- Quantenstatistik
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In der Quantenstatistik wird das Verhalten makroskopischer Systeme mit den Methoden der Quantenmechanik untersucht. Ähnlich wie in der klassischen statistischen Physik ist der Ausgangspunkt die Annahme, dass sich das System in einem nicht näher bekannten Mikrozustand befindet.
Inhaltsverzeichnis
Erklärung
Liegt das System in einem Zustand des Hilbertraums vor, spricht man von einem reinen Zustand. In Analogie zum klassischen Ensemble betrachtet man Überlagerungen verschiedener Zustände, die sogenannten gemischten Zustände (semantisch präziser: Zustandsgemische.). Zur Beschreibung des quantenmechanischen Systems benutzt man den sogenannten Dichteoperator (auch Statistischer Operator, Zustandsoperator, oder Dichtematrix genannt):
Die Überlagerung ist inkohärent. Dies drückt sich darin aus, dass nicht die Zustände selbst, sondern die zugehörigen Projektionsoperatoren mit Wahrscheinlichkeiten gewichtet werden. Eine Folge ist, dass Methoden, bei denen Kohärenz gefordert wird, z. B. Quantencomputing oder Quantenkryptographie, nicht leicht im Rahmen der Quantenstatistik beschrieben werden können bzw. durch thermodynamische Effekte erschwert werden.
Für die Quantenstatistik wichtig ist die Existenz identischer Teilchen. Das sind Quantenobjekte, die sich durch keine Messung unterscheiden lassen; mit anderen Worten der für die Quantenphysik grundlegende Hamiltonoperator des Systems (siehe z. B. Mathematische Struktur der Quantenmechanik) muss symmetrisch in den Teilchenvariablen sein, z. B. in den Orts- und Spinfreiheitsgraden des einzelnen Teilchens. Die Vielteilchen-Wellenfunktion ψ(1,2,...,N) muss also unter Vertauschung bis auf einen Faktor vom Betrag 1 [1] invariant bleiben, jeder Operator A kommutiert mit einer Permutation P der Teilchen:
Da jede Permutation aus Transpositionen τij zusammengesetzt werden kann und gilt, ist es sinnvoll nur total symmetrische (τij = 1) oder total antisymmetrische (τij = − 1) Vielteilchenzustände zu betrachten:
Mit anderen Worten: für symmetrische Vielteilchenzustände identischer Teilchen bleibt bei Vertauschen zweier beliebiger Teilchen das Vorzeichen der Gesamtwellenfunktion erhalten, bei antisymmetrischen Vielteilchenzuständen wechselt das Vorzeichen. Das Experiment zeigt, dass die Natur tatsächlich nur solche Zustände realisiert, was am Fehlen von Austauschentartung erkennbar ist. Man bezeichnet diese Tatsache auch als Symmetrisierungspostulat.
Bosonen und Fermionen
Allgemeines
Teilchen, deren Wellenfunktion symmetrisch ist, bezeichnet man als Bosonen, Teilchen mit einer antisymmetrischen Wellenfunktion als Fermionen. Fermionen bzw. Bosonen haben halbzahligen bzw. ganzzahligen Spin (gemessen in Einheiten von , mit dem Wirkungsquantum h). Die Verknüpfung des Teilchenspins mit der Symmetrie der Wellenfunktion bzw. dem Vorzeichen der Wellenfunktion bei Vertauschung zweier Teilchen wird als Spin-Statistik-Theorem bezeichnet. Es wurde aus allgemeinen Prinzipien der relativistischen Quantenfeldtheorie von Wolfgang Pauli bewiesen. Die Fermi-Dirac-Statistik beschreibt die Verteilung von Fermionen auf die Zustände eines Vielteilchensystems, die Bose-Einstein-Statistik entsprechend für Bosonen.
In zwei Dimensionen ist ein Phasenfaktor eiϕ bei Vertauschung denkbar, diese Teilchen werden Anyonen genannt, wurden aber bisher nicht beobachtet. Bei Anyonen können andere rationale Verhältnisse für den Spin auftreten.
Beispiele für quantenstatistische Effekte, d. h. Effekte, bei denen die Vertauschungseigenschaften der Gesamtwellenfunktion eine entscheidende Rolle spielen, sind:
- für Bosonen
- Bose-Einstein-Kondensation
- Supraleitfähigkeit (Cooper-Paare als Bosonen)
- Suprafluidität
- Hohlraumstrahlung schwarzer Körper.
- für Fermionen
- Wärmekapazität von Festkörpern
- Bänderstruktur von Metallen und Halbleitern,
- Zusammenhalt von weißen Zwergen und Neutronensternen gegenüber der Eigengravitation.
Zusammenhang mit dem Drehverhalten der Wellenfunktion
Auch das Drehverhalten der Wellenfunktion ist in diesem Zusammenhang interessant: Für Fermionen gilt, dass sich bei einer räumlichen Drehung um 360o die Wellenfunktion ψ(1,2,...,N) nur um 180o ändert
während sich bei Bosonen die Wellenfunktion reproduziert
Die Vertauschung zweier Teilchen kann durch eine solche 360o-Drehung erfolgen: Teilchen 1 bewegt sich zum Ort 2, z. B. auf der oberen Hälfte einer Kreislinie, während Teilchen 2 sich, unter Vermeidung eines Zusammentreffens, auf der unteren Halbkreislinie zum leer gewordenen Ort von 1 bewegt. Das Ergebnis der Permutationsgleichung passt also zum ungewöhnlichen Drehverhalten fermionischer Wellenfunktionen (mathematische Struktur: siehe Doppelgruppe SU(2) zur gewöhnlichen Drehgruppe SO(3)).
Statistik idealer Quantengase
Zur Herleitung der Statistik idealer Quantengase betrachten wir ein System im großkanonischen Ensemble, d.h. das betrachtete System sei an ein Wärmebad und an ein Teilchenreservoir angekoppelt. Die großkanonische Zustandssumme ist dann gegeben durch
wobei Tr Spurbildung, der Hamilton-Operator und der Teilchenzahloperator ist. Die Spur lässt sich am einfachsten mit gemeinsamen Eigenzuständen zu beiden Operatoren ausführen. Dies erfüllen die sog. Fockzustände . Dabei ist nν die Besetzungszahl des ν-ten Eigenzustands. Dann schreibt sich die Zustandssumme als
Dabei hängt die Energie E von der Gesamtteilchenanzahl N = Σνnν und der Besetzung der jeweiligen Eigenzustände ab. Der ν-te Eigenzustand habe die Energie εν. Dann bedeutet eine nν-fache Besetzung des ν-ten Eigenzustandes einen Energiebeitrag von Eν = nνεν und Gesamtenergie E von EN = ΣνEν. Somit lautet die Zustandssumme
Die zweite Summe läuft über alle möglichen Besetzungszahlen (I = {0,1} für Fermionen, bzw. für Bosonen), deren Summe stets die Gesamtteilchenzahl N ergibt. Da zusätzlich über alle Gesamtteilchenzahlen N summiert wird, kann man beide Summen zusammenfassen, indem die Beschränkung in der zweiten Summe aufgehoben wird:
Die Summe lässt sich für die beiden Teilchensorten auswerten. Für Fermionen erhält man
und für Bosonen
wobei im letzten Schritt die Konvergenz der geometrischen Reihe gefordert wurde. Mit Kenntnis der großkanonischen Zustandssumme lässt sich auch das großkanonische Potential
angeben. Damit lassen sich die thermodynamischen Größen Entropie S, Druck p und Teilchenzahl N (bzw. jeweils die mittleren Größen) erhalten:
Wir interessieren uns hier für die mittlere Besetzungszahl des j-ten Zustandes. Unter Ausnutzung der Relation mit dem Kronecker-Delta δν,j erhält man:
Das ergibt für Fermionen die Fermi-Dirac-Verteilung
und für Bosonen die Bose-Einstein-Verteilung
Zentrale Anwendungen
Die Hauptanwendungen der Quantenstatistik führen zu Beziehungen, die aus der Thermodynamik bekannt sind. Sie beruhen
- auf Gleichungen wie („kanonische Gesamtheit“) oder („großkanonische Gesamtheit“), wobei β = (kBT) − 1 ist, mit der Absoluten Temperatur T und der Boltzmann-Konstante kB, und wobei μ das oben erwähnte chemische Potential ist,
- auf Formeln für die thermodynamischen Erwartungswerte einer Messgröße (einer sog. Observablen), die durch einen hermitischen (präziser: selbstadjungierten) Operator beschrieben wird:
- speziell auf einer Formel für die thermodynamische Entropie (bzw. die analoge Informationsentropie)
Der Formalismus berücksichtigt sowohl die thermodynamischen als auch die quantenmechanischen Phänomene.
Der gerade behandelte Unterschied zwischen Fermionen und Bosonen ist dabei wesentlich: So sind z. B. die quantisierten Schallwellen, die sog. Phononen, Bosonen, während die Elektronen Fermionen sind. Diese beiden Elementaranregungen liefern in festen Körpern ganz unterschiedliche Beiträge zur spezifischen Wärme: der Phononenbeitrag hat eine chakteristische Temperaturabhängigkeit während sich der Elektronenbeitrag verhält, also bei hinreichend tiefen Temperaturen in allen Festkörpern, in denen beide Anregungen auftreten (z. B. in Metallen), stets der dominierende Beitrag ist.
Für diese und ähnliche Probleme kann man oft auch Methoden der Quantenfeldtheorie anwenden, z. B. Feynman-Diagramme. Auch die Theorie der Supraleitung kann man so behandeln.
Literatur
- W. Nolting: Grundkurs Theoretische Physik, Band 7: Viel-Teilchen-Theorie, Springer, Berlin, ISBN 978-3540241171
- derselbe : Grundkurs Theoretische Physik, Band 6: Statistische Physik, Springer, Berlin, ISBN 978-3540688709
- N. W. Ashcroft, D. N. Mermin: Festkörperphysik, Oldenbourg Wissensch.Vlg, ISBN 978-3486577204
- U. Krey, A. Owen: Basic Theoretical Physics - A Concise Overview, einbändig, part 4, Springer, Berlin, ISBN 978-3-540-36804-5
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Wegen der Erhaltung der Wahrscheinlichkeit, die durch |ψ|2 ausgedrückt wird.
- für Bosonen
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