- Paul Michael Nikolaus Bonatz
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Paul Michael Nikolaus Bonatz (* 6. Dezember 1877 in Solgne (Lothringen), heute Dep. Moselle, Frankreich); † 20. Dezember 1956 in Stuttgart) war ein deutscher Architekt, einflussreicher Hochschullehrer und Brückengestalter.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Sein Vater war Beamter bäuerlicher Herkunft aus Mecklenburg, seine Mutter Luxemburgerin. Nach dem Abitur im elsässischen Hagenau studierte er an der Technischen Hochschule München zuerst Maschinenbau, nach einem Jahr dann Architektur bis zur bestandenen Diplom-Prüfung im Jahr 1900. Nach seiner Hochzeit 1902 ging Bonatz nach Stuttgart, wo er bis 1906 als Mitarbeiter im Büro von Theodor Fischer, dann bis 1908 als dessen Assistent an der Technischen Hochschule Stuttgart arbeitete. Als Fischer 1908 nach München zurückkehrte, wurde Bonatz als Nachfolger auf den Stuttgarter Lehrstuhl berufen, den er bis 1943 behielt. 1908 wurde Bonatz Mitglied im erst ein Jahr zuvor gegründeten Deutschen Werkbund, später gehörte er zeitweise dessen Vorstand an.
In einzelnen Fällen, meist bei Wettbewerbsentwürfen, arbeitete Paul Bonatz mit seinem jüngeren Bruder Karl Bonatz (1882–1951) zusammen. Für die Bearbeitung seiner zahlreichen privaten Bauaufträge (neben seiner Lehrtätigkeit) gründete Bonatz 1910 gemeinsam mit seinem Studienfreund Friedrich Eugen Scholer (1874–1949) ein Architekturbüro in Stuttgart („Bonatz und Scholer“); diese Zusammenarbeit endete erst 1943/1944. Wie groß der Anteil Scholers an den gemeinsamen Projekten war, lässt sich nicht mehr objektiv feststellen.
1928 war Bonatz Gründungsmitglied der konservativ orientierten Architektenvereinigung „Der Block“, aus der er im April 1931 wieder austrat. In den 1930er Jahren war er als künstlerischer Berater von Fritz Todt bei vielen Entwürfen von Brücken der Reichsautobahnen beteiligt.
1943 bis 1946 fungierte er als Berater beim türkischen Kulturministerium in Ankara, und von 1946 bis 1954 war er Professor an der Technischen Universität in Istanbul. 1954 kehrte er nach Stuttgart zurück, wo er 1956 starb und auf dem Waldfriedhof beerdigt wurde.
Bauten (Auswahl)
(unvollständig, chronologisch geordnet mit „Sonderthemen“)
- Amtsgericht Mainz, siegreicher Wettbewerbsentwurf 1903 (ausgeführt durch die staatliche Hochbauverwaltung bis 1906) (mit Karl Bonatz)
- Johanniterschule in Rottweil, 1905–1906 (mit Karl Bonatz)
- erstes eigenes Wohnhaus in Stuttgart, 1907
- Wallstraßenbrücke in Ulm, 1907
- Gebäude der Sektkellerei Henkell & Co. (auch gen. „Henkell-Schlösschen“) in (Wiesbaden-) Biebrich, 1907–1909
- Lerchenrainschule in Stuttgart, 1908–1909
- Universitätsbibliothek in Tübingen, 1910–1912
- Turn- und Festhalle in Stuttgart-Feuerbach, 1910–1912
- Leibniz-Gymnasium in Stuttgart-Feuerbach, 1910-1914
- Mörike-Gymnasium in Göppingen, 1910-1914
- zweites eigenes Wohnhaus in Stuttgart, 1911–1912
- Stadthalle in Hannover, 1911–1914
- Büro- und Geschäftshaus der Fa. Reiffenberg & Cie. in Köln, 1912
- Landtag und Staatsministerium (später Regierungspräsidium) in Oldenburg i.O., 1912–1914
- Den endgültigen Durchbruch erreichten Bonatz und Scholer mit dem 1. Preis im Wettbewerb für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof 1911, dem sich der Ausführungsauftrag 1913 anschloss. 1914 wurde der Grundstein für das Empfangsgebäude gelegt; am 22. Oktober 1922 wurde der erste Bauabschnitt (südlicher Teil mit Turm) in Betrieb genommen, die Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts erfolgte 1927.
- Kesselhaus einer Munitionsfabrik in Rottweil, 1915–1916
- Grabmal für General (von) Lotterer in Ludwigsburg, 1916
- diverse Entwürfe für Gefallenendenkmäler, 1917 und 1918
- Wohnhaus für den Fabrikanten Fritz Roser in Stuttgart, 1919–1922
- drittes eigenes Wohnhaus in Stuttgart, 1921–1922
- Villa für den Industriellen Alfred Vorster in Köln, 1921–1922
- Villa für den Bankier Herstatt in Köln, 1921–1923
- Villa für den späteren nationalsozialistischen Außenminister Joachim von Ribbentrop in Berlin, 1922–1923
- Verwaltungsgebäude der Gebr. Stumm GmbH in Düsseldorf, 1922–1925 (ein frühes deutsches Hochhaus)
- Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges auf dem Waldfriedhof in Stuttgart-Degerloch, 1923
- Wohnhaus Liebrecht in Hannover, 1923–1924
- Villa für Ferdinand Porsche in Stuttgart, 1923–1924
- Villa für den Fabrikanten Fritz Hornschuch bei Kulmbach, 1924–1925
- Villa für den Fabrikanten Paul Eberspächer in Esslingen, 1925–1926
- Villa für den Antiquitätenhändler Arno Kramer in Bonn, 1926
- Von 1926 bis 1928 war Bonatz für die architektonische Gestaltung der Bauwerke der Neckar-Kanalisierung verantwortlich; er entwarf die Staustufen Ladenburg bei Mannheim, Rockenau, Heidelberg, Hirschhorn (Neckar), Stuttgart-Bad Cannstatt sowie das Kraftwerk Oberesslingen, das Schützenwehr Oberesslingen sowie die beiden Neckarbrücken in Heidelberg und in Heilbronn. Die Ausführung einzelner Anlagen zog sich dabei bis in die 1930er Jahre hin.
- Bahnhof Mettingen (Esslingen am Neckar)
- Talstation der Standseilbahn zum Waldfriedhof in Stuttgart-Heslach, 1928–1929 (?)
- Gewerbeschule (heutige Fachhochschule) in Geislingen an der Steige, 1928 (mit Karl Bonatz)
- Wohn- und Geschäftshaus am Domkloster in Köln, 1928
- „Reichsdankhaus“ in Schneidemühl, 1928
- Schwimmstadion Inselbad in Stuttgart-Untertürkheim, 1928–1929
- Villa für den Fabrikanten Eickhoff in Bochum, 1928–1929
- Büro- und Geschäftshaus „Richmodishaus“ in Köln, 1928–1929
- Villa für den Industriellen Springorum in Dortmund, 1928–1929
- Büro- und Geschäftshaus „Zeppelinbau“ in Stuttgart, 1929–1931
- Verwaltungsgebäude der Fichtel & Sachs AG in Schweinfurt, 1931–1933
- Kunstmuseum Basel, 1931–1936
- Rathaus in Kornwestheim, 1933–1935
- Gottlieb-Daimler-Stadion in Stuttgart, 1933
- Wohnhaus in der Stuttgarter Kochenhofsiedlung, 1933
- „Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung“ (späteres „Haus der Eisenindustrie“) in Düsseldorf, 1934–1935
- Schenkensee-Freibad in Schwäbisch Hall, 1934-1942
- „Willy-Sachs-Stadion“ in Schweinfurt, 1935
- eigenes Ferienhaus in Kornau, 1935–1936
- Verwaltungsgebäude der Maschinenfabrik Gebr. Eickhoff GmbH in Bochum, 1937–1939
- Schloss Neumühle für den Grafen von der Schulenburg-Wolfsburg bei Tangeln in der Altmark als Neubau von Schloss Wolfsburg, 1938–1942
- Ein wichtiger Schwerpunkt in Bonatz Schaffen war die architektonische Ausgestaltung von Brückenbauwerken – ein Thema, mit dem er sich schon seit dem Beginn seiner Karriere (1907, s. o.) immer wieder beschäftigt hatte. In den 1930er Jahren kamen Brückenprojekte nicht nur, aber doch in erster Linie im Rahmen des von der nationalsozialistischen Propaganda begleiteten Autobahnbaus vor; dann sehr oft in Zusammenarbeit mit dem Brückenbau-Ingenieur Fritz Leonhardt.
- Elbebrücke Vockerode, 1935
- Donaubrücke Leipheim, 1935
- Autobahnbrücke über die Elbe bei Hohenwarthe bei Magdeburg, 1935
- Saalebrücke bei Hirschberg, 1936
- Waschmühltalbrücke bei Kaiserslautern, 1935–1937
- Autobahnbrücke über das Lauterbachtal bei Kaiserslautern, 1935–1937
- Kunstbauten des Autobahn-Albabstiegs am Drackensteiner Hang mit „Drachenlochbrücke“, „Lämmerbuckeltunnel“ u. a., 1935–1937
- Teufelstalbrücke bei Hermsdorf (Thüringen), 1936–1938
- Autobahnbrücke über das Lahntal bei Limburg an der Lahn, 1937 (1945 durch die Wehrmacht zerstört)
- Rodenkirchener Autobahnbrücke in Köln-Rodenkirchen, 1938–1941
- Umbau des Ausstellungszentrums in das Opernhaus Opera Sahnesi in Ankara (Türkei), 1947–1948
- Rosenbergbrücke in Heilbronn, 1950
- Wiederaufbau des Opernhauses in Düsseldorf, 1954–1956 (mit Julius Schulte-Frohlinde und Ernst Huhn)
- Wiederaufbau des Stuttgarter Kunstgebäudes, 1955–1956 als letztes Projekt
Literatur
- Paul Bonatz: Leben und Bauen. Stuttgart, Engelhornverlag Adolf Spemann, 1950
- Helmut Gebhard über Paul Bonatz, S. 109–146 in: Winfried Nerdinger: Süddeutsche Bautradition im 20. Jahrhundert. Architekten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. München, Verlag Georg D. W. Callwey, 1985.
- Matthias Roser: Paul Bonatz. Wohnhäuser. Stuttgart, Hatje, 1992. ISBN 3-77570305-5
- Paul Bonatz (1877–1956). Bauten und Projekte im Norden. Begleitveröffentlichung zur Sonderausstellung der Museen der Stadt Delmenhorst Paul Bonatz (1877–1956) – Bauten und Projekte im Norden, vom 24. Juli bis 4. September 2005 in der Mohrmann-Halle am Pferdemarkt in Oldenburg im Rahmen des Projekts Jahrhundertschritt 05, 2006 Historisches Museum Hannover. Hrsg.: Gerd Kaldewei. Delmenhorst: Aschenbeck & Holstein 2005. (Schriften der Museen der Stadt Delmenhorst: Reihe Stadtmuseum. 7) ISBN 3-932292-92-8
- Matthias Roser: Der Stuttgarter Hauptbahnhof. Ein vergessenes Meisterwerk der Architektur. Stuttgart, Silberburg Verlag, 1987. ISBN 3-925344-13-6
- Matthias Roser: Der Stuttgarter Hauptbahnhof. Vom Kulturdenkmal zum Abrisskandidaten? Stuttgart, Schmetterling Verlag, 2008. ISBN 3-89657-133-8
Weblinks
- Literatur von und über Paul Bonatz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Webseite über Paul Bonatz bei archINFORM
- Eintrag über Paul Bonatz bei Structurae
- The Grove Dictionary of Art: Paul Bonatz
- Der Bonatz-Bau auf dem Roser-Areal in Stuttgart
- Paul Bonatz, der Architekt des Mörike Gymnasiums Göppingen
- Ehrenfeld für die Gefallenen des 1. Weltkrieges
- Architekturdatenbank NRW: Bonatz, Paul
- Die Neckar-Staustufen auf Klassische Moderne Baden-Württemberg
- Stadthalle Hannover mit Stadttafel über Paus Bonatz
Personendaten NAME Bonatz, Paul ALTERNATIVNAMEN Bonatz, Paul Michael Nikolaus KURZBESCHREIBUNG deutscher Architekt und Brückenbauer GEBURTSDATUM 6. Dezember 1877 GEBURTSORT Solgne, Moselle (Lothringen) STERBEDATUM 20. Dezember 1956 STERBEORT Stuttgart
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