Tupolew Tu-154M

Tupolew Tu-154M
Tupolew Tu-154
Tupolew Tu-154 der Aeroflot
Tupolew Tu-154 der Aeroflot
Typ: Dreistrahliges Standardrumpfflugzeug
Entwurfsland: UdSSR UdSSR
Hersteller: Tupolew PSC
Erstflug: 4. Oktober 1968
Indienststellung: 9. Februar 1972
Produktionszeit: 1968 bis 2006
Stückzahl: 935

Die Tupolew Tu-154 (NATO-Codename: „Careless“) ist ein Verkehrsflugzeug mittlerer Reichweite für 150 bis 180 Passagiere des russischen Flugzeugherstellers Tupolew PSC. Da mehr als 1000 Maschinen gebaut wurden, die in der Variante Tu-154M auch die gegenwärtigen europäischen Lärmrichtlinien Kategorie 3 erfüllen, werden die Maschinen wahrscheinlich noch lange im Einsatz sein.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Jungfernflug der Tu-154 erfolgte 1968. Die Produktion der Maschine wurde im Juni 2006 eingestellt. Von Aeroflot wurde die Tu-154 zuerst 1972 eingesetzt. Nachfolger sind Tu-204 bzw. Tu-214. Das Werk in Samara wird die Ersatzteile noch mindestens 15 Jahre vorhalten.

Insgesamt wurden etwas über 1000 Tu-154 und Tu-154M gebaut. Die letzten drei Tu-154M (zwei für Kuban Airlines, eine für die Regierung der russischen Region Samara) wurden Ende Juni 2006 fertiggestellt, die vorerst letzten Auslieferungen fanden im Juli 2006 statt[1]. Ende Januar 2009 befand sich wieder eine Maschine in der Endmontage im Werk Samara.

Einsatz und Charakteristik

Tu-154M der Rossiya auf dem Flughafen von Antalya.

Die Tupolew Tu-154 flog vor allem für viele Fluggesellschaften Osteuropas und für die Aeroflot. Nur wenige Exemplare waren unter anderem im Nahen Osten in Einsatz. Heute ist sie immer noch das Rückgrat vieler Flotten der kleineren GUS-Fluggesellschaften. Auch in der Aeroflot wird sie noch eingesetzt, vor allem auf den russischen Inlandsrouten.

In Form und Größe gleicht die Tupolew 154 am ehesten der sehr erfolgreichen Boeing 727. Sie hat aber aufgrund des Pflichtenhefts eine etwas andere Auslegung. So sollte sie auf Inlandstrecken sowohl die An-10/12 wie auch die Tu-104 ersetzen, den ersten sowjetischen Passagierjet. Im Gegensatz zu westlichen Flugzeugen hat sie ein sehr robustes Fahrwerk, das den Betrieb auf unbefestigten Pisten erlaubt, und ist für höhere Reisegeschwindigkeiten ausgelegt. Seit der Stilllegung der Concorde ist deshalb die Tu-154 das schnellste in Betrieb befindliche Verkehrsflugzeug. Diese Dreistrahler wurden vor der Entwicklung von ETOPS-Strahltriebwerken auf Strecken eingesetzt, die für vierstrahlige Maschinen unrentabel waren. Seit kurzem sind für die Triebwerke auch Hush-kits erhältlich, welche die Aufrüstung auf die kommende Kategorie 4 ermöglichen. Der höhere Treibstoffverbrauch fällt bei einer existierenden Flotte aufgrund der tiefen Kapitalkosten der Maschinen in der Gesamtrechnung nur bedingt ins Gewicht.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands übernahm die Flugbereitschaft der Bundeswehr zwei Tu-154M aus dem Bestand des Transportfliegergeschwaders 44 (TG 44) der Luftstreitkräfte (LSK) der DDR. Eine Maschine wurde zu einer Aufklärungsmaschine umgebaut (11+02), um über Russland die Abrüstungsverträge im Rahmen von Open Skies zu überwachen, die andere wurde als Transportmaschine genutzt. Erstere ging bei einer Kollision mit einer amerikanischen Transportmaschine vor der Küste Namibias verloren. Alle 24 Besatzungsmitglieder fanden dabei den Tod. Die andere Maschine (ex 11+01) befindet sich aktuell im Besitz der Iran Air Tours.

Konstruktion

Die drei Strahltriebwerke Kusnezow NK-8-2U der Tu-154 mit je 103 kN Schubkraft (Version Tu-154A, B) bzw. Solowjow D-30KP/KU mit 108 kN Schubkraft (Version Tu-154M) sind am Heck angebracht. Je ein Triebwerk ist rechts und links am Heck angeordnet. Diese Triebwerke verfügen zur Verringerung der Landestrecke über ein System der Schubumkehr. Das dritte Triebwerk saugt seine Luft oberhalb des Rumpfes, mittig an der Seitenleitwerkswurzel, an. Der Abgasstrom wird unterhalb des Leitwerkes, im Heck des Flugzeugs, geführt (etwa so, wie es bei der Lockheed L-1011 TriStar geschieht).

Die Tu-154 ist ein freitragender Tiefdecker mit 35° gepfeilten Flügeln (sog. „kritisches“ Tragflächenprofil) in Ganzmetallbauweise mit DREI Holmen. Die beiden dreiachsigen Stützen des Hauptfahrwerks sind für Einsätze auf unbefestigten Pisten ausgelegt und werden nach hinten in eine Fahrwerksgondel, die sich an jeder Tragfläche befindet, eingezogen. Im Gegensatz zu den hydraulisch betätigten Start- und Landeklappen wird die Nasenleiste elektrisch angetrieben.

Tu-154 werden nur sehr selten an ein Gate mit Fluggastbrücke herangefahren, da sich das Bugfahrwerk bei der Be- und Entladung verhältnismäßig schnell auf- und abbewegt. Dies kann der Höhenausgleich der Fluggastbrücke konstruktionsbedingt nicht schnell genug ausgleichen, somit besteht die Möglichkeit, dass das Flugzeug, wie auch schon des Öfteren vorgekommen, beschädigt wird.

Varianten

Es gibt drei Baureihen der Tupolew 154, die sich optisch kaum unterscheiden. Unterschiede sind vor allem in der Technik zu finden. Sichtbar ist bei der Tu-154M am Heck die kreisrunde mittlere Triebwerksöffnung mit einem Abschlussring - bei den Vorgängertypen ist sie von der Seite gesehen leicht nach innen gerundet. Es existieren jedoch auch zwei umgebaute Tu-154 mit außergewöhnlichen Antriebsarten. Wie auch ihr westliches Gegenstück, die Boeing 727, wurden Tu-154 mittlerweile häufig mit Triebwerksschalldämpfern (so genannten Hush Kits) ausgestattet und teilweise auch zum Frachter umgerüstet.

Es gab außerdem eine Reihe von Spezialausführungen, so z. B. als fliegendes Lazarett, für die Kosmonautenausbildung oder als reine Frachtversion.

Tu-154 / Tu-154A / Tu-154B / Tu-154S

Es wurden drei, allesamt durch Kusnezow-Triebwerke angetriebene, Varianten gebaut: Die ursprüngliche Tu-154, die schwerere und mit stärkeren Triebwerken ausgestattete Tu-154A sowie die Tu-154B mit einer weiteren Erhöhung des maximalen Startgewichts. Die Tu-154S ist die Frachtervariante der Tu-154B.

Tu-154M

Tupolew Tu-154M der Air Via

Die heute häufigste Version ist die Tu-154M, deren Erstflug 1982 stattfand. Sie ist mit effizienteren Awiadwigatel Solowjow D-30KU Turbofans ausgestattet. Die Tu-154M ist wesentlich wirtschaftlicher, leiser und zuverlässiger als die vorhergehenden Versionen. Aeroflot erreichte mit ihr fortwährend eine Dispatch Reliability (technische Verfügbarkeit vor dem Start) von 99 %, was auch im Vergleich mit westlichen Flugzeugmustern ein ausgezeichneter Wert ist. Dies ist die einzige Tu-154-Version, welche den europäischen Bestimmungen zum Schutz vor Fluglärm so weit entspricht, dass sie heute noch Ziele in Westeuropa anfliegen darf. Eine modernisierte Tu-154-100 mit Glascockpit wurde nicht mehr gebaut, allerdings flossen einige Modifikationen in die letzten Serienmodelle der Tu-154M ein.

Tu-155/Tu-156

Zu den radikaler angelegten Weiterentwicklungen der Tu-154 zählen die mit Flüssigwasserstoff bzw. Erdgas betriebenen Prototypen Tu-155 und Tu-156. Die Tu-155 basiert auf einer Serien-Tu-154B; ihr rechtes Triebwerk wurde nicht von Kerosin, sondern von Wasserstoff oder Erdgas angetrieben. Ihren ersten Flug mit Flüssigwasserstoff absolvierte die Tu-155 am 15. April 1988, ihren ersten Flug mit Erdgasantrieb am 18. Januar 1989; somit ist sie laut Tupolew das erste erdgasgetriebene Flugzeug der Welt. Die Weiterentwicklung Tu-156 kann alternativ mit Kerosin oder Erdgas betrieben werden, womit sie flexibler wird und mit normalem Kerosin betrieben werden kann, sollte am Flughafen kein Erdgas zur Verfügung stehen.

Technische Daten

Kenngröße Daten
Baujahr(e) 1968 - Juni 2006
Hersteller Tupolew PSC
Spannweite 37,55 m
Länge 47,9 m
Höhe 11,4 m
Flügelfläche 201,5 m²
Startgewicht maximal 100.000 kg (Tu-154M)
Passagiere 160-180
Besatzung 4 und 3 in der Tu-154M
Geschwindigkeit beim Abheben 245 km/h
Reichweitenoptimierte Reisegeschwindigkeit 850 km/h (Tu 154)
Maximale Reisegeschwindigkeit 950 km/h (Tu 154M)
Dienstgipfelhöhe 11.000 m
Reichweite 4.000 km
Triebwerke drei Strahltriebwerke Kusnezow NK-8-2U (Tu-154A und B)
oder Solowjow D-30KP/KU (Tu-154M)

Unfälle

Die genaue Unfallstatistik russischer Flugzeuge ist schwerer zu ermitteln, als die westlicher Typen, da eine diesbezüglich als Referenz geltende Boeing-Statistik diese auslässt. Dies hängt damit zusammen, dass keine gesicherten Informationen über Abstürze vor der Wende existierten, Typen die erst danach in Dienst gestellt wurden hingegen zumeist nur sehr geringe Stückzahlen erreichen. Ein unvollständiger Vergleich ist jedoch über die Website aviation-safety.net möglich.[2] Hiernach liegt die Zahl der Unfälle pro gebautem Flugzeug bei etwas mehr als der Hälfte der gleich alten und in ähnlicher Stückzahl gebauten Boeing 737-100/-200 (61 von ≈1000 gegenüber 104 von ≈1100). Neuere Typen (A320-Familie, Boeing 737-300 und höher, Tu-204/214) kommen auf wesentlich geringere Zahlen (A320 19 von ≈3000, neuere 737 22 von ≈4500, Tu 204 0 von 68). Es fällt zudem ein sehr hoher Anteil an Kollisionen auf, darunter die Flugzeugkollision von Überlingen 2002.

  • 8. Februar 1993: Eine Tu-154 im Charterflug stößt kurz nach dem Start in Teheran mit einer Suchoi Su-24 der iranischen Luftwaffe, die gerade im Anflug war, zusammen. Alle zwölf Besatzungsmitglieder und alle 119 Passagiere kommen ums Leben. [3].
  • 22. September 1993: Bei der Landung in Sochumi wird eine Tu-154 der Transair Georgia von abchasischen Separatisten abgeschossen. 108 von 132 Insassen sterben.
  • 3. Januar 1994: Absturz einer Tu-154 der Baikal Air kurz nach dem Start von Irkutsk Richtung Moskau wegen Triebwerksproblemen. Alle 125 Menschen an Bord und einer am Boden starben.
  • 6. Juni 1994: In Xi'an in der Volksrepublik China stürzte 10 Minuten nach dem Start eine Tu-154 der China Northwest Airlines ab. Alle 160 Menschen an Bord starben.
  • 7. Dezember 1995: Nahe Grossewitschi, Russland stürzt eine Tu-154 der Aeroflot auf dem Weg von Juschno nach Chabarowsk ab. Alle 98 Personen kamen um.
  • 29. August 1996: Eine Tu-154 der russischen Vnukovo Airlines prallte beim Anflug auf Longyearbyen auf Spitzbergen, Norwegen nach zahlreichen Pilotenfehlern gegen einen Berg. Keiner der 141 Menschen an Bord überlebte.[4]
  • 15. Dezember 1997: In Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten stürzt eine Tu-154 aus Tadschikistan kommend wegen zu niedrigen Landeanfluges ab. Von den 86 Insassen überlebte nur einer.
  • 13. September 1997: Über dem Atlantik, rund 120 km westlich von Namibia, kollidierte eine Tu-154 der Deutschen Luftwaffe mit einer Lockheed C-141 Starlifter der US-Luftwaffe. Die deutsche Maschine befand sich in der falschen Flughöhe, was von der Flugkontrolle nicht bemerkt wurde. Alle 24 Menschen an Bord der Tupolew und alle 9 der Starlifter starben.
  • 29. August 1998: Eine Tu-154 der Cubana mit Ziel Guayaquil in Ecuador konnte beim Start keine ausreichende Höhe gewinnen und stürzte in bewohntes Gebiet der Hauptstadt Quito. Bei dem Unglück starben 70 von 90 Menschen im Flugzeug und 10 Anwohner.
  • 24. Februar 1999: In Wenzhou in der Volksrepublik China stürzte eine Tu-154M der China Southwest Airlines beim Anflug auf Wenzhou ab. Alle 61 Menschen an Bord kamen dabei um. Als wahrscheinliche Unfallursache gilt ein fehlerhaftes Bauteil der Höhenrudersteuerung.
  • 3. Juli 2001: Eine Tu-154 der Vladivostok Avia stürzte beim 3. Anflugversuch auf Irkutsk in Russland aufgrund eines Pilotenfehlers ab. Alle 145 Menschen an Bord starben.
  • Am 4. Oktober 2001 wurde eine Tupolew-154, unterwegs von Tel Aviv nach Nowosibirsk, versehentlich von einer Rakete der ukrainischen Marine abgeschossen. An Bord der Maschine waren 65 Passagiere sowie zwölf Mann Besatzung. Anfangs vermuteten staatliche Stellen einen Terrorakt, später wurde der Fehlschuss einer SA-5 Gammon Boden-Luft-Rakete bei einem Militärmanöver bestätigt.
  • 12. Februar 2002: Eine Tu-154 stößt im Landeanflug auf die iranische Stadt Khorramabad gegen das Sefid Kouh Gebirge. Zu diesem Zeitpunkt herrschten vor Ort schlechte Sichtverhältnisse und starker Regen so wie Schnee. Bei dem Unfall kommen sämtliche zwölf Besatzungsmitglieder und 107 Passagiere ums Leben.[5]
  • 1. Juli 2002: Eine russische Tu-154 und eine 757 Frachtmaschine der DHL stoßen in 11.000 m Höhe über dem Bodensee bei Überlingen zusammen und stürzen ab. Es gibt 71 Tote. Als Ursache wurde ein Fehler der zuständigen schweizerischen Luftüberwachung Skyguide angegeben. Es ist das schwerste Flugzeugunglück über Deutschland in neuerer Zeit; siehe Hauptartikel Flugzeugkollision von Überlingen.
  • 26. August 2004: Absturz einer Tupolew Tu-134 der Fluglinie Wolga-Awiaexpress von Moskau-Domodedovo nach Wolgograd nahe Tula und fast zeitgleicher Absturz einer Tu-154 der Sibir Airlines vom selben Flughafen in Richtung Sotschi nahe Rostow am Don. Beide Flugzeuge russischer Herkunft werden von offenbar tschetschenischen Rebellen entführt und in der Luft gesprengt. 89 Passagiere finden den Tod.
  • 22. August 2006: In der Ukraine stürzt eine Tu-154 der russischen Gesellschaft Pulkovo auf dem Weg von Anapa nach Sankt Petersburg ab. An Bord waren 170 Menschen. Quelle:russland-aktuell, sda


  • 1. September 2006: Eine Tu-154 der Gesellschaft Iran Air Tours mit 148 Insassen fängt bei der Landung in Maschhad (Nordostiran) Feuer, nachdem ein Reifen geplatzt war und die Maschine unkontrollierbar über die Landebahn rutscht. 29 Personen starben.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Aviakor ends Tupolev Tu-154M production after fulfilling last order“ (30. Juni 2006)
  2. http://aviation-safety.net/database/type/index.php?type=jet
  3. aviation-safety 8.2.1993
  4. Olaisen, B.; Stenersen, M. & Mevåg, B. (1997): Identification by DNA analysis of the victims of the August 1996 Spitsbergen civil aircraft disaster. Nature Genetics '15': 402-405.
  5. aviation-safety 22.12.2002



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