1988: Das Haus in der Carroll Street – Regie: Peter Yates
- 1988: Die letzte Versuchung Christi – Regie: Martin Scorsese
- 1988: Die Waffen der Frauen (Working Girl) – Regie: Mike Nichols
- 1989: Die fabelhaften Baker Boys – Regie: Steven Kloves
- 1990: Grüße aus Hollywood – Regie: Mike Nichols
- 1990: Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia – Regie: Martin Scorsese
- 1991: Schuldig bei Verdacht (Guilty by Suspicion) – Regie: Irwin Winkler
- 1991: Was ist mit Bob? (What About Bob?) - Regie: Frank Oz
- 1992: Bram Stoker’s Dracula – Regie: Francis Ford Coppola
- 1992: Mambo Kings (The Mambo Kings) – Regie: Arne Glimcher
- 1993: Zeit der Unschuld – Regie: Martin Scorsese
- 1994: Quiz Show – Regie: Robert Redford
- 1995: Outbreak – Regie: Wolfgang Petersen
- 1996: Sleepers – Regie: Barry Levinson
- 1997: Air Force One – Regie: Wolfgang Petersen
- 1998: Mit aller Macht – Regie: Mike Nichols
- 1999: Wild Wild West – Regie: Barry Sonnenfeld
- 2000: Die Legende von Bagger Vance – Regie: Robert Redford
- 2000: Good Vibrations – Sex vom anderen Stern – Regie: Mike Nichols
- 2000: Gone Underground – Regie: Su Turhan
- 2002: Gangs of New York – Regie: Martin Scorsese
- 2003: Was das Herz begehrt – Regie: Nancy Meyers
- 2003: Uptown Girls – Eine Zicke kommt selten allein – Regie: Boaz Yakin
- 2005: Sonntagsluft (Gespenster) – Regie: Frank Alva Buecheler
- 2006: Departed – Unter Feinden – Regie: Martin Scorsese
Auszeichnungen
- 1973: Deutscher Filmpreis – Filmband in Gold (Kamera) für Die bitteren Tränen der Petra von Kant
- 1978: Deutscher Filmpreis – Filmband in Gold (Kamera) für Despair
- 1985: American Video Award (Kamera) für I'm on Fire
- 1994: DIVA-Award
- 1994: Berliner Bär (B.Z.-Kulturpreis)
- 1996: Auszeichnung als Ehrenkameramann durch die Jury des Deutschen Kamerapreises
- 2000: Goldene Leinwand für sein Lebenswerk
- 2001: Lucky Strike Designer Award
- 2003: Festival Honors / eDIT Filmmaker’s Festival
- 2007: International Achievement Award der American Society of Cinematographers (ASC)
- 2007: Europäischer Filmpreis – Ehrenauszeichnung für sein herausragendes Engagement
- 2007: Bayerischer Filmpreis – Ehrenpreis
- 2008: Clean Tech Media Award – Gewinner mit dem Ballhaus-Projekt in der Rubrik Kultur & Medien[3]
- 2009: Bambi in der Kategorie Deutsche in Hollywood[4]
- 2009: Goldener Ochse – Ehrenpreis beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern
- 2010: Bayerischer Verdienstorden
- 2010: Stern auf dem Boulevard der Stars in Berlin
- Ballhaus war bisher dreimal für einen Oscar nominiert.
Literatur
- Michael Ballhaus: Das Fliegende Auge: Director of Photography im Gespräch mit Tom Tykwer. Berlin Verlag, Berlin, 2002, ISBN 3-8270-0460-8
- Hans Hofele: Zwischen Kunst und Technik: Die Kameraarbeit bei Michael Ballhaus. Magisterarbeit. Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Ruhr-Universität, Bochum 1996. ISBN 3-8270-0460-8
- Heiko R. Blum (Hrsg.): Zweite Heimat Hollywood: Deutschsprachige Filmkünstler in den USA. Henschel Verlag, Berlin, 2001, ISBN 3-8948-7401-5
Weblinks
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Commons: Michael Ballhaus – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
- Literatur von und über Michael Ballhaus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Michael Ballhaus in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- filmportal.de mit Biographie, Interview etc.
- „Michael Ballhaus: Der Abschied einer Kameralegende“, ARD-Kultur, 12. Februar 2007, Ballhaus im Gespräch mit Tom Tykwer
- Michael Ballhaus 2008 im Gespräch über Leben und Werk auf Bayern2 Radio Eins zu Eins. – Der Talk
- Videointerview mit Michael Ballhaus mit einer Besprechung seiner 360-Grad-Kamerafahrt
- „Können Sie noch Blut sehen, Herr Ballhaus?“ - Die Berliner Zeitung im Gespräch mit Ballhaus, 9. Mai 2009
Einzelnachweise
- ↑ theasc news
- ↑ Welt am Sonntag, 13. Dezember 2009
- ↑ Kategorie Kultur und Medien
- ↑ Bisher bekannte Bambi-Preisträger 2009, in: Naumburger Tageblatt online vom 24. November 2009, abgerufen am 25. November 2009
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