- Chance 2000
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Christoph Maria Schlingensief (* 24. Oktober 1960 in Oberhausen) ist ein deutscher Film- und Theaterregisseur, Hörspielautor, Aktionskünstler und Talkmaster.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Christoph Schlingensief wurde am 24. Oktober 1960 als Sohn eines Apothekers und einer Kinderkrankenschwester in Oberhausen geboren. Geprägt wurde er unter anderem von seinem Einsatz in der Katholischen Jugend und als Ministrant. Schon früh veranstaltete er im Keller seiner Eltern „Kulturabende“. Damals noch junge Künstler wie Helge Schneider oder Theo Jörgensmann traten dort auf. Bereits mit zwölf Jahren begann Christoph Schlingensief mit Schmalfilmen zu experimentieren.
Nach Abschluss der Schule mit Abitur studierte er ab 1981 in München Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. In dieser Zeit versuchte er sich als Musiker (Vier Kaiserlein, unter anderem mit Tobias Gruben) und begann dann seine Karriere als Filmregisseur. Als Assistent von Werner Nekes produzierte er seine ersten Kurzfilme. Sein erster Spielfilm war „Tunguska – Die Kisten sind da“ im Jahr 1983.
Von 1983 bis 1986 hatte Schlingensief Lehraufträge an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und an der Kunstakademie Düsseldorf. 1986 bis 1987 war er dann der erste Aufnahmeleiter der TV-Serie Lindenstraße, 1988 produzierte er das Fernsehspiel „Schafe in Wales“ für das ZDF. Es folgten provozierende Spielfilme, zum Beispiel seine Deutschlandtrilogie („100 Jahre Adolf Hitler- Die letzte Stunde im Führerbunker“ (1989), „Das deutsche Kettensägenmassaker“ (1990) und „Terror 2000“ (1992)) mit welcher er erstmals größere Bekanntheit als Regisseur erlangte.
Seine Karriere als Theaterregisseur begann Schlingensief 1993 mit dem Stück „100 Jahre CDU – Spiel ohne Grenzen“ an der Volksbühne Berlin. Zwischen 1993 und 2006 verwirklichte er zahlreiche Projekte innerhalb und außerhalb des Theaters. Bei dem für die Berliner Volksbühne inszenierten Stück „Rocky Dutschke, 68“ arbeitete Schlingensief erstmals mit Menschen mit einer geistigen Behinderung, gelernten Schauspielern und Laien gemeinsam. Seit 2004 folgten Operninszenierungen in Bayreuth und Manaus.
1997 wurde er bei seiner Kunstaktion „Mein Filz, mein Fett, mein Hase“ auf der documenta X in Kassel von der Polizei festgenommen, da er ein Schild mit der Aufschrift „Tötet Helmut Kohl“ verwendete. Im 1998er Schattenkabinett von APPD-„Kanzlerkandidat“ Karl Nagel war Schlingensief als Bundesminister für „Rückverdummung“ vorgesehen. [1] Er gründete aber im selben Jahr die Partei Chance 2000 und zog mit ihr in den Bundestagswahlkampf.
Ende 1997 wurden im Programmfenster Kanal 4 acht Folgen der Talkshow Talk 2000 ausgestrahlt, in der Schlingensief jeweils ein bis zwei Gäste (u. a. Hildegard Knef, Harald Schmidt, Ingrid Steeger und Gotthilf Fischer) interviewte.
Anfang 2008 wurde bei Schlingensief Lungenkrebs diagnostiziert. [2] Infolge seiner Krankheit wurde ihm die linke Lunge entfernt.[3] Im Dezember 2008 wurden in der verbliebenen rechten Lunge neu entstandene Metastasen diagnostiziert.[4]
Im Februar 2009 war er Jurymitglied der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale).[5]
Im April 2009 wurde er vom Kulturminister von Niedersachsen, Lutz Stratmann, auf die Professur für „Kunst in Aktion“ an die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig für die nächsten fünf Jahre berufen.[6]
Im April 2009 stellte Schlingensief das Projekt "Krank und Autonom" vor, das das Ziel verfolgt, ein Netzwerk von Erkrankten aufzubauen, welches Erkrankte dabei unterstützen soll, in der ersten Zeit nach ihrer Diagnose, ihre Autonomie zu bewahren und sie darin zu bestärken sich nicht aufgrund ihrer Krankheit aufzugeben.
Aktionen
Seine Theater-Performance im Bundestagswahlkampf 1998, die Gründung der Partei Chance 2000, kann als Versuch gesehen werden, die Grenze zwischen Kunst und Politik zu verwischen. Der mediale Höhepunkt war die Einladung an alle vier Millionen deutschen Arbeitslosen, gleichzeitig im Wolfgangsee zu baden, ihn zum Überlaufen zu bringen und dadurch das Urlaubsdomizil von Helmut Kohl zu fluten. Dies war für den damaligen Bürgermeister von Salzburg Josef Dechant Grund genug, die Aktion zu verhindern. Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 25. Juni 1998: „Der Bürgermeister und Kulturreferent der Stadt Salzburg, Josef Dechant, hat das Kulturfestival Szene Salzburg aufgefordert, ein geplantes Chance 2000 Projekt Schlingensiefs abzusagen. Andernfalls würden Subventionen in Höhe von 500.000 Mark einbehalten.“ Das Kulturfestival beugte sich der Zensur. Laut der Berliner Zeitung vom 25. Juni 1998 wäre der Wasserspiegel aber nur um 2 cm angestiegen, viel zu wenig, um das Haus von Helmut Kohl unter Wasser zu setzen.[7] Statt vier Millionen kamen immerhin etwa Hundert. Die Partei nannte Schlingensief die Partei der Arbeitslosen und von der Gesellschaft Ausgegrenzten. Ihr Wahlslogan hieß „Scheitern als Chance!“.
Im Jahr 2000 installierte Schlingensief im Rahmen der Wiener Festwochen einen Container, der als Vorbild die TV-Show Big Brother hatte und in dem sich Asylsuchende befanden. Durch Abstimmungen konnte das Publikum entscheiden, welcher Teilnehmer den Container und das Land verlassen musste.
Siehe Ausländer raus! Schlingensiefs Container.
Theater
Durch die Aufmerksamkeit, die seine vorangegangenen Projekte an der Volksbühne Berlin erfuhren, wurde er zu Produktionen an den großen Schauspielhäusern in Hamburg, Zürich und Wien eingeladen.
Auszeichnungen
- 1985 Nordrheinwestfälischer Produzentenpreis für Tunguska – Die Kisten sind da
- 1986 Förderungspreis des Landes Nordrhein-Westfalen
- 1987 Förderpreis zum Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft der Stadt Mülheim an der Ruhr
- 2005 Filmpreis der Stadt Hof
- 2007 Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft
- 2009 Berliner Bär (BZ-Kulturpreis)
Kritik
1997 nannte ihn der Kritiker C. Bernd Sucher in der Süddeutschen Zeitung noch euphorisch „einen der letzten Moralisten unter den deutschen Theatermachern“, der nicht um der Provokation willen provoziere, sondern „trotzig wie ein Kind und starrsinnig wie ein Weiser auf die herrschenden Verhältnisse“ reagiere. Dies bestritten in den darauffolgenden Jahren einige Kritiker, die dem Aktionskünstler Provokation um der Provokation willen nachsagten. Der „Schlingensief´sche Verwertungskosmos“, so René Hamann in der taz vom 17. Januar 2007, „diese sich selbst verdauende Referenzhölle“, mache Kritiker zu Frontberichterstattern. Hamanns Fazit: „Aber um Erkenntnis, Sichtung, Licht geht es bei Schlingensief schon lange nicht mehr.“
Werkübersicht
Filme (Regie)
- 1977: Mensch Mami, wir dreh'n 'nen Film
- 1982: Wie würden Sie entscheiden?
- 1982: Für Elise
- 1983: Die Ungenierten kommen – What happened to Magdalena Jung?
- 1983: Phantasus muss anders werden – Phantasus go home
- 1984: Tunguska - Die Kisten sind da (mit Alfred Edel und Irene Fischer)
- 1985: Menu Total
- 1986: Die Schlacht der Idioten
- 1986: Hymen 2 – Menu Total (mit Helge Schneider, Anna Fechter)
- 1986: Egomania – Insel ohne Hoffnung (mit Tilda Swinton)
- 1988: Schafe in Wales (TV)
- 1988: Mutters Maske (mit Helge Schneider)
- 1989: 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker
- 1991: Das Deutsche Kettensägen Massaker (mit Rainald Schnell)
- 1992: Terror 2000 - Intensivstation Deutschland
- 1994: Tod eines Weltstars – Udo Kier (TV)
- 1994: 00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter (Co-Regie)
- 1996: United Trash
- 1997: Die 120 Tage von Bottrop
- 2004: Freakstars 3000
- 2005: African Twintowers
Filme (Schauspieler)
- 1982: Für Elise
- 1983: Phantasus muss anders werden – Phantasus go home
- 1984: Tunguska – Die Kisten sind da
- 1992: Terror 2000 – Intensivstation Deutschland
- 1992: Gossenkind
- 1993: Domenica
- 1994: Tod eines Weltstars – Udo Kier (TV)
- 1994: Abschied von Agnes
- 1996: United Trash
- 1997: Silvester Countdown
- 1997: Die 120 Tage von Bottrop
- 2003: Hamlet X
- 2004: Freakstars 3000
- 2004: Silentium
Fernsehen
- 1992: Udo Kier - Tod eines Weltstars (WDR)
- 1997: Talk 2000 (VOX)
- 2000: U 3000 (MTV)
- 2002: Freak Stars 3000 (VIVA)
- 2002/04: Durch die Nacht mit... (ZDF/ARTE)
Theater (Auswahl)
- 1993: 100 Jahre CDU - Spiel ohne Grenzen (Volksbühne Berlin)
- 1994: Kühnen ‘94 - Bring mir den Kopf von Adolf Hitler (Volksbühne Berlin)
- 1995: Hurra, Jesus! Ein Hochkampf! (Steirischer Herbst, Graz)
- 1996: Rocky Dutschke '68 (Volksbühne Berlin)
- 1997: Schlacht um Europa I - XLII (Volksbühne Berlin)
- 1998: Artisten in der Zirkuskuppel - Ratlos (Volksbühne Berlin)
- 2001: Berliner Republik (Volksbühne Berlin)
- 2001: Erster imaginärer Opernführer (Zusammen mit Alexander Kluge, Volksbühne Berlin)
- 2001: Hamlet (nach William Shakespeare, Schauspielhaus Zürich)
- 2001: Rosebud (Volksbühne Berlin)
- 2002: Quiz 3000 - Du bist die Katastrophe (Volksbühne Berlin)
- 2003: ATTA ATTA - Die Kunst ist ausgebrochen (Volksbühne Berlin)
- 2003: Bambiland (nach Elfriede Jelinek, Burgtheater, Wien)
- 2004: Attabambi-Pornoland (nach Elfriede Jelinek, Schauspielhaus Zürich)
- 2004: Kunst und Gemüse (Einladung zum Berliner Theatertreffen, Volksbühne Berlin)
- 2005: Fickcollection, A. Hipler (Deutschlandweite Theatertournee)
- 2005: African Twintowers - der Ring 9/11 (Namibia)
- 2006: Area 7 Matthäusexpedition (Burgtheater, Wien)
- 2006: Kaprow City (Volksbühne Berlin)
- 2008: Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir (Gebläsehalle im Landschaftspark Duisburg-Nord)
- 2008: Der Zwischenstand der Dinge (Gorki Studio, Berlin)
- 2009: Mea Culpa - eine ReadyMadeOper (Burgtheater, Wien)[8]
Aktionen
- 1997: Mein Filz, mein Fett, mein Hase – 48 Stunden Überleben für Deutschland (Documenta X, Kassel)
- 1997: Passion Impossible – 7 Tage Notruf für Deutschland (Deutsches Schauspielhaus, Hamburg)
- 1998: CHANCE 2000 – Wahlkampfzirkus, Wahlkampf, Baden im Wolfgangsee, Wahlkampftournee
- 1998: 7 Tage Entsorgung für Graz
- 1999/2000: Deutschlandsuche '99
- 2000: Bitte liebt Österreich (Wiener Festwochen)
- 2002: Aktion 18 – Tötet Politik!
- 2003: Church of Fear (Biennale Venedig)
- 2004: Wagner-Rallye (Ruhrfestspiele Recklinghausen)
- 2005: Der Animatograph (Island/Deutschland, Reykjavik Arts Festival)
- 2006: Chickenballs – Der Hodenpark (Museum der Moderne, Salzburg)
Oper
- 2004 - 2007: Parsifal (Bayreuther Festspiele)
- 2007: Der Fliegende Holländer (Teatro Amazonas Manaus, Brasilien)
- 2007: Freax (Oper von Moritz Eggert im Rahmen des Internationalen Beethovenfestes Bonn)
- 2008: Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna, Oper von Walter Braunfels (Uraufführung),Deutsche Oper Berlin
- 2009: Mea Culpa, eine Readymade Oper, Burgtheater, Wien
Ausstellungen
- 2006: Ragnarök, Installation des Animatographen (Museum der Bildenden Künste Leipzig)
- 2007: 18 Bilder pro Sekunde (Haus der Kunst München)
- 2007: Querverstümmelung (Migros Museum Zürich)
- 2007: Trem Fantasma, Installation einer Operngeisterbahn (Sao Paulo, Brasilien)
- 2008: Stairlift to Heaven, Installation im Rahmen der Ausstellung Double Agent (ICA London)
- 2008: Der König wohnt in mir (Kunstraum Innsbruck)
- 2008: Innocence 1965–2008, im Rahmen der Ausstellung "To Burn Oneself With Oneself - The Romantic Damage Show" (De Appel, Amsterdam)
- 2008: mozartballs, my first homosexual production (Galerie Thiele Linz)
- 2008: Trace du Sacré (Centre Pompidou)
- 2008: Medium Religion (Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe)
Hörspiele (Auswahl)
- 1997: Rocky Dutschke '68 (WDR)
- 1999: Lager ohne Grenzen. Europäische Benefizveranstaltung gegen den Krieg (WDR/DLR)
- 2002: Rosebud (WDR)
Bücher und CDs (Auswahl)
- "Engagement und Skandal", Gespräch zwischen Josef Bierbichler, Christoph Schlingensief, Harald Martenstein und Alexander Wewerka, Mit einem Essay von Diedrich Diederichsen, 1998, Alexander Verlag
- "Zum Kapital - Als Christoph Schlingensief das Unsichtbare gesucht hat." Johannes Stüttgen / Christoph Schlingensief. 2000, FIU-Verlag
- "Nazis rein / Nazis raus". Torsten Lemmer / Christoph Schlingensief. 2002, Suhrkamp
- "Rosebud". 2002, Kiepenheuer & Witsch
- "Schlingensiefs Freakstars 3000". Christoph Schlingensief. Audio-CD, 2002, DHV Der Hörverlag
- "Rosebud". Audio-CD, ausgezeichnet mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden, 2004, Patmos
- "Räumungen - Von der Unverschämtheit, Theater für ein Medium der Zukunft zu halten". Mit Beiträgen von Christoph Schlingensief, Matthias Hartmann, Albert Ostermaier u. v. a., 2000, Alexander Verlag Berlin
- "Ausbruch der Kunst. Politik und Verbrechen". Band II. Carl Hegemann (Hg.). Mit Josef Bierbichler, Bazon Brock, Boris Groys, Thomas Hausschild, Carl Hegemann, Peter Nadas, Christoph Schlingensief, Peter Sloterdijk, Frank-Patrick Steckel und Peter Weibel, 2004, Alexander Verlag
- "AC: Church of Fear". Christoph Schlingensief. Katalog zur Ausstellung im Museum Ludwig Köln, Interviews von Hans Ulrich Obrist und Alice Koegel, Text von Jörg van der Horst, 2005, Verlag der Buchhandlung König
- "So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! - Tagebuch einer Krebserkrankung", Christoph Schlingensief 2009, Kiepenhauer & Witsch. ISBN 978-3-462-04111-8
Weblinks
- Christoph Schlingensief in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Literatur von und über Christoph Schlingensief im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Webpräsenz
- Blog von Christoph Schlingensief
- Christoph Schlingensief im Alexander Verlag Berlin - TheaterFilmLiteratur
- Interview auf www.schnitt.de
- “Ich habe keinen Bock auf Himmel”, Interview, Spiegel Online, 15. Dezember 2008
Quellen
- ↑ Das Schattenkabinett der APPD
- ↑ Und was ist jetzt mit Gott?, tagesspiegel, 9. September 2008
- ↑ "Ich kann nicht sagen, ich habe den Krebs besiegt", Spiegel Online, 9. September 2008
- ↑ Es sieht nicht gut aus, express, 14. Dezember 2008
- ↑ http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-39503-9.html
- ↑ „Hochschule für Bildende Künste Braunschweig beruft Schlingensief zum Professor“, shortnews, 8. April 2009
- ↑ "Muß Kohl nach Hause fahren?", Berliner Zeitung, 25. Juni 1998
- ↑ „Jubel um Schlingensief-Abend im Burgtheater “, Kleine Zeitung, 20. März 2009
Personendaten NAME Schlingensief, Christoph KURZBESCHREIBUNG deutscher Film- und Theaterregisseur, Hörspielautor und Aktionskünstler GEBURTSDATUM 24. Oktober 1960 GEBURTSORT Oberhausen
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